MXL 603S Test

Das MXL 603S ist im Gegensatz zum Kleinmembraner namens 606 aus gleichem Hause ohne Hochpassfilter und Pad ausgestattet, kostet aber mehr! Dass Ausstattungsvielfalt also nicht unbedingt bessere Performance bedeuten muss, kann das 603S unter Beweis stellen – es klingt besser!

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Für knapp 250 Euro Listenpreis kann man zwei Kondensatormikrofone eines Herstellers sein Eigen nennen, der eine breite Palette an Mikrofonen bereithält – darunter solche recht einfacher Bauart und durchaus eigenständigere Konzepte, wie ein Doppelmembran-Kondensatormikrofon mit zwei großen Membranen unterschiedlichen Charakters. Das MXL 603S ist sicher der ersten Kategorie zuzuordnen – immerhin ist “Sachlichkeit” das Motto der meisten Kleinmembran-Kondensern.

Details

Das MXL 603S ist quasi ein “TLM”-Kondensatormikrofon. Dieses eigentlich von einigen Neumann-Großmembranern verwendete Kürzel bedeutet einfach nur “transistorloses Mikrofon”: Unser Kandidat arbeitet ebenfalls ohne Übertrager, es ist also an der entsprechenden Stelle der Schaltung kein mit Kupfer umwickelter Eisenblock zu finden. Klanglich hat dies im Regelfall einen etwas klareren und frischeren Sound zur Folge und wird daher in Kleinmembransystemen häufig verwendet.

Fotostrecke: 5 Bilder Blick auf die Schallöffnungen der Nierenkapseln der 603S-Mikros

Der Frequenzgang wird in den Unterlagen des deutschen Vertriebs mit 30 Hz – 20 kHz angegeben. Ein Blick in die Grafik zu diesen Eigenschaften offenbart, dass selbst bei 20 kHz noch eine Übertragung über dem -3dB-Punkt gewährleistet ist (allerdings ohne Angabe des Messabstandes, denn auch bei recht weitem Abstand greift dort unten der Nahbesprechungseffekt), es aber an der oberen Grenze rapide nach unten geht, nachdem es zwischen 5 und 15 kHz die für preiswertere Kleinmembraner so typische positive Ausbeulung gegeben hat. Der sonstige Standard-Frequenzgang der 603S-Mikrofone (der ja immer gemittelt ist, wenn er nicht individuell beigefügt wird) zeigt einen nur schwach welligen Verlauf unterhalb von 4 kHz. Die wesentlichen Auffälligkeiten wären eine leichte Delle bei 0,5 kHz und eine leichte Shelf-Absenkung unterhalb von 80 Hz.

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Das mit 48 Volt Phantomspeisung zu betreibende Mikrofon hat einen nach der A-Kurve bewerteten Rauschpegel von 17 dB, was angesichts der Membrangröße von 16 Millimetern und einem Grenzschalldruckpegel von 137 dB SPL (mit 0,5 % Total Harmonic Distortion) auch vollkommen in Ordnung geht. Mit 15 mV/Pa ist die Empfindlichkeit so, wie es die beiden vorangegangenen Daten erwarten lassen. Die Impedanz liegt laut der Aufzeichnungen bei genau 200 Ohm, entspricht also dem höchsten von den meisten Vorverstärkerherstellern empfohlenen Wert (wenn auch 300 oder 400 Ohm keine signifikante Klangänderung zur Folge hätte). Über die genaue Operationsart der Nierenkapsel wird nicht viel berichtet, es ist davon auszugehen, dass hier das Backplate-Elektret-System zum Einsatz kommt. Zum Lieferumfang des leicht champagnerfarbenen Mikrofons gehören ein Clip für den Metallzylinder und ein kleines Case. Es gibt aber auch einen größeren Koffer, denn unter der Bezeichnung 603SPR ist ein Stereoset erhältlich, das neben zwei laut Vertrieb “selektierten” 603S auch zwei elastische Halterungen und einen Windschutz für jedes Mikro beinhaltet.  

Praxis

Das 603S von MXL muss sich im Rahmen unseres Testmarathons in erster Linie an der Akustikgitarre im Stereobetrieb behaupten. Gemäß der Klassenzugehörigkeit zeigt sich sofort der spartanische Bereich oberhalb von 15 kHz, sodass auch dieser Keinmembraner nicht mit absoluter Luftigkeit und Detailtreue dienen kann – das hätte mein Kleinmembrankondensatormikrofonmarktweltbild auch in seinen Grundfesten erschüttert, denn schließlich liegt der Straßenpreis eines einzelnen MXL-Mikrofons bei etwa 100 Euro. Die Einschränkungen des MXL 603S liegen also wie zu erwarten in der nicht übertrieben genauen Feinzeichnung, was man in den Soundbeispielen vor allem an den Anschlagsgeräuschen und an den Texturen ausschwingender Saiten nachvollziehen kann. Auch dynamisch ist ein 603S natürlich nicht der Weisheit letzter Schluss, doch verrichtet es seinen Job diesbezüglich recht ordentlich. Das Bild wirkt deutlich klarer und “kristallin”, die Dynamikeinschränkungen und das schwache Air-Band sind besonders im Vergleich zum preiswerteren MXL 606 eine klare Qualitätsstufe höher, was mich das 603S weitaus eher empfehlen lässt als das 606. Und auch im mittleren und tiefen Frequenzbereich macht es eine bessere Figur, aber auch das, ohne zu begeistern.

Audio Samples
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MXL 603S Referenz Schoeps CMC-64

Das Rauschen ist objektiv gesehen im vernünftigen Rahmen. Auch das ist keine Besonderheit, denn wirkliche Rauschgeneratoren gibt es heutzutage so gut wie nicht mehr, das Thema haben auch die Ingenieuere der preiswerten Mikrofone gut im Griff. Der Grenzschalldruckpegel auf der anderen Seite des Dynamikspektrums ist recht hoch, wenn, wie zu erwarten, darunter auch Kompressionen auftreten. Über die Notwendigkeit eines Pads am Mikrofon lässt sich streiten, ohne Vordämpfung und Filter zur Kompensierung der Bassanhebung bei naher Besprechung fällt also am ehesten das Close-Miking der Hi-Hat flach. Ein wenig lässt sich aber mit den meisten Preamps behelfen, wenngleich man schnell auch den Impedanzwandler eines Mikrofons ohne Pad über die lineare Übertragung hinausbringen und Verzerrungen erhalten kann. Mit vollem Bassspektrum bekommt man ja nochmal deutlich mehr Pegel.

Fotostrecke: 3 Bilder MXL 603S im weit geöffneten XY-Setup vor der Akustikgitarre

Mit dem durch zwei einzelnen 603S entstandenen Stereobild kann man bezüglich Schärfe und Tiefe zufrieden sein, wenn man denn so vernünftig ist, für den geringen Preis keine Wunder zu erwarten. Je näher sich das aufzunehmende Geschehen an der 0° aufhält, desto besser werden die Signale. Spätestens jenseits von 90° wird der Frequenzgang nämlich besonders wild. Bei Stereoverfahren lohnt es sich, im Sinne eines guten Sounds den Versatzwinkel im Auge zu behalten.

Fazit

Das Kleinmembran-Kondensatormikrofon MXL 603S liefert das, was man für das Geld erwarten kann, nicht mehr, aber eben auch nicht weniger. Der Frequenzgang, besonders in den absoluten Höhen, und das Dynamikverhalten sind deutlich besser als beim preiswerteren 606 aus gleichem Hause, womit die “firmeninterne” Empfehlung ganz klar auf das in dieser Review getestete Mikrofon zielt. Das 603S ist ein gutes Beispiel dafür, dass kein Hersteller dieser Welt zaubern kann und eigentlich alle gegen die gleichen Unzulänglichkeiten kämpfen müssen. Insofern zeigt sich hier (und das ist ganz klar positiv), dass sich in diesem Preissegment der Verzicht auf einige Features wie Filter, Pad oder verschiedene Kapseln zugunsten höherwertigerer Bauteile und besseren Designs klanglich klar bezahlt macht.

Pro
  • gutes Preis-Leistungsverhältnis
  • für diese Klasse typische Frequenzgangunausgewohnheiten und Dynamikprobleme halten sich im Rahmen
Contra
  • übliche Probleme preiswerter Kleinmembran-Kondenser (Air-Band, Dynamik)
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Spezifikationen
  • Empfängerprinzip: Druckgradientenempfänger
  • Richtcharakteristik: Niere
  • Wandlerprinzip: Kondensator
  • Betriebsspannung: 48V Phantomspeisung
  • Frequenzgang: 30 Hz – 20 kHz
  • Übertragungsfaktor: 15 mV/Pa
  • THD+N: 17 dB(A-bewertet)
  • maximaler Schalldruckpegel: 137 dB SPL (0,5% THD)
  • Preis (Stück): € 123,-(UVP)
Unser Fazit:
4 / 5
Pro
  • gutes Preis-Leistungsverhältnis
  • für diese Klasse typische Frequenzgangunausgewohnheiten und Dynamikprobleme halten sich im Rahmen
Contra
  • übliche Probleme preiswerter Kleinmembran-Kondenser (Air-Band, Dynamik)
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MXL 603S Test
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