Warm Audio WA-412 Test

Der texanische Hersteller Warm Audio hat eine Reihe an Nachbauten von legendärem Vintage-Equipment im Angebot, die unter hohen Qualitätsstandards in den USA gefertigt werden und verhältnismäßig günstig zu haben sind.

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Sein Debut gab das 2011 gegründete Unternehmen mit dem WA12, einem Clone des API 312 Mikrofonvorverstärkers, der kurze Zeit später als WA12-500 im Lunchbox-Format auf den Markt kam. Im Dezember 2016 wurden nun nahezu zeitgleich der überarbeitete WA12-500 MkII und die hier getestete vierkanalige Variante namens WA-412 verfügbar.
Wer nun vermutet, dass sich die beiden Neuauflagen nur durch die Anzahl der Kanäle unterscheiden, der liegt allerdings nicht ganz richtig. Und auch im Vergleich zum originalen API 312, wie er in den großen Konsolen verbaut wurde, haben beide Varianten einige kleine, aber feine Extras an Bord. Die Details klären wir in diesem Review.

Details

Puristisches Design mit API-Anleihen

Besonders ansehnlich kommt der WA-412 mit seiner schwarzen Aluminium-Front, dem orangefarbenen Logo und den eher zweckdienlich als hübsch gestalteten Bedienelementen meiner Meinung nach nicht daher. Es gibt deutliche Parallelen zum Look des API 3124+, der zwar ebenfalls kein echter Hingucker ist, durch seine ehrwürdige API-Aura aber durchaus einen gewissen Charme versprüht. Bei unserem Testkandidaten mag sich dieser Charme dagegen nicht so ganz transportieren. Aber gut – bei Studio-Equipment ist die Optik ohnehin meist eher zweitrangig, und im Hinblick auf die Verarbeitung kann der WA-412 durchaus punkten. Das mit nur einer Höheneinheit für einen Vierkanaler grundsätzlich schlanke, im Gegenzug aber recht tiefe 19“-Gehäuse ist solide verarbeitet, und auch die Bedienelemente machen einen hochwertigen Eindruck.

Über die Optik des WA-412 ließe sich diskutieren, die Verarbeitung ist dagegen einwandfrei.
Über die Optik des WA-412 ließe sich diskutieren, die Verarbeitung ist dagegen einwandfrei.

Extras: Output-Trim und Tone-Switch

Was beim Betrachten der Frontseite zuerst ins Auge sticht, ist der Punkt, dass pro Kanal nicht nur ein Gain-Poti zum Regeln der Eingangsverstärkung, sondern auch ein Output-Trim vorhanden ist. Somit kann man flexibel mit den Sättigungseffekten der Vorstufe spielen, ohne sich dabei aus dem Sweetspot des angeschlossenen A/D-Wandlers zu bewegen, wobei das auf sieben LEDs basierende Meter natürlich sehr hilfreich ist. Wer deutliche Verzerrungen erzeugen will, der kann dies ganz einfach über einen großzügigen Eingangspegel umsetzen und das folglich hochpeglige Signal am Ausgang wieder zähmen, um es auf ein recordingtaugliches Level zu bringen. Da schlägt das Engineer-Herz höher!

Fotostrecke: 2 Bilder Die zwei Potis pro Kanal erinnern ein wenig an das Konzept von Vintage-Kompressoren.

Mit dem Tone-Switch hat sich der Hersteller eine weitere gestalterische Freiheit einfallen lassen. Wird dieser aktiviert, so verringert sich die Impedanz am Eingangsübertrager von 600 Ohm auf 150 Ohm. Gleichzeitig wird das Gain um 6 dB erhöht, was dem Preamp eine maximale Verstärkung von 65 dB beschert. Für den Standardbetrieb und einen möglichst originalgetreuen API-Charakter bleibt die Funktion also am besten durchgängig aktiv. Vor allem dann, wenn man einen cleaneren Sound einfangen will, empfiehlt sich ein Druck auf den entsprechenden Taster, der die dazugehörige Status-LED zum Erlöschen bringt. Die Effekte fallen je nach angeschlossenem Mikrofon unterschiedlich deutlich aus, prinzipiell wird man bei dynamischen Mikrofonen etwas mehr von den klanglichen Unterschieden wahrnehmen als bei Kondensatormikrofonen. Insgesamt handelt es sich hier ebenfalls um ein sehr schönes Feature.
Die weiteren Parameter pro Kanal sind von gewöhnlicherer Natur. Phantomspeisung und ein 20 dB Pad lassen sich genauso wie Phasenumkehr über entsprechende Taster mit zugehörigen Status-LEDs schalten. Die Auswahl zwischen dem rückseitigem XLR-Eingang für angeschlossene Mikrofone und dem frontseitigen Instrumenteneingang, der mit einer stattlichen Impedanz von 2 Megaohm arbeitet, läuft ebenfalls auf Knopfdruck. Die Signale aus den Instrumenteneingängen fließen übrigens ebenfalls durch den Eingangsübertrager, sodass man auch an dieser Stelle mit Verzerrungen und dem Tone-Switch experimentieren kann.

Fotostrecke: 3 Bilder Warm WA-412 in Rückansicht

Purismus auch bei der Schaltung

Genauso wie bei der äußerlichen Gestaltung des Gehäuses regiert auch bei der Schaltungstopologie des WA-412 ein gewisser Purismus. Das Signal aus einem angeschlossenen Mikrofon fließt zunächst durch einen Eingangsübertrager, läuft darauf in einen diskret aufgebauten Op-Amp und passiert kurz vor Austritt wiederum einen Ausgangsübertrager.

Fotostrecke: 5 Bilder Gut organisiertes Innenleben

Im Gegensatz zum bereits angesprochenen WA12-500 MkII und den meisten anderen Geräten von Warm Audio kommen die Übertrager allerdings nicht von Cinemag, sondern vom ebenfalls amerikanischen Hersteller Altran. Der Op-Amp sitzt zudem auf einem Sockel und lässt sich problemlos aus seiner 6-Pin-Verbindung herausziehen, um mit anderen Modellen ausgetauscht zu werden. Die Anwender aus der DIY- und Modder-Fraktion dürfte das freuen!

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michael babb sagt:

#1 - 06.03.2017 um 20:30 Uhr

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