Rode NT2000 Test

Neben dem AKG C414-B-ULS war das NT2 des australischen Herstellers Rode das erste Großmembran-Kondensatormikrofon, mit dem ich wirklich intensiv gearbeitet habe. Zwar brachte die Tatsache, dass das NT2 optisch sehr an ein Neumann-“Usi” erinnerte, Røde damals einigen Ärger ein – klanglich konnte das Mikro aber wirklich überzeugen. 

Mein Zusammentreffen mit weiteren Røde-Produkten war dann ein stetiges Auf und Ab: So ersetzte ich beispielsweise das “Hausmikrofon” Røde NTK eines Kölner Studios nach nur wenigen Sessions regelmäßig schon vor dem Soundcheck durch ein anderes. Und auch das NT1 hat mich nicht wirklich vom Hocker gerissen. Die günstigen Kleinmembran-Mics NT5

rode_nt-2000

wiederum habe ich in meinem Gehirn in der Schublade “sehr ordentlich” einsortiert. Das Preis-Leistungsverhältnis der Mikrofone ist wirklich ganz hervorragend. Voreingenommen werde ich bei diesem Test also wohl kaum sein, gespannt dafür umso mehr! 

Details

Riesiger Mikrofonkoffer

Ich will dieses Mikrofon-Case niemals im Kofferraum haben, wenn ich in eine Polizeikontrolle komme. “Ein Mikrofon” als Antwort auf die Frage des Wachtmeisters nach dem Inhalt des riesigen, schwarzen Hartplastikkoffers würde mir genauso wenig geglaubt wie das gute, alte “nix”. So richtig übertrieben wirkt der Koffer dann nicht mehr, wenn man das Mikro in der Hand hält. Mein Mikrofonständer ist beim Anblick des wuchtigen Australiers erst einmal prophylaktisch in die Knie gegangen.

Fotostrecke: 2 Bilder Der Hartplastikkoffer erscheint überdimensioniert…

Imposantes Erscheinungsbild

Groß und schwer ist es, das metallene Kondensatormikrofon mit den beiden ein Zoll durchmessenden Membranen. Die notwendige Spannungsversorgung erhält das Gerät über die übliche Phantomspeisung bei einer Spannung von 48 Volt. Die Besonderheiten dieses Mikrofons lassen sich auf den ersten Blick erkennen, denn sonst schaltbare oder nur gerastert wählbare Parameter sind hier mit drei flachen Potis stufenlos einstellbar.

Fotostrecke: 2 Bilder Über drei flache Potis lassen sich Richtcharakteristik, Low Cut und Pad-Dämpfung stufenlos einstellen.

Umfangreiche Einstellungsmöglichkeiten

Das Signal der hinteren Membran kann mit unterschiedlicher Polarität und Pegel dem der vorderen Membran zugemischt werden. Dies hat zur Folge, dass zwischen der vollpegeligen Negativ-Verschaltung (ergibt Richtcharakteristik Acht) und Positiv-Mischung (Kugel) über Breite Niere (BN) sowie Super- und Hypernieren (SN und HN) die Charakteristik bis zur Niere (nur vordere Membran) ohne jegliche Rasterung eingestellt werden kann. Doch damit ist es nicht getan: Beim Røde NT2000 ist selbst das Pad stufenlos von 0 bis -10 dB regelbar. Pad und Filter lassen sich übrigens nicht ausschalten. Mit seinem Übertragungsfaktor von 36 mV/Pa und einem Eigengeräuschpegel von nur 7 dB(A) steht es sehr gut da. Den maximalen Schalldruckpegel gibt der Hersteller von Down Under mit 147 dB (SPL) an, den Frequenzgang mit 20 Hz bis 20 kHz, allerdings ohne dabei die Toleranzbereiche zu nennen. Die Verarbeitung des Silberlings ist gut, alles andere wäre bei diesem Gewicht auch nicht gerechtfertigt. Die freundlicherweise mitgelieferte Spinne scheint durch eine hohe Seilspannung für den Kampf zwischen Erdanziehungskraft und Mikrofon gewappnet zu sein.

Praxis

Die Folgen der Erdanziehungskraft

An einem Galgenausleger angebracht merkt man, dass es das schwere Mikrofon deutlich Richtung Australien zieht (in unserer Nordhalbkugel-Wahrnehmung: zum Boden). Bei Overhead-Anwendung sollten es also Chorstative sein, die das NT über des Trommlers Kopf halten. Über die Verarbeitung des Korpus und des Korbes lässt sich nichts Negatives sagen. Die drei Potis vermitteln jedoch keinen wirklich umwerfenden Eindruck. Womit wir bei den Themen wären, die mich nicht loslassen:

Die umfangreichen Einstellmöglichkeiten erscheinen technisch und praktisch fragwürdig.
Die umfangreichen Einstellmöglichkeiten erscheinen technisch und praktisch fragwürdig.

Die Regelmöglichkeiten sind zu viel des Guten

Ein stufenloses Pad von 0 bis -10 dB schießt deutlich über das Ziel hinaus – über -3 dB, -6 dB und -9 dB als Abstufung könnte man gerade noch reden. Kein Signal hat einen derart konstanten und vorhersagbaren Pegel, als dass derart feine Verstärkungsunterschiede technisch zu rechtfertigen wären. Zudem ist die Range dann insgesamt doch etwas zu klein: Man benötigt unter Umständen -20 dB, wie es manche Hersteller als Option anbieten. Wirklich: 0, -10 und -20 dB sind sinnvoll, ein rasterloses Pad ohne richtigen Ausschalter ist – mit Verlaub – ziemlich überflüssig! Nicht viel besser verhält es sich mit dem Hochpassfilter. Sicher, viele Preamps bieten eine ähnliche Option, aber da lässt sich immerhin der Schaltkreis aus dem Signalweg entfernen. Beim NT2000 werkelt immer eine Schaltung am fragilen Signälchen herum. Im Bassbereich ist das keine gute Idee, da alleine das Ripple im Frequenzbereich dem Signal nicht gerade guttut – selbst bei äußerst hochwertigen Filtern. In der Preislage des NT können hervorragende Bauteile alleine unter ökonomischen Gesichtspunkten nicht verwendet sein. Außerdem wird die Genauigkeit durch die Stufenlosigkeit bei Mikrofonen in der Praxis nicht benötigt; zudem ist die tatsächliche Cutoff-Frequenz auf der Skala nicht ablesbar. Oft ist bei Mikros die -3dB-Frequenz nicht einmal wählbar. Bei zwei beliebten Klassikern aus dem deutschen Sprachraum sind 75 oder 150 Hz oder ein fünfstufiger “Bass-Roll-Off” vorhanden, die wirklich vollkommen ausreichend sind!

Kugelähnlichere (also breitere) oder achterähnlichere (schmalere) Nieren auswählen zu können, kann in konkreten Anwendungsfällen durchaus sinnvoll sein. Wer einmal mit einem derart ausgestatteten Mikrofon die Position der Off-Axis und des Aufnahmebereichs bestimmen konnte, weiß, wie dankbar man bei der Positionierung in schwierigen Verhältnissen (zum Beispiel Snare-Resonanzseite) darüber ist. Allerdings gilt auch hier: An einem M149 habe ich noch nie eine Umschaltmöglichkeit zwischen K, BN, N, SN und A vermisst. Auch der traditionelle Karlsruher Hersteller Schoeps bietet in seinem üppig ausgestatteten Colette-Kleinmembran-Kapselsystem nur die vorhin genannten Charakteristiken an – obwohl zum Beispiel die Ausrichtung von Stützen mitten im Orchester-Klangkörper nicht gerade eine einfache Aufgabe ist.

Der Klang zeigt negative Charaktereigenschaften 

Nun gut, vielleicht kann das Røde NT2000 ja dafür mit seiner Soundqualität bestechen. Es gab in der Geschichte der Mikrofone immer solche, an denen vieles oder sogar fast alles unpraktisch, unlogisch, fehleranfällig oder sonstwie unangenehm war – bis auf den Sound, und um den geht es doch schließlich. Doch leider zeigt sich schnell, dass der Schallwandler nicht das Zeug dazu hat, zum kauzigen Sonderling mit Kultstatus zu werden. Die Klangeigenschaften sind im Vergleich zu anderen Mikrofonen dieser Preisklasse eindeutig negativ erkennbar, dies lässt sich auch nicht als “eigenständig” oder “charaktervoll” umdeuteln.

Audio Samples
0:00
NT – weiblich, 10 cm Referenz – weiblich, 10 cm NT – weiblich, 40 cm Referenz – weiblich, 40 NT – weiblich (Kugel) NT – weiblich (Acht) NT – weiblich (HPF)

Geringes Rauschen und ordentliche Verarbeitung contra Klangqualität

In den gesamten Höhen klingt das Signal deutlich belegt und matt, ich möchte sagen “lustlos”. Bei der ersten Session kontrollierte ich über die Video-Interkom, ob die Sängerin nicht etwa zum Spaß ein Molton-Tuch über den Testkandidaten geworfen hat (im zweiten Audioplayer mit der männlichen Stimme besonders auffällig!). Impulse werden generell wenig agil übermittelt. Erstaunte Gesichter erzeugt der Dreh am Richtcharakteristik-Poti: Die Kugel klingt deutlich besser als die Niere, vor allem in den Höhen! Diese klingen sogar direkter! Von der “Härte” würde ich bei diesem Klangresultat ohne Kenntnis von Raum und dem Klang der anderen Charakteristiken fast schon auf eine Acht tippen. Dies lässt Rückschlüsse zu, die niemandem so richtig gefallen: Es scheint, als haben Røde nicht simpel die Kapselsignale verschaltet, sondern als sei eine ordentliche Ladung Korrekturelektronik notwendig. So etwas wird oftmals eingesetzt, um Mängel bei der mechanischen Komponente – also der Kapsel – auszugleichen. Eine Problemzone scheint sich jedoch unkorrigiert ihren Weg ins Mikrofonkabel suchen zu können: Der Bereich über 1 kHz weist eine Frequenznase mittlerer Breite auf, die das Signal bei sämtlichen Charakteristiken “quäkig” klingen lassen. Klanglich hinterlässt das Filter glücklicherweise keine so brutalen Dellen im Frequenzgang, wie es zu befürchten gewesen wäre, aber die niedrigste Position von 20 Hz und somit die größtmögliche Entfernung des kritischen Grenzfrequenzbereichs vom Nutzsignal tun der gesamten Klangqualität doch deutlich am besten. Geringes Rauschen und ordentliche Gehäuseverarbeitung sind zwar positiv hervorzuhebende Tatsachen, doch lässt sich dadurch nicht mehr viel retten.

Audio Samples
0:00
NT – männlich, 10 cm Referenz – männlich, 10 cm NT – männlich, 40 cm Referenz – männlich, 40 NT – männlich (Kugel) NT – männlich (Acht) NT – männlich (HPF)

Wie man es auch dreht und wendet, das NT2000 kann nicht überzeugen, zu auffällig sind die Missstände gegenüber den Konkurrenten. Besser als viele Mikros der “Gossen”-Klasse ist es allemal, doch geht es auch deutlich besser. Schade, denn Røde haben der Welt schon bewiesen, was für hervorragende Mikrofone sie zu bauen imstande sind. Wer den Kauf eines NT2000 wirklich in Erwägung zieht, begeht allerdings auch den klassischen Fehler, zu viel Ausstattung für zu wenig Geld verlangen zu wollen. Auch wenn wir es uns als Kinder so vorgestellt haben mögen: Die Australier hängen nicht mit dem Kopf nach unten – genauso wenig können sie die Gesetze der Wirtschaft und der Physik auf den Kopf stellen. Daher: Für ein vernünftiges umschaltbares Mikrofon muss einfach deutlich mehr Geld auf den Tisch gelegt werden. Auch sind frei wählbare Einstellungen keine tolle Ingenieursleistung. Derartige Gimmicks sind in der Praxis keine Hilfe (im Gegenteil!) und technisch nicht zu rechtfertigen.

Unser Fazit:
2,5 / 5
Pro
  • Rauscharmut
Contra
  • matte Höhen
  • unausgeglichene Mitten
  • Einstellmöglichkeiten technisch und praktisch fragwürdig
Artikelbild
Rode NT2000 Test
Für 549,00€ bei
RodeNT2000_05FIN_01
Technische Spezifikationen
  • Empfängerprinzip: 2 x Druckgradientenempfänger (mit Laufzeitglied)
  • Richtcharakteristik: stufenlos von Kugel über Niere bis Acht
  • Wandlerprinzip: Kondensator
  • Betriebsspannung: 48V Phantomspeisung
  • Frequenzgang: 20 Hz – 20 kHz (keine Toleranzangabe)
  • Übertragungsfaktor: 36 mV/PA
  • THD+N: 7 dB (A-bewertet)
  • maximaler Schalldruckpegel: 147 dB SPL
  • Ausgang: XLR
  • Preis: 559,- Euro UVP
Hot or Not
?
RodeNT2000_03FIN Bild

Wie heiß findest Du dieses Produkt?

Kommentieren
Profilbild von filterboy

filterboy sagt:

#1 - 09.11.2014 um 01:19 Uhr

0

Ich habe deinen Text 3 mal durchlesen müssen und mir kommt es so vor als hättest du eine Abneigung gegen das Micro.
Ich habe mir mal die Beispiele angehört und hätte gern mal gewußt welche Peripherie davor geklemmt wurde.
Wo sind eure eigenen Messdaten?
Sorry der Test ist Schrott.MfG,filterboy

Profilbild von igl schoenwitz

igl schoenwitz sagt:

#2 - 21.03.2015 um 05:24 Uhr

0

Hey, Nick,als Betreiber von TestYourMic.com und selbst Tester kann ich zu diesem Test nur beglückwünschen. Die Audiobeispiele bestätigen Dein Urteil, die konzeptionelle Kritik ist fachlich berechtigt und nachvollziehbar - und, filterboy - technische Daten sind völlig nebensächlich, wenn der Sound nicht stimmt. Nochmal: Danke für dieses mutige Statement!

Profilbild von jobert

jobert sagt:

#3 - 11.10.2015 um 22:16 Uhr

0

"Ich habe deinen Text 3 mal durchlesen müssen und mir kommt es so vor als hättest du eine Abneigung gegen das Micro."Also.. ähm.. ich glaube das merkt man schon beim ersten Test und Fazit sehr deutlich. Dem Bericht nach zu urteilen auch berechtigt.Aktuell ist das auch noch unser Micro, da das Budget für ein besseres fehlt. Hatte es allerdings auch gebraucht für 200 € bekommen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.
Bonedo YouTube
  • iZotope Ozone 12 Bass Control Demo (no talking)
  • LD Systems ICOA Pro Series - All you need to know!
  • Watch THIS if you use analog gear! Everything you need to know about the Freqport FreqInOut FO1