Die Entwickler von Waldorf müssen große “James Bond”-Fans sein, benannten sie nach dem “Q” nun schon den zweiten Synthesizer nach einer Figur aus den 007-Filmen. Diesmal nach dem Bösewicht “Ernst Stavro Blofeld”. Warum auch nicht? Mir persönlich gefallen Namen sowieso besser als Buchstaben- und Zahlenkürzel. Die kleine aber weltbekannte Firma aus Waldorf, einem Örtchen zwischen Bonn und Koblenz, gibt es nun seit rund 20 Jahren. 1988 unter dem Namen Waldorf Electronics GmbH gegründet, im Jahre 2004 konkurs gegangen und 2006 als Waldorf Music GmbH wiederauferstanden, setzte sie in den 90er Jahren mit der “Microwave”-Reihe einen Meilenstein auf dem Gebiet der Wavetable-Synthese. Und auch zur Jahrtausendwende gelang Waldorf mit den virtuell-analogen Synthesizern “Q” und “MicroQ” wieder ein großer Wurf!
Der Blofeld aus dem Jahr 2008 erinnert vom Klang her stark an seine gerade genannten Vorfahren. Was nicht verwunderlich ist, greift er doch auf die Klangerzeugung des Q und die Wavetables des Microwave II zurück. Üppig ausgestattet, bietet seine rein digitale Architektur sehr viele Möglichkeiten der Klanggestaltung und eine maximale Polyphonie von 25 Stimmen und einen 16-fachen Multimode.
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AUSPACKEN UND ANSCHLIESSEN Der creme-weisse Tischsynthesizer kommt in einer schlichten Pappschachtel, zusammen mit externem Netzteil, Bedienungsanleitung und CD-Rom. Auf der CD findet man neben dem Üblichen auch die “Waldorf Edition LE”, ein Paket mit drei Plug-Ins im VST- und AU-Format: den Filter “D-Pole”, den Softsynth “PPG V.2” und den Drumsynth “Attack”. Alle PlugIns sind leicht limitiert, aber auf jeden Fall brauchbar! Besonders der D-Pole Filter macht Spaß!
Zurück zum Blofeld: auf der leicht angeschrägten Oberfläche seines metallenen Gehäuses findet man rechts eine aufgedruckte X/Y-Matrix, auf der man mit vier soliden Endlos-Drehgebern aus gebürstetem Stahl und vier Plastikdruckknöpfen navigiert. Im linken Teil sind das grau-weisse Display sowie vier weitere Drehpotis für die Display-Menüführung angeordnet.
Auf der Rückseite findet man neben dem MIDI-Eingang auch einen USB-Anschluss, der ebenfalls MIDI-Daten übertragen kann. Ein Stereo Line- und Kopfhörerausgang (beide 6,3mm Klinke) sowie der für Waldorf Geräte seltene Power-On/Off-Schalter für die 12V-Stromversorgung wären hier noch abschließend aufzuzählen.
Die Verarbeitung der Hardware und das Design des Blofeld hinterlassen bei mir einen sehr guten Eindruck! Schnell per USB-Kabel mit einem Keyboard verbunden und schon geht’s los: Power on! Das Display begrüßt mich mit einer kleinen Animation und verrät damit ganz nebenbei, dass es grafikfähig ist!
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X/Y-MATRIX Zur Bedienung kommt das altbewährte zweidimensionale Konzept zum Zuge: In der Vertikalen wählt man einen Parameter an, um dessen Wert auf der Horizontalen zu editieren: Anwahl per Druckknopf, Editierung per Drehpoti. Es gibt keine Doppelbelegungen, alles ist sehr einfach und übersichtlich gestaltet. Zusätzliche Parameter werden über das Display aufgerufen und verändert..
Um mir einen Überblick über das Klangpotenzial des Blofelds zu schaffen, wende ich mich zunächst den Presetklängen zu, von denen es ganze 1000 Stück gibt! Das Handbuch verrät mir, dass man Klänge nach Kategorien suchen kann. Sehr praktisch!
Hier eine fünf kleine Auswahlmixes daraus:
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BassLeadPoly KeysPadFXArp
DIE KLANGERZEUGUNG
Oszillatoren Der Blofeld verfügt über drei digitale Oszillatoren. Die ersten beiden verwenden entweder eine der internen 68 Wavetables oder emulieren einen analogen Oszillator. Der dritte Oszillator beherrscht nur Letzteres. Alle drei DCOs (“Digitally Controlled Oscillators”) können die typischen Wellenformen Sägezahn, Dreieck, Rechteck, Puls oder Sinus erzeugen. Frequenzmodulation zwischen den Oszillatoren ist möglich, Oszillator Nummer zwei lässt sich zum dritten synchronisieren und Oszillator eins und zwei können ringmoduliert werden. Und um die Sektion “Klangentstehung” abzurunden, sei noch auf den Rauschgenerator hingewiesen, dessen weißes Rauschen mit einem eigenem Contour-Filter bearbeitet werden kann.
Filter Zwei Multimode-Filter stehen bereit, um die Signale der drei Oszillatoren und des Rauschgenerators zu verarbeiten. Wahlweise sind sie im Signalfluss seriell oder parallel angeordnet. Bei der zweiten Einstellung lässt sich sogar das Stereopanorama der Filter frei wählen! Verschiedene Filterarten stehen zur Auswahl: Tiefpass-, Hochpass-, Bandpass-, Kamm- oder Notchfilter mit jeweils 12 oder 24 dB pro Oktave, sowie das PPG-Filter, ein 24dB-Lowpassfilter mit eigenständigem Resonanzcharakter. Alle Filter sind resonanzfähig, und natürlich ist auch Filter-FM möglich – es handelt sich hier schließlich um ein Waldorf-Instrument! Ich habe die digitalen Multimodefilter einmal genauer unter die Lupe genommen:
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Fahrt: 24dB LP mit Resonanz24db HiPass + 24dB Notchfilter FilterHüllkurvenmodulationen
Feinere Einstellungen der Filter nimmt man im Display-Menü vor, wie zum Beispiel an den Parametern des sehr vielseitigen, integrierten Verzerrers. Auch die Einstellungen zur LFO- und Frequenzmodulation des Filters werden über das Display editiert.
Verzerrer Der Verzerrer ist im Signalfluss hinter den Filtern angeordnet und deckt von leichtem Anrauen über kreischende Distortion bis zu Bitcrusher-Verstümmelungen die ganze Palette der Verzerrkunst ab. Hier ein Beispiel mit drei Einstellungen des Verzerrers: Clipping, Overflow, Tube
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Distortion
VCA + Hüllkurven Zur dynamischen Kontrolle steht ein VCA bereit. Darüber hinaus verfügt der Blofeld über vier frei programmierbare Hüllkurven, wahlweise monophon oder polyphon triggerbar. Dabei kann man aus einem Menü von verschiedenen Hüllkurventypen wählen: ADSR, One-Shot sowie zwei Endlosschleifen. Hier ein Beispiel einer Endlosschleife als Hüllkurve, die ähnlich wie ein LFO auf das Filter wirkt.
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Envelope-Loop
Modulationsmatrix Die Schaltzentrale aller Routingsignale ist die Modulationsmatrix, die über das Display bedient wird. Grundsätzlich kann man hier alles mit allem verbunden werden… hierbei kann man gerne mal die Zeit vergessen! Ein Kritikpunkt, den ich hier anbringen möchte, ist die Größe des Displays. Besonders bei der Abbildung der Modulationsmatrix, die sehr viele Parameter beinhaltet, stoßen 28 Quadratzentimeter schnell an ihre Grenzen.
LFO Es wäre nicht der Blofeld, wenn Waldorf an dieser Stelle gespart hätte: Drei LFOs mit den Wellenformen Sinus, Dreieck, Rechteck, Sägezahn, S+H und Rauschen warten auf ihren Einsatz! Das sollte aber auch wirklich reichen. Effekte Mit den Effekten Chorus, Flanger, Phaser, Overdrive, “Triple FX”, Delay und Reverb bleibt auch in dieser Kategorie kein Wunsch mehr unbefriedigt. Allein das Reverb kann nicht ganz mit der sonst vorherrschenden Klangqualität des Gerätes mithalten. “Triple FX” ist eine Kombination aus den drei Effekten Chorus, Sample&Hold-Modulation und Overdrive.
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Chorus & DelayTriple-Flanger
Arpeggiator Besonders für Elektroniker, die es automatisiert mögen, hat der Blofeld etwas zu bieten: einen leistungsfähigen Arpeggiator, ein Erbstück des Waldorf Q. Mit ihm können selbst komplexe 16-Step-Sequenzen über zehn Oktaven erstellt werden und – wenn man sich etwas in die Materie vertieft – sogar durch Überlagerung von Tönen Akkorde programmiert werden! Selbstredend ist der Blofeld auch per MIDI-Clock zu externen Geräten als Slave synchronisierbar. Wer sich dem Arpeggiator zuwendet, sollte die Zeit im Auge behalten. Hier besteht ausgesprochene Suchtgefahr!
Modifier Abschließend sei noch die Abteilung “Modifier” genannt. Über das Displaymenü kann man hier zwei Modulationsquellen verknüpfen, addieren, subtrahieren, multiplizieren… zum Beispiel “LFO1 * Env2”. Das Ergebnis dieser “Rechnung” kann dann als neue Modulationsquelle dienen. Etwas für Mathe-Freaks oder Experimentierfreudige! An dieser Stelle, ich muss es zugeben, konnte ich nicht mehr jede Klangkreation nachvollziehen und war erleichtert, als ich auf der Waldorf Website diesbezüglich folgenden Satz fand: “Und wenn Ihnen das noch nicht genügt, können Sie sogar neue Modulationsquellen erzeugen, indem Sie bestehende Quellen mit algorithmischen Operationen bearbeiten. Klingt zu kompliziert? Vielleicht. Aber es macht einen Riesenspaß, selbst wenn Sie nicht wissen, was Sie gerade tun.” (http://www.waldorfmusic.de/de/produkte/blofeld/blofeld_user_interface).
Dem schließe ich mich an!
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FAZIT Geschmackvolles, schlichtes Aussehen, eindrucksvoller Klang und überwältigend viele Möglichkeiten der Klangerzeugung! Mit dem Waldorf Blofeld hat man eine Menge Spaß! Man sollte allerdings kein Faulpelz sein, was das Programmieren von Klängen und das Studieren der Bedienungsanleitung angeht. Denn Kreativität entsteht hier vor allem beim “Schrauben”, beim Erkunden jeden Winkels seines Klangpotenzials. Seine vielseitigen Filter klingen warm und fett, und nur dem aufrichtigsten Analogpuristen vielleicht etwas zu clean. Wer “Schmutz” möchte, der greife einfach auf den nicht minder guten Verzerr zurück, der auch subtile Färbungen des Signals gut meistert. Und auch der Kaufpreis soll hier Erwähnung finden: mit läppischen 400 Euro ist man dabei! Eine Kampfansage an Access und Clavia. Die charakteristischen Klänge des Blofelds sind die sphärischen Pads und die metallisch-perkussiven Sounds: irgendwie kühl und warm gleichzeitig. Aber auch seine “kranken” Filter-FM Klänge und Noise-Sounds beeindrucken mich. Nicht zu vergessen die im Mix sehr durchsetzungsfähigen Bässe!
Mankos: Man beginnt in der Display-Menüführung immer wieder von vorne, wenn man beim Editieren zwischen den Oszillatoren, Filtern etc. hin- und herspringt. Das ist ermüdend, hier wünscht man sich eine andere Logik oder zumindest die Möglichkeit, eine “Bookmark” zu setzen. Auch die Rasterung der Potis finde ich nicht gelungen, sie ist in vielen Fällen zu grob oder langsam. Auf MIDI-Out und MIDI-Thru muss man verzichten. Wer also beispielsweise Parameter am Gerät editieren möchte und diese Änderungen als Automation über MIDI an einen Sequenzer ausgeben will, um sie dort aufzuzeichnen, guckt in die Röhre. Am schmerzlichsten habe ich einen Audioeingang vermisst, dafür gibt es an dieser Stelle Punktabzug. Aber für eine creme-weiße Medaille reichts dicke! Der Blofeld kann was und wird sicherlich bald in vielen Studios und auf vielen Bühnen zu finden sein!
Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
drei Oszillatoren mit Hard-Sync, Frequenz- und Ringmodulation
gute und vielseitige Filter inkl. Filter-FM
vier Hüllkurven, drei LFOs
vielseitiger, guter Verzerrer und brauchbare Effekte
komplexer Arpeggiator
“Modifier Section” für Klangexperimente
16-fach Multitimbral
Kopfhörerausgang
USB-Schnittstelle für MIDI- und Systemdaten
Contra
kein Eingang für ext. Audiosignale
nur ein Stereoausgang
Rasterung der Drehpotis oft zu grob
kein MIDI Out und MIDI Thru
Display-Menüführung teils zu umständlich
Software-Editor nur als Betaversion erhältlich (in diesem Test daher nicht berücksichtigt)
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Wahnfried soporatus sagt:
#1 - 03.03.2017 um 21:54 Uhr
Eure Tests sind mit grossem Abstand die Besten. Auch am besten geschrieben.
Liebe Grüsse vonBeo
Lasse|bonedo sagt:
#1.1 - 07.03.2017 um 02:47 Uhr
Hallo Beo, vielen Dank, das hört man gern! Wir geben uns Mühe! ;-)
Liebe Grüße
Lasse (Redaktion bonedo)
Antwort auf #1 von Wahnfried soporatus
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