Thermionic Culture Vulture, Super 15 & Ultra Vulture Test

Thermionic Culture Vulture, Super 15 & Ultra Vulture Test und Vergleich. – Lang lebe Vic Keary! Der im Herbst 2022 verstorbene Londoner war schon bereits sei 1957 in den Lansdowne Studios als Techniker tätig, bevor er zum Mix-Engineer avancierte und viel später dann auch noch Thermionic Culture gründete. Wir huldigen Kearys Erbe, indem wir schauen, wie sich “The Culture Vulture” Standard, Super 15 und der neue Ultra Vulture nach dem Tode ihres Schöpfers verhalten!

Thermionic Culture – The Culture Vulture Standard, Super 15 & Ultra Test
Standard, Super 15 & Ultra im Test: Welcher ist der beste Culture Vulture ?

Es ist Gesetz: Nur Röhren zerren wie Röhren. Was als verrückte Idee eines abgewandelten „Bodentreters“ für Gitarristen begann, fand schnell als Dual-Mono-Prozessor standesgemäßen Einzug ins 19-Zoll-Rack von Mix-Engineers.

Den Standard Vulture gibt es somit bereits seit ’98 “Made in England!” und wurde erst 2015 vom „The Culture Vulture Super 15“ ergänzt. Der Super 15 ist die Deluxe-Variante mit mehr Features und einem Ansatz, der darauf beruht, zwischen den gezerrten Tönen von dezent bis brachial feiner aufzulösen. 

Thermionic Culture – The Culture Vulture Super 15
Von allen mehr! Der Culture Vulture Super 15 von Thermionic Culture.

Und vor kurzem erst kam der The Ultra Vulture hinzu. Er präsentiert sich nochmal feiner und präziser und außerdem im edlen Lila.

Thermionic Culture – The Culture Vulture Classic Black Version
Purple Reign: The Ultra Vulture fühlt sich besonders im feineren Group-Bus wohl!

Am Rande der Hinweis, dass der Ultra Vulture durchaus als zweiter „inoffizieller“ Versuch gewertet werden kann, eine „Mastering Version“ an den Mann zu bringen ohne das erwartungsschwere Wort “Mastering” in den Mund zu nehmen.

Wer Röhren in den Grenzfall schicken will, hat nämlich oft auch mit dem L/R-Abgleich zu kämpfen. Soweit die Theorie jedenfalls – schauen und hören wir uns die drei aktuellen Modelle einfach mal genauer an.

Details

New Classics: Dual-Mono Vollröhrenverzerrer in 19-Zoll

Der „Thermionic Culture – The Culture Vulture“ ist ein Dual-Mono-Prozessor in 19-Zoll-Bauweise. Ein Stereo-Vollröhrenverzerrer für sanfte bis garstige Töne. Im Ursprung verbirgt sich dahinter ein “Gitarren-Amp-Effekt” und er ist – wie viele andere Schaltung-Designs von Vic Keary auc – zunächst mal komplett unsymmetrisch angelegt.

Classic Valve Drive / Tube Distortion: Thermionic Culture – The Culture Vulture – unsymmetrisch, Klinke.

Red, Purple, Black – XLR oder unsymmetrische Klinke?!

Ein Culture Vulture fungiert dank frontseitiger Eingänge aber auch als hervorragende Stereo-DI-Box mit ordentlich Charakter. Sowohl beim „The Ultra Vulture“ als auch beim roten „The Culture Vulture Super 15“ handelt es sich um Modifikationen mit unterschiedlichem Schaltungsdesign, Übertragern im Line-Input, mehr Gain, anderen Röhren sowie Abstimmungen und weiteren Funktionen bzw. Optionen. 

Transformator Express

Eine Option ist Übertrager-Symetrierung. Faktisch kommt der Ultra immer mit Übertragern im Ein und Ausgang sowie mit symmetrisch XLR, beim roten Super 15 hat man ausgangsseitig indes die Wahl, der Line-Input ist aber auch hier immer Trafo-symmetriert.

Der schwarze Klassiker ist, wie gesagt, vollständig “unbalanced” – das heißt, mit einfacher, großer Klinke im Eingang ausgestattet sowie jeweils mit High- und Low-Output. Somit ist er auch „kürzer“ im Rack. Die schwarze Version gab es regulär nie mit Übertragern.

Thermionic Culture – The Culture Vulture – alle Anschlüsse
V.l.n.r.: Black, Purple & Red – Übertrager Varianten sind tiefer und mit symmetrischen XLRs ausgestattet.

Das Original rauscht ferner mehr und kippt vor allem recht plötzlich von nice zu bös’. Preislich ist der schwarze Standard mit Abstand die „günstigste“ Variante, zumal Guitarreros und Modular-Frickler auf XLR-Line-I/O sicherlich verzichten können, wenn sie vorrangig im Pedal-Kosmos unterwegs sind.

Die symmetrierten Varianten bringen dennoch auch einen „Instrument-Out“ mit und über die Front geht es ja immer unsymmetrisch rein. Schöner wäre meines Erachtens nach eventuell noch ein dedizierter Pedal-Insert vor dem Ausgangs-Übertrager gewesen.

Triode/Pentode mit BIAS

Die Topologie des Mono-Weges sieht wie folgt aus: Pentode -> Pentode -> halbe Doppel-Triode. In Summe also fünf Röhren für das Stereo-Gemetzel. Der Clou sind die mittleren Pentoden, die man als Triode/Pentode schalten und deren BIAS-Strom man am Gerät verstellen kann. 

Mutige Gitarristen haben das durchaus schon mit dem Schraubenzieher am Amp selbst probiert: Um die Röhren „heißer oder kälter“ zu drehen, indem sie den Arbeitspunkt mithilfe des Glühgitters verschoben haben.

Black im Studio
Top-Teil mal anders: Der Culture Vulture bringt den authentischen Schmutz, den ITB einfach nicht leisten kann!

Der mittlere BIAS-Regler schiebt hier mehr Strom durch besagte Pentode, indem er die Spannung an der Kathode ändert – und zwar solange, bis man den „idealen Ruhestrom“ findet. Obwohl alle drei Units mit ca. 0,2% THD auch „clean“ können, liegt der Hauptverwendungszweck klar in der gewollten und durchaus “instabilen” Sättigung; für mehr natürliche Spritzigkeit und „geglättete Spitzen“.

Die Waage zeigt Milliamp

Die tatsächliche Stromstärke wird am Gerät mittels Milliampere-Meter angezeigt. Es handelt sich also nicht um ein VU-METER, auch wenn die Nadel bei deftigeren Eintöpfen recht fröhlich zur Kick bouncen kann. 

Meter Purzle und Red
Kein VU-Meter sondern Ampere-Meter: Der tatsächliche BIAS-Strom wird in mA angezeigt.

Mit weniger Strom wird der Tone jedenfalls dünner – und über 0,6 mA verkürzt ihr außerdem die Lebensdauer eurer Röhren. „Beste Einstellungen“ für einen geringen Klirr liegen in der Regel so zwischen 0,25 und 0,3 mA. Die exakten Werte für die verbauten Röhren entnimmt man dem mitgelieferten Handschrieb. Im Übrigen verwendet Thermionic Culture hauptsächlich NOS, die Typen variieren in den verschieden Modellen aber auch. Wer es genauer wissen will, fragt und kauft beim deutschen Vertrieb von Guido APKE.

T und P1 – es funktioniert!

Das Verhalten der Schaltung kann man weiter beeinflussen: Der FUNCTION-Drehschalter lässt T, P1 bis P3, SQ usw. zur Auswahl. T und P stehen für das Wesentliche: Trioden oder Pentoden-Beschaltung der mittlere Tube. Dadurch verschiebt sich der Obertonanteil von harmonischen zu unharmonischen Anteilen am Ausgang. Musical -> Aggro -> Kaputt, so in etwa das Spektrum.

T klingt somit mehr nach “runder Röhre” und P nach “harscher Bandsättigung”, wenn man so will. Ab P2 handelt es sich eigentlich nur noch um einen Effekt, schön kaputt von chorus-artig über gated bis fuzzy.

Aber: Keines der Geräte bringt einen Dry/Wet-Regler mit, wodurch die Platzierung im Send bzw. im Parallel-Weg fast schon zur Pflicht wird, um schöner und besser dosieren zu können.

Offensichtlich Funktionsunterschiede

Alle drei Culture Vulture können T, P1 und P2. Im Wesentlichen unterscheiden sich die Modelle durch die Anzahl an P-Mode-Varianten, was im Falle des Rote überwiegend weitere Resonanz-Filtern mit “unterschiedlich milden Mid-Focus”.

SQUASH steht am dicksten da und ist in etwas mit dem P3 des Ultra vergleichbar. Ich persönlich habe mich in T oder P1 am häufigsten wiedergefunden, man sollte das also nicht überbewerten.

Alle Drei – Standard, Super 15 und Ultra
Auf den ersten Blick scheinen nur die Farben anders zu sein – der Teufel steckt jedoch wie so oft im Detail.

Essentiellere Schmankerl sind der Overdrive mit Gain-Boost von 10 dB und mehr. Ultra und super 15 können so viel mehr Zwischenstufen anbieten. Auch die Filter sind bei den Derivaten unterschiedlich angelegt, wobei hier nichts wirklich als kriegsentscheidend gilt, zumal man mit einem Pre/Post-EQ ohnehin noch viel besser shapen kann. Die Presence-Filter sind nur im +10dB Mode verfügbar.

Nichtsdestotrotz, nennen sollte man diese Filter schon mal: 

  • Schwarz: Filter: OFF, 9 kHz, 6 kHz
  • Lilia: Presence OFF/ ON, 5 khz LPF
  • Rot: Presence Mid OFF High, 5 kHz LPF

Die Output-Regler sind im Wesentlichen identisch – drehen aber unterschiedlich. Das schwarze Poti ist leicht, fast billig, das rote wiederum satt im Dreh und mit angenehmem Gegendruck. Der Ultra will mit leicht gerasterten Potis elitär punkten, trifft allerdings nicht ganz meinen feinen Geschmack. 

Was nicht passt, wird passend gemacht

Ein weitere -10dB-Absenkung im Ausgang hilft Rot und Lila zusätzlich mit extremem DRIVE umzugehen und den Präzisionsbereich des Output-Reglers so zu erweitern – sowie L/R-Abweichungen geringer zu halten.

Die Verarbeitung im Gesamten ist schon auch recht „britisch“, aber im erträglichen Maß. Insofern gut, dass die Potikappen keinen Anschlag haben und sie bei leichtem Level-Miss-Match einfach zur Markierung verschoben werden können.

Die” L/R-Bedienelemente” sind von der Mitte aus gespiegelt, was Gehirnknoten beim “Stereo-Handgriff” bescheren könnte – wir entsinnen uns: Dual-Mono ist der Kasten. Bei einem EQ fände ich das nicht so witzig, aber hier bei den drei Reglern ist es einfach zu überblicken und sicher handzuhaben.

Übrigens: Mid-Side-Bearbeitungen mit externer Hilfe bieten sich ebenfalls an und umschiffen das leidige L/R-Problem auch elegant im Mastering-Kontext, insbesondere – aber nicht nur – bei Röhrengeräten.

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