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While my Microphone gently wheeps Test

Ich kann euch beruhigen, euer Gedächtnis funktioniert prächtig. Der Name des bekannten Beatles-Songs lautet natürlich tatsächlich “While my Guitar gently wheeps”. Das Wortspiel erscheint aber angebracht, wenn man weiß, wozu der Vocalist in der Lage ist: Er kann aus einem Mikrofonsignal bis zu vier Harmoniestimmen generieren, deren Tonhöhe durch die auf der Gitarre gespielten Akkorde gesteuert wird! Laut Hersteller muss man also nur noch ins Mikrofon singen, auf der Gitarre spielen,  und fertig ist der Background-Chor. Auf der Verpackung steht: “No complicated programming. Just play a chord and sing”. Wir checken, ob Digitech da nicht zu viel versprochen hat.

Alle Harmonie-Prozessoren für Gesang sind ungemein praktisch. Dank ihrer Hilfe muss nicht Stimme für Stimme auf bestehende Akkorde angelegt werden, die Studioaufnahme im Step-By-Step-Verfahren lässt sich oft ebenfalls umgehen. Im Live-Betrieb können sich die vielleicht gesanglich unbegabteren Musiker voll und ganz ihrem Instrument widmen statt mühsam Chorstimmen in das Mikrofon pressen zu müssen. Fast alle Prozessoren haben jedoch einen gravierenden Nachteil: In unter Umständen recht aufwändiger Vorarbeit muss das für die einzelnen Stimmen zugelassene Harmonie-Raster programmiert, zumindest aber das jeweilige Intervall angegeben werden. Das Problem: Schon innerhalb gängiger Standard-Akkordverbindungen können bei einem Akkord andere Skalen “zugelassen” sein als beim nächsten. Die Folge daraus ist „Ausprobieren“ und das damit verbundene ausgiebige Herumfummeln am Gerät. Im Proberaum hat da niemand Lust zu. Zumal die Gitarristen dieser Welt ohnehin regelmäßig böse Blicke von ihren Mitmusikern ernten, wenn sie mal wieder minutenlang an ihrem Sound feilen, mit grübelnder Miene auf eines ihrer vielen Displays starren, und dadurch die gesamte Band aufhalten
Digitechs Zielgruppe für den Vocalist Live 4 ist somit klar: Live spielende Gitarristen, die die Lead-Vocals statt mit einer Stimme mit insgesamt bis zu fünf Stimmen unterstützen wollen, ohne sich dabei in komplizierter Programmierung zu verlieren. Neben dem Live 4 hat der Hersteller den kleineren, nur zweistimmigen Vocalist Live 2 im Programm sowie das 19-Zoll-Gerät Vocalist Live Pro, welches unter anderem mit Lexicon-Hall und Analyse von Keyboard-Signalen oder MIDI-Daten aufwartet.

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AUFBAU UND ANSCHLÜSSE
Der Vocalist Live 4 ist ein Gerät im Floorboard-Format, ergänzt also den Fuhrpark an Effekten, den sich viele Gitarristen vor die Füße stellen. Das Gehäuse wurde aus dünnem Blech gefertig, das durch eine entsprechende Oberflächen-Behandlung silbrig schimmert. Würde im Handbuch und auf der Internetseite des Herstellers nicht “stabiles Metallgehäuse” stehen, ich hätte auf Plastik getippt. Vier Fußtaster dienen zur Steuerung im Betrieb, die Einrichtung erfolgt in erster Linie mit Hilfe einer einfach zu verstehenden Editiermatrix aus Drehreglern und “Up/Down”-Tastern. Die insgesamt acht Regler und sieben Taster machen allerdings nicht unbedingt den solidesten Eindruck. Das 13-stellige LED-Display hat ausreichend Leuchtkraft, um den User auch auf voll ausgeleuchteten Bühnen zu informieren.

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Die Rückseite des Vocalist Live 4 zeigt, dass Digitech für die Stromversorgung die übliche, aber nicht sonderlich beliebte Lösung des externen Netzteils gewählt hat. Aber das Ganze ist nicht komplett unpraktisch. Gerade wenn man den  Vocalist in entsprechend vorbereiteten Floorboards fixieren möchte, in denen sich häufig „serienmäßig“ eine zentrale Versorgung mit Niederspannung findet, macht die Art der Stromversorgung wieder Sinn. Allerdings hätte Digitech dem Vocalist  zumindest eine Arretiermöglichkeit für den winzigen Stecker spendieren können – zumal die Unterbrechung der Verbindung einen Totalausfall des Musikers (Mikrofon- und Gitarren-Signal) zur Folge hätte!

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Der XLR-Mikrofon- oder der unsymmetrische Line-Eingang werden über ein kleines, unbeschriftetes Poti gepegelt, eine Phantomspeisung für Kondensator-Mikrofone ist zuschaltbar. Unsichtbar und nicht abschaltbar ist der Limiter hinter dem Mikrofon-Preamp, der ein Überfahren des A/D-Wandlers verhindern soll. Die Wandlung in die digitale Welt erfolgt mit einer Frequenz von 44,1 kHz, die Quantisierung beträgt 24 Bit, was gegenüber 16 Bit vor allem einen besseren Störspannungsabstand bedeuten kann. Wer mag, kann über eine Mini-Klinkenbuchse einen MP3-Player oder vergleichbares anschließen. Mittels eines Expression-Pedals lässt sich ein auswählbarer Parameter steuern, beispielsweise Dry/Wet. Einen MIDI-In sucht man beim Vocalist leider vergebens. Schade, denn es wäre äußerst vorteilhaft, wenn man per MIDI-Control-Change die Werte fernsteuern und per Program-Change Speicherplätze aufrufen könnte. Ein Verbund mit einem Sequenzer würde dann automatisierte Änderungen erlauben und dem Sänger/Gitarristen den Rücken für wichtigere Dinge freihalten (eben Gitarre spielen, singen und vielleicht auch etwas herumposen). Der Hochimpedanz-Eingang für das Gitarrensignal ist mit einem Ground-Lift ausgestattet, um eventuell auftretendes Brummen zu unterbinden. Das Signal verlässt den Digitech Vocalist über die nebenliegende Thru-Buchse wieder und kann so an den Verstärker oder weitere Effekte versendet werden. Es ist also möglich, das Gitarrensignal ausschließlich zur Tonhöhen- und Akkorderkennung durch den Vocalist zu schicken ohne das Signal zu bearbeiten. Verständlich: Schließlich wollen die vielen Pedale auch benutzt werden! Wer mag, kann jedoch das Gitarrensignal auch im Digitech bearbeiten.
Als Outputs stehen ein XLR- und ein symmetrisches Klinkenbuchsen-Pärchen zur Verfügung. Wer den Vocalist mit Kopfhörern benutzen möchte, muss sich leider mit einer Mini-Klinkenbuchse zufrieden geben. Viele professionelle Kopfhörer haben einen 6,3mm-Klinkenstecker. Möchte man diesen anschließen, ist ein großer Adapter vonnöten. Mit dem hohen Gewicht einer derartigen Konstruktion dauert es dann oft nicht lange, bis man die Buchse von der Platine gehebelt hat.

Wie mittlerweile üblich, weist das Handbuch die Anschluss-Möglichkeiten grafisch aus. Das ist vor allem all jenen Usern eine große Hilfe, denen die ganzen technischen Bezeichnungen nicht allzu viel sagen. Schade ist allerdings, dass der Bodentreter das Mikrofonsignal nicht splittet und einen “Mic Thru” auf der Rückseite vorzuweisen hat, mit dem man bei Bedarf das unbearbeitete Signal zu einem anderen Preamp und in weitere Prozessoren schicken könnte. Mit dem Gitarrensignal ist das möglich, das Splitten von Mikrofonsignalen benötigt aber andere Bauteile und ist daher leider um einiges teurer!

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FUNKTIONSUMFANG UND BEDIENUNG
In erster Linie ist der Digitech Vocalist Live 4 ein System, welches aus einer Gesangsstimme Chorstimmen generiert. Dazu ist natürlich ein Mikrofon-Vorverstärker notwendig, dessen Bedienung sich im Grunde auf den Gain beschränkt. Die bis zu vier Harmoniestimmen können vom anliegenden Gitarrensignal abhängig gemacht werden und in den Intervallen Terz, Quinte oder Oktave über oder unter der Hauptstimme liegen. Auch das Intervall Prime ist möglich (zur Doppelung). Digitech nutzen für die Erkennung der Tonhöhen des Gitarrensignals die “musIQ”-Technologie des Unternehmens „3dB Research“. Wie nebenbei bietet der Vocalist auch die Möglichkeit, Tonhöhenkorrekturen der Hauptstimme anzuwenden und diese mit Effekten zu versehen (Reverb, Delay, Compressor, EQ und Modulationseffekte). Das Ergebnis kann klingen wie in diesem Soundbeispiel:

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Beispiel mit Gitarre

Die Speicherorganisation ist denkbar einfach: Mit den beiden rechten Fuß-Schaltern werden die Programm-Speicherplätze ausgewählt (Up und Down), in denen sämtliche Harmoniestimmen- und Effektparameter abgelegt sind. Neben 50 User-Plätzen gibt es auch 50 Presets, die sich nicht zuletzt hervorragend zum Kennenlernen der Möglichkeiten eines Geräts nutzen lassen. Schön einfach funktioniert auch die Editierung der Programme. Auf der Gehäuseplatte sind die verfügbaren Parameter in einer XY-Matrix aufgedruckt. Mit den Edit-Up-Down-Tasten wird die Zeile ausgewählt, mit den darüber liegenden Potis der Wert eingestellt. Bei der ersten Benutzung bin ich sehr schnell die Zeilen durchgegangen und hatte den Eindruck, als käme das Display mit der Darstellung nicht hinterher, müsste also meine angefragten Parameter noch abarbeiten, nachdem ich schon längst aufgehört hatte, zu drücken. Aber: It´s not a bug, it´s a feature! Wird eine Zeile ausgewählt, “liest” der Digitech die eingestellten Parameter auf dem Display vor. Eine einfache, praktische (und nicht zuletzt preiswerte) Möglichkeit, mit dem altbekannten Problem der Mehrfachbelegung umzugehen. Einige Parameter sind jedoch nicht in der Matrix zugänglich, sondern liegen im Direktzugriff. Zum Einen wäre da die Analyse des Gitarrensignals, die sich mit dem Schalter MusIQ ausschalten lässt. Stattdessen kann man in diesem Fall mit der darüber liegenden Harmony Control den Grundton der Skala fest vorgeben und mit Major/Minor das Tongeschlecht (also Dur oder Moll) festlegen. Zum Anderen werden Vocal-, Harmony und Guitar-Level separat und programmunabhängig durch Potis eingestellt. Gefällt eine Einstellung, kann der Parametersatz mit Store auf einen User-Speicherplatz abgelegt werden, nachdem man sich einen Namen für das Ganze ausgedacht hat. Einige wenige Parameter wie die Zuweisung des externen Expression-Pedals werden im Utility-Menü getätigt (beide Edit-Taster gleichzeitig).

Die Bedienung erfolgt in einer Matrix. Mit den Tasten oben links wählt man die Zeile, mit den Potis ändert man den aufgedruckten Parameter (click to enlarge).
Die Bedienung erfolgt in einer Matrix. Mit den Tasten oben links wählt man die Zeile, mit den Potis ändert man den aufgedruckten Parameter (click to enlarge).

 Als kleinen Bonus erhält der Gitarrist ein Stimmgerät – wenn das Gerät sowieso die Pitches der Gitarrensaiten untersuchen muss, dann liegt das ja auch wirklich nahe. Im Betrieb lassen sich mit den linken beiden Fuß-Schaltern die Effekte und die Harmonie-Stimmen auf Bypass schalten. Wird der linke Schalter lange gedrückt, aktiviert sich der Tuner.

Die Effektsektion wartet mit Standard-Parametern auf, die sich auf das Notwendigste beschränken. Stellenweise geht dies aber ein bisschen zu weit. So ist etwa das Gate nur mit dem Threshold einstellbar – weitere Parameter wie Zeitwerte, Range und Hysterese gibt es nicht. Gut ist allerdings, dass der User aus verschiedenen Preamp-Modellen auswählen und dadurch wahlweise Clean-Sound, Röhrensättigung oder scharfe Transistor-Verzerrung zum Einsatz bringen kann.
Die Tonhöhen-Korrektur ermöglicht die Auswahl der Skala, deren Ziel-Tonhöhen zugelassen sind. Neben den üblichen Verdächtigen findet man hier auch Exoten wie die Ganztonskala, eine arabische und eine ost-asiatische Skala, die Kirchenton-Modi (selbst lokrisch, was niemand wirklich benutzt) und Single Note, um “Robotic Voices” zu generieren. Zudem lassen sich Korrektur-Stärke und -Schnelligkeit sowie das Tonhöhen-Fenster einstellen, in dem der Gesang korrigiert wird. Das System arbeitet – wie auch der Tuner- fest mit a=440Hz, andere Tunings wie a=442Hz sind nicht einstellbar. Bei Chorstimmen lässt sich unter anderem der Charakter einstellen. Die plakativen Namen wie Elf, Opera, Granny, Robo und Sheep (“Bääh”) versteht sofort jeder, denn sie beschreiben die entstehende Stimme sehr gut. Anspieltipp: Heulsuse Elvis!

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Effekte für die Stimme

Das Voicing regelt die Intervalle zur (korrigierten) Hauptstimme. Allerdings sollte man sich mit den Abkürzungen vertraut machen oder das Handbuch zu Rate ziehen: 30 3D 3D 3U5U ist nach meiner Ansicht nicht unbedingt selbsterklärend. Anders als bei vielen anderen Geräten kann man hier nur Sets wählen, also keine Intervalle für die einzelnen Stimmen frei einstellen. Immerhin werden die Terzen je nach Bedarf (Gitarrensignal) groß oder klein gestellt. Für einen Großteil an Anwendungen, also einfache Chorsätze ist diese Einstellmöglichkeit sicher ausreichend, aber wer schon einmal ausführlich Stimmen arrangiert hat, wird gerne mehr Einflussmöglichkeiten haben wollen. Quarte, Sexte, Dezime, Tritonus? Geht nicht! Somit funktioniert die Harmoniestimmen-Generierung zwar immer sicher, aber doch nur recht “langweilig”. Mit den Voice Styles lassen sich voreingestellte Pitch-Time-Einstellungen wie “Gospel” aufrufen. Reverb und Delay runden die Bearbeitungssektion ab. Auch hier gibt es “Brot-und-Butter”-Parameter.
Das Gitarrensignal kann bei Bedarf durch eine eigene Effektsektion geschickt und über einen globalen Regler dem Line-Out-Signal zugemischt werden. Diese Sektion ermöglicht ein Verhallen mit dem identischen Algorithmus der Stimme und den Einsatz eines unabhängigen Modulations-Effekts.

Die Editierung der Sets erfolgt schnell und einfach. Auch wer sonst nur die kleinen Gitarren-Tretminen gewohnt ist, kommt schnell damit klar. Im Einsatz ist alles ganz einfach: Richtig anschließen und mit den vier Fußtastern (von denen nur einer doppelt belegt ist) arbeiten. Das Display ist immer gut lesbar. Die Note für die Bühnen-Bedienung ist also eine glatte Eins. Und darauf kommt es in erster Linie an. Nicht umsonst heißt das Gerät Vocalist Live.

HARMONIE-SICHERHEIT UND KLANGQUALITÄT
Die Analyse des Gitarrensignals verlief im Test erstaunlich gut, es konnten keine Fehlinterpretationen bemerkt werden. Dem Digitech-Gerät ist es einerlei, ob Single Coil, Humbucker, Piezo-Tonabnehmer oder eine Mischung aus diesen benutzt wird. Selbst nur kurz anklingende Akkorde werden flott auf ihren Frequenzgehalt hin untersucht. Lediglich auf ein Effekt-Processing vor dem Vocalist sollte man besser verzichten: Ein Overdrive beispielsweise fügt dem Signal Teiltöne hinzu, die das Erkennen der Grundtöne im Signal deutlich erschweren. Äußerst gut funktioniert die Unterscheidung von harmonischem Material (also solchem mit Tonhöheninformation) und geräuschhaftem (wie Konsonanten). Als Testfile haben wir im typischen Bühnenabstand übersprechendes Schlagzeug auf das Mikrofon gegeben. Das Ergebnis ist einigermaßen sauber: Der Vocalist versucht erst gar nicht, aus dem perkussiven Signal Chorstimmen zu generieren:

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Drum Spill über das Gesamgsmikro

Ein Effektgerät ist nun beileibe kein Hellseher. Daher kann man auch nicht verlangen, dass der Vocalist 4 automatisch alle Stimmen genau so generiert, wie man es sich wünscht oder wie man es im Chorsatz einer Produktion gehört hat. Man ist also in erster Linie auf das angewiesen, was die Harmoniestimmen-Generierung für “richtig” hält. Zwar lassen sich Intervalle und Skalen einstellen, aber es kann durchaus sein, dass etwa die Terz, die auf den ersten beiden Akkorden noch wunderbar klang, auf dem dritten zwar noch funktioniert und nach den Regeln der Harmonielehre auch nicht problematisch ist, jedoch einfach nicht zur Atmosphäre des Songs passen möchte. Gerade bei harmonisch komplexer Musik ersetzt das Digitech-Gerät keinen erfahrenen Chor-Arrangeur. Für eine einfache und unauffällige Begleitung reichen die Möglichkeiten des Bodengeräts allemal aus, aber aus gutem Grund ist und bleibt Harmonielehre eine Kunst und Wissenschaft, die sich nicht einfach in Silizium-Chips pressen lässt. Nach kurzer Eingewöhnungsphase kann man jedoch mit diesem Gerät sicher umgehen und weiß, was man von ihm erwarten kann und was nicht. Zudem ist die Lektüre des (englischen) Handbuchs sicher einfacher als das auswendig lernen von Kontrapunktregeln. Aber auch ohne Manual gehen qualitätsverbessernde Editierungen schnell von der Hand.

Die generelle Klangqualität der generierten Chorstimmen lässt sich mit einem ehrlichen “gut” angeben. Ein “sehr gut” bekommt dieses Gerät nicht, weil es im Vergleich zu manch anderen Geräten und zu einer Menge an Software doch recht deutliche Artefakte in den generierten Stimmen aufweist. Im den Soundbeispielen fällt das vor allem gegen Ende auf:

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Beispiel ohne Gitarre Beispiel mit Gitarre

In erster Linie sind es die Sustain-Phasen der gepitchten Stimmen, die zu statisch und somit synthetisch klingen. Auch kann man stärkere Unebenheiten im Spektrum feststellen, die für die Originalstimme nicht typisch sind. Dies sind einerseits “Dellen” oder sogar “Löcher”, die im Zusammenspiel mit allen Stimmen und den Instrumenten allerdings oft keine negativen Auswirkungen haben. Es sind vielmehr tonhöhenunabhängige Resonanzen, die störend hervortreten können. Um die Stimmen natürlich wirken zu lassen (also dem “Mickey-Mouse”-Effekt entgegen zu wirken), scheint Digitech die Formanten zu korrigieren. Dieser Vorgang könnte eine generell stärkere Modulation vertragen, um bei lang gehaltenen Tönen weniger gleichförmig zu wirken. Fließende Tonhöhen-Änderungen sind zwar in der Geschwindigkeit einstellbar, aber auch dieser Vorgang erscheint schnell etwas “unmenschlich”. Dies fällt am ehesten bei kurzen Korrekturzeiten und Wiederholungen auf:

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Abwärtsbewegung

Bei aller Kritik sollten hier aber zwei Sachen nicht vergessen werden: Wir Menschen kennen durch unsere Erfahrung die menschliche Stimme äußerst genau und sind auch als musikalische oder tontechnische Laien für Unstimmigkeiten extrem sensibel – die Harmoniestimmen-Generierung ist daher ein ausgesprochen kompliziertes Verfahren, deren Entwicklung im Grunde noch in den Kinderschuhen steckt. Außerdem sind die beschriebenen Problematiken im Studio, in der Testumgebung oder beim Anhören der Audiobeispiele zwar wahrzunehmen, aber der Vocalist soll seinem Namen nach ja Live eingesetzt werden. Bekanntermaßen “versendet” sich im Bühnenbetrieb vieles. Wenn man also davon ausgeht, dass in der Regel einige weitere Instrumente zu hören sind und die generierten Stimmen nur einen Bruchteil zum Gesamtpegel beitragen (Background ist zum Auffüllen da!), wird man die Artefakte selbst bei analytischem Hören kaum wahrnehmen können. Kurz und knapp auf Ruhrpott-Deutsch: „Für auffe Bühne reicht datt dicke!“

Die Effekt-Sektion bietet zwar nicht die Fülle an Parametern, die man von Studiogeräten oder Software gewohnt ist, aber auch das ist im Live-Betrieb völlig ausreichend. Gleiches gilt für die Qualität der Effekte.

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Vocals erst dry, dann wet

Die Natürlichkeit von ersten Reflexionen und die Dichte der Nachhallfahne sind ab einem gewissen Qualitätsniveau nicht mehr von Bedeutung. Auch die Modulationseffekte arbeiten, wie man es von ihnen verlangt. Schließlich dienen die Effekte hier vorrangig dem Ziel, die korrigierte Hauptstimme und die daraus generierten Harmoniestimmen zu “polieren” und bei Bedarf einheitlicher wirken zu lassen – und das gelingt vorzüglich. Man wird den Eindruck nicht los, als habe Digitech viel an diejenigen Sänger gedacht, die primär gar keine sind: Sie wirken allesamt als “Verschönerungs-Effekte”. Die Gitarreneffekte werden und wollen mit Sicherheit nicht die Fülle an Bodeneffekten ersetzen, können aber für eine breitere “Gesamtwirkung” des Gitarristen/Sängers sorgen.

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FAZIT
Mit dem Werbesprüchlein auf der Verpackung (“Just play a chord and sing”) hat Digitech ins Schwarze getroffen. Es funktioniert tatsächlich, ist annähernd “idiotensicher” und qualitativ für den Bühneneinsatz mehr als ausreichend. Die Hauptaufgabe, fehlerfrei anhand eines Gitarren- und eines Mikrofonsignals Chorstimmen zu generieren, gelingt dem Vocalist 4 mit Bravour. Wer die Presets editieren möchte, hat es einfach: Die Bearbeitung ist vorbildlich einfach und logisch. Wird ein wirklich komplexer Einsatz zur Stimmengenerierung gewünscht, ist der Digitech Vocalist allerdings definitiv das falsche Gerät.
Für einen fairen Preis erhält der singende Gitarrist ein zuverlässiges Helferlein zum Anschließen und Loslegen. Allerdings gibt es einige Features, die man anscheinend für einen solchen Preis nicht verlangen kann.

Unser Fazit:
4 / 5
Pro
  • einfacher Aufbau, leichte Editierung auch ohne großes Technikverständnis
  • perfekte Bedienbarkeit auf der Bühne
  • ordentliche Effekte für Originalstimme und Gitarre
  • integrierter Tuner
  • geringer Preis
Contra
  • Parameter von Noise-Gate und De-Esser nicht regelbar
  • kein Expander
  • kein MIDI
  • System arbeitet ausschliesslich mit a=440Hz
  • keine deutsche Handbuchübersetzung
  • externes Netzteil
  • Verarbeitungsqualität
  • Kopfhörerbuchse als Miniklinke
Artikelbild
While my Microphone gently wheeps Test
Für 249,00€ bei
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TECHNISCHE DATEN
  • vierstimmiger Chorstimmen-Generator
  • Chorstimmen können automatisch aus Gitarrensignal abgeleitet werden
  • Chorstimmen können in Prim-, Terz- oder Quint-Abstand zur Hauptstimme liegen
  • integrierte Tönhöhen-Korrektur
  • Effektsektion für die Gesangssignale
  • Effektsektion für das Gitarrensignal
  • integriertes Gitarren-Stimmgerät
  • Mikrofon-Preamp mit Phantomspeisung
  • großes Display
  • Preis: € 387,90

Setup Soundbeispiele:

Mikrofone: Sure SM57 und Electro-Voice RE20
Line-Amp und Wandler: Focusrite ISA220 + A/D-Wandlerkarte
Gitarren: Fender Telecaster, Gibson Les Paul

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