Propellerhead Balance Test

Mit ihrem letzten großen Update namens Reason 6 erweiterten die Propellerheads ihren traditionellen Sequenzer Reason um die Audioaufnahme- und Bearbeitungsmöglichkeiten des ehemals separat erhältlichen Record. Und mit Reason Essentials geben die Schweden auch dem kleinen Taler eine Chance!

Propellerhead-Balance-01_Aufmacher

Drittanbieter a la VST, AU und Co müssen zwar noch immer draußen bleiben, doch das soll nichts heißen: Und so reift mittels Salami-Taktik der bunte Produktionsbaukasten zur seriösen DAW heran. Was bisher fehlte, war ein dediziertes Audio-Interface. Und um genau das soll es hier heute gehen!

DETAILS

Das Propellerhead Balance ist “eigentlich” ein ganz normales, zweikanaliges USB-Audiointerface. Dank Windows ASIO und OS X CoreAudio-Treibern funktioniert es zwar auch mit anderen Pro-Audio-Anwendungen, doch primär wurde es für die Verwendung mit der Reason-Produktfamilie designt. Hier dient es auch als Dongle zur Wahrung des Kopierschutzes. Aber auch an der strikten Bundle-Politik wird deutlich, dass Balance und Reason zusammengehören, wodurch sich der relativ hohe Einstandspreis von 400 Euro (Streetpreis) für das Zweikanal-Interface auch relativiert. 

Alan Kay sagte einmal: ” People who are really serious about software should make their own hardware.” – und so erhält man beim Kauf von Balance das rund 250 Euro teure Reason Essentials gleich mit dazu. Aber auch bereits registrierte Reason/Record-Altkunden wurden nicht vergessen, und so erhalten diese stattdessen Reason 6 im kostenlosen Update. Im Einzelhandel würde dieses Update rund 150 Euro kosten – man benötigt es übrigens auch, um von Reason Essentials auf Reason 6 updaten zu können. Man kann somit gut und gern von einem kompletten Musikproduktionssystem sprechen. Einen detaillierten Fakten-Vergleich der einzelnen Versionen gibt es auf der Herstellerseite hier. 
Das Besondere und Schlichte wird bei Propellerhead traditionsgemäß mittels einer schicken, minimalistischer Verpackung und “crazy” Marketing unterstrichen. So wird das Produkt zum Gesamtkunstwerk. Doch Äußerlichkeiten beeinflussen uns natürlich nur am Rande, und deshalb werden wir nun das Interface an sich beäugen.

Das rund 0,5 kg schwere und 13 x 7,5 x 18 cm (BxHxT) große USB 2.0 Audio-Interface verfügt über zwei Eingangskanäle sowie zwei Ausgangskanäle. Das Gerät arbeitet mit einer Auflösung von 24 Bit und verdaut Samplerates von 44,1 kHz bis 96 kHz. Das kleine matt-schwarze Gehäuse kommt gänzlich ohne Netzanschluss aus, da es seinen Strombedarf über den USB-Anschluss deckt. 

Wie ein “High-Heel mit roter Sohle” steht das Desktop-Gehäuse schräg zur Anbetung bereit und sorgt so für ein großes rückseitiges Anschlussterminal sowie für eine ergonomische Abschrägung der oberen Bedienelemente.

Zum einen hätten wir da links unten den großen Main Out Level-Regler, der die Lautstärke des symmetrischen 6,3mm Klinkenausgangs regelt, wodurch dieser für den direkten Anschluss von aktiven Monitoren oder ähnlichem geradezu prädestiniert ist. In der Musikproduktion dreht man die Lautstärken sehr oft hoch und runter, von daher finde ich diese Gewichtung über die Größe der Drehregler sehr gelungen. Der zweite große “Knopf” ist für die ebenso wichtige Lautstärke-Regelung des Kopfhörerausgangs zuständig, der wiederum als 6,3 mm Stereo-Klinke sehr praktikabel an der Seite seinen Platz findet und prinzipiell dasselbe Signal wie der Hauptausgang erhält, da hier der gleiche DAC seinen Job verrichtet.

Propellerhead-Balance-05-TopAngled

Im oberen Bedienbereich finden wir die bunte Eingangsauswahl und Vorverstärkung für die beiden Eingänge, sprich ADCs, denn Anschlüsse bietet das Balance Interface reichlich mehr als Wandler. Es funktioniert demnach wie ein kleiner Signalrouter. Dadurch sollte ein umständliches Umstecken verschiedener Quellgeräte der Vergangenheit angehören. Neben vier Mono-Line-Quellen, können außerdem zwei Instrumente als auch zwei Mikrofone gleichzeitig und permanent angeschlossen bleiben. Aufnehmen kann man selbstverständlich immer nur zwei Signale gleichzeitig. Dank der rückseitigen Platzierung der Ausgänge veranstalten die herausstehenden Kabel auch bei Maximalbelegung kein Chaos auf dem Schreibtisch. Digitale Audioanschlüsse gibt es nicht.
Die beiden kleinen Potis auf der Bedienoberfläche sind für den Gain der linken bzw. rechten Anschlussgruppe zuständig. Die kleinen LEDs direkt daneben kennzeichnen die Aktivität der Phantomspeisung, die Aussteuerung bzw. das Clipping sowie die Aufnahmebereitschaft eines Tracks innerhalb von Reason. Versehentlich nicht aktivierte Aufnahmeknöpfe sollten damit der Vergangenheit angehören. 
Mittels Clip Safe Taste aktiviert man das gleichnamige Feature, welches ein anliegendes Signal mit einem zweiten Gain-Setting auf dem zweiten Kanal zusätzlich aufnimmt. So steht im Übersteuerungsfall eine Alternative zur Verfügung und “der eigentlich perfekte Take” muss wegen hässlichen Clippings nicht im Papierkorb landen. 

Propellerhead-Balance-07-Back

Die Line-Anschlüsse sind selbstverständlich symmetrisch ausgelegt und lassen im Doppelpack natürlich auch eine Stereoaufzeichnung zu. Wie auch die Instrumenten-Eingänge wurden sie in 6,3 mm Klinke ausgeführt. Die Instrumenten-Eingänge besitzen zusätzlich je einen Pad-Taster, wodurch sich auch deren Eingangsimpedanz ändert. Die Mikrofoneingänge wurden in XLR ausgelegt und sind mit einer einzeln zuschaltbaren 48V Phantom-Speisung ausgestattet. Der USB-Anschluss oben links erklärt sich von selbst.
Dem “echten Musiker” kamen die Propellerheads auch schon in ihren früheren Reason/Record-Versionen mit ihrem praktischen, eingebauten Tuner entgegen, doch nun erhält das Feature konsequenterweise sogar einen eigenen Knopf am Balance Interface und auch eine neue Visualisierung, die viel größer, und damit deutlicher, auf dem Bildschirm zu erkennen ist.

Propellerhead-Balance-11-Tuner

Zu guter Letzt wäre noch der Mute/Direct Monitoring-Button zu erwähnen: Kurz gedrückt muted er den Hauptausgang, was bei der Selbstaufnahme bzw. Aufnahme im Regieraum generell sehr praktisch ist und somit als Hardware-Knopf seine absolute Daseinsberechtigung hat. Zweitens und lang gedrückt sorgt er dafür, dass die Hardware-Eingänge latenzfrei, sprich “direkt”, über die Ausgänge wiedergegeben werden.

PRAXIS

Ein Aufkleber warnt mich, erst Reason Essentials zu installieren, bevor ich das Interface anschließe. Dem leiste ich brav folge, klick mich durch einen kurzen und verständlichen Installer, und et voilà – alles startet sehr einfach und ohne Probleme. Ein weiterer Assistent hilft bei den obligatorischen Audio- und MIDI-Einstellungen und führt logisch zur ersten Demo-Session. Das ist alles sehr übersichtlich und unkompliziert gelöst.
Wissen sollte man, dass Balance auch als Dongle fungiert. Ist das Interface also angesteckt, läuft Reason ohne Einschränkungen. Ist die Hardware einmal nicht zur Hand, kann man sich auch online verifizieren.  

Als erstes probiere ich das Direct-Monitoring aus. Es heißt also Mikro und Gitarre in die Hand genommen und Kopfhörer aufgesetzt. Ich drück den Mute/Direct Monitoring-Knopf etwas länger, und schon erleuchtet die benachbarte LED in Weiß. Beide Mono-Signale höre ich so auf beiden Seiten des Stereoausgangs, so sollte das sein. Die Line-Eingänge sind hingegen stereo und werden auch dementsprechend so umgesetzt, sprich links rein bedeutet auch links raus und nicht gleichzeitig links und rechts raus. Kurz gedrückt ermöglich der Mute/Direct Monitoring-Schalter hingegen ein Stillschalten des Main-Outs und signalisiert dies dann entsprechend mit einer rot-leuchtenden LED. Schick und praktisch.
Da probier ich doch auch gleich noch mal den Meter/Tuner-Knopf aus. Schon geht ein halbtransparentes Fenster mit Pegelanzeige und Stimmgerät auf, allerdings tut sich nicht gleich auf Anhieb was. Logisch, man muss zuerst eine Audiospur erstellen und eventuell einen Eingang auswählen (Cmd/Strg+T). Eingang 1 (Links) in Mono ist beim Balance voreingestellt und auch die Aufnahmebereitschaft wird automatisch mit dem “Audiospur erstellen”-Befehl aktiviert. Jetzt zeigt auch die weiße LED neben den Gain-Poti “Ready” an. Das geht sehr flink und sollte andere DAW-Nutzer schon ein wenig neidisch machen.
Blöd nur, wenn man jetzt immer noch Direct-Monitoring an hat, denn so hört man sich doppelt. Also noch schnell Track-Monitoring in der Software oder aber Direct-Monitoring am Gerät ausschalten. Ich entscheide mich für ersteres, finde es aber trotzdem unglücklich, dass der Schalter am Gerät diese beiden Funktionen nicht im Wechsel beschaltet, sprich: Schalter an gleich Direct Monitoring an und Track Monitoring aus bzw. umgedreht. Einen Umweg gibt es aber über die Audioeinstellungen unter dem Menüpunkt “Monitoring”, hier kann man “Manuell” einstellen und zumindest das automatische Zuschalten des Track-Monitorings deaktivieren. 

Propellerhead-Balance-15-ManuelMonitoring

Jetzt kann es aber wirklich auch schon los gehen. Cmd/Strg + Enter startet die Aufnahme und ab die Post!

Auch das Balance-exklusive „Clip Safe“-Feature ist eine gute Sache. Man kann zwar nur noch ein Mono-Signal gleichzeitig aufnehmen, das liegt in der Natur der Sache, dennoch ist die Aufzeichnung eines alternativen Gain-Settings besser als die nichtvorhandene Alternativ-Aufzeichnung im Übersteuerungsfall. In der Software kann man sich später entscheiden, welche Version die bessere war.
Die Ausstattung der mitgelieferten Version Reason Essentials ist recht stattlich und gegenüber dem alten Record auch gewachsen. Dennoch muss man natürlich auf einige Features der großen Reason 6 Version verzichten, sollte man nicht schon vorher Reason/Record-Kunde gewesen sein und somit von der kostenlosen Update-Möglichkeit profitieren können. Logisch. So fehlt es dem SSL-Klone-Mischpult in der kleineren Version im Vergleich an ein paar EQ-Bändern, dem Channel-Kompressor, Gate und Hi/Lo-Pass, wie auch einigen der Kreativ-Instrumente komplett, namentlich Kong, Thor, Malström und NN19, sowie einigen Effekten, u.a. der alten und neueren Machart à la Alligator, Pulveriser, The Echo, Neptune, usw. Auch der Block-Modus zur Pattern-orientierten Produktion fehlt der kleinen Version. Auch das mitgelieferte Samplematerial der “Factory Sound Bank” fällt etwas kleiner aus. Die Orkester Sound Bank fehlt Essentials hingegen gänzlich.  

Die Feature-Auswahl von Essentials orientiert sich insgesamt stark am alten Konzept “Record”, was mit seiner Auswahl an Instrumenten und Effekte vor allem Singer/Songwriter ansprechen sollte. So gibt es unter anderem Chorus, Flanger, Delay, Distortion, Reverb und die Line 6 Gitarrenamp-Emulationen an die Hand bzw. Klampfe. Diese Effekte gehören zwar nicht zur Crème de la Crème des FX-Processings, liefern aber dennoch recht erstaunliche Ergebnisse, vor allem in Anbetracht der resultierenden, geringen CPU-Last.  Außerdem ist nun Redrum für das Drumsequencing, Subtractor als subtraktiver Synth sowie ID-8, Dr. Octo Rex und NN-XT als Sampler und ROMpler auch in der kleinen Version mit an Bord. All das bietet insgesamt immer noch genügend Spielraum auch für ambitioniertes Schraubereien!
Folgende Audiobeispiele hat mein Kollege Bassel el Hallak direkt in Balance mit den entsprechenden Line-6 Presets der Reason Essentials Version eingespielt. Angeschlossen war eine HSS Strat.

Propellerhead-Balance-12-Line6
Audio Samples
0:00
Dirty Clean Dumble Twin NY Drive Treadplate

Der mitgelieferte “Baukasten” ist also mehr als reichlich bestückt. Es gibt zwar nach wie vor keine Möglichkeiten, VSTs oder Ähnliches einzubinden, dank Rewire stehen dennoch genügend Routing-Möglichkeiten zur Verfügung. Ich verweise an dieser Stelle ausdrücklich auf unseren Test von Reason 6 und einen zukünftig folgenden Test von Reason Essentials. Allen Ungeduldigen empfehle ich bis dahin, anstatt auf den Test von Reason Essentials zu warten, sich unseren Record 1.5 Test anzuschauen, da sich trotz unterschiedlicher Namen, nicht allzu viele Unterschiede offenbaren und das Gesamtkonzept gut erklären. 
Doch zurück zum Interface: Der Kopfhörerausgang ist laut, allerdings nicht unbedingt laut genug, um “sicher ausgesteuerte” D.I.-Signale entsprechend laut zum Playback hinzuzumischen. Ein Umweg wäre es, auf das Direct-Monitoring zu verzichten und über Reason das Signal beim Einspielen zu hören, was zwar wiederum Latenzen mit sich bringt, diese aber auf Grund der guten Performance von Reason dennoch akzeptabel sind. Auf meinem gut zwei Jahre alten MacBook Pro 2,4 GHz Core 2 Duo, 2 GB RAM liefen die üppigeren Demo-Songs bei 512 Samples knackfrei. Bei kleineren Aufnahme-Projekten kann man auch mit 64 Samples knackfrei arbeiten. Das ist okay. 
Aufpassen sollte man nur, welchen USB-Anschluss man benutzt. Gerade bei Laptops hängt an manchen USB-Eingängen intern auch gerne mal noch andere Peripherie, wie Kameras, Mäuse oder Tastaturen mit am Controller dran. Das muss man ausprobieren. An meinem MacBook hatte ich mit der zu mir geneigten USB-Buchse mehr Erfolg, als andersherum. Bemerkbar macht sich das ganze durch Aussetzer bei geringen Samplepuffer-Settings zur Verringerung der Latenz.

Propellerhead-Balance-21-UsbSlot

FAZIT

Mit Balance steigt Propellerhead in den Einsteiger-Hardware-Markt ein, allerdings nicht ohne Reason weiter zu pushen. Balance erhält man nur im Bundle mit Reason Essentials bzw. mit einem Update zu Reason 6, sodass sich das Gesamtpaket nicht nur als ein clever durchdachtes Audio-Interface präsentiert, sondern vielmehr als autarkes Produktionssystem mit einer ganz eigenen Philosophie. Traditionell bietet das Reason-System ein paar Einschränkungen, doch diese werden von der resultierende Effizienz und Unbeschwertheit mehr als glatt gebügelt. Reason ist sicherlich nicht für jeden das Beste, aber für viele immer noch das Beste! Und dank Reason Essentials kommen nun auch Musiker mit weniger Ansprüchen an Sounddesign und Co, als vielmehr mit dem Hang zum Songwriting, in den Genuss einer einfachen, logischen und übersichtlichen Harddisk-Recording-Lösung, die in Anbetracht des Gesamtpreises mehr als punkten kann, denn Reason Essentials ist kein typisches Anfütter-Programm mit dem Drang, den Kunden zum größeren Produkt zu drängen. Sehr empfehlenswert!

Pro:
  • Günstiges Gesamtpaket aus Soft- und Hardware
  • Funktionelles Design
  • Direct Monitoring
  • Clip-Safe Feature
  • viele Anschlüsse
Contra:
  • geschlossenes System
Propellerhead-Balance-01_Aufmacher
Features:
  • USB 2.0 -Audiointerface
  • 2-In / 2-Out
  • 24-bit ADC/DACs, 44.1 bis 96kHz
  • Low latency Design mit Direct-Monitoring
  • Clip Safe Feature
  • Bus-Powered
  • Mac OS Class Compliant CoreAudio Treiber / ASIO Treiber für Windows
  • Built-in Propellerhead Ignition Key
  • 2 x XLR Mikrophon-Eingänge mit 48V Phantomspeisung
  • 2 x 6,3 mm Klinke Instrumenten-Eingänge mit Pad
  • 4 x 6,3 mm Klinke Line-Eingänge (2 Stereopaare)
  • 1 x 6,3 mm Klinke Kopfhörerausgang
  • Separate Lautstärkenregelung für Hauptausgang und Kopfhörerausgang
  • inklusive Reason Essentials
  • inklusive Reason 6 für bereits registrierte Nutzer von Reason/Record
Preis:
  • EUR 499,- (UVP)
Unser Fazit:
5 / 5
Pro
  • Günstiges Gesamtpaket aus Soft- und Hardware
  • Funktionelles Design
  • Direct Monitoring
  • Clip-Safe Feature
  • viele Anschlüsse
Contra
  • geschlossenes System
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Propellerhead Balance Test
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