Mojave MA-300 Test

PRAXIS

Wenn ich nun auch beim dritten Mojave-Mikrofon, das durch meine Hände geht, damit anfange, dass ich dieses Unternehmen für verkannt halte, würde ich mich wirklich unnötig wiederholen. Es ist aber einfach positiv, dass man sich um das Äußere kaum schert und dieses im Gegensatz zum ausgesuchten und überprüften Innenleben in China fertigen lässt – die Klangqualität dankt´s, der Preis ebenfalls. Dieser Eindruck bestätigt sich auch beim MA-300. Auf Niere gestellt, erkennt man sofort die Verwandtschaft mit dem MA-200. Klangprägend ist zwar nicht zuletzt der verbaute Trafo von Jensen, doch merkt man deutlich, es hier mit einem hochwertigen Röhrenmikrofon zu tun zu haben.

IMG_5004 Bild

Vom Vakuum-Glaskolben zeugt in erster Linie ein leichtes, edles, leichtes Britzeln, generell übertreiben die Mojave-Mikros aber in keinem Fall, das gilt auch für dieses. Die Höhen sind schnell und spritzig, aber in keinem Falle harsch. Mojave-Mikrofone liefern meiner Erfahrung nach auf den allerletzten Metern zur oberen Hörgrenze nicht mehr die volle Klarheit und Offenheit, allerdings ist es genau das, was auch ihren Charakter formt. Wie bei Mojave gewohnt: Vintage-Stil, aber äußerst zurückhaltend, immer lieber ein wenig zu vorsichtig, als zu riskieren, einem Signal zu sehr seinen Stempel aufzudrücken. Und somit ist auch das MA-300 ein Mikrofon, das mit der überwiegenden Menge an zu mikrofonierenden Schallquellen gut Freund werden kann. Dass es absolut unpassend wäre, habe ich nie festgestellt. Der Einbruch bei 1000 Hz ist für viele Signale angenehm, doch bei Stimmen und vielen Schlaginstrumenten hätte ich dieses Verhalten lieber etwas weiter unten. Wenn der Bereich zwischen 500 und 1000 Hz nicht besonders übertrieben ist, sollte man das MA-300 bei der Aufzeichnung von Vocals bitte auf jeden Fall in der hier hervorragenden Richtcharakteristik Acht ausprobieren! Stören Brustkorbresonanzen, hilft eine tiefe Ausrichtung des Mikros vor dem Hals oder dem Brustkorb mit schräger Positionierung der 0° nach oben auf den Mund des Vokalisten. Findet man hier noch keine gute Balance zwischen Off-Axis und Sound, freut man sich über die flexible Einstellung der Charakteristik, um die Off-Axis Richtung 180° zu verschieben. Neben der eigentlichen Richtcharakteristik entsteht eine deutliche Änderung des Klangs, auch bei frontaler Besprechung. Im Audiobeispiel mit der Acht bemerkt man jedoch, wie eisern man bei schmaleren Richtcharakteristiken auf Positionierung achten sollte: Die Bewegung der Sängerin war minimal, man hört sie aber trotzdem (bei “down”)!

Audio Samples
0:00
MA-300, Niere, 30 cm MA-300, Niere, 10 cm MA-201FET, 30 cm MA-201FET, 10 cm MA-300, Niere, 10 cm, HPF MA-300, Acht, 10 cm MA-300, Kugel, 10 cm Drums Drums, HPF, PAD

Was ich bei Niere und Acht auch sowie gerade in den reinen Einstellungen hervorragend finde, ist mir bei der Kugel dann aber etwas zu viel der Veränderung. Mir ist der Klang dort für viele Einsatzzwecke etwas zu “vintage”. Wäre ich gemein, würde ich “löchrig” oder “phasig” sagen. Natürlich ist es sinnvoll, Signale in ihrem späteren Kontext zu beurteilen. Dort sieht die Sache wieder anders aus, denn möglicherweise sind die Nichtlinearitäten – die abseits der Hauptaufsprechrichtung zum Teil noch deutlicher werden als bei 0° – für eine Mischung genau passend. Vielleicht aber auch nicht. Wer aber mal beispielsweise ein altes Neumann auf Kugel gehört hat, der wird Parallelen feststellen – schließlich unterscheiden sich Doppelmembrankugeln ganz deutlich von Druckempfänger-Kugeln, vor allem, was die äußeren Frequenzbereiche angeht. Die Problematik ist bekannt, ich finde es besser, wenn Hersteller diese Eigenschaften zulassen und nicht durch schlechte Elektronik-Tricks im Mikrofon verschlimmbessern. Außerdem ist es richtig, das Hauptaugenmerk auf den Klang der mit positiver Polarität der Signale der rückwärtigen Membran erzielten Charakteristiken hin zu optimieren, denn Acht, Super- und Hypernieren werden schlicht häufiger eingesetzt. Übrigens ist die Phasigkeit bei breiten Nieren des MA-300 noch gar nicht so extrem.
Nah besprochen macht sich ein recht bauchiger Proximity-Effekt bemerkbar. Im gezeigten Beispiel wird der Lieblingsbereich des Mikrofons deutlich, denn mit etwas größerem Abstand werden die Höhen klarer und schneller übertragen – schöner, wie ich finde. Unter Nahbesprechung wird das Mojave für manche Anwendungsfälle meines Erachtens etwas zu muffig.
Insgesamt positioniert sich das MA-300 deutlich als Bindeglied zwischen “damals” und “heute” – also ganz so, wie man es von den anderen Mojave-Mikros kennt. Viele Studios werden im 300 ihr ideales Standardmikrofon finden, welches durchaus seinen Teil zur “Sonic Identity” beitragen kann, aber trotzdem einen großen Bereich abdeckt, ohne den Sound zu brutal zu prägen. Natürlich muss man den Grundcharakter von Röhrenmikros dafür mögen. Ich als Verehrer des Mojave MA-201FET frage mich: Wann gibt es das MA-301FET?

Kommentieren
Profilbild von Bonedo Leser

Bonedo Leser sagt:

#1 - 23.11.2011 um 01:06 Uhr

0

Hallo,
die Mikrfontests hier finde ich das Beste, was man im Netz finden kann und übertrifft auch das Meißte, was ich sonst so gesehen habe.
Inbesondere die vielen Vergleichsbeispiele zum Selberhören finde ich super.
Auf ein Mojave Audio MA-301FET bin ich auch mal gespannt, falls es das geben wird.
Und worauf ich noch warte, ist euer Open-End Mikrofontest. Wird es den auch noch geben?
Viele Grüße,
Bonedo Leser

Profilbild von Guido Metzen (bonedo)

Guido Metzen (bonedo) sagt:

#2 - 23.11.2011 um 11:30 Uhr

0

Hallo Bonedo Leser,
vielen Dank für deinen Kommentar. Es freut uns natürlich sehr, dass dir unsere Mikrofon-Tests gefallen. Der Open-End-Mikrotest befindet sich gerade in der Bearbeitung - wir haben den Test bereits durchgeführt, und es war für alle Beteiligten sehr interessant. Noch ein wenig Geduld - die Veröffentlichung wird nicht mehr lange auf sich warten lassen - ihr könnt schon gespannt sein :-)
Viele Grüße,
Guido

Profilbild von Gregor Marini

Gregor Marini sagt:

#3 - 26.11.2011 um 14:45 Uhr

0

Auch finde die Tests sehr gelungen u. sympatisch rübergebracht!
Hätte eine Frage an Nick. Ich habe den AVALON VT 737sp Channelstrip, der ja bekanntlich ein Röhrengerät ist.
Spricht eigenttlich etwas dagegen ein Röhrenmikro mit einem Röhrenpreamp zu betreiben?
Vielen Dank
Greg

Profilbild von Nick Mavridis

Nick Mavridis sagt:

#4 - 26.11.2011 um 18:08 Uhr

0

Hallo, danke an euch. Gregor: Wenn Du zusätzlich die Charaktereigenschaften des Amps mit hineinbringen willst: Kein Problem. Wenn der Klang passt und gefällt, dann ist alles gut. Ich hatte beispielsweise das MA aus dem Test am Tube-Tech MP-1A und am UA LA-610 und war von den Kombinationen durchaus angetan! Eine allgemeingültige Antwort kann man bei so etwas aber nie geben, es kommt immer auf die Schallquelle und den musikalischen Kontex/das Vorhaben an. Schön ist es natürlich, wenn man immer ein wenig Kram zum ausprobieren rumstehen hat. Beste Grüße, Nick

Profilbild von Gregor Marini

Gregor Marini sagt:

#5 - 26.11.2011 um 23:59 Uhr

0

Vielen Dank Nick!
Warte schon gespannt auf den Test der Hi-End Klasse!
Servus, Greg

Profilbild von Anonymous

Anonymous sagt:

#6 - 28.11.2011 um 13:29 Uhr

0

Nick, nur noch kurz:
Ich weiß es kommt immer auf die Situation an ... aber wenn du die Wahl hättest zwischen U87ai, TLM 49 und MA-200 um vocals aufzunehmen . Welches mic würdest Du so auf Anhieb nehmen ... einfach vom Bauch raus!
Dank, Gregor

Profilbild von Nick

Nick sagt:

#7 - 01.12.2011 um 18:53 Uhr

0

Hi Gregor. Du sagst es… Ich will und kann hier eine solche Auskunft nicht geben, es sind alles hervorragende und gut geeignete Mikros – und recht unterschiedlich. Neben der Situation geht es auch darum, ob ich sie wirklich "wählen" kann (dann: ausprobieren!) oder ob ich sie kaufen soll. Denn der Preis spielt ja auch immer eine Rolle. Also sei mir bitte nicht böse, dass ich meinen Bauch schweigen lasse. :-) Und wie immer gilt: Wirklich wesentlich ist natürlich das, was man da aufnimmt. Manchmal entscheidet auch einfach der richtige Abstand über den idealen Sound, weniger das Mikro. Grüße aus Köln!

Profilbild von Gregor Marini

Gregor Marini sagt:

#8 - 02.12.2011 um 17:44 Uhr

0

Hast ja Recht !! ;-))
Weißt Du schon wann der Hi-End Mikro Test kommt?Dank nochmal!
servus
Gregor

Profilbild von stefan

stefan sagt:

#9 - 27.03.2012 um 13:27 Uhr

0

hi nick
eine frage hätte ich noch zu deinem Test. unterscheidet sich das ma200 klanglich vom ma300 in nierenstellung, oder sind in dieser position die Mikros identisch?

Profilbild von Nick

Nick sagt:

#10 - 27.03.2012 um 13:57 Uhr

0

Hi Stefan, ich hatte beide leider nicht im Direktvergleich, sondern nacheinander im Test. Neben den Audiofiles und meinen Erinnerungen sind es aber schlicht die deutlich ähnlichen technischen Konzepte, die mir erlauben, das 300 als "umschaltbare Version" des 200 zu bezeichnen – was der Hersteller ja auch tut. Die Braunmühl-Weber-Doppelkapsel des 300 wird einen geringen Einfluss haben, allerdings ist das nicht enorm, wie andere Mikros zeigen. Grüße, Nick

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.
Für dich ausgesucht
Austrian Audio OC16 Test
Recording / Test

Sobald das Kabel gesteckt ist und die Phantomspeisung das Austrian Audio OC16 zum Leben erweckt, wird klar: Das Mikrofon ist kein Versuch…

Austrian Audio OC16 Test Artikelbild

Als Austrian Audio auf den Plan getreten ist und OC18 und OC818 präsentiert hat, wer nicht zuletzt der geringe Preis für ein derart hochwertiges Mikrofon ein klares Kaufargument. Das Austrian Audio OC16 in diesem Test ist sogar noch ein Stück preiswerter als das OC18. Wie das geht? Nicht zuletzt dadurch, dass es das Prädikat “Made In Austria” nicht tragen kann. Ist es deswegen ein billiger Abklatsch im eigenen Unternehmen? Nein, alleine aufgrund eines wichtigen Details nicht.

Bonedo YouTube
  • LD Systems Mon15A G3 Review
  • iZotope Ozone 11 Advanced Sound Demo
  • Rupert Neve Designs Master Bus Transformer "MBT" – Quick Demo (no talking)