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Orange OR15H Test

Das Orange OR15H Vollröhren-Gitarren-Topteil im bonedo-Test – Kleine Röhrenverstärker scheinen im Moment der letzte Schrei zu sein – zumindest kommen mir in letzter Zeit immer neue Exemplare dieser Ampkategorie unter die Finger. Und mal ganz unter uns: Wer braucht auch schon 50 oder 100 Watt Röhrenendstufenpower? Ich habe einen gut abgehangenen 100 Watt Marshall, dessen Master ich bei Clubgigs höchstens auf 1 stellen kann! Bei meinem AC 30, der bekanntlich 30 Watt liefert, sieht es ähnlich aus – hier komme ich vielleicht auf 2, aber das wars dann auch schon.

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Lieferte einen überzeugenden Auftritt: Der Orange OR15H


Der Nachteil bei der Sache: Bei diesen Lautstärke-Leveln kommt man kaum in den Genuss der so hochgepriesenen Endstufensättigung, ohne seine Gesundheit zu riskieren. Umso sinnvoller ist die Idee, kleine, nicht so leistungsstarke und gleichzeitig leichtere Röhrenamps zu bauen, deren Endstufen sich mit in die Klanggestaltung einbeziehen lassen.Dabei gehört unser Testkandidat, der Orange OR 15, mit seinen 15 Watt schon zu den großen unter den Vollröhrenwinzlingen, denn einige Hersteller scheinen sich in Sachen Abmessungen und Leistung gegenseitig unterbieten zu wollen. Was der kleine große Orange kann und wie er klingt, das soll dieser Test herausfinden.

Details

Aufbau & Konzept

Der Orange OR15H ein reinrassiges einkanaliges Röhrentopteil mit einer Ausgangsleistung von 15 Watt. Verantwortlich für die Endstufenpower sind zwei EL84 Röhren, die zusammen mit drei ECC83 in der Vorstufe und einer ECC81 in der Effektschleife das Innere des Chassis auch im Winter mollig warmhalten. Im Gegensatz zum Tiny Terror, der ähnlich ausgestattet ist, strahlt der OR15 im klassischen Orange-Look, wobei alle Bauteile (inklusive der Potiknöpfe) proportional geschrumpft wurden. Es immer wieder eine Wonne, einmal etwas anderes als die sonst üblichen schwarzen Amps auf dem Seziertisch zu haben. Dabei war der orangefarbene Vinyl-Bezug, mit dem Musiker weltweit Orange-Verstärker assoziieren, eher der Notwendigkeit geschuldet, möglichst günstig zu produzieren. 1968 war dieser “Anzug” nämlich alles andere als angesagt und deshalb viel billiger und einfacher zu bekommen. Wer weiß, ob sich die Firma Orange trotz ihrer gut klingenden Amps so gut entwickelt hätte, gäbe es nicht diesen hässlich/schönen und aus der finanziellen Not geborenen Unterschied mit seinem hohen Wiedererkennungswert.

Fotostrecke: 2 Bilder Der OR15H im typischen Orange-Look

Die Front

Rein optisch ähnelt der OR15 den klassischen Orange Amps der frühen 70er Jahre und wirkt dabei wie ein eingelaufenes Pendant. Unter dem klassischen “Comic” Schriftzug auf der Vorderseite findet man die Bedienelemente des Amps sowie den auf der rechten Seite angebrachten Gitarreneingang. In direkter Nachbarschaft zur Eingangsbuchse sitzt der Gainregler, mit dem Sättigungsgrad und damit verbunden die Verzerrung der Eingangsstufe stufenlos geregelt werden kann. Es folgt die Dreiband-Klangregelung, bestehend aus Bass, Middle und Treble.Ein weiterer Regler ist für die Kontrolle der Gesamtlautstärke des Verstärkers zuständig. Wie bei Orange typisch, hat man die einzelnen Regler nicht einfach beschriftet.Stattdessen findet man seltsame Zeichen und Piktogramme, die an eine Mischform aus altägyptischen Hieroglyphen und Schaltplankauderwelsch erinnern. Bei Orange Amps ist eben alles ein wenig anders, aber vielleicht wollte man Ende der 60er Jahre und im Zuge der ersten Ufo-Sichtungen sicherstellen, das auch Wesen aus anderen Galaxien in der Lage sind, die Wirkungsweise der einzelnen Potis zu entschlüsseln. Wer weiß!

Fotostrecke: 4 Bilder Das Frontpanel

Die Rückseite

Unter dem Schlitzblech, das Einblick in die inneren Werte des OR15 gewährt, befinden sich die restlichen Anschlüsse. Wie bei puristischen Gitarrenamps üblich, gibt es hier nicht wirklich viel zu sehen. Eine Kaltgerätebuchse dient der Stromversorgung des Heads und für den Anschluss einer Gitarrenbox stehen eine 16 und zwei 8 Ohm Lautsprecherausgänge zur Verfügung. Wie weiter oben schon erwähnt, besitzt der Amp einen röhrengepufferten Einschleifweg, über den einige Puristen immer noch die Nase rümpfen. Leider, denn richtig angewendet kann ein Einschleifweg den Sound und den Einsatznutzen eines Gitarrenamps massiv erweitern, besonders dann, wenn man mit dem Amp die Verzerrung erzeugt. Denn dann ist es nahezu unmöglich, Delays oder Halleffekte vor den Amp zu hängen, weil sie durch die nachfolgende Verzerrung ziemlich kaputt klingen. Nur bei einer sehr leichten Verzerrung funktionieren Delaysounds, Brian Setzer ist ein gutes Beispiel dafür. Ab Zerre auf AC/DC-Level klingt ein vorgeschaltetes Delay leider völlig unbrauchbar.

Fotostrecke: 4 Bilder Das Heck des OR15H

Da der Einschleifweg des OR15 seriell ausgelegt ist und keinen Mischregler besitzt, ist es wichtig, hier nur wirklich gute Effektgeräte einzusetzen und auf keinen Fall alte Bodentreter einzuschleifen. Sie würden die Dynamik des Amps ruinieren. Hier gehören gute Delay-, Reverb- oder Modulationseffekte wie Chorus und Flanger hin. Wah-Wah Pedale, Verzerrer und Compressoren haben dort nichts verloren, sie gehören grundsätzlich vor den Amp.

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Praxis

Der Orange OR15 ist ein puristischer einkanaliger Röhrenverstärker mit einer Class A Endstufenschaltung. Vielleicht ist das der Grund dafür, das der Amp den fließenden Übergang zwischen clean und angezerrt besonders gut hinbekommt. Hier erinnert der Sound fast schon an einen guten alten AC 30, obwohl der Ton oben herum nicht ganz an den Glanz herankommt, den mein alter Vox-Combo bringt. Wirklich clean bekommt man den Amp im Grunde genommen nur bei sehr geringen Lautstärken, die weder im Proberaum noch auf der Bühne ausreichen, sich durchzusetzen. Aber dazu wurde dieser Amp auch nicht konstruiert, denn hier geht es um klassische rockige Gitarrensounds.

Ab Einstellungen um die 11-Uhr-Marke des Gainreglers bietet der Verstärker schon ein beachtliches Pfund. Hier lassen sich, je nach Ausgangsleistung der Tonabnehmer, bereits fleischig Riffs und zerrige Gitarrenflächen erzeugen. Dreht man den Gainregler noch weiter auf, kommt man mit dem Amp schnell in klassische Rockdimensionen – Verzerrungen in Stil von AC/DC bis hin zu Gary Moore sind für ihn kein Problem. Dieser Bereich ist meiner Meinung nach die Domäne dieses Verstärkers. Der Amp bringt schöne Obertöne und klingt im oberen Frequenzbereich immer frisch, ohne dabei zu harsch zu werden. Mit dem Gainregler auf Maximum lässt sich der OR15 sogar zu Metallsounds hinreißen, wobei auch dann der Sound immer fett und dreidimensional bleibt – also nix mit Kindergartenzerre und Gleichmachersounds.

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Die Kompression der Endstufe färbt den Sound zwar etwas schön, dieser Effekt hält sich aber in Grenzen, solange man den Master nicht zu weit aufdreht. Bei meinen Audioeinspielungen stand dieser immer zwischen 11 und 12 Uhr, wobei der Amp bestens mit Singlecoils und Humbuckern klarkommt und man beim Wechsel zwischen Strat und Les Paul keine klanglichen Einbrüche befürchten muss. Wegen seiner Vielfalt sehe ich das Einatzgebiet des OR15 übrigens auch im Tonstudio, wo man ihn für Blues, Rock, Country und teilweise auch für Metal einsetzen kann. Einen ausgewachsenen Marshall wird er hier zwar nicht toppen können, seine Sounds können trotzdem überzeugen, besonders, wenn es stilistisch nicht ganz so brachial sein soll. Aber auch als Übungsamp in heimischer Umgebung macht der orangefarbene Zwerg eine gute Figur, da die Endstufe von 15 auf 7 Watt umgeschaltet werden kann. Bei kleinen Gigs und im Proberaum kann man den Amp ebenfalls problemlos nutzen, wenn man den Master nicht zu weit aufdrehen muss. Je nach Verzerrungsgrad wird es ab 2 Uhr bereits zu komprimiert und die Dynamik leidet. Aber keine Sorge, bis es so weit kommt, dürften den Mitmusikern im Proberaum bereits die Ohren glühen.

Kommen wir zu den Hörbeispielen.

Im ersten Audiobeispiel habe ich meine Kloppmann Stratocaster mit der ersten Zwischenposition von Steg- und Mittelpickup verwendet.

GitarreGainTrebleMidBassMaster
Strat9Max.141412
Audio Samples
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Beispiel 1

Obwohl der Sound clean klingt, ist der Amp schon leicht angezerrt. So kommen die Obertöne besonders schön zur Geltung, und gleichzeitig geht die Endstufe etwas in die Kompression und verdichtet so den Sound. Dieses Klangverhalten erinnert an einen behutsam angezerrten Vox AC 30, wobei mir der Sound des Orange OR 15 insgesamt etwas sperriger vorkommt. Trotzdem gefällt mir das Ergebnis sehr gut, denn gerade diese Schwelle zwischen clean und angezerrt ist eine der härtesten Disziplinen, die längst nicht alle Amps beherrschen.
Im zweiten Audio habe ich den Gainregler noch weiter aufgedreht, um einen schmatzigen Riff-Charakter hinzubekommen. Wieder ist die Stratocaster an der Reihe, die dank der leichten Endstufenkompression nie zu spitz klingt.

GitarreGainTrebleMidBassMaster
Strat1113131712
Audio Samples
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Beispiel 2

Solche Sounds eignen sich im Studio sehr gut für knarzige Riffs und flächige Arpeggien.
Um zu testen, ob der Amp auch mit Humbuckern klarkommt, habe ich für das nächste Audiobeispiel meine Gibson Les Paul angeschlossen.

GitarreGainTrebleMidBassMaster
Les Paul141414Max.11
Audio Samples
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Beispiel 2

Im Zusammenspiel mit den Dommenget Humbuckern generiert der kleine Amp problemlos sehr amtliche Mainstream-Rocksounds. Mit dem Gainpoti knapp über der Mittelstellung bringt der Amp amtliche Classic-Rocksounds à la Gary Moore und Joe Bonamassa. Obwohl ich den Bassregler voll aufgedreht habe, fehlt naturgemäß der massive Wumms, den man von einem gut abgehangenen Marshall her kennt. Trotzdem hat der Sound etwas sehr Organisches und Natürliches und wirkt nicht plastikmäßig überbraten.
Der Orange OR15H kann auch richtig böse, besonders dann, wenn man ihm die Mitten wegnimmt. Hier ist aber Vorsicht geboten. Dreht man zu viele raus, geht gleichzeitig auch die Definition der gespielten Noten verloren und der Sound brutzelt nur noch vor sich hin. Deshalb habe ich die Mitten im nächsten Beispiel auch nicht komplett eliminiert, sondern das Poti auf 9:30 gestellt, um ein Minimum an Definition zu erhalten.

GitarreGainTrebleMidBassMaster
Les PaulMax.15101511
Audio Samples
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Beispiel 4

Der Sound ist jetzt schon sehr komprimiert und meiner Meinung nach nicht die wirkliche Stärke des Amps. Aber selbst mit maximaler Verzerrung klingt er nicht nach billiger Plastikzerre, sondern immer noch nach einem echten Röhrenverstärker.

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Fazit

Der Orange OR15 ist ein kleiner, handlicher Vollröhrenverstärker, mit dem man schon in gemäßigter Lautstärke richtig abrocken kann, ohne gleich den ganzen Laden einzureißen. Der Amp bietet einen soliden klassischen Rocksound und ist stilistisch vielseitig einsetzbar. Richtig clean will der kleine Brüller allerdings nicht, dazu wurde er aber auch nicht konstruiert. Es klingt immer leicht rotzig, was sicher auch mit der geringen Endstufenleistung zusammenhängt. Aber eine eierlegende Wollmilchsau möchte der spacige Kollege auch gar nicht sein. Nicht nur Blueser und Mainstreamrocker werden hier ihre wahre Freude haben, auch im Studio macht der Amp dank seiner vielseitigen Soundmöglichkeiten eine gute Figur.

Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • Sound
  • Einfache Bedienung
  • Verarbeitung
  • Preis/Leistung
Contra
  • “Richtige” Clean-Sounds kaum möglich
Artikelbild
Orange OR15H Test
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Lieferte einen überzeugenden Auftritt: Der Orange OR15H
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Der OR15H im typischen Orange-Look

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Kommentieren
Profilbild von wilinus

wilinus sagt:

#1 - 06.02.2013 um 03:12 Uhr

0

das mit dem Clean Sound bekommt man einfach durch den Tausch von Vorstufenröhren mit weniger Gain hin (die Originalröhren sind no-name China).
Je nach Klangcharakter der Röhren ist auch etwas mehr Tiefgang im Bass zaubern, dann ist der Amp in Blues und Classic Rock Gefilden kaum zu schlagen.

Profilbild von BonedoMalte

BonedoMalte sagt:

#2 - 06.02.2013 um 19:19 Uhr

0

Hey Wilnius! Danke für den Tipp! Schreib doch gerne mehr über deine Erfahrungen! Was für Röhren du genommen hast beispielsweise! Das interessiert bestimmt viele Orange-Fans!

Profilbild von wilinus

wilinus sagt:

#3 - 10.02.2013 um 17:26 Uhr

0

Update Röhrentuning :-)
Ich habe alle Vorstufenröhren (China no-name) getauscht. Mein Favourite für einen fetteren Sound ist die ECC83 Cz von TAD als V1 und V2, alternativ für die V1 (wenn es noch cleaner sein soll) eine 12AY7 (die von EH finde ich ganz gut). Für den Phasentreiber V3 habe ich eine 12AU7 / ECC82 eingestzt.
Jetzt noch den FX Loop mit einer schönen 12AT7 aufrüsten und das mit der extrem frühen Verzerrung sollte vorbei sein.

Profilbild von BonedoMalte

BonedoMalte sagt:

#4 - 11.02.2013 um 15:40 Uhr

0

Interessant! Danke für die Infos!

Profilbild von Peter Bader

Peter Bader sagt:

#5 - 11.02.2013 um 21:45 Uhr

0

sehr guter test mit guten soundbeispielen.
vor allem auch die sache mit dem einschleifweg ist vielen sicher nicht ganz klar gewesen
Grüsse Peter

Profilbild von goatmachine

goatmachine sagt:

#6 - 07.08.2013 um 22:30 Uhr

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Grüße! Irgend wer Erfahrungen, wie er sich mit OD/Distortion Pedalen verträgt? Hab' interesse an dem Amp, würde ihn aber über ein externes Pedal verzerren wollen, um "2 Kanäle" zu bekommen und einen metallischeren Sound zu bekommen! :)

Profilbild von givemeajackson

givemeajackson sagt:

#7 - 09.11.2013 um 17:50 Uhr

0

@goatmachine dafür würde ich eher einen mehr clean-orientierten amp nehmen.

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