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Livid Instruments Alias 8 Test

In Zeiten übermächtiger DAW-Kommandozentralen vom Typus „Knöpfchen-Armada“ und parallel eingesetzter Touch-Controller Marke iPad mag mein heutiger Testkandidat Livid Alias ein wenig „oldschool“ anmuten, handelt es sich doch um eine vergleichsweise kleine Ansammlung von Bauteilen in einem rustikalen Metallchassis. Doch eben darin liegt sein Charme, denn ein derart schnell zugängliches, kompaktes Kleinod binärer Steuerkunst zu finden, dazu noch handgefertigt, kanalübergreifend kommunikationsbereit und bei Bedarf über Steckbuchsen erweiterbar, ist gar nicht so einfach.

Alias 8 von Livid Instruments
Alias 8 von Livid Instruments


Alias 8 ist, wie der Name bereits vermuten lässt, ein Achtkanal-MIDI-Mischpult, das sich der Befehligung von Ableton Live, Cubase, FL-Studio, Reason und Co. annimmt, um deren Mixer-Kanäle, Clips oder Plugins fernzusteuern. Das Ganze in roadtauglichen Backpack-Maßen, also wie geschaffen für den Bühnen-Live-Act oder kleinere Projekt-Einsätze. Der amerikanische Hersteller Livid Instruments setzt bei seinen Produkten ja bekanntlich auf Handarbeit und Inhouse-Qualitätskontrollen, was sich dementsprechend in einer nicht gerade budgetschonenden Preisempfehlung von 379,61 Euro ausdrückt, diese aber unter dem Aspekt „Crafted by Hand in Austin, Texas“ vielleicht in einem anderen Licht erscheinen lässt. Ist der „midifizierte“ Channelstrip-Texaner die mobile Alternative zu einer APC40 oder einem Hünen, wie dem Livid Ohm oder CNTRL:R?

Details

Im schlichten, schwarz bedruckten Pappkarton haben die weite Reise angetreten: der mit Styroporformteilen gut gegen Transportschäden geschützte Controller, ein USB-Kabel und ein persönlich unterzeichneter Qualitätskontrollbeleg. Ein paar Worte zur Verarbeitung: Die Platine steckt in einem Metallgehäuse mit schwarzen Schutzblenden, die bei mir den Eindruck erwecken, dass bei einem Sturz vom Tisch eher der Holzboden eine Delle bekäme, als dass der Alias ernsthaft Schaden nehmen würde. Was die Ausführung von Tasten, Drehreglern und Masterfader angeht, würde ich diesen auch ohne ausgiebige Nutzung eine gewisse Langlebigkeit attestieren wollen. Allein die Channelfader passen nicht so recht ins Gesamtbild, denn hier setzt der Hersteller auf wackelige Plastikstifte, derer zwei an meinem Testmuster dezent schleifen. An der Unterseite sind vier Standfüße festgeschraubt, die dem Verrutschen bei energischerem Ta(s)tendrang Einhalt gebieten wollen. Allerdings – das ergab ein Test auf unterschiedlichen Ablageflächen im Studio – steht das Teil nicht vollständig eben und kippelt ein wenig, was sich durch eine Unterlegscheibe (nicht im Lieferumgang, aber im Werkzeugkasten des Autoren) am abschraubbaren Fuß links unten sicherlich beheben ließe. Soll wohl mal vorkommen bei manueller Fertigung.

Der Paketinhalt aus Übersee
Der Paketinhalt aus Übersee

Aufbau

Sämtliche Schnittstellen zum Informationsaustausch mit der Außenwelt sitzen an der Hinterseite, wo auch das Firmenlogo prangt. Ihm gegenüber blicke ich auf eine USB-Buchse Typ B zum bidirektionalen Austausch von Datenpaketen, gefolgt von zwei XPC- oder DIY-kompatiblen Buchsen, die einen Satz von zweimal acht Dip-Schaltern flankieren. Hier werden Livids Erweiterungsmodule angebracht und adressiert. Die Stromversorgung über ein externes Netzteil ist nicht möglich, was mangels Audio-Interface und aufgrund der Anzahl an Bedienteilen für mich in Ordnung geht, aber einen kleinen Nachteil in sich birgt, wie ich später noch erläutern werde. Fürs Protokoll: Standard-MIDI-I/Os sind zudem nicht zugegen.

Hinten lassen sich zusätzliche Controller einstecken
Hinten lassen sich zusätzliche Controller einstecken

Zum Aufbau ist nicht mehr zu sagen, als dass sich hier acht Channel-Strips mit je zwei Drehreglern, einem 30-Millimeter-Linefader und zwei RGB-Buttons um die Steuerung von Sequenzer-, Licht und Mixsoftware kümmern. Sie werden von einem 60 mm langen Masterfader und einem Encoder für die Auswahl des MIDI-Kanals nebst Display eskortiert. Die Anzeige bildet zwei Ziffern oder Buchstaben ab und strahlt mir im besten 70er Jahre-Taschenrechner-Style grün, hell und deutlich entgegen. Die kompakte Steuereinheit misst 190 x 280 x 41 mm und wiegt laut Elektrowaage bei 1167 Gramm kaum mehr als ein Ein-Liter-Tetrapack, wobei der Proband die Fläche eines iPads nur geringfügig überschreitet.

Mehr braucht es nicht, um 630 Steuerbefehle zu senden.
Mehr braucht es nicht, um 630 Steuerbefehle zu senden.
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Praxis

Verbinde ich den Controller mit meinem Mac, wird er im Nu als klassenkompatibles USB-Gerät erkannt und meldet sich zum Dienst. Der erste Weg führt mich zu Live 9. Es bedarf keines besonderen Ableton-Remote-Scripts, um mit dem Alias zu arbeiten. Und da nicht jeder Musiker gleich mit der Intention ins Studio geht, sich durch die Programmiersprache Python zu hangeln, ist es wohl wahrscheinlicher, das Ding einfach in einen freien USB-Port einzustöpseln und mit dem Mapping zu beginnen. Denn – das muss auch gesagt werden – fertige Konfigurationsdateien sind aktuell noch Mangelware. Also lade ich in Ableton ein vorhandenes oder neues Projekt und kann, nachdem ich meinen Testkandidaten als Controller festgelegt habe mittels Aktivierung der MIDI-Funktion mit der Zuweisung beginnen. Mit 15 Kanälen sind der Kreativität eigentlich kaum Grenzen gesetzt und ich kann neben Mixer- und Clipfunktionen auch die Steuerung von Ableton- und VST-Plugins konfigurieren oder einen Step-Sequencer kommandieren.

Fotostrecke: 3 Bilder Controller Setup in Live 9

Die Bedienung der grafischen Benutzeroberfläche und die rückmeldende Beleuchtung der Buttons am Gerät funktioniert nach dem Mapping auf Anhieb. Ableton Live sendet an die LEDs folgende Werte: Clip-Trigger: 126, Clip-Play: 127, Clip-Loop: 1. Für die vorliegende Schaltzentrale bedeutet dies, dass ihre Lämpchen gelb beim Einstarten eines Clips illuminieren, grün beim einmaligen Abspielen und weiß im Loop. Ein eindeutiges Statement und ganz einfach über MIDI-Learn umzusetzen. Die Farbzustände der LEDs lassen sich via „System Exclusive Messages“ oder den Online-Editor ändern, dazu später mehr. Die Velocity-Map fürs Protokoll:

  • 000-000: OFF
  • 001-003: White
  • 004-007: Cyan
  • 008-015: Magenta
  • 016-031: Red
  • 032-063: Blue
  • 064-126:
  • Yellow 127-127: Green

Beim Mixen ist mir aufgefallen, dass die Ableton-Fader aufgrund des kurzen Regelwegs des Alias um einiges weniger filigran agieren als die meines VCM-600 von Vestax. Erschwerend kommt hinzu, dass die Kanal-Flachbahnregler zudem eine Deadzone von etwa drei Millimetern von jedem Endpunkt (Nord/Süd) zur Mitte hin aufweisen, was die effektiv nutzbare Länge auf 24 Millimeter reduziert. Die sanften Drehregler hingegen sind mit gummierten Potikappen ausgestattet und somit hinsichtlich des sich einstellenden Gefühls für die Steuerung eine wahre Freude. Warum die Kappen allerdings nicht weiter über die Bohrung reichen und die Platine vor Staubeintritt schützen, wie es bei den meisten Mixern und Controllern der Fall ist, weiß allein nur der Hersteller.
Weil ich während der Arbeit zwischen 15 Kanälen umschalten kann und dadurch die Anzahl der möglichen Steuerbefehle auf 630 ansteigt, bleibt es nicht bei einer Funktion pro Bedienelement, sondern man kann jedem Kanal eine neue Aufgabe zuweisen. Hier erweist sich der Einstell-Encoder in Kombination mit der Anzeige als kompetenter Lotse. Wichtig ist freilich, dass es während oder nach eines Umschaltvorgangs nicht zu Parametersprüngen kommt und alte Werte oder Fader/ Poti-Stellungen zunächst „abgeholt werden“, bevor die zu steuernde Kenngröße „reagiert“. Bedauerlicherweise ist das beim Alias nicht der Fall, so dass der Fader nach einem Channel-Switch direkt an die Position springt, die als Nächstes übermittelt wird. Das geht in meinen Augen gar nicht und schränkt die Verwendung ziemlich ein, weswegen ich einen halben Stern abziehen muss. Eine kleine Besonderheit kommt noch dem Encoder selbst zu, da er auf Tastendruck – das Display zeigt dann CC an – ebenfalls MIDI-Daten senden kann. In diesem Modus erfolgt natürlich keine Umschaltung der MIDI-Kanäle mehr.

Fotostrecke: 2 Bilder Der Encoder zum Umschalten der MIDI-Kanäle kann auch…

Wer eine leichte und kompakte Steuerzentrale für den mobilen Einsatz sucht, der muss natürlich einige Zugeständnisse an die „Beinfreiheit“ oder besser gesagt Distanz der Bedienelemente zueinander machen. Das ist auch, neben den wackeligen Pitchfadern und den Parametersprüngen einer meiner Hauptkritikpunkte am Bedienkomforts des Alias, denn ich muss schon mit den Fingerspitzen arbeiten, will ich nicht ein benachbartes Poti berühren. Dieses zu verstellen ist aufgrund des hohen Drehwiderstandes zugegebenermaßen nicht so einfach, doch im Test ist mir durchaus schon mal ein benachbarter Fader am Mittelfinger mitgewandert. Bei meinem von mir sehr geschätzten VCM-600 mit seinen fast 30 Millimetern Abstand zwischen den Kappen (Alias 8 = 14mm) ist dies ganz anders. Nur dass der Japaner mindestens dreimal so groß ist, wie sein texanischer Kollege und längst nicht so einfach ins „Handgepäck“ passt, weswegen der Vergleich zugegebenermaßen hinkt. Doch wenn ich da so rüber schaue, fällt mir zudem auf, dass ich ebenfalls gern einen Crossfader zum Überblenden zwischen einzelnen Tracks und Gruppen oder für den Live-DJ-Act gesehen hätte, sowie einen weiteren Push-Encoder. Somit bleibt Alias 8 in erster Linie eine DAW-Mixer-Steuerung, die aufgrund direkt umschaltbarer MIDI-Kanäle eine Vielzahl an Steuerbefehlen in die digitale Audioworkstation pumpen kann und auch für die Fraktion der Lightjockeys zur Fernsteuerung von beispielsweise Arkaos oder Cell DNA interessant ist. Was jedoch eine klassische DJ-Software angeht, ist man mit dem Texaner weniger gut beraten.

Fotostrecke: 2 Bilder „Biegsame“ Plastikstifte statt Metall

Der Class compliant Treiber…

…ist ein sehr praktisches Feature, denn somit ist das MIDI-Pult auf jedem „x-beliebigen“ Rechnersystem von PC, MAC über Linux ohne zusätzlich zu installierende Treiber einsetzbar, aber eben auch in Kombination mit einem iPad zu verwenden, was derzeit mehr und mehr Bedeutung erlangt. In diesem Fall kommt ihr aber nicht um die Nutzung eines gepowerten Hubs herum, da eine direkte Verbindung mit dem ebenfalls benötigten Camera-Connection-Kit nicht möglich ist, weil dem Alias eine eigene Stromversorgung fehlt. Schade! Und doch kommen plötzlich hunderte Apps von FL-Studio Mobile über Cubasis oder Performer ins Spiel – zumindest wenn diese MIDI-Learn unterstützen oder ihr ein MIDI-Chart zur Verfügung habt, um die gesendeten Werte des Alias anzupassen. Was die grundsätzliche Bereitschaft des iPad angeht, mit dem Livid zu arbeiten: Nachstehend ein Screenshot der Software Turnado, die den US-Controller ohne Murren als Kommandozentrale annahm, sich via MIDI-Learn anlernen und als Effektsteuergerät nutzen lässt;  z.B. auch aus einer Audiobus-kompatiblen DJ-App heraus.

Fotostrecke: 4 Bilder Turnado ist eine FX-App für das iPad …

Controller-Funktionen

Leider hat Alias keinen eigenen Editor mit auf den Weg bekommen, sondern muss per System Exclusive Messages (SysEx-Dump) oder Online „umprogrammiert“ werden. Das könnte manchen Einsteiger unter Umständen verschrecken, der die Arbeitsweise der Tasten oder Knöpfe verändern will, um zum Beispiel aus einem absolut arbeitenden Encoder einen relativen zu machen. Oder um den von Haus aus implementierten „Momentary“-Status, bei welchem die Tasten einen Befehl senden, wenn sie gedrückt werden und einen Off-Befehl beim Loslassen übermitteln, gegen den „Toggle“-Modus, den klassischen Ein-/Ausschalter auszuwechseln. Solltet ihr zu diesem Personenkreis gehören, möchte ich euch die Website von Livid-Instruments wärmstens ans Herz legen, denn der Online-Editor ist nach Installation des Jazz-Plugins für den Browser ein gutes und übersichtliches Konfigurationstool. Zudem steht euch das Livid-Wicki mit Rat und Tat zur Seite, welches im Übrigen ein gedrucktes Handbuch kompetent und tagesaktuell ersetzt.

Fotostrecke: 10 Bilder Erst muss das Plugin von …
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Fazit

Mit dem Alias 8 erweitert Livid Instruments sein Portfolio um einen portablen MIDI-Controller für unterwegs, der, obwohl er nur mit acht physischen Kontrollkanälen ausgestattet ist, weit über diesen Funktionsumfang hinaus geht. Wie´s funktioniert? – Ganz einfach! Indem man den MIDI-Kanal direkt am Gerät per Encoder wechseln kann. Dadurch verfünfzehnfacht sich die Anzahl der möglichen Steuerbefehle und man muss sich schon mächtig ins Zeug legen, 630 MIDI-Nachrichten zu mappen. Zudem lässt sich das Gerät mit Hilfe der zwei Expansion-Ports bei Bedarf um Fadermodule, Potis oder Joysticks von Livids XPC- oder DIY-Reihe erweitern. Die Verarbeitungsqualität der kompakten und somit teilweise etwas eng besiedelten Steuerkonsole stimmt unterm Strich, mit Ausnahme der vergleichsweise wackeligen Kunststoff-Channelfader. Eine unverbindliche Preisempfehlung von knapp 379 Euro ist jedoch nicht von schlechten Eltern, zumal der fehlende Crossfader und mehr noch der fehlende Pickup-Mode die Verwendung in der Praxis einschränken. Vergessen sollte man allerdings nicht, dass das Teil vollständig konfigurierbar ist und aufgrund der Class compliant Treiber nicht nur PC- und Mac-Programme sondern auch iPad-Apps befehligen kann.

Unser Fazit:
3,5 / 5
Pro
  • Übersichtliches, leicht zu adaptierendes Layout
  • Kompaktes Format
  • 15 volle Befehlsebenen per MIDI-Channel
  • Channel-Selektion an der Hardware durchzuführen
  • Modular erweiterbar
  • Robustes Gehäuse
Contra
  • Fehlender Pickup-Mode führt zu Parametersprüngen
  • Etwas enge Fader und EQ-Sektion
  • Wackelige Plastik-Channelfader
  • Kein Crossfader
  • Editor aktuell nur als Online-Version verfügbar
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Livid Instruments Alias 8 Test
Für 249,00€ bei
Livid Instruments - Alias 8
Livid Instruments – Alias 8
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