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Harley Benton American True Tone Test

Wenn es um Clean- und Crunchsounds geht, gelten die älteren Semester unter den Fender Amps bei vielen Gitarristen als das Maß aller Dinge. Auch für Ampsimulationen oder Plugins werden die kleinen Combos immer wieder genauestens ausgemessen und per Software nachgebastelt. Aber außer in Effektmultis und als Software Plug-Ins gibt es seit nicht allzu langer Zeit diese begehrten Klänge auch in Pedalform. Verschiedene Hersteller bieten in ihrem Sortiment bereits Zerrpedale an, die dem interessierten Gitarristen den Klang der Legenden näherbringen sollen. Nach Sansamp, Boss oder auch den russischen Pedalen von AMT folgt nun Harley Benton, die Thomann-Hausmarke, mit der True Tone Serie. Darin finden sich im Moment vier Pedale, die sich am Sound der Verstärker-Klassiker orientieren und für schlappe 29,90 Euro den Besitzer wechseln.

Nach dem California True Tone, der in Richtung Mesa/Boogie geht, soll es heute mit dem American True Tone um den traditionellen Fender-Sound gehen. Wir sind gespannt, wie nah wir dabei dem amerikanischen Trademark-Sound tatsächlich kommen.

DETAILS

Gehäuse/Optik
Die Pedale der True Tone Reihe sind alle identisch aufgebaut und mit den gleichen Regelmöglichkeiten ausgestattet. Allerdings ist daran auch abzulesen, dass man es hier mit der originalgetreuen Nachbildung nicht ganz so ernst nimmt wie zum Beispiel Boss, wo man beim 65er Deluxe Reverb das Bedienfeld inklusive Reverb und Vibrato komplett übernommen hat. Im Programm von Harley Benton sind Nachbildungen von Vox, Marshall, Fender und Mesa/Boogie, und alle diese Amps verfügen im Original über unterschiedliche Klangregelungen. Bei den True Tone Pedalen übernimmt ein Dreiband-EQ aus Bass, Mid und High die Klangeinstellung, in der zweiten Reihe kümmern sich mit Level, Voice und Drive drei Potis um Lautstärke, Ton-Shaping und Verzerrung. Den Schalter mit der dazugehörigen Betriebs-LED findet man wie gewöhnlich auf der unteren Hälfte der Oberseite und alle Anschlussmöglichkeiten an den Seiten, die Eingangsbuchse rechts und den Ausgang zum Amp links. Das Pedal kann mit einer 9V-Batterie betrieben werden, das Batteriefach befindet sich gut zugänglich auf der Unterseite. Über den Stromverbrauch gibt es keine Auskunft seitens des Herstellers, aber ich gehe davon aus, dass der American True Tone kein großer Stromfresser ist und auch mehrere Stunden mit Batteriespeisung durchhält. Wer auf Nummer sicher gehen möchte, dem steht eine Standardanschlussbuchse für ein optionales 9V-Netzteil auf der rechten Seite zur Verfügung. Die Unterseite ist bis auf die Klappe für das Batteriefach komplett mit einer Gummierung versehen, sodass unser Testkandidat auch auf glatten Oberflächen bombenfest steht.

Bedienung
Die Bedienung gestaltet sich recht einfach. Mit den oberen drei Reglern wird der Klang justiert, Drive ist für den Verzerrungsgrad zuständig und mit dem Level-Regler wird die Endlautstärke eingestellt. Als eigentlich wichtigstes Element der Gruppe definiert sich allerdings der Voice-Regler. Er definiert den Grundcharakter des Zerrsounds, den es bei Fender in unterschiedlichen Facetten gibt. Daher sollte man – auch angesichts des mehr als günstigen Preises – keine allzu hohen Erwartungen an eine originalgetreue Nachbildung des Ampklassikers haben, was bekanntlich Überraschungen nicht ausschließen muss. Ich will euch auch nicht länger auf die Folter spannen, wir hören uns das Ganze jetzt im Praxisteil an.

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PRAXIS

Voice
Zu Beginn werden wir den Grundsound und dessen unterschiedliche Facetten ausloten, die mit dem Voice-Regler machbar sind. Das Pedal ist vor meinen clean eingestellten Sovtek MIG-50 geschnallt und am Amp ist die Klangregelung komplett neutral (alles auf 12 Uhr) eingestellt. Dasselbe gilt für die Klangregelung am Pedal. Drive steht ebenfalls in mittlerer Position auf 12 Uhr, und ihr hört nun fünf verschiedene Einstellungen des Voice-Reglers auf 7, 9, 12, 15 und 17 Uhr.

GitarreLowMidHighLevelVoiceDrive
Strat121212127-9-12-15-1712
Audio Samples
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HB American Strat Voice 7 HB American Strat Voice 9 HB American Strat Voice 12 HB American Strat Voice 15 HB American Strat Voice 17

Wie man hören kann, ändert sich der Grundsound in den verschiedenen Positionen sehr stark. Je weiter der Voice-Regler aufgedreht wird, desto mehr Verzerrung erzeugt das Pedal. Das zum einen, zum anderen verändert sich aber auch der Klang im Verlauf des Regelweges sehr stark. Sind die Mitten anfangs eher schwach vertreten, nehmen sie bei höheren Werten stetig zu und der Sound wird wesentlich wärmer. Leider nehmen dabei auch die Nebengeräusche zu, was beim Spielen mit höherem Gain und entsprechender Lautstärke nicht so extrem auffällt, aber in den Spielpausen ist das recht hochfrequente Rauschen etwas unangenehm. Aber bei einem Pedal für knapp 30 Euro erwartet man natürlich auch keine Boutique-Qualitäten und Abstriche muss man machen können. Tatsache ist, dass eine überraschend große Bandbreite an Klangmöglichkeiten in der Verzerrung geboten wird.

Sounds
Los geht’s mit dem Einsatz im unverzerrten Klangbereich. Das mag zuerst wie ein Widerspruch klingen, wenn ein Overdrive Pedal zeigen soll, was es clean anzubieten hat. Aber hier geht es zuerst einmal um einen anderen Klangcharakter, und der wird auch tatsächlich geliefert. Ich habe zur besseren Verdeutlichung zwei Versionen eines Funk-Licks aufgenommen, einmal ohne Pedal und dann mit dem American True Tone. In Sachen Gain tut sich hier noch nichts, beide Sounds sind clean, aber der Ton mit Pedal ist etwas spitzer und hat damit mehr Durchsetzungsvermögen im Bandkontext.

GitarreLowMidHighLevelVoiceDrive
Tele12141114,59,59,5
Audio Samples
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HB American Tele Clean Funk Off HB American Tele Clean Funk On

Es lohnt sich auf jeden Fall, mit den Reglern Voice und Drive zu experimentieren. Zum Beispiel, wenn man einen leicht angezerrten Ton erzeugen möchte, einen Crunchsound etwa, der in die Richtung Stones geht. Das funktioniert, wenn eine niedrige Voice-Einstellung gewählt und Drive weit aufgedreht wird. Der Klangcharakter ist dabei durch die niedrige Voice-Einstellung etwas mittenreduziert und spitz. Um es dann trotzdem etwas zerren zu lassen, benötigen wir eine gute Portion Drive.   

GitarreLowMidHighLevelVoiceDrive
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Audio Samples
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HB American Tele Stones Crunch 1

Wenn es aber wesentlich wärmer klingen soll, dann ist die andere Variante gefragt: Voice weit aufdrehen (mehr Zerre und Mitten), dafür aber den Drive-Regler zurücknehmen. Das ergibt zwar vom Verzerrungsgrad her ähnliche Sounds, die aber komplett unterschiedlich klingen, und das, obwohl an der Klangregelung nichts verändert wurde.

GitarreLowMidHighLevelVoiceDrive
Tele121411121610
Audio Samples
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HB American Tele Stones Crunch 2

Auch die Klangregelung mit Höhen, Mitten und Bässen präsentiert sich mit einem sehr großen Wirkungsgrad. Nachdem wir uns die Cleansounds bereits zu Gemüte geführt haben, sind wir natürlich neugierig, wie weit man mit der Verzerrung kommt. Fender Amps sind bekanntlich keine Gain-Wunder, aber die originalgetreue Nachbildung hat man bei unserem Kandidaten nicht so eng gesehen und noch eine Kelle draufgepackt. Was wirklich geht, soll die Les Paul zeigen, und zwar mit Vollgas bei Voice und Drive. Die Verzerrung, die hier generiert wird, ist wirklich absolut rocktauglich, rauscht aber definitiv zu stark, wie man am Ende deutlich hört. Selbst bei hartem Powerchordgeschrubbe stört es schon beim Spielen.

GitarreLowMidHighLevelVoiceDrive
Tele12121191717
Audio Samples
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HB American Les Paul Max Voice Gain

Die eindeutige Stärke des American True Tone liegt deshalb in den leicht angezerrten bis Mid Gain Sounds. Mit der Les Paul lässt sich ein ganz brauchbarer Bluessound bei höherer Voice-Einstellung zimmern. Mir persönlich gefällt das Pedal in diesem Bereich wesentlich besser, weil der Ton dort etwas natürlicher und wärmer klingt als bei den niedrigeren Voice-Einstellungen, bei denen mir die Höhen eine Spur zu hart aus den Speakern kommen.

GitarreLowMidHighLevelVoiceDrive
Les Paul1314141114,59,5
Audio Samples
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HB American Les Paul Blues

Die Klangregelung arbeitet sehr wirkungsvoll und besonders in den Mitten tut sich einiges, was aber ein vorsichtiges Herantasten notwendig macht. Geht man auch nur einen Hauch zu herzhaft ans Werk, klingt es ganz schnell unnatürlich und überbetont. Deshalb mein Tipp, die Regler im mittleren Bereich zu belassen und mit Voice zu experimentieren.

Die dynamische Ansprache – ein Grund für die Beliebtheit von Fender Amps – zeigt sich hier eher von mittlerer Güte. Der Verzerrungsgrad lässt sich zwar etwas durch den Anschlag steuern, vom Spielgefühl her ist ein Vergleich mit einem Röhrenamp oder einem preislich höher angesiedelten Overdrive-Pedal aber nicht erlaubt. Auch in diesem Punkt müssen die Erwartungen zurückgeschraubt werden. Auf Single-Coils reagiert das Pedal besser, aber mit Humbuckergitarren ist es nicht so einfach, Ton und Verzerrungsgrad über den Anschlag zu steuern. Ihr hört das Ergebnis mit einer Strat, bei der ich zuerst leicht und später etwas härter anschlage. Beim letzten Durchgang habe ich das Volume-Poti zurückgenommen.

GitarreLowMidHighLevelVoiceDrive
Strat101512111415
Audio Samples
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HB American Strat Dynamic
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FAZIT

Der American True Tone von Harley Benton ist ein recht flexibles Overdrive-Pedal, das seine Stärken vor allem bei angezerrten Sounds ausspielen kann. Zwar sagt die Verpackung, dass man sich am 57er Fender Deluxe Amp orientiert hat, aber das sollte man nicht zu schwer in die Waagschale legen, zumal unser Testgerät für einen Preis von gerade einmal 29,90 Euro über den Ladentisch wandert. So gesehen bekommt man einiges geboten, denn das Pedal verfügt über eine recht effektive Klangregelung und einen Voice-Regler, der zusammen mit Drive und Volume den Grundcharakter des Zerrsounds bestimmt – von unverzerrten Klängen mit typischer Fender-Färbung über Crunchsounds bis hin zum Mid Gain Brett. Keine übergroßen Erwartungen sollte man an die dynamische Ansprache und die Klangqualität stellen, und bei höheren Gainstufen wird das Rauschen stärker. Aber wer ganz spezielle Einsatzszenarien vor Augen hat, die im Bereich der Stärken des Pedals liegen, der ist für weniger als dreißig Euro mit von der Partie.

Unser Fazit:
3,5 / 5
Pro
  • Effektive Klangregelung
  • Klangvielfalt
  • Preis
  • True Bypass
Contra
  • Rauschen
  • Dynamische Ansprache
Artikelbild
Harley Benton American True Tone Test
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Kommentieren
Profilbild von ChildrenoftheReaper

ChildrenoftheReaper sagt:

#1 - 10.07.2015 um 22:05 Uhr

0

Bringt den Sound der amerikanischen Metalbands der 80er Jahre, ich liebe ihn

    Profilbild von FLOYD HENDRIX

    FLOYD HENDRIX sagt:

    #1.1 - 07.10.2021 um 09:46 Uhr

    0

    Das kann ich nur bestätigen und NICHT wie viele meinen den Sound des Fender Amp, dies ist nämlich KEIN Modelling-Pedal .....

    Antwort auf #1 von ChildrenoftheReaper

    Antworten Melden Empfehlen
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Oleg sagt:

#2 - 14.04.2020 um 18:44 Uhr

0

Pedal hast keine True Bypass!!!True Bypass es wenn ohne Batterie in bypass Stellung kommt Ton durch! Bye vintage overdrive ja ,hier sein.Grüßen Minus im Bericht! Sonst cool,und rauscht nicht viel. Bonedo-aufpassen!

Profilbild von Gioi Geniale

Gioi Geniale sagt:

#3 - 20.11.2020 um 19:06 Uhr

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Wie im Test beschrieben:Vor allem mit dem Voice Regler.Da sitzen die verschiedenen Klang- bzw. Stimm-Farben.Von ganz nett bis dunkel und wuchtig.Dieser Regler macht`s meiner Meinung aus. Alles andere hat so ziemlich jedes Pedal auch.

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Stephan sagt:

#4 - 22.08.2023 um 15:38 Uhr

0

Schade, dass das Pedal häufig nur als Overdrive-Pedal verstanden und bewertet wird. Das Ding hat nämlich eine wunderbare analoge Verstärker- und Boxensimulation an Bord - genau wie sein Vorbild, das Tech21 Blonde. Man kann es als "cleane" Pedal-Plattform nutzen und damit wunderbar direkt ins Mischpult oder Audio-Interface spielen. Natürlich werden beide Pedale auch als Verzerrer beworben, um es an mehr Gitarristen verkaufen zu können. Aber eine Lautsprechersimulation vor einem Gitarrenverstärker mit Lautsprecher finde ich doppelt-gemoppelt. Da wundere ich mich nicht, dass sich die betreffenden Gitarristen über einen komischen Frequenzgang beschweren und das Pedal als zu spitz klingend beschreiben.

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