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Golden Age Project Pre-73 MKII Test

Das englische Unternehmen Neve gehört zu den Firmen, deren Produkte nicht ohne Grund als kauzig, divenhaft, anfällig und vor allem galaktisch teuer bezeichnet werden. Doch können alle diese Umstände ziemlich egal sein, wenn die Essenz stimmt. Bei tontechnischen Geräten ist diese nun mal der Sound, und Neve klingt einfach hervorragend. Besonders in Produktionen, in denen “Soundmaker” gefragt sind, hat sich ein wesentlicher Bestandteil der großen alten Neve-Konsolen oft als sehr geeignet erwiesen: Der Preamp, und ganz besonders der, den man in die im Jahre 1970 eingeführte 1073er-Serie einbaute.   

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Warum es immer wieder Nachbauten von manchen alten Geräten gibt, dürfte bekannt sein. Die Originale werden für irrwitzige Preise gehandelt und sind oft in erbärmlichem Zustand. Und selbst dann, wenn ein Unternehmen solche Geräte wieder aufleben lässt, enttäuscht nicht selten das Ergebnis. Gründe dafür gibt es viele, aber oft fehlt ganze einfach die “alte” Technik, oder man versucht nach Jahrzehnten, den einstmals legendären Namen finanziell auszuschlachten. Ich kann aber versichern: Auch ein neu bei AMS Neve gekaufter 1073-Preamp klingt absolut hervorragend. Allerdings kostet das in England handverdrahtete Schätzchen um die 3000 Euro (beinhaltet dann aber immerhin auch einen EQ). Die preiswerteste Lösung, um das Ding dann auch wirklich nutzen zu können, ist das kleinste verfügbare Neve-Rack für mindestens noch einmal 1300 Euro. Damit schlägt der Gesamtpreis für einen Mono-Preamp nicht einfach nur ordentlich „zu Buche“, wie es so oft formuliert wird, sondern macht aus diesem “Buche” ganz einfach mal Konfetti. Kaum jemand hat die finanziellen Mittel für eine solche Investition, und sind wir ehrlich, noch weniger haben die Aussicht, die Kosten für ein derartiges High-End-System jemals wieder einzuspielen. Daher ist die Frage legitim, ob es nicht ein bisschen weniger sein darf und man zumindest den Grundcharakter eines Neve-Pres nicht auch schon deutlich preiswerter bekommen kann. Wem die 1000 Euro für den Neve 1073LB-Preamp (dem schon etwas schwächere Leistung nachgesagt wird) im API-500-Format plus zugehörigem Housing (mindestens 300 Euro) auch noch zu viel sind, der findet unter den vielen Klonen auch den erstaunlich preiswerten Pre-73 von Golden Age Project in der mittlerweile verfügbaren Version 2. Vergleichsweise mickrige Dreihundert muss man für ihn auf den Tisch legen – ein saftiger Unterschied zu den satten Viertausenddreihundert. Nüchtern betrachtet machen sowieso beide nichts Unterschiedliches, da sie ja “nur” Signale verstärken.

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DETAILS

Einige Unpässlichkeiten mancher ursprünglicher Neve-Geräte bleiben einem beim Pre-73 der schwedischen Firma GA Projects erspart. So kann man einfach einen simplen Mono-Preamp kaufen und mit seinen üblichen Kabeln anschließen. Eingangsseitig dürfen es Mikrofon- (selbstverständlich auch phantomgespeiste), Instrumenten- und Line-Signale sein, die durch die Schaltung hochverstärkt werden. Die trafosymmetrischen Inputs für Line und Mikrofon befinden sich rückseitig, was bei Verwendung im Rack natürlich entweder gehörig nerven kann oder die Nutzung einer Patchbay voraussetzt. Das ist aber halb so schlimm, weil glücklicherweise beide gesteckt bleiben und über den frontseitigen, typischen Neve-Regler eingestellt werden. Vorne befindet sich sinnvollerweise der 100 kOhm-Instrumenteneingang, der per “DI”-Switch geschaltet wird und per grüner LED über seinen Schaltstatus Auskunft gibt. Rechts daneben wird die Phantomspeisung aktiviert und die Impedanz für den Mikrofoneingang von 300 auf 1200 Ohm umgeschaltet. Dies hat je nach Mikrofon und Signal einen merklichen Klangunterschied zur Folge und wird glücklicherweise in immer mehr Preamps angeboten. Ganz rechts außen lässt sich das Signal übrigens invertieren.

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Zwei Regler stehen aus dem Gerät hervor. Der Output-Gain rechts verfügt über keine aufgedruckte Werteskalierung. Das “Meter” ist eher ein “Micro-Meter”, denn es arbeitet mit genau vier LEDs für Output-Pegel von -10, 0, +10 dB und “Clip”. Vor dem Gain liegt übrigens noch ein Insert-Send-Return. Das spricht einmal für die Verwendung im Rack, denn dort ist so etwas ungemein praktisch, außerdem kann man ja dort das Hochpassfilter setzen, das ich so schmerzlich vermisse.

Der eigentliche Gain bedarf einer Erklärung, vor allem für Neve-Neulinge. Der 73 arbeitet mit zwei schaltbaren Gainstufen, die jeweils nur drei Transistoren beinhalten. Gain beinhaltet quasi die Auswahl der Inputs Line oder Mic/DI. Wird für Mikrofone ein Anheben um mehr als 50 dB benötigt, tritt eine zweite Gainstufe in Kraft, die mit weiteren fixen 30 dB unterstützt. Dass insgesamt 80 dB Schub gegeben werden kann, ist eine wirklich gute Nachricht, vor allem für Besitzer von Bändchen-Mikrofonen!
Golden Age rühmt sich, keine integrierten Schaltkreise zu verwenden, sondern das gesamte Gerät diskret nach Original-Schaltplänen aufzubauen. Das ist generell eine gute Wahl und ermöglicht zudem eine einfachere Reparatur, sollte einmal etwas defekt sein. Auch erstaunlich in dieser Preisklasse ist die Verwendung einer Class-A-Schaltung. Was dabei nicht ganz ins Bild passen will, ist das externe Netzteil des Pre-73. Der Fairness halber sollte ich aber anfügen, dass es planungsseitig weitaus aufwändiger (und deutlich teurer) wäre, ein solches möglichst ohne hörbare Störungen in ein winziges Gehäuse zu quetschen. Die Auslagerung der AC/DC-Spannungswandlung hält die Schweden aber glücklicherweise nicht davon ab, einen Power-Switch zu integrieren. Zu finden ist das gute Stück samt LED ganz links auf der Frontplatte.

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PRAXIS

Zur Bezeichnung des Golden Age Projects muss ich einfach eine kleine Assoziation loswerden, die ich sofort hatte, als ich das erste Mal von dem Vorgänger, dem Pre-73 Version 1 gehört habe. “Pre-Fuse 73” ist nämlich das A.K.A. von Progressive-Hip-Hopper Guillermo Scott Herren aus Atlanta, seine Platte “Vocal Studies and Uprock Narratives” von 2001 sei hier mal besonders empfohlen. So, das wäre erledigt, weiter zum eigentlichen Test:
Zunächst wäre da die Bedienung, die man getrost als “odd” bezeichnen kann – so ist das bei Neve-Style und so muss es auch sein. Angenehm ist, dass mit Version zwei auch ein Gainregler im standesgemäßen Design Einzug gefunden hat. Neve-Feeling für so wenig Geld bekommt man sonst nirgendwo. Und generell hat man nicht das Gefühl, dass hier zu viel gespart wurde, die Regler schalten satt und auch das Gehäuse passt ins Bild. Der Pre-73 ist wirklich kein “Billo”-Nachbau, allerdings muss man sich mit dem etwas gewöhnungsbedürftigen Design arrangieren. Mit dem winzigen runden Netzstecker der externen PSU kann man nicht sonderlich glücklich sein, doch wer sich wirklich darüber aufregt, kann als Mantra zur Beruhigung schlicht und einfach ein paarmal hintereinander den Preis des Geräts aufsagen – damit sollte das Thema dann im Grunde erledigt sein. 

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Die ersten Versuche habe ich mit meinem eigenen Gesang gemacht, bevor die Sängerin für die Audiofiles das Studio betrat – schließlich will ich das Gerät ja schon kennengelernt haben, bevor ich damit präsentables Material für euch erstelle. Es wird in der ersten Minute klar, dass sich dieser Vorverstärker deutlich über dem positioniert, was in die meisten Audio-Interfaces eingebaut ist. Das ist natürlich keine Überraschung. Ebenfalls eindeutig ist, dass er sich von den meisten Kleinformat-Pres abhebt. Wieso gibt es den 73 eigentlich nicht im API-500-Format? Damit hätte sich ja dann auch die Netzteilproblematik gelöst. Könnte der Preis von 300 Euro gehalten werden, sähe sich der kleine rote Klon kaum Konkurrenz ausgesetzt. Doch was charakterisiert den Vorverstärker des Goldenen Zeitalters eigentlich, und wichtiger, wie nah ist er am Vorbild aus Cool Britannia?
Besonders bei Vocals – dem traditionellen Hauptaufgabengebiet eines 1073ers – ist zu bemerken, dass auch der Pre-73 MKII dem Signal eine angenehme Präsenz verschafft. Diese Deutlichkeit bringt das Signal nach vorne. Gepaart mit der leichten Verdichtung, die er generiert, und der sanften Bildung von Harmonischen, die beide auffallend früh einsetzen, ergibt sich ein Klang, wie man ihn in vielen “U-Musik”-Produktionen haben will und woher man ihn auch kennt. Logisch: Wer Klarheit, Authentizität und Nüchternheit sucht, der liest gerade den falschen Testbericht. Wie beim Original sind die Präsenzen jedoch nicht hart, sondern (ein beherzter Griff in die Kiste klangbeschreibender Adjektive) “schmeichelnd”.

Audio Samples
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Golden Age 73 Solid-State-Amp Tube-Amp

Der Neve-Geist umwabert das Gerät also spürbar. Allerdings fehlen dem Spuk zur Vollendung recht deutlich einige Attribute des Originals: Diese zartschmelzende Seidigkeit, das verhaltene Samtvorhang-Halbmatt-Glimmen oder das edle Finish in den Höhen kann ich nicht ausmachen. Sicher, ich kann es mir hinzudenken, weil es den Neve-Sound in seiner Gesamtheit ausmacht und er von vielen Produktionen bekannt ist, doch wirklich hören kann ich das hier nicht. Die leichte Kolorierung der Höhen im Audiobeispiel ist im Wesentlichen auf das FET-Mikrofon zurückzuführen. Besonders deutlich werden diese Zusammenhänge bei den Becken, denn diese klingen mit dem Pre-73 etwas lebloser und liebloser, als es mit einem echten 1073 oder auch einigen anderen High-Class-Pres möglich wäre. Man sollte aber nicht nur die Kirche, sondern bitte auch Rathaus und Bibliothek im Dorf lassen. Wenn ich euch hier erzählen wollte, dass ein so preiswertes Gerät locker in der absoluten Champions League mitspielen kann, würdet ihr mir als kritische Leser ohnehin nicht glauben. Also: Der GA ist hervorragend, wenn man seine Preisklasse bedenkt.
Mit verschiedenen Großmembran-Kondensern verträgt er sich blendend, besonders wenn in den Höhen ganz leicht belegte und färbende Mikrofone genutzt werden, wie in den Beispielen. Überpräsente Mikros wie ein Equitek E200 mkI waren in Kombination zu viel des Guten. Die enormen Gainreserven übrigens sind nicht nur technisch vorhanden, sondern wirklich auch nutzbar, da das Rauschverhalten des 73 absolut vorbildlich ist. Es ist daher auch davon auszugehen, dass – gerade wegen der Höhen – hochwertige Bändchen à la Royer, Coles oder AEA sehr gut mit ihm harmonieren. Das kann man von Kleinmembranern nicht behaupten. Aber auch original Neve und übliche Kleinmembraner sind für mich wie Öl und Wasser. Guten Tauchspulenmikrofonen tut eine Verstärkung mit dem Golden Age Project allerdings wirklich gut, wenn man die Mitten etwas im Auge behält und bei Bedarf mit einer kleinen EQ-Badewanne versieht. Was sich übrigens lohnt, ist ein wenig Färbung durch Line-Signale zu erhalten oder die Direct Injection zu verwenden. Vor allem Bässe profitieren von dieser Prozedur.

Audio Samples
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Pre-73 Pre-73 hot Pre-73 hot, low-z

Richtige Biester sind Neves auch dann nicht, wenn man sie komplett von der Leine lässt. Natürlich fängt auch der Pre-73 ordentlich an zu zerren, wenn man ihn heiß genug fährt, doch braucht es einen enormen Pegel, um fieses Kratzen zu produzieren. Ab einem gewissen Grad kippt er allerdings etwas zu sehr in die Höhen und verliert dabei an Fundament. Wirklich spitzenmäßig ist übrigens die Schaltbarkeit der Impedanz. Das ist ein echter Gewinn!

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Technische Spezifikationen
  • Mono-Mikrofonvorverstärker im Neve-1073-Design ohne ICs
  • Phantomspeisung: +48 Volt
  • Phaseninvertierung
  • zwei serielle Gainstufen
  • Mikrofon-, Line- und Instrumenteneingang
  • Mikrofoneingang zwischen 300 und 1200 Ohm Impedanz schaltbar
  • maximales Gain: 80 dB
  • vierteilige Pegelanzeige
  • XLR- und TRS-Ausgang
  • Insertpunkt
  • externes 24V-Netzteil
  • Preis: EUR 299,- (UVP)
Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • Preis-Leistungsverhältnis
  • Impedanzschaltung
  • Insert-Punkt
  • Enorme Gainreserven
  • Diskreter Aufbau
  • Ähnlichkeit des Grundcharakters zum Original
Contra
  • externes Netzteil
  • kein Highpassfilter
  • Authentizität besonders der Höhen
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Golden Age Project Pre-73 MKII Test
Für 329,00€ bei
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Florian Anwander sagt:

#1 - 16.11.2011 um 21:55 Uhr

0

Hallo,Danke für den Bericht. Das ist sicher nicht der Preamp den man sich als einziges Stück anschaffen sollte, aber wenn man mehrere Geräte zur Auswahl haben will, dann ist diese Kiste sicher interessant.Zum Theme externes Netzteil: externe Netzteile werden von Zulieferern eingekauft, die für diese Netzteile die sündteure EMV-Prüfung gemacht haben. Würde ein Kleinhersteller wie GA das Netzteil in sein Gerät einbauen, dann müsste er die gleiche technischen Prüfungen finanzieren und sie auf den Preis der entsprechend kleine Auflage umlegen. Ich nehme an, das Ding würde dann gleich mal 200 Euro mehr kosten.
Die Steckernetzteile hingegen werden in Millionenstückzahlen produziert; da fällt der Anteil der EMV-Prüfungskosten am Stückpreis kaum auf.Gruss, Florian Anwander

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pimpifax sagt:

#2 - 28.12.2011 um 21:12 Uhr

0

Beim Vergleich mit dem Solidstate und dem Tube ist letzterer leider im Pegel unverhältnismäßig lauter, als die ersten beiden. Ansonsten fällt mir ebenso bei jenem eindeutig eine überbetonung der Zischlaute auf.

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pimpifax sagt:

#3 - 28.12.2011 um 21:13 Uhr

0

...und selbstverständlich vielen Dank für den ausfürlichen, aufschlussreichen Testbericht. ;-)

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