Slate Digital VMS Virtual Microphone System Test

Praxis

Preampmodul des Slate VMS nicht rackfähig

ML-1 und Spinne lassen sich herrlich einfach aufbauen und machen einen guten Eindruck in Sachen Haptik und Fertigungsqualität. Dass der VMS ONE nicht rackfähig ist, ist aus meiner Sicht allerdings ein deutlicher Minuspunkt. Während Slate Digital den Preamp in der frühen Entwicklungsphase des VMS noch als 2 HE abmessendes 19″-Gerät vorstellte, wurde diese Ausrichtung im Laufe der Produktentwicklung leider aufgegeben. Wer wie ich auf aufgeräumte Arbeitsflächen Wert legt und seine Geräte am liebsten fest in ein Patchbay-System einbindet, für den ist der Kauf eines Set-Top-Geräts selten erste Wahl.

Fotostrecke: 2 Bilder Die elastische Halterung macht einen guten Eindruck.

Aber kommen wir zu den positiven Punkten. Das Gehäuse des Preamps ist vollständig aus Metall gefertigt. Der gesamte Auftritt erscheint robust und verspricht Langlebigkeit. Chassis und XLR-Buchsen sind großzügig verschraubt, so dass auch einem Service nichts im Wege zu stehen scheint. Das Netzteil des Slate VMS ONE lässt sich dank seiner vier Schraub-Ösen fest auf Unterboden, Trägerplatte oder (Studiomöbel-)Wand verschrauben. Die Zuleitung zum Vorverstärker ist vorbildlich mit galvanischer Trennung ausgestattet, die Brummschleifen vermindern soll. Bei eingeschaltetem Vorverstärker hält sich der Stromverbrauch des externen Netzteils zwar mit 3,4 W in Grenzen. Doch zieht das Netzteil des Preamps auch bei auf “off” gelegten Power-Kippschalter noch Strom von ungefähr 2,5 W. Wer also stumme Stromfresser eliminieren möchte, sollte den VMS ONE mit einem schaltbaren Zwischenstecker oder einer Mehrfachsteckdose mit Ein/Aus-Schalter kombinieren.
Leider ist die Combo-Buchse für den Mikrofoneingang nicht mit einer Rückhaltesicherung versehen. Das wäre bei einem Rackgerät noch einigermaßen unproblematisch, ist aber für ein Desktop-Gerät nicht besonders praxisnah gelöst. Denn so könnte versehentlich das XLR-Kabel aus dem Eingang gezogen werden. Der Gain-Regler des VMS ONE ist vergleichsweise schwerläufig. Dafür ist nicht nur das unterliegende Poti verantwortlich, sondern auch der Umstand, dass es sich beim Potiknopf um einen massiven Metallkopf handelt, der ein ordentliches Gewicht mitbringt. Unterhalb des Knopfes sorgt eine Filzscheibe dafür, dass zu keiner Zeit Abschürfungen auf der Oberfläche entstehen oder Staub ins Gerät eindringen kann. Durch seine Schwergängigkeit macht die Haptik des Gain-Reglers einen wertigen Eindruck und die Vorverstärkung lässt sich wunderbar präzise einstellen. Allerdings sind auch die verwendeten Kippschalter etwas schwerfällig. Dennoch muss der auf einer glatten Oberfläche stehende Preamp beim Bedienen der Schalter nicht festgehalten werden. Denn die unter dem Gerät befindlichen Gummifüßchen sorgen für einen überraschend rutschfesten Stand.

Metering mit zweifarbiger LED

Das Einpegeln des Signals gelingt dank der zweifarbigen LED mühelos. Sie leuchte grün auf, sobald ausreichend Pegel vorhanden ist, und rot, wenn die Signalspitzen zu Verzerrungen führen können. Um die Mikrofon-Emulationen mit bestmöglichem Ergebnis zum Leben zu erwecken, empfehlen Slate ein Pegel-Management, das auf die Software abgestimmt ist. Deshalb sollten sich die Peaks des Eingangssignals am Plug-In optimalerweise im Bereich zwischen -12 und -10 dBFS befinden. Zur Not muss hier also mit dem Trim-Poti der DAW-Software oder dem Trimmer-Modul des Virtual Mix Rack nachjustiert werden.

Fotostrecke: 2 Bilder Die Kippschalter und das Gain-Poti sind verhältnismäßig schwergängig.

Da das Modeling der Mikrofon- und Preamp-Sounds von DAW-Plug-Ins durchgeführt wird, gibt es am Hardware-Preamp VMS ONE selbstverständlich keine Möglichkeit, den emulierten Mikrofonklang physikalisch abzugreifen. Somit ist für den Einsatz des VMS ein Audio-Interface mit sehr geringer Latenz von 4 ms oder weniger empfehlenswert. Wer also noch kein Low-Latency-Interface sein Eigen nennt, sollte dies vor der Anschaffung des Slate Digital VMS wissen.
Am Vorverstärker sind jedoch zwei Ausgänge vorhanden, so dass es durchaus möglich ist, das Line-Out-Signal zugleich über die XLR-Buchse symmetrisch an das Audio-Interface weiterzuleiten und parallel über die TRS-Buchse ein symmetrisches Signal an einen Monitor-Mixer oder ‑Controller weiterzuleiten. Auf diese Weise lässt sich immerhin eine latenzfreie Abhörsituation herstellen, bei der jedoch die sofortige klangliche Kontrolle des aufgezeichneten Signals entfällt. Aber mal ganz ehrlich: Ist es nicht auch Sinn des Ganzen, den Klang des Mikrofons nachträglich zu ändern zu können? Die fehlende Direkt-Abhöre der Emulation am Preamp kann deshalb kein Minuspunkt sein.
Die Software besticht durch kinderleicht aufzurufende Mikrofonemulationen. Einfach, wie beim Virtual Mix Rack gewohnt, das Classic Tubes-Modul der “Virtual Microphone Collection” (VMC) in einen Rack-Slot ziehen und schon kann es losgehen. Über den Auswahlschalter “Mics” wird das gewünschte Mikrofon geladen, per “Intensity”-Regler könnt ihr die künstliche erzeugten harmonischen Verzerrungen verstärken. Auch die Bedienung der beiden Preamps ist absolut idiotensicher. Phase anpassen, Gain und damit auch die gegebenenfalls gewünschte Verzerrung regeln und eventuell noch Ausgangssignal justieren, fertig. Ein virtuelles Lämpchen glüht entsprechend des Verzerrungsgrades auf.

Fotostrecke: 3 Bilder Die Mikrofon-Emulationen werden mit dem VMC Classic Tubes-Modul in das VRM geladen.

Klang

Aber kommen wir zur Soundfrage. Klanglich ist das ML-1 für sich genommen ein wirklich unauffälliger Vertreter seiner Gattung. Im Audiobeispiel könnt ihr hören, dass es bei Nahbesprechung weder übermäßig höhenlastig noch bassig daherkommt. Zischlaute sind deutlich, aber (noch) nicht störend. Transienten werden vom ML-1 ansprechend, weil nicht zu scharf und doch ausreichend druckvoll gewandelt. Der Nahbesprechungseffekt ist griffig, aber nicht überbordend. Für ein Großmembranmikrofon in dieser Preisklasse kann sich all das sehen lassen. Für sich genommen haut den Hörer aber wohl keine dieser Soundeigenschaften um. Aber genau das möchte das Slate-Mikrofon ja auch nicht. Es will vielmehr eine optimale Referenz für die nachfolgende Plug-In-Bearbeitung sein.
Bei mittlerer Mikrofonierungsdistanz atmet der Klang des ML-1 erwartungsgemäß deutlich mehr. Das Fehlen der Bassanhebung offenbart den ungeschönten Klang des Slate-Mikrofons. Dabei fällt mir auf, dass das ML-1 für sich genommen ein wenig hart klingt. Beim Reinhören in die Audiobeispiele kann man sich aber leicht vorstellen, warum genau dieser Sound eine passende klangliche Grundlage für die Software-Emulation sein soll.
Preamp und Mikrofon weisen genau das gute Rauschverhalten auf, mit dem beide Geräte angepriesen werden. Die Nierencharakteristik des ML-1 zeigt sich breit aufgestellt, so dass Bewegungen vor dem Mikrofon nicht mit Klangveränderungen quittiert werden. Ein nicht ganz unwichtiger Faktor, wenn es darum geht, die Software zuverlässig mit einer stabilen Signalqualität zu füttern. Im Off-Axis-Bereich von 90° fällt der Sound des ML-1 – ganz so wie auch bei anderen Mikrofonen mit Nierencharakteristik – deutlich zusammen. Dies kann sich selbstverständlich auf den vom Plug-In ausgegeben Sound der emulierten Mikrofon-Originale auswirken.
Für die Soundvergleiche der verschiedenen Emulationen habe ich der Einfachheit halber auf das Take mit naher Mikrofonierung zurückgegriffen. Denn nach meiner Einschätzung wird das bei euch in den meisten Fällen die hauptsächliche Mikrofonierungsweise sein. Wenigstens aber für die klangliche Nachbildung des U 47 habe ich euch auch mittlere Mikrofonierungsdistanz und Off-Axis-Signale aufbereitet. Hört doch mal in die Audiobeispiele hinein und macht euch ein Bild vom klanglichen Ergebnis des VMS. Aber Vorsicht: Nicht auf jeder Abhöre lassen sich die mitunter subtilen klanglichen Nuancen wahrnehmen. Die Unterschiede sind deutlich, aber so wie es beim Wählen verschiedener Mikrofone auch der Fall wäre, nicht gravierend wie Tag und Nacht. Durch das Heraufregeln des Intensity-Reglers wirkt der Mikrofonsound in fast allen Fällen nochmals deutlich dichter, die Bassanteile im jeweiligen Mikrofonklang nehmen zu. Eine feine Möglichkeit, um Vocals mehr Fülle zu geben.

Audio Samples
0:00
ML-1, close, ohne Plug-Ins ML-1, mid, on-axis, ohne Plug-Ins ML-1, mid, off-axis 45°, ohne Plug-Ins ML-1, mid, off-axis 90°, ohne Plug-Ins FG-47, close FG-47, mid, on-axis FG-47, mid, off-axis 45° FG-47, mid, off-axis 90° FG-47, close, 150% Intensity FG-800, close FG-251, close FG-67, close FG-12, close FG-M7, close FG-800M, close FG-269, close FG-47, close, F-73 Preamp FG-47, close, F-76 Preamp FG-800, close, F-73 Preamp FG-800, close, F-76 Preamp
Kommentieren
Profilbild von Rubbl

Rubbl sagt:

#1 - 20.12.2016 um 21:36 Uhr

0

Schöner Test.
Aber TL Audio gibt den max Input für den PA-1 mit +6dBu an, das ist schon weit weg von 18.

    Profilbild von Carsten (bonedo)

    Carsten (bonedo) sagt:

    #1.1 - 22.12.2016 um 13:16 Uhr

    0

    Hallo Rubbl,ja, da liegst Du richtig. TL-Audio schreiben in ihren Specs von +6dBu.Bei meinem Vergleich habe ich mich auf die Praxisdaten bezogen, die von den Kollegen von Professional Audio für den TL-Audio PA-1 gemessen wurden: https://images.thomann.de/p...
    (Den Test des PA-1 findest Du auf S.62)Zieht man den dortigen Wert heran, beträgt die Differenz zum VMS ONE nur 0,8 dBu. Damit befinden sich beide Preamps schon mehr im gleichen "Ballpark". :-)Besten Gruß
    Carsten

Profilbild von Jonny Jones

Jonny Jones sagt:

#2 - 26.12.2016 um 11:47 Uhr

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Erstmal Danke an Bonedo für den auführlichen Test.Ich bin seit einer Woche selber im Besitz des Slate VMS und ich kann nur sagen dieser Hype ist total übertrieben. Das Mikrofon an sich klingt wegen der scharfen S-Laute leider überhaupt nicht gut, ich habe im Vergleich dazu gleichzeitig mit meinem Audio Technica AT 4050 aufgenommen und selbst das (welches ebenfalls etwas anfällig auf S-Laute ist) hatte weichere höhen. Die Mikrofon-Emulationen sind meiner Meinung nach gelungen, wenn man etwas herumspielen möchte und den Sound etwas färben möchte, dennoch bleibt es leider eine Spielerei die keine "Wunder" bewirkt. Warum? Weil das Signal schon bereits aufgenommen wurde, eben mit diesem Sound des VMS Mikrofons. Wer also denkt er bekommt einen warmen Sound wenn er im Virtual Mix-Rack das U47 anwählt, dem kann ich getrost sagen dass dem nur so scheint. Die scharfen S-Laute bleiben selbstverständlich bestehen, da sie bereits so aufgenommen wurden...
Ich mische selber Songs ab die mit einem Neumann M149 aufgenommen wurden, da merkt man dass die S-Laute extrem weich und dumpf sind. Also dreht man etwas Höhen mit einem EQ rein und schon hat man einen wunderbaren klaren Sound, bei dem die S-Laute nicht beißen. Dieser Effekt lässt sich aber aus den oben genannten Gründen nicht mit dem VMS nachvollziehen wenn man z.B. das U47 vorschaltet und danach mit einem High-Shelf Filter Frequenzen anhebt. Man wirkt der eigentlichen Mikrofon-Emulation nur entgegen und hat anschließend wieder den ursprünglichen Sound mit scharfen S-Lauten.
Der eigentliche Witz an der ganzen Sache ist, dass ich mit meinem AT 4050 + den Mikrofon-Emulationen einen besseren, bzw. wärmeren Sound hinbekomme als mit dem VMS Mikrofon.Fazit: Auf den ersten Blick vielversprechend, auf den zweiten Blick enttäuschend. Daher keine Kaufempfehlung. Für das Geld bekommt man mit Sicherheit was Besseres.

Profilbild von Jonny Jones

Jonny Jones sagt:

#3 - 26.12.2016 um 11:47 Uhr

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Erstmal Danke an Bonedo für den auführlichen Test.Ich bin seit einer Woche selber im Besitz des Slate VMS und ich kann nur sagen dieser Hype ist total übertrieben. Das Mikrofon an sich klingt wegen der scharfen S-Laute leider überhaupt nicht gut, ich habe im Vergleich dazu gleichzeitig mit meinem Audio Technica AT 4050 aufgenommen und selbst das (welches ebenfalls etwas anfällig auf S-Laute ist) hatte weichere höhen. Die Mikrofon-Emulationen sind meiner Meinung nach gelungen, wenn man etwas herumspielen möchte und den Sound etwas färben möchte, dennoch bleibt es leider eine Spielerei die keine "Wunder" bewirkt. Warum? Weil das Signal schon bereits aufgenommen wurde, eben mit diesem Sound des VMS Mikrofons. Wer also denkt er bekommt einen warmen Sound wenn er im Virtual Mix-Rack das U47 anwählt, dem kann ich getrost sagen dass dem nur so scheint. Die scharfen S-Laute bleiben selbstverständlich bestehen, da sie bereits so aufgenommen wurden...
Ich mische selber Songs ab die mit einem Neumann M149 aufgenommen wurden, da merkt man dass die S-Laute extrem weich und dumpf sind. Also dreht man etwas Höhen mit einem EQ rein und schon hat man einen wunderbaren klaren Sound, bei dem die S-Laute nicht beißen. Dieser Effekt lässt sich aber aus den oben genannten Gründen nicht mit dem VMS nachvollziehen wenn man z.B. das U47 vorschaltet und danach mit einem High-Shelf Filter Frequenzen anhebt. Man wirkt der eigentlichen Mikrofon-Emulation nur entgegen und hat anschließend wieder den ursprünglichen Sound mit scharfen S-Lauten.
Der eigentliche Witz an der ganzen Sache ist, dass ich mit meinem AT 4050 + den Mikrofon-Emulationen einen besseren, bzw. wärmeren Sound hinbekomme als mit dem VMS Mikrofon.Fazit: Auf den ersten Blick vielversprechend, auf den zweiten Blick enttäuschend. Daher keine Kaufempfehlung. Für das Geld bekommt man mit Sicherheit was Besseres.

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