Softube Chandler Curve Bender Test

Früher wurden die fetten Outboard-Namen von nur wenigen Software-Herstellern und dann auch meist für DSP-Systeme lizensiert. Der Trend hat sich gewandelt und immer mehr Hersteller bringen offizielle Plugins von teurer Hardware heraus. 


Auch Softube macht sich souverän und bringt nach seinem UAD-2 Ausflug den Curve Bender ins eigene Programm. Das erweiterte Replika des EMI TG1234 Equalizer aus den legendären Abbey Road Studios von Chandler Limited gibt’s jetzt also auch für native Systeme, wie schön!

Details

Verortung und Stereotypen


The Beatles, Abbey Road, EMI, TG, England – damit hätten wir die wichtigsten Schlagwörter für unseren heutigen Testkandidaten bereits verballert. Softube modelte den Chandler Limited Curve Bender bereits für die proprietäre UAD-2 Plattform und bringt ihn nun auch selbst und als natives Format für VST, AU und AAXnative heraus. Eine tiefergehende Integration in Console 1 ist aktuell nicht gegeben.

Der Chandler ist ein 3-HE 4-Band Monster wie auch der Manley Massive Passive. Er besitzt ähnlichen Legenden-Status, setzt aber auf eine andere Technik und hat dadurch auch einen etwas anderen Sound. Kurz, der Manley mit seinen Röhren ist rund, weich, groß und fett, „amerikanisch“ eben. Dem Chandler hingegen wird dank seiner Transistoren ein eher crisper, knackiger und „britischer“ Sound nachgesagt. So viel zu den beiden „Stereo-Typen“. Ach – und ich hätte es fast vergessen – beide kosten rund 6000 Euro. 

Klassischer Aufbau


Beim Curve Bender handelt es sich um einen klassischen Dual-Mono-Aufbau mit je vier parametrischen Bändern und zwei Filtern pro Seite. Die äußeren Bänder sind zwischen Schelf und Glocke umschaltbar, die mittleren sind fix als Glocke ausgelegt. Der Hub liegt bei allen Vieren bei bis zu +/- 15 dB. Einen Umschalter zwischen Cut und Boost sowie variablen Q wie beim Manley gibt es nicht.

Bei Hardware macht ein Dual-Mono-Aufbau immer Sinn, bei Plugins hat es zur Folge das man meist nur an einer Seite rumkurbelt.

Es gibt pro Band nur einen Umschalter, und der kennt drei Positionen. Die mittlere dient als Band-Bypass, mit den anderen beiden schaltet man den maximalen Gain zwischen 5 dB (unten) und 15 dB (oben) um. Das verändert außerdem den Q-Faktor, die Bänder werden also bei dem Gain-Mulitplikator auch enger. Die verfügbaren Frequenzen lauten wie folgt:

  • Bass: 35, 50, 70, 91, 150, 200, 300 Hz
  • Presence 2: 0,3, 0,4, 0,5, 0,8, 1,2, 1,8, 2,8, 3,6 kHz
  • Presence 1: 0,8, 1,2, 1,8, 2,8, 3,6, 4,2, 6,5, 8,1 kHz
  • Treble: 3,6, 4,2, 6,5, 8,1, 10, 12, 16, 20 kHz 

Wie man sieht, die Bändern überlappen sich in den Mitten durchaus. Im Bassbereich hat man allerdings nicht so viel Spielraum. Ebenfalls erwähnenswert ist die bikolore Beschriftung, welche an die alten TG Console erinnern soll. Weiß sind dabei die Werte, die es damals schon gab – denn eigentlich gab es damals auch nur einen 2-Band-EQ. Gelb sind hingegen die modernen Ergänzungen von Chandler.
Der Low- und der High-Cut sind flexibel und bieten – um Nochmal den Vergleich zu bemühen – zur Abwechslung deutlich mehr als der Manley, die Eck-Frequenzen lauten wie folgt:

  • Low-Cut: 20, 30, 40, 50, 60, 80, 100, 160, 200, 320 Hz 
  • High-Cut: 30, 20, 18, 14, 12, 10, 8,1, 5, 3, 2 kHz

Hinzu kommen ein Output-Gain – obwohl ein Input-Gain wünschenswerter wäre – sowie ein individuellen Bypass für links und für rechts. Plugin-exklusiv gibt es eine Link-Option, um nur einen Kanal im Stereo-Betrieb bedienen zu müssen, sowie eine Mid/Side-Funktion, welche das Stereo-Signal masteringfreundlich in Mitte und Seite zerlegt. 

Praxis

UAD-2 vs. native


Und was hat sich nun geändert? Nicht viel, eigentlich gar nichts. Die GUI ist in etwa die selbe, nur etwas frischer und auch retinageeignet, sogar der Preis ist gleich, wenn man von dem aktuell laufenden Einführungsangebot einmal absieht. Die „neue“ Version hat im Prinzip nur mehr Presets bekommen und lässt sich nun eben auch ohne Universal Audio Hardware betreiben. Ich tippe mal auf ein Lizenz-Abkommen als Hauptgrund für die Verzögerung zwischen den beiden Releases – Kapitalismus eben. ¯_(ツ)_/¯

Fotostrecke: 3 Bilder Unterschiede sind kaum vorhanden, der Retina-Support macht die Darstellung auf gewissen Screens aber durchaus schu00e4rfer. Oben: UAD-Version, unten: die neue u0022nativeu0022 Softube Variante.

Push statt Pull


Der Klang ist aber wirklich gut, mit seinen breiten Strichen musikalisch schmeichelnd und tendenziell trotzdem eher unauffällig. Besonders starken Charakter entwickelt der virtuelle Curve Bender für meinen Geschmack nicht unbedingt. Trotzdem sind es gerade die crispen Mitten, die schön boosten, sodass man unkompliziert Snares und Gitarren nach vorn holen kann. Man muss allerdings auch schon ordentlich aufs Gain-Pedal drücken, damit etwas passiert, weil die breiten Filter-Kurven nun wirklich breit sind und selbst in der steilsten Variante nicht besonders steil sind. 

Audio Samples
0:00
Rock Song – Dry Rock Song – Curve Bender Electronica – Dry Electronica – Curve Bender Old School – Dry Old School – Curve Bender Trap – Dry Trap – Curve Bender Drum Loop – Dry Drum Loop – Curve Bender M/S
Der Chandler ist also eher ein klassischer Reindreh-EQ und für chirurgische Eingriffe damit eher weniger geeignet – zu breit und zu unflexibel sind die festen Frequenzen. Insofern ist es auch etwas Schade, dass es keinen Input-Gain gibt. Außerdem sind es nach heutigen Gesichtspunkten auch etwas wenige Bänder, zumindest auf der virtuellen Ebene. Das Doppel-Mono-Feature mit bis zu 8-Bändern auf Mono-Spuren der UAD Variante fehlt hier. Bei der nativen Version kann man aber theoretisch nacheinander ordentlich Instanzen in die DAW ballern – 10 Plugins benötigen dann aber auch in etwa 35 % CPU-Load ,zumindest bei mir und in Ableton Live bei 44,1 kHz auf meinem 2016er MacBook 2,7 GHz i7. Auf der anderen Seite tut jedem etwas Limitierung gut und man denkt exklusiv über jedes Band nach, ob es denn nun wirklich sein muss. Die Disziplin hat aber auch nicht jeder.

Ein echter Zugewinn ist außerdem die M/S Funktion, mit der man Mixe auch breiter machen kann – in der L/R-Konfiguration hatte ich hingegen sogar das Gefühl, dass sehr weite Mixe etwas schmaler werden können.

Fazit

Der Chandler Curve Bender ist ein sehr inspirierendes Werkzeug, das wirklich gut klingt und tolle Nuancen setzt. Ein Allrounder ist er mit seinen breiten Strichen aber nicht. Für den aktuellen Einführungspreis ist er preislich durchaus attraktiv, ohne Early-Bird-Rabatt finde ich das Angebot allerdings etwas hochpreisig, zumal es sich im Prinzip um ein über drei Jahre altes Produkt handelt. UAD-2 hingegen war immer teuer, das haben wir mittlerweile gefressen, aber Softube muss da meines Erachtens nicht unbedingt mitziehen. 4 Sterne.

Pro
  • musikalischer Klang
  • gutmütiger, breiter Analog-Charakter
  • umfangreiche Low- und High Pass Filter
  • gute Bedienung
  • M/S-Bearbeitung
Contra
  • (noch) kein voller Console 1 Support
  • hoher Preis
Features
  • Natives Stereo EQ Plugin
  • wahlweise Stereo (gelinkt / separat) oder M/S-Bearbeitung
  • Low Pass (6dB/oct.): 2, 3, 5, 8.1, 10, 12, 14, 18, 20, 30 kHz
  • High Pass (6dB/oct.): 20, 30, 40, 50, 60, 80, 100, 160, 200, 320 Hz
  • 4 Bänder (+- 5dB in 0.5 dB-Schritten)
  • Bass EQ (Bell, Shelf): 35, 50, 70, 91, 150, 200, 300 Hz
  • Presence 2 (Bell): 0.3, 0.4, 0.5, 0.8, 1.2, 1.8, 2.8, 3.6 kHz
  • Presence 1 (Bell): 0.8, 1.2, 1.8, 2.8, 3.6, 4.2, 6.5, 8.1 kHz
  • Treble EQ (Bell, Shelf): 3.6, 4.2, 6.5, 8.1, 10, 12, 16, 20 kHz
PREIS
  • EUR 299,- / 199,- (Einführungsangebot)
Unser Fazit:
4 / 5
Pro
  • musikalischer Klang
  • gutmütiger, breiter Analog-Charakter
  • umfangreiche Low- und High Pass Filter
  • gute Bedienung
  • M/S-Bearbeitung
Contra
  • (noch) kein voller Console 1 Support
  • hoher Preis
Artikelbild
Softube Chandler Curve Bender Test
Hot or Not
?
Softube_Chandler_Curve_Bender_02_Test Bild

Wie heiß findest Du dieses Produkt?

Kommentieren
Schreibe den ersten Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.
Bonedo YouTube
  • dreadbox Artemis Sound Demo (no talking)
  • Arturia Astrolab 88 Review - Arturia's Flagship Stage Keyboard
  • Moog Messenger Sound Demo with Custom Presets