LTD Vintage 204 Rosewood Test

Die Instrumente der Firma ESP und deren Untermarke LTD fanden über lange Zeit hauptsächlich in der Rock und Metal Szene Zuspruch. Mit der Einführung der „Distressed Vintage 4“ Serie im Jahre 2007 versuchte ESP dem Trend der Zeit zu folgen und eine andere Zielgruppe zu erreichen, schließlich waren Bässe mit dem „Feel“ und „Look“ der alten Schätzchen mittlerweile auch bei Rockern immer beliebter geworden. Diese „Vintage-Modelle“ werden in Japan produziert und haben eine relativ hochwertige Ausstattung mit Gotoh-Hardware und Duncan-Tonabnehmer, weshalb sie eher im mittleren Preissegment angesiedelt sind.  


Mit den LTD „Vintage 204“ Bässen will ESP nun auch den Budget Bereich mit Vintage-Flair (inklusive „distressed Look“) versorgen und bietet in China produzierte Modelle mit einer preisgünstigeren Hardwareausstattung an. Die Bässe gibt es nur in einer klassischen P/J Konfiguration (was einem Precision Bass mit zusätzlichem Jazz-Bass Single-Coil in der Steg-Position entspricht), allerdings in zwei Varianten, Palisander Griffbrett mit Sunburst Lackierung und Ahorn Griffbrett mit schwarzem Korpus. Ich bin gespannt, wie sich mein Testkandidat, das Sunburst/Palisander Modell, im stark umkämpften Segment der günstigen Fender-Kopien behaupten kann.

DETAILS

Der Vintage 204 RW hat einen Korpus aus Erle mit einem 3-Tone-Sunburst-Finish im „Distressed Look“, er soll also aussehen wie ein Bass, der schon diverse Jahre und vor allem unzählige Gigs auf dem Buckel hat. Die Lackbeschädigungen sind an den üblichen abnutzungsgefährdenden Stellen wie der Gürtelschnallenposition oder den Korpus-Kanten zu finden und sehen zumindest aus einiger Entfernung überzeugend aus. Der ganze Korpus wurde dann allerdings mit einem matten Finish überlackiert. Diese matte Lackierung sieht zwar sehr schön aus und ist auch tadellos verarbeitet, sorgt aber leider auch dafür, dass das ansonsten gelungene „Aging“ am Korpus sofort auffliegt, weil die freiliegenden Holzstellen überlackiert sind. Schade eigentlich.

Auch die „Abnutzungserscheinungen“ am Ahorn Hals sind nicht besonders überzeugend, das Holz ist gelblich gefärbt und hat einige Verfärbungen im Bereich der ersten 6 Bünde, die besonders beansprucht aussehen sollen. Das war’s dann auch in Sachen „Distressed Look“. Es ist sicher Geschmacksache, ob so ein „Aging“ grundsätzlich überhaupt sinnvoll ist, wenn es nicht wirklich zum „Feeling“ beiträgt, sondern eben nur aus einiger Entfernung wie ein altes Instrument aussieht. Aber gut, sei es drum. Stören tut das Ganze ja auch nicht!

Der Hals ist mit einer Art Satin-Finish lackiert, das eine sehr angenehme, seidige Haptik bietet. Das verwendete U -Profil ist schmal, eher Vintage-Jazz Bass-typisch und sehr komfortabel zu spielen. Im mitteldicken Palisandergriffbrett parken 21 Bünde im Medium-Jumbo-Format, die ordentlich eingesetzt und abgerichtet wurden. Leider konnte ich den Bass aber trotzdem nicht optimal einstellen, da der Kunstoffsattel sehr schlecht gefeilt wurde. Die Einkerbungen für die Saiten sind nicht tief genug, was zu einer hohen und damit sehr unkomfortablen Saitenlage in den ersten Bünden führt. Für einen Fachmann ist das kein großes Ding und schnell mit einer Sattelfeile oder eben einem neuen Sattel behoben, der Anfänger wird aber in erster Linie bemerken, dass sich der Bass schwer spielen lässt und mit Justierungen an der Brücke oder der Halskrümmung nicht viel zu verbessern ist. Hier sollte ESP mehr Sorgfalt bei der Endkontrolle an den Tag legen.

Die gesamte Hardware kommt aus dem Hause ESP und macht einen recht ordentlichen Eindruck. Die „DB-4“ Brücke sieht wie ein Modell von Gotoh aus, ist solider als der typische Blechwinkel und hat Führungsrillen für die einzelnen Saitenreiter. Diese wiederum lassen sich wie üblich vertikal und horizontal für Saitenlage und Intonation justieren. Die vier offenen Mechaniken an der Kopfplatte verrichten ihren Dienst zuverlässig, laufen aber leider etwas hakelig, was in dieser Preisklasse allerdings keine Seltenheit und durchaus tolerierbar ist.

Auch die Tonabnehmer kommen aus eigenem Hause. In der Halsposition sitzt ein Splitcoil-Precision-PU, in der Stegposition sorgt ein Jazz Bass Single-Coil für zusätzliche Definition und Transparenz. Diese sogenannte P/J Konfiguration ist zwar nicht so verbreitet wie die puren Klassiker Preci oder Jazz, hat aber durchaus seine Reize, weil sie verkürzt gesagt das Beste aus beiden Welten vereinigt. Der Splitcoil produziert einen kehligen und universell einsetzbaren Preci-Sound während der knurrige und mittige Single-Coil in der Bridge-Position eher für den markanten Solo-Sound zuständig ist. Das Cockpit mit seinen drei Potis birgt dann auch keinerlei Rätsel und stellt einen Volume-Regler für jeden Pickup und eine Tonblende zum Absenken der Höhen bereit.

PRAXIS

Die Bespielbarkeit des Instruments ist durch das schmale Jazz-Bass-Halsprofil eigentlich sehr komfortabel, die Kopflastigkeit des Vintage 204 (an der die meisten Fender-artigen Instrumente leiden), trübt das Bild aber leider etwas. Besonders im Sitzen muss man mit der linken Hand ziemlich gegen halten, damit der Bass in der Spielposition bleibt. Mit einem rutschsicheren Gurt umgeschnallt lässt sich der Bass allerdings gut beherrschen. Unangenehmer als die Kopflastigkeit, wirkt sich der viel zu hohe Sattel auf die Bespielbarkeit aus. Um in den ersten Lagen saubere Töne zu erzeugen, muss man aufgrund der hohen Saitenlage sehr viel Druck ausüben – und das kann einem den Spaß wirklich verderben. Wie gesagt: Eigentlich ist das kein großes Ding und schnell behoben, ESP sollte aber meiner Meinung nach darauf achten, dass die Instrumente in einem halbwegs spielbaren Zustand ausgeliefert werden. Denn schließlich ist nicht jeder Kunde ein Fachmann im Einstellen von Instrumenten.

Jetzt aber zum Thema Sound. Und hier gibt es Erfreulicheres zu berichten. Eins vorweg: Der LTD Vintage 204 ist kein Tausendsassa mit einer extrem breiten Soundpalette, macht aber seinem Namen alle Ehre, denn die Vintage-Sounds die er produziert sind überzeugend und praxistauglich. Der Precision-Pickup liefert einen fetten Old-School Sound, der sich mithilfe der Tonblende für Subbass-artige Sounds schön dumpf machen lässt. Drahtige Finger-Style-Sounds sind die Stärke des Single-Coils in der Bridge-Position. Auch ohne das Zumischen des Hals-Tonabnehmers liefert er einen tragfähigen Sound, der sich im Kontext mit viel Biss durchzusetzen weiß. Eine Mischung aus beiden Tonabnehmern klingt zwar sehr fett und durchsetzungsstark, mit seinem eher dezenten Höhenanteil bleibt der Vintage 204 aber eher in der Old-School-Ecke, was aber durchaus seinen Reiz hat, und für viele moderne Musikrichtungen der angesagte Sound ist. Bei so günstigen Instrumenten gibt es außerdem immer noch die Möglichkeit, in bessere Tonabnehmer zu investieren, um den Sound weiter aufzuwerten. Der Zubehörmarkt ist riesengroß und wenn die Holzkonstruktion wie beim LDT Vintage gut ist, kann sich eine kleine Nachbesserung absolut lohnen. Ich finde die Gesamtperformance des Vintage 204 gemessen am Preis durchaus überzeugend, das Instrument verfügt allerdings über ein limitiertes Soundspektrum und die Bespielbarkeit leidet unter dem schlechten Setup ab Werk.

Audio Samples
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Bridge-Pickup Beide PUs Neck Pickup, Tone-Blende halb zu

FAZIT

Über Sinn und Zweck der „Distressed Optik kann man sicherlich streiten.Ich zumindest finde überlackierte Abnutzungserscheinungen recht nutzlos – auch wenn der Bass zugegebenermaßen aus einiger Entfernung wie ein altgedientes Exemplar aussieht. Am Setup(zumindest an dem meines Testmodells) bzw. an der Endkontrolle sollte ESP allerdings dringend nachbessern! Ansonsten gibt es am Vintage 204 nichts auszusetzen. Die Verarbeitung ist in Ordnung, die Hardware sogar etwas besser als die durchschnittliche Budget-Bass-Ausstattung und auch die Sounds überzeugen. Wer also unbedingt die Gebrauchtoptik bei einem preiswerten Bass haben will, der kann den Vintage 204 ruhig auf die Checkliste setzen, denn er ist das zurzeit günstigste Angebot in dieser Kategorie.

Unser Fazit:
3,5 / 5
Pro
  • gute Sounds im klassischen Vintage Bereich
  • ordentliche Verarbeitung
  • ordentliche Hardware
  • Preis/Leistung
Contra
  • schlechtes Setup, speziell der Sattel
Artikelbild
LTD Vintage 204 Rosewood Test
Für 389,00€ bei
Technische Daten
  • Hersteller: LTD by ESP
  • Land: China
  • Model: Vintage 204 RW, Distressed Look
  • Mensur: 34 Zoll
  • Korpus: Erle, Distressed 3 Tone Sunburst Finish, Tortoise Schlagbrett
  • Hals: Ahorn, Palisander Griffbrett, 21 medium Jumbo Bünde, Kunststoffsattel
  • Hardware: ESP Vintage Mechaniken, ESP DB-4 Brücke
  • Pickups: ESP LDJ/LDP
  • Regler: Volume / Volume / Blend
  • Gewicht: ca 4,3kg
  • Preis Strasse: 399€
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