Electro-Voice ND76 und ND76S Test

Wer ein Gesangsmikrofon sucht, wird Marken wie Shure, Beyerdynamic, Sennheiser und AKG kennen – aber auch Electro-Voice, die mit dem EV ND76, EV ND86 und dem EV ND96 just eine neue Runde handgehaltener dynamischer Vocal-Mikrofone auf den Markt gebracht haben.

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Einem ausführlichen Test unterzogen haben wir sowohl das Electro-Voice ND76 als auch das ND76S. Der zusätzliche Buchstabe „S“ in alphanumerischen Produktkürzeln dieser Art steht bei Handmikrofonen fast immer für „Schalter“ – womit wir neben zu vernachlässigendem Unterschied im Preis auch bei dem einzigen Unterscheidungsmerkmal der beiden EV-Mikros wären. 

Details

Neodym

Electro-Voice setzen in Kapseln der ND-Serie Topfmagneten ein, die mit der seltenen Erde Neodym legiert sind. Neodym wird in dynamischen Treibern und Empfängern benutzt, um Magneten „stärker“ zu machen. Oder eben leichter und kleiner, was ja vom Prinzip her identisch ist. Das Membranmaterial entspricht dem, das auch bei den meisten Kondensatormikrofonen zum Einsatz kommt: Mylar. Wie immer bei Tauchspulenmikrofonen für Gesang wird mit großer Membranfläche gearbeitet, da ansonsten die in der Schwingspule induzierte Spannung zu klein wäre. Am mit 350 Ohm nicht sehr niederimpedanten Ausgang des ND76 beträgt die Empfindlichkeit 2,4 mV/Pa. 

Fotostrecke: 4 Bilder Der Korb ist klassisch aufgeschraubt.

Nierencharakteristik

Die Kapselkonstruktion hat durch rückwärtige Schallumwege klassische Nierencharakteristik, ist also auf 180 Grad der Einsprechrichtung am wenigsten empfindlich. Um niederfrequente Bewegungsgeräusche, Popplaute und Körperschall aus dem Signal fernzuhalten, ist die Kapsel im Mikrofon schwingungsarm gelagert. Um Probleme durch Einstreuungen zu minimieren, kommt eine Humbucker-Spule an der Membran zum Einsatz.
Electro-Voice haben Empfänger und Elektronik in ein stabiles Gehäuse integriert. Der Body besteht aus Zink, welches im Druckgussverfahren seine konische Form erhalten hat und einer Oberflächenbehandlung mit schwarzem Polyurethan ausgesetzt war. Der mittig per Schraubbewegung teilbare Metallgrill gibt den Blick auf die Kapsel frei, die wie üblich mit Textil zusätzlich geschützt ist.

Frequenzgangangaben: „sympathisch“

Sympathisch ist, dass der Hersteller nicht versucht, irgendwelche Umstände zu beschönigen. So sind Tauchspulenmikrofone prinzipbedingt eher höhenärmer als ihre Kondensator-Kollegen. „Schlecht“ ist das keineswegs, eher eine simple Eigenschaft. So sind die Angaben des Frequenzgangs von 70 Hz bis 17 kHz korrekt, auch der grafische Frequenzgang beschönigt nichts. Auffällig dort ist der Boost bei 6 kHz, die Bassanhebung durch den Proximity-Effect ist ebenfalls eingetragen. Ebenfalls nett (und professionell) ist die frequenzabhängige Darstellung der Polar-Patterns. Das EV ND76/76S, übrigens ein wenig schwerer als ein Shure SM58, wird mit einer Kunstledertasche geliefert und einem Clip. 

Praxis

Zweifelsohne: robust

Mit gut 150 Euro sind die beiden Electro-Voice-Mikrofone um die Hälfte teurer als beispielsweise ein SM58 von Shure, welches als eine Art Standard gilt. Es gibt mehrere Möglichkeiten, wie sich Mikros auf dem Markt davon absetzen können – der günstigere Preis wird es schon mal nicht sein. Ein Kriterium für auch im Proberaum- und Livebetrieb genutzte Mikrofone ist eine ausreichende Robustheit. Und tatsächlich: Das Gehäuse wirkt äußerst stabil, das gilt uneingeschränkt auch für den schweren Korb der beiden ND-Mikros.

Alles was das S betrifft: super

Das S im Kürzel macht aus dem schalterlosen 76er ein Mikrofon mit Schalter – und alles, was damit zusammenhängt, ist ordentlich. So läuft der Schalter angenehm schwergängig, es ist genug Druck notwendig, um ihn zu betätigen, wodurch eine versehentliche Betätigung unmöglich wird. Zu schwergängig ist er auch nicht. Eigentlich schade, denn ich habe schon lustige Spontanartistik erlebt, wenn jemand beim Betätigen eines Schalters Mikrofone aus dem Halter gedrückt hat und diese daraufhin der Schwerkraft überlassen wurden. Auch wichtig: Der Schalter knackst nicht beim Betätigen, zumindest noch nicht. Allerdings macht die Qualität des Schalters nicht den Eindruck, also würden schon dreistellige Schaltzyklen zu Problemen führen. Electro-Voice hätten ja auch einen Ruf zu verlieren. Und, das will ich an dieser Stelle schon nennen: Einen Klangunterschied zwischen den beiden Testexemplaren konnte man beim besten Willen nicht feststellen. 

Nicht selbstverständlich: Der Schalter ist ordentlich.
Nicht selbstverständlich: Der Schalter ist ordentlich.

Handling Noises gering
Für „Mikrofonhandhalter“ ist die Form des 76 angenehm, solange die Hände nicht besonders klein oder besonders groß sind. Klangliche Veränderungen bei nah am Korb gehaltener Hand werden dadurch unterbunden, dass ein kleiner Kragen verhindert, dass die Finger den rückwärtigen Schalleintritt blockieren. Natürlich: Wer das Mikro am Korb umschließt und quasi in die Faust singt, hat auch beim ND76 das Problem, ein feedbackanfälliges und stark nichtlineares Kugelmikrofon „gebaut“ zu haben. Schön: Griffgeräusche sind sehr gering. Auch die Poppempfindlichkeit ist niedrig, Sänger Chul-Min hat beim Aufzeichnen der Audiofiles auf meine Anweisung sehr rücksichtslos gearbeitet und fleißig Wellenfronten in die Kapsel geschickt. Die elastische Aufhängung scheint also gut zu funktionieren, die Korbform und der eingebaute Poppschutz ebenfalls. Die ausladende Korbform verhindert einen allzu nahen Abstand zur eigentlichen Membran und somit irrsinnig starke Überbassung. Das EV ND76 bleibt somit angenehm knackig im Bass, selbst bei enormen Pegeln im Frequenzkeller.

Das Mikrofon liegt gut in der Hand, die Körperschallübertragung ist gering.
Das Mikrofon liegt gut in der Hand, die Körperschallübertragung ist gering.

Sound: klar und „cutting through“

Bei Normalabstand zeigt sich das EV transparent, jedoch mit wirklich sanftem Top-End. Das liegt wohl weniger an einer generellen Schwäche, als daran, dass im Präsenzbereich ordentlicher Pegel herrscht, wodurch alles jenseits der 10 Kilohertz einfach schlechter dasteht. Es ist vielleicht nicht das sanfteste und schmeichelndste Mikrofon, doch kann es Main-Vocals gut helfen, sich gegen andere Signale durchzusetzen, ohne zu künstlich zu wirken. Amerikanische Sangeskünstler, für die das 76 sicherlich primär konstruiert wurde, haben generell weniger Probleme mit S-Lauten. Für manche sehr scharf vokalisierende Personen kann ein sanfteres, runderes Mikrofon die bessere Lösung sein. Dem Sänger der Audiobeispiele passen die Eigenschaften des 76 aber sehr gut.

Audio Samples
0:00
EV ND76, 10 cm EV ND76, 0 cm EV ND76, 10 cm, 45 Grad Sennheiser e 835, 10 cm Sennheiser e 835, 0 cm Shure SM58, 10 cm Shure SM58, 0 cm Shure SM58, 10 cm, 45 Grad Beyerdynamic M88, 10 cm Beyerdynamic M88, 0 cm

Dynamisch alles in bester Ordnung

Mikrodynamik und Makrodynamik verdienen ebenfalls Lob: EVs Mikros folgen der Originaldynamik so gut, wie es eine Membran mit angehängtem Gewicht (= Schwingspule) kann. Wichtiger jedoch ist, dass die 76er sowohl recht rauscharm sind als auch enorme Schalldrücke gut ohne Kompressionen und Verzerrungen wegstecken – getestet an einer Snare und einem sehr, sehr lauten, clean eingestellten Gitarrenverstärker.

Mehr als Sound

Guter, passender Klang ist nicht die einzige Anforderung an ein modernes Mikro. Neben Robustheit und weiteren Parametern müssen sie möglichst sicher gegen Einstreuungen sein, ein Problem alter Mikros oder alter, nicht upgedateter Mikrofondesigns. Und das Mikro lässt sich von nichts beeindrucken, was im Studio- oder Bühnenbetrieb relevant wäre, also weder von Licht, Mobiltelefonen noch irgendwelchem Audiogerät. Top.

Fazit

Mikrofone gelten zwar als „ausentwickelt“, doch Electro-Voice zeigen mit dem EV ND76 und dem EV ND76S, dass man mit Neuentwicklungen immer noch ein bisschen verbessern kann. Wo Frequenzgänge mehr zur Geschmacks- und Charakterfrage werden, zeigt E-Voice, dass Gesangsmikrofone immer noch ein Stück weiter „easy to handle“ sein können. Kurzum: Die 76er sind sehr gut klingende, technisch ausgereifte Mikros zum fairen Preis. 

Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • robust gebaut
  • gutes Handling
  • klares, durchsetzungsfähiges Frequenzbild
  • gute Dynamik
  • unempfindlich gegenüber Störeinflüssen
Contra
  • keins
Artikelbild
Electro-Voice ND76 und ND76S Test
Für 139,00€ bei
Electro_Voice_EV_ND76S_ND_76_Vocal1
FEATURES UND SPEZIFIKATIONEN
  • Richtcharakteristik: Niere
  • Wandlerprinzip: dynamisch
  • Frequenzgang: 70 Hz – 17 kHz
  • Empfindlichkeit: 2,4 mV/Pa
  • Gewicht: 330 g
  • Preis Schalterversion ND76S: € 165,– (UVP)
  • Preis schalterlose Version ND76: € 155,– (UVP)
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