MXL V6 Test

Die kalifornische Firma Marshall Electronics – nicht zu verwechseln mit dem britischen Hersteller legendärer Gitarren-Amps – fertigt schon seit über 30 Jahren Equipment für den professionellen Audio- und Video-Bereich. Trotzdem wird den meisten von euch dieser Name nicht viel sagen, oder? Eher der einer anderen Marke, die unter dem Dach von Marshall Electronics zu Hause ist: Mogami, der Hersteller nicht gerade günstiger, aber guter Verkabelung.

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Und wie steht es mit MXL? Aber wahrscheinlich geht bei den meisten trotz intensiven Gehirnjoggings auch hier kein Licht auf. Genug des Rätselratens: MXL stellt Mikrofone her, und das in den verschiedensten Varianten – vom Podcast-USB-Mikrofon über „normale“ Kondensator-Mikros in Groß- und Kleinmembran-Bauweise, über Röhren-, Richt-, Grenzflächen- und Lavalier-, bis hin zu „Silicon Valve“-Mikrofonen. „Silicon Valve“ …? Nein, es hat weder etwas mit dem Silicon Valley noch mit schönheitschirurgischen Eingriffen irgendwelcher Art zu tun. Bei „Silicon Valve“ handelt es sich um eine Produkt- oder besser gesagt Technologie-Linie von MXL, bei der die Mikrofone zwar die Klangeigenschaften von Röhren-Mics besitzen sollen, aber nicht deren Nachteile. So soll beispielsweise das Rausch-Problem vieler Röhrenmikrofone kein Thema sein, und ein externes Netzteil muss man auch nicht mitschleppen. Viele fromme Wünsche, aber ob das alles auch tatsächlich funktioniert?
Die „Silicon Valve“-Serie von MXL umfasst derzeit zwei Modelle, das M3 und das V6, beides Großmembran-Kondensatormikrofone. Wir haben uns für unseren Vergleichstest das V6 schicken lassen und waren ehrlich gesagt ziemlich gespannt, welche Ergebnisse diese „Wunder-Technologie“ in der Studio-Praxis bringt.

Details

Goldkind in Samtverpackung

Nicht schlecht, das V6 kommt in einer mit Samt ausgekleideten Holz-Schatulle daher. Na dann wollen wir den Messingverschluss mal öffnen. Ups, was offenbart sich denn da? Der eine mag jetzt sagen „welch ein goldiges Schätzchen“, der andere „Kitsch pur“, und wiederum ein anderer bringt es vielleicht plakativer mit „Porno-Prügel“ rüber. Nun gut, über Geschmack kann man eben streiten – oder auch nicht. Mein erster Gedanke war: „Hoffentlich klingt das Teil nicht so, wie es aussieht.“
Ich werde die Optik des V6 nun mal ganz objektiv beschreiben, zumindest versuche ich es: Der Body des MXL-Mikrofons kommt in einem silbergrauen Look daher, der Metallzylinder wurde mit einer Art Klarlack versehen. Sowohl der Mikrofon-Körper als auch die XLR-Anschlussbuchse mit versenktem Schraubgewinde sind solide verarbeitet und hinterlassen den Eindruck, dass man viele Jahre Freude an diesem Mikro haben kann. Das V6 misst 55mm im Durchmesser, 215mm in der Länge und wiegt rund 520 Gramm.

Der Mikrofonkorb sieht edel aus, wirkt aber nicht sehr robust

Kommen wir nun zu dem Punkt, an dem sich die Optik-Geister scheiden, dem Mikro-Korb. Dieser besteht aus sehr feinmaschigem, goldenen Drahtgeflecht, der untere Ring sowie der Mittelsteg „funkeln“ in hochglänzendem Gold. Hinter dem äußeren Drahtgeflecht sitzt ein weiteres, noch feineres Drahtgeflecht; quasi als Pop-, Staub- und „Anti-feuchte-Aussprache“-Schutz. Der Korb wirkt an sich nicht sehr robust, da der verwendete Draht doch sehr dünn ist. Man sollte also ein wenig Vorsicht im Umgang mit dem V6 walten lassen, denn sonst handelt es sich am „Kopf“ schnell Beulen ein.

Das in USA designte Mikrofon lehnt sich klanglich an Röhren-Vorbilder an

Im Korb lässt sich die goldbedampfte 1“-Membran erkennen, die mit 16 Miniatur-Kreuzschlitzschrauben eingespannt wurde. Schalter für Pad, Filter oder Richtcharakteristik-Umschaltung sucht man vergebens, das V6 präsentiert sich technisch gesehen ganz pur und schnörkellos. Es wurde in den USA designt und auch gefertigt und verfügt – wie eingangs bereits erwähnt – über die „Silicon Valve“-Technologie. Mithilfe einer speziellen FET-Schaltung („FeldEffektTransistor“) ohne ICs („integrated circuit“ – integrierter Schaltkreis) soll hier ein Röhren-Sound simuliert werden, dessen Klang-Ergebnis wir von Anfang an mit Spannung erwartet haben – dazu mehr im Praxis-Teil. Das MXL V6 besitzt eine feste Nieren-Richtcharakteristik und einen Übertragungsbereich von 30Hz-20kHz. Im Frequenzgang-Diagramm lassen sich eigentlich keinerlei Überhöhungen erkennen, im Gegenteil, unterhalb etwa 4kHz liegt die Kurve konstant unter der 0dB-Linie, mit etwas stärkeren Absenkungen bei etwa 400Hz und 1,2kHz. Der maximal verkraftbare Schalldruckpegel wird von MXL mit 130dB (SPL) angegeben (@1% THD), das Eigenrauschen mit 16dB(A) und die Empfindlichkeit mit -33dBV.

Wie ein gut gereifter Wein liegt das V6 in seiner Holz-Schatulle, wirkt aber etwas "overdressed".
Wie ein gut gereifter Wein liegt das V6 in seiner Holz-Schatulle, wirkt aber etwas “overdressed”.

Die Halterung erfüllt ihren Job voll und ganz

Die mitgelieferte Mikrofon-Stativhalterung erinnerte mich sofort an das Pendant von Neumann – ich dachte zuerst sogar, sie sei vielleicht kompatibel, doch nach einer kurzen Bekanntmachung mit einem TLM103 bestätigte sich dies nicht. Um es kurz zu machen: Die Halterung erfüllt ihren Job voll und ganz, das lange und sauber geschnittene Gewinde lässt sich mühelos und ohne Verkanten mit dem V6 verbinden, und auch in geneigten Positionen hält das Mikrofon bombenfest. Ein bisschen schade finde ich, dass nicht gleich eine elastische Spinnenhalterung mitgeliefert wird, sondern diese optional erworben werden muss – viele andere Mikros dieser Preisklasse haben eine elastische Halterung gleich mit an Bord. Sei’s drum – lasst uns sehen und hören, was „Silicon Valve“ & Co im Studio bringen, Röhren-Sound oder vielleicht doch nur „Silikon/Plastik“-Feeling?

Praxis

Eine positive Überraschung im Feld unserer Testkandidaten

„Plastik-Sound“? Weit gefehlt! Das MXL V6 war sicherlich das Mikro innerhalb unseres Vergleichstests, das uns am meisten überrascht hat – und zwar im positiven Sinne. Das Mikrofon klingt in sich sehr gut abgestimmt und ausgewogen. Mit seinen leicht warmen Mitten und den silbrigen Höhen ist der Vergleich zum „berühmten“ Röhrenmikro-Sound gar nicht so abwegig. Die Höhen liefern sehr durchsetzungsfähige und brillante Präsenzen, die aber zu keiner Zeit überrepräsentiert sind. Vielmehr erfährt der Gesamtsound dadurch eine schöne Offenheit nach oben hin. Dieser Klangcharakter harmoniert zum Beispiel sehr gut mit weiblichen Vocals, die mit etwas mehr Luft gesungen werden. Man bekommt so sehr schnell diese Art leicht hauchigen „Sexy-Vocal-Sound“ hin, wie man ihn aus diversen Pop- und Soul-Produktionen der aktuellen Charts kennt. Im Bass-Bereich würde man sich vielleicht hier und da etwas weniger „Fleisch“ wünschen. Es ist zwar nicht unangenehm zu viel, vielmehr so, dass man untenrum ein richtig ordentliches Fundament hat, das teilweise etwas „too much“ ist. Durch ein LowCut-Filter bei etwa 80Hz kann man den Sound aber mühelos wieder in die richtigen Bahnen lenken.

Stets "kameraüberwacht" verliefen unsere Recordings im Studio.
Stets “kameraüberwacht” verliefen unsere Recordings im Studio.

Klanglich könnte man fast eine Röhre im Innern vermuten

Die Mitten, und ganz besonders deren Auflösung, können dann wieder schnell glänzen. Hier klingt es zwar alles andere als neutral, aber das tut ein Röhrenmikrofon ja auch nicht, und schließlich ist das ja auch seine Klang-Vorgabe. Dieser Bereich wird jedenfalls sehr fein aufgelöst, sodass sich auch feinste Nuancen, die sich in diesem Frequenzband abspielen (und das sind nicht wenige – bei den meisten Instrumenten und der Stimme liegen hier die Haupt-Informationen) mühelos nachvollziehen und trennen lassen. In Sachen Dynamik verhält sich das V6 ebenfalls ähnlich seiner mit Glaskolben bestückten Vorbilder: Wenn man das Mikro durch hohe Pegel richtig kitzelt, wird der Sound auf angenehme und dezente Weise dichter und rückt weiter nach vorne, bleibt aber trotzdem noch offen. Ich möchte das Feuer, in das ich nun meine Hand lege, nicht zu stark schüren, aber ich sage ganz klar: Das MXL V6 kann locker mit Mikrofonen mithalten, die das Doppelte kosten.

Hinweis zu den Audio-Files:

Die Aufnahmen wurden im Tonstudio unter professionellen Bedingungen durchgeführt. Um die Eigenschaften genau erkennen zu können, solltest du mit hochwertigen Kopfhörern oder über ein gutes Lautsprechersystem abhören. Das Referenzmikrofon ist ein Neumann TLM-127 bei den weiblichen Vocals bzw. ein Neumann TLM-103 bei den männlichen Vocals – beide Neumann-Mikrofone sind für ihre hohe Qualität und ihren unaufdringlichen Charakter bekannt.

Audio Samples
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weibliche Vocals weibliche Vocals, Referenzmikrofon
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männ. Vocals, 10cm Abstand männ. Vocals, 30cm Abstand männ. Vocals, 10cm Abstand, Referenzmikrofon männ. Vocals, 30cm Abstand, Referenzmikrofon

Mit dem V6 ist MXL ein wahrlich großer Wurf gelungen – verdient hat sich dieses Mikro somit, wenn auch nur mit knappem Vorsprung, Platz 1 unseres Test-Marathons. Das V6 klingt sicherlich nicht neutral, aber das möchte es auch nicht. Es orientiert sich eher am Klang von Röhren-Mikros und schafft so einen ganz eigenen Charakter, der bestimmt viele Fans finden wird. Von uns aus ist das MXL auf jeden Fall eine Empfehlung zum Antesten.

Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • gut abgestimmt
  • präsente und brillante Höhen
  • gut aufgelöste Mitten
  • eigener, sehr angenehmer Klangcharakter
  • gutes Dynamikverhalten
Contra
  • keine elastische Spinnenhalterung inklusive
  • leichte Überbetonung der Bässe
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Technische Daten
  • Typ: Großmembran-Kondensatormikrofon
  • Richtcharakteristik: Niere
  • Ausgangsimpedanz: 120 Ohm
  • Übertragungsbereich (+/-3dB): 30Hz-20kHz
  • Max. Schalldruckpegel (THD:0,5%): 130dB(SPL)
  • Empfindlichkeit: 22mV/Pa, -33dBV
  • Äquivalenter Eigengeräuschpegel: 16dB(A)
  • Preis: 289 EUR (UVP)
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Kommentieren
Profilbild von Frank

Frank sagt:

#1 - 19.06.2011 um 18:55 Uhr

0

Was für ne Sprache soll das sein, in der die Sängerin in den Soundbeispielen singt ? Englisch ? Kann man nicht verstehen.Oder soll das ein besonders "authentischer" britisch/amerikanischer Akzent sein ?

Profilbild von Ind00r

Ind00r sagt:

#2 - 23.06.2011 um 15:00 Uhr

0

lern englisch, dann verstehst du's

Profilbild von audiophil

audiophil sagt:

#3 - 25.07.2011 um 14:47 Uhr

0

anscheinend versucht die sängerin einen bestimmten "sound" zu erzeugen, die stimme und der style klingen dabei aufgesetzt, das ist schrecklich.. viele sängerinnen machen das. konzentrieren sich zu sehr auf die klangerzeugung und vergesssen dabei richtiges englisch zu singen. wollte mich nicht zu sehr aus dem fenster rauslehnen, aber das klingt echt unauthentisch. vielleicht ist es auch reine geschmackssache.

Profilbild von Micha

Micha sagt:

#4 - 14.12.2013 um 21:50 Uhr

0

Ich finde den weibl. Gesang kaum ertragbar. Man hat den Eindruck der Frau ginge es nicht gut.

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