Shure SM7B Test

Das Shure SM7B ist in der Reihe der hier vorgestellten dynamischen Klassiker gemeinsam mit dem SennheiserMD 21 das wahrscheinlich am wenigsten bekannte Mikrofon. Wer es optisch überhaupt nicht einsortieren kann, durchforscht vielleicht seinen biologischen Massenspeicher nur mittels der Sucheinträge “Live” und “Studio”. Führt man sich aber Bilder aus (vor allem amerikanischen) Radiostationen vor Augen, landet man eher einen Treffer.

Shure_SM7B_12

Details

Schwenkhalterung mit integriertem Stativhalter

Das SM7B wird in besagten Radiostationen meist kopfüber aufgehängt, doch lässt es sich genauso andersherum einrichten. Der Bügel, der auf einer Seite das Stativgewinde und die XLR-Buchse beheimatet, auf der anderen das Mikrofon aus Email-Aluminium und Stahl in einer “Schwenkbaugruppe” (Shure) hält, wird nur im Servicefall demontiert. Er ist genauso fester Bestandteil des Mikrofons wie das Kabel, das den Korpus nahe der Rückseite verlässt und mit der XLR-Buchse verbindet. Der große Popp- und Windschutz kann mit einem Griff entfernt und durch einen größeren ersetzt werden. Dieser befindet sich im Lieferumfang und eignet sich vor allem für sehr nahe Besprechung. Unter einem Gitterkonus, der die beiden schwarzen Schaumstoffe aufnehmen kann, befindet sich die Kapsel des 7B, die konzeptionelle Ähnlichkeiten mit der von SM57 und SM58 aufweist. Ein Absorber verhindert, dass sich Erschütterungen allzu einfach ihren Weg in das Audiosignal bahnen können. Zudem verrichtet neben der Schwingspule eine Brummkompensationsspule ihr Werk.

Fotostrecke: 4 Bilder Die integrierten Schwenkhalterung ermöglicht eine präzise Positionierung, bei sicherem Halt

Linearer, weiter Übertragungsbereich für natürliche Wiedergabe von Musik und Sprache

Die Nierencharakteristik des Mikrofons wird erst bei über 2 kHz deutlich schmaler. Zwar ist der Frequenzgang im Datenblatt mit 50 Hz bis 20 kHz angegeben, doch beugt sich die Kurve in der Grafik oberhalb von 10 kHz wie der vollbehängte Ast eines Apfelbaums der Schwerkraft. Dass das erst einmal nicht schlimm ist, weiß jeder, der sich im Umgang mit Hertz einigermaßen sicher fühlt. Geprägt ist der Frequenzgang eines SM7B von einer ordentlichen Übertragung ab 50 Hz, einer leichten Mulde bei 400 Hz und einem für ein Tauchspulenmikrofon recht gleichmäßigem Verlauf bis gut 4 kHz. Der sich daran anschließende Bereich zeichnet mehrere Überhöhungen und eine Mulde, die bei 7 kHz ihr Maximum hat. Da dort scharfe Konsonanten gerne ihr Unwesen treiben, kommt der Einbruch im Regelfall an dieser Stelle gerade recht.

Fotostrecke: 4 Bilder Schalter für Hochpassfilter und Präsenzanhebung

Zuschaltbares Hochpassfilter und Präsenzanhebung an Bord

Auf der Rückseite des Mikrofons befinden sich neben dem Firmenlogo (mit welchem Shure seine Mikrofone generell nicht auffällig zukleistert) noch zwei Schalter, mit denen ein Hochpassfilter und eine Präsenzanhebung aktiviert werden können. Das Filter beginnt zwar schon unterhalb von 300 Hz zu wirken, ist aber recht flach. Grafik und Klang nach zu urteilen handelt es sich um ein einpoliges Filter. Schaltet man die Präsenzen hinzu, arbeitet ein sanfter Bell von gut 3 dB zwischen 1 kHz und 10 kHz. Beide Einstellungen müssen mit einem spitzen Gegenstand wie einer Kugelschreibermine oder einem Schlüssel vorgenommen werden. Wer lange Fingernägel besitzt, kann gerne versuchen, diese an den Schaltern abzubrechen. Nett ist die optische Rückmeldung, denn mit dem Verschieben des Schalters bewegt man auch eine kleine Platte, die entweder eine waagerechte Linie oder die Veränderung des Frequenzgangs anzeigt. Um die getroffenen Einstellungen vor den Fingern (und möglicherweise eben Fingernägeln) Unbefugter zu schützen, befindet sich im Lieferumfang des 7B eine kleine Blindplatte, die Schalter und Anzeigen verdeckt. Das erklärt auch, was Shure daran hindert, die Schaltfunktion mit ordentlichen Pömpeln auszustatten. Was im Radiostudio noch verständlich ist, kann einem im Recordingbetrieb aber ordentlich auf den Senkel gehen.

Praxis

Die richtige Montage beachten!

Es haben schon SM7 Schäden davongetragen, weil versucht wurde, sie mit dem XLR-Anschluss auf das Mikrofonstativ zu schrauben. Das mögen die drei Pins der Buchse natürlich nicht sonderlich und verbiegen sich gen Buchsenwand. Also Vorsicht! Hat man diese erst Hürde gemeistert und auch die ungewohnte Ausrichtung vorgenommen, kann der Spaß beginnen.

Schwenkhalterung mit integriertem Stativhalter und XLR-Anschluss
Schwenkhalterung mit integriertem Stativhalter und XLR-Anschluss

Der Frequenzgang ist geradezu maßgeschneidert für Stimmen

Es fällt sofort auf, dass das Shure groß und weich klingt. Stimmen werden nicht mit deutlichen, harten Ecken und Kanten versehen, hier liegt der wesentliche Unterschied zu 57 und 58. Auch im Höhenbereich erstaunt die für Tauchspulenmikrofone ungewöhnliche Ausgeglichenheit, der die verhaltenen Harmonischen eines Preamps gut zu Gesicht stehen. Ich fühle mich beim SM7 immer an eine andere Form der dynamischen Mikros erinnert: Bändchen! Leicht bedämpfte, aber dennoch schnelle und minimal verbreiterte Höhen – genau das will man häufig von seinem Gesangssignal. Und siehe da: Viele Studioproduktionen, die milliardenfach gehört wurden, nutzten das SM7 an einem hochwertigen Pre, so beispielsweise Bruce Springsteen und Michael Jackson. In den USA ist das schwarze Mikrofon mindestens so bekannt wie hierzulande das Electro-Voice RE20, doch in Deutschland hat der Schallwandler einen schweren Stand. Warum das so ist, ist ein Rätsel, doch es kann nur an der Kommunikation liegen, nicht am Mikrofon. Zurück zum Gesang: Das SM7B weist einen Frequenzgang auf, der geradezu maßgeschneidert für Stimmen ist, eine angenehme Dichte aufweist, Frequenzbeulen dort, wo man sie in den meisten Fällen sowieso mit dem EQ schaffen würde – irre. Sicherlich kann es im Direktvergleich mit Großmembran-Kondensern bezüglich Höhendarstellung und Auflösung nicht mithalten, doch muss es das? Beurteilt man Mikrofone für ihre Eignung in einer Aufnahme, ist es oft sinnvoll, das Umfeld zu schaffen, also im Kontext eines Playbacks zu hören. Ein wenig Hörgewohnheit ermöglicht es jedoch auch, ihn sich “dazuzudenken”.

Audio Samples
0:00
Vocals Vocals mit Präsenz-Boost

Weich und rund klingender Sound

Die leichte Sanftmütigkeit des Mikrofons kann für Einsätze an Lautsprechermembranen genau perfekt sein – wenn eine gewisse Bauchigkeit gewünscht ist. Sägende Distortionklampfen wird man damit zu sehr verweichlichen und daher auf ein anderes Mikrofon zurückgreifen wollen. Meine Traumkombination wäre sicher eine cleane, halbakustische Jazzgitarre an einem “runden” Amp.

Audio Samples
0:00
Picking Hits Chords Bass

Auch an Trommeln effektiv einsetzbar

Der wohlwollende Klang macht sich auch an Trommeln jeglicher Art sehr gut, wie die Audiobeispiele eindrucksvoll belegen. Auch hier “entsteht” Volumen gleichsam, besonders fällt das an Bassdrum und Toms auf. Dass in den Tiefmitten die Übertragung etwas schwächer ist, hilft dabei, die Kesselresonanzen weniger aufdringlich sein zu lassen. Auch der Birkenbassdrum im Audiobeispiel wird das “Holz” deutlich genommen. Der Attack ist nicht aggressiv, wird aber auch nicht zu sehr in Mitleidenschaft gezogen. Möchte man den Klang etwas härter und präsenter bekommen, hilft der rückseitig einstellbare Boost. Es ist zwar deutlich, dass er für eine bestimmte Signalquelle geplant wurde, doch passt er gut zu vielen Instrumenten und stellt eine willkommene Variation dar.

Audio Samples
0:00
Bassdrum Schlagfell Bassdrum Resonanzfell Bassdrum Resonanzfell – beide Filter aktiv Snare Hi-Hat

Robustheit und Nebengräuschunempfindlichkeit sind seine Stärken

Was für alle dynamischen Mikrofone gilt, gilt natürlich auch für das 7er: Es ist äußerst robust. Die Halterung darf auch mal ruppig behandelt werden, Schlagzeugstocktreffer werden das Kapselgitter kaum über den Jordan schicken und auch nach einem Sturz vom Mikroständer wird es sehr wahrscheinlich nicht den Dienst quittieren. Brummen, magnetische Einstreuungen und Vibrationen bringen das Mikrofon kaum aus der Ruhe, auch die Poppanfälligkeit ist recht gering (vor allem dank des auswechselbaren Nahbesprechungs-Poppschutzes).  

Audio Samples
0:00
Song

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen

Fazit

Das Shure SM7B ist ein Mikrofon, das nicht trotz, sondern gerade wegen seines dynamischen Wandlerprinzips eine sinnvolle Bereicherung für jedes Studio darstellt. Man erhält mit dem ungewöhnlichen Wandler die vielleicht beste Lösung in diesem Preisbereich, wenn es um eher sanften oder “abrundenden” Sound geht. Ob bei Amps, Percussion-Instrumenten, Blech oder Stimme: Die Schallquellen klingen nicht so, als wären sie mit einem beliebigen dynamischen Mikro aufgenommen, sondern erhalten “Klasse”. Die beiden Filter liefern darüber hinaus eine gewisse Flexibilität, zudem ist das 7B durch seine Robustheit elektrostatischen und Bändchen-Mikrofonen eine Nasenlänge voraus. Es bedient mit seinen Eigenschaften also keine Nische, sondern deckt einen breiten, wichtigen Anwendungsbereich perfekt ab. Bei einem Ladenpreis von unter 400 Euro bedeutet das: Kaufen!

Unser Fazit:
5 / 5
Pro
  • “sanftmütiger” Charakter
  • sehr unempfindlich gegen Brummen, Popp und Vibration
  • flexibel durch Präsenzanhebung
  • Preis-Leistungsverhältnis
Contra
  • Bedienbarkeit der rückseitigen Schalter
Artikelbild
Shure SM7B Test
Für 389,00€ bei
Shure_SM7B_8

Technische Spezifikationen

  • Empfängerprinzip: Druckgradientenempfänger (mit Laufzeitglied)
  • Richtcharakteristik: Niere
  • Wandlerprinzip: dynamisch (Tauchspule)
  • Frequenzgang: 50 Hz (ca. -5 dB) – 20 kHz (ca. -12 dB)
  • Übertragungsfaktor: 1,12 mV/Pa
  • Filter: schaltbare Tiefenabsenkung, schaltbare Präsenz
  • Ausgang: XLR male
  • Preis: Euro 429,- (UVP)
Hot or Not
?
Dynamische_Mikrofonklassiker-21 Bild

Wie heiß findest Du dieses Produkt?

Kommentieren
Profilbild von Michel

Michel sagt:

#1 - 04.06.2012 um 17:00 Uhr

0

Ich kann zu diesem Mikro nur sagen, dass es wirklich erstklassig klingt. Das Mikro hat mir in manchen Situationen schon großartig geholfen, weil mein Raum einfach nicht gut klingt und bearbeitet ist. Gerade dann spielt das Mikro seine Stärken aus. Die Vocals sind wirklich ganz nah und präsent und auch Gitarren klingen dadurch wirklich geil! Absolute Empfehlung !!!

Profilbild von Sebastian

Sebastian sagt:

#2 - 17.06.2014 um 00:01 Uhr

0

HeyHey, ich hatte gerade ne Session mit einer Band und hatte mir dafür das Arabella von BeezNeez geliehen. Nach ein paar Tagen des Probierens stellten wir fest dass der Sänger damit nicht glücklich werden würde und probierten diverse andere Mics aus. Dann drückte mir der Arabellabesitzer sein SM7 in die Hand und das wars dann.Ich hab damit den alten Phasendrehertrick bei der Aufnahme angewendet und den Sänger bei mir in der Regie mit aufgerissenen Monitoren aufgenommen! Das hat die Platte in der jetzigen Form dann erst möglich gemacht.Und weil es gerade so gut lief hab ich bei der Session mit der nächsten Band gleich so weitergemacht und nix bereut.Zusammenfassend muss ich sagen dass Sänger die nicht die VOLLE Kontrolle über ihr Organ haben von der Mischung aus Tolenranz und und Offenheit des SM7 profitieren.Ich habs mir dann jetzt mal zugelegt.Loving it!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.
Bonedo YouTube
  • iZotope Ozone 12 Bass Control Demo (no talking)
  • LD Systems ICOA Pro Series - All you need to know!
  • Watch THIS if you use analog gear! Everything you need to know about the Freqport FreqInOut FO1