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Gibson LP Studio 70‘s Tribute Gold Top Test

Die Gibson LP Studio 70‘s Tribute Gold Tophatte sich zum bonedo-Test angemeldet und würde wohl in den nächsten Tagen eintreffen, und so ganz unvorbereitet sollte sie mich natürlich nicht vorfinden. Deshalb war ein Besuch der Gibson Website Pflicht, wo mir meine Testkandidatin in spe mit dem Slogan “The return of the mini humbucking Les Paul“ angepriesen wurde. Und was ich dort sah, lehnte sich tatsächlich stark an die Modelle der Siebziger an, wobei die Pickups meine Aufmerksamkeit besonders auf sich zogen. Klein sind sie und ohne Polschrauben, und mit ihren glatten verchromten Flächen lassen sie mich unweigerlich an einen Mafioso mit Spiegelsonnenbrille denken.

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Als einige Tage später der Postbote klingelt und mir das Paket mit der Gold Top in die Hand drückt, bin ich zumindest in einer Hinsicht im wahrsten Sinne des Wortes erleichtert, bevor ich die Gitarre überhaupt ausgepackt habe: Sie gehört auf keinen Fall in die Kategorie Gewichtsmonster, eine Eigenschaft vieler Gitarren der Siebziger, die nicht wenige Gitarristenbandscheiben auf dem Gewissen haben.

Details

Ob man die Schlankheitskur als Glück bezeichnen kann, ist unter Gitarristen nach wie vor umstritten. Sind die einen davon überzeugt, dass nur ein Massivholzkorpus den wahren, dicken Les Paul Sound garantiert, freut sich die zweite Fraktion, dass auch einem Gig mit ausufernden Zugaben nicht zwangsläufig eine Physiotherapie folgen muss. Bei unserer 70s Tribute Gold Top besteht der Korpus standesgemäß aus Mahagoni, ist allerdings nach dem „Traditional Weight Relief“ bearbeitet, einem Verfahren, bei dem neun runde Aussparungen hinter und oberhalb der Brücke in den Korpus gefräst werden. Diese Form der Gitarren-Fettabsaugung lässt im Vergleich zu den anderen beiden Verfahren Chambered oder Modern Weight Relief noch das meiste Holz übrig. Daher legt das Goldstück auch nach dem Abspecken noch satte vier Kilo auf die Waage.

Die Ahorndecke ist, wie der Name bei einer Gold Top Les Paul vermuten lässt, gold lackiert, Zarge und Rückseite dunkelbraun – im Gegensatz zu einer Standard Gold Top, deren Rückseite heller ist. Die weitere Bestückung ist traditionell Les Paul, es gibt vier Regler an gewohnter Position mit Gold Top Hats im Vintage Stil. Die Saiten werden im Stop Tailpiece eingehängt und laufen dann über die Tune-o-Matic Bridge, die an beiden Seiten per Rändelschraube in der Höhe verstellbar ist. Auch der Pickup-Schalter und das Schlagbrett, beides cremefarben, sind an der gewohnten Stelle zu finden.

Am Hals geht es etwas kerniger zur Sache als bei den neueren Les Pauls, die mit dem schlanken Slim Taper Profil ausgestattet sind. Die Rundungen unseres Testmodells werden vom Hersteller als „Unique 70s Thin-To-Thick“ bezeichnet, und das trifft genau den Punkt. Der Hals nimmt im Verlauf vom Sattel bis zum 12. Bund an Stärke zu, liegt aber ausgezeichnet in der Hand. Die Rückseite ist, wie der Body, in Dunkelbraun lackiert, und fühlt sich sehr griffig an, bremst aber nicht, auch nicht bei schnellen Lagenwechseln. Nicht neu ist auch, dass der Hals mit dem Body verleimt ist.

Etwas außergewöhnlicher ist eher die Tatsache, dass er aus Ahorn besteht und nicht aus dem üblichen Mahagoni. Und das aufgeleimte Griffbrett sieht zwar aus wie Palisander, besteht aber ebenfalls aus Ahorn. Genau genommen handelt es sich dabei um sogenanntes Baked Maple, eine Spezialität, die uns zum Beispiel schon im Test der SG 61 Reissue begegnet ist. Dabei wird das Holz unter Hitzeeinwirkung verdichtet und es wird ihm Feuchtigkeit entzogen. Resultat ist ein sehr widerstandsfähiges und robustes Material, das recht unempfindlich gegenüber äußeren Einflüssen ist und zudem auch abdunkelt und Palisander sehr ähnlich wird. Das Verfahren ist nicht neu und kommt auch bei anderen Instrumentenherstellern zur Anwendung. Vor allem unter dem Eindruck von schwindenden Tropenhölzern muss man solche Werkstoffe als ernstzunehmende Alternativen sehen. Das Griffbrett ist mit 22 Medium Bünden bestückt, allesamt mit einem Plek-System abgerichtet. Sie sind gut poliert und auch an der werkseitigen Einstellung der Saitenlage gibt es nichts zu meckern. Alles ist vorbildlich, was bei einem solchen Preis nicht immer der Fall ist. Zur Orientierung befinden sich auf dem Griffbrett die üblichen Trapez-Inlays und Punkte an der Halskante. Die Saiten laufen über einen Kunststoffsattel zu den Stimm-Mechaniken, bei denen es sich um Tone Pros Vintage Style Tuner mit einer Übertragung von 16:1 handelt, die ihre Arbeit gleichmäßig und ohne Stocken oder tote Punkte verrichten. Passend zum etwas dickeren Hals durfte es auch bei der Kopfplatte etwas mehr sein, gerade so, wie es eben in den Siebzigern üblich war. Auch bei Fender hatte man es damals gerne etwas üppiger. Ansonsten ist bei unserer Kandidatin alles im üblichen Gibson-Design, oben der Schriftzug, in der Mitte die Modellbezeichnung und unten die Abdeckplatte für den Halsstellstab.

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Praxis

Bei einer Gold Top von Gibson USA, die im Handel für weniger als 800 Euro zu haben ist, sind naturgemäß ein paar Abstriche fällig. So wird die goldene Paula lediglich mit einem Gigbag ausgeliefert, der übliche Formkoffer gehört nicht dazu. Natürlich ziehen es einige von uns ohnehin vor, das Instrument über die Schulter hängen zu können. Für den ruppigeren Einsatz im Bandbus wäre der stabile Koffer natürlich die sicherere Variante.
Wichtig: In den Hörbeispielen werden die Tonabnehmer-Kombinationen mit Zahlen wie folgt angegeben.
1 Steg-Tonabnehmer
2 Beide Pickups
3 Hals-Tonabnehmer 
Wie üblich werden wir uns zu Beginn des Praxisteils die unterschiedlichen Pickup-Kombinationen bei unverzerrtem Sound anhören. Die Mini-Humbucker haben ein etwas schwächeres Ausgangssignal als ein normaler Humbucker-Pickup, aber das ist kein Drama, denn mit etwas mehr Gain am Amp klappt es auch hier problemlos mit dem Verzerren. Aber dazu kommen wir später, hier erst einmal die drei Cleansounds.

Audio Samples
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Clean 1 Clean 2 Clean 3

Der Halstonabnehmer hat ein sehr starkes Bassfundament, während der Steg-Pickup genau das Gegenteil darstellt. Die mittlere Position mit beiden Tonabnehmern bringt für mein Empfinden tatsächlich die goldene Mitte, er ist zwar etwas schwächer im Bassbereich als der Hals-Pickup allein, liefert aber insgesamt ein sehr ausgewogenes Frequenzbild. Der warme Ton des Halspickups passt sehr gut zu Jazz- und Blues-Sounds, bei Akkorden erhält man einen fülligen Klang, der aber immer noch genügend Höhen bietet, um sich bei Solo-Sounds durchzusetzen. Außerdem ist die Klangübertragung sehr gut, Anschlagsvarianten und Dynamik werden optimal an den Verstärker weitergeleitet. So klingt es im Blues Duo.

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Clean Blues 3

Die mittlere Position mit beiden Pickups präsentiert sich mit einer entsprechenden Einstellung am Amp (die Bässe leicht zurückgenommen) sehr knackig und lädt zu groovigen Rhythmus-Passagen ein. Die 70s Tribute Gold Top ist zwar nicht zu vergleichen mit einer schlanken Tele mit spritzigem Attack – unser Testmodell ist in dieser Disziplin etwas träger und weniger perkussiv. Aber eigentlich klingt sie genau so, wie wir das von einer Les Paul erwarten, mit mehr Sustain und fettem Ton. Hier die Gitarre bei der Rhythmusarbeit über einen AC30.

Audio Samples
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Clean Rhythm 2

Der Bridge-Pickup kommt bei Verzerrung so richtig in Fahrt. In dieser Disziplin zeigt sich der etwas schwache Bassbereich eigentlich sehr hilfreich, denn das Instrument kommt recht schlank und sehr durchsetzungsstark aus dem Lautsprecher. Im folgenden Beispiel hört ihr den Steg-Tonabnehmer mit einem leicht angezerrten AC30.

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Crunch 1

Auch bei Mid-Gain Sounds macht die Gitarre eine gute Figur, aber so ganz hundertprozentig können mich die Pickups bei dieser Variante nicht überzeugen. Im Vergleich zu diversen Les Pauls mit „großen“ Humbuckern fehlt mir bei der 70s Tribute etwas die Wärme in den unteren Mitten, ihr Klang wirkt ein wenig pappig.

Audio Samples
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Mid Gain 1

Dieser Ton lässt sich durch das Drehen am Ton-Poti beeinflussen, bei komplett zugedrehtem Regler wird er leicht quakig und erinnert ein wenig an ein Wah-Pedal in fest eingestellter Position. Wer auf den weinerlichen Clapton-Woman-Tone steht, der wird hier weniger fündig, wer aber Santana als Vorbild hat, kommt seinem Klangideal etwas näher. Ihr hört im folgenden Beispiel den Steg-Pickup, zuerst mit voll aufgedrehtem, dann mit komplett zurückgenommenem Tone-Poti.

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Tone 1

Wo wir gerade bei den Potis sind, wollen wir uns einmal dem Aktionsradius des Lautstärkereglers widmen. Während als Klangregler ein nicht-lineares Poti dient, bei dem die Höhenabsenkung ab 2 kHz am Anfang des Regelweges nicht so stark ist und erst ab der Mitte zunimmt, arbeitet der Lautstärkeregler linear. Hier geht es also gleichmäßig von laut nach still oder umgekehrt. Um zum Beispiel den Mid Gain Sound der vorangegangenen Beispiele (Marshall Plexi) zu zähmen, muss man den Volume-Regler relativ weit zurücknehmen. Bei einer Einstellung von 3 klingt es dann annähernd clean. Genau das gibt es im nächsten Beispiel zu hören, der Volume-Regler steht zuerst auf 3, dann geht es unter dem Motto Volldampf voraus bis auf 10.

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Dyna Poti 1

Auch bei diesen Sounds gefällt mir die Übertragung der Tonabnehmer sehr gut, sie bieten eine transparente Wiedergabe, keine Aktion an den Saiten geht verloren, alles wird an den Amp übertragen. Auch im Zerrbereich machen die Pickups in der dynamischen Abstufung eine gute Figur. So lässt sich der Mid Gain Sound auch per Anschlag fast in den Cleanbereich fahren, wie beim nächsten Beispiel zu hören ist. Die drei Durchgänge des Riffs werden nacheinander zuerst leicht mit den Fingern, dann etwas härter und zum Schluss hart mit dem Pick gespielt. Die unterschiedlichen Facetten des erzeugten Gitarrentons werden optimal umgesetzt.

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Dyna Pick 1

Zum Abschluss geht es noch einmal durch alle drei Pickup-Kombinationen, diesmal mit einem High-Gain Sound aus dem Highes & Kettner Duotone. Dabei fällt der stark ausgeprägte Bassbereich des Hals-Pickups nicht so dramatisch auf wie bei den Cleansounds. Die Gitarre liefert in dieser Disziplin einen körnigen Sound, andere Les Pauls sind da etwas wärmer. Aber es ist wie immer Geschmacksache, welche Klangcharakteristik man bevorzugt.

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High Gain 2
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Fazit

Die neue Les Paul Studio 70’s Tribute beweist sich mit ihren Mini-Humbuckern als ein solides Instrument, sie ist gut verarbeitet und auch der typische Siebziger-Jahre-Hals, der zum 12. Bund hin etwas stärker wird, liegt gut in der Hand und ermöglicht komfortables Spielen. Die Pickups übertragen sehr detailliert und alle Dynamikstufen und Anschlagsvarianten werden präzise an den Amp weitergeleitet. Wer viele Sounds direkt aus dem Instrument heraus und mit den Fingern erarbeitet, wird mit dieser Gitarre seinen Spaß haben. Im Vergleich zu einer Les Paul mit Standard Humbuckern hat die 70s Tribute eine etwas geringere Ausgangsleistung, die Tonabnehmer erzeugen einen eher körnigen Sound im verzerrten Bereich und beim Steg-Pickup sind die typischen tiefen, warmen Mitten nicht so stark ausgeprägt. Aber das ändert nichts an ihrer Qualität, ich persönlich würde diese Gitarre auf jeden Fall dort vorziehen, wo es etwas aggressiver zur Sache gehen darf.  

Unser Fazit:
4 / 5
Pro
  • Verarbeitung
  • Bespielbarkeit
  • werkseitige Voreinstellung
  • Mid- und High-Gain-Sounds
Contra
  • starker Bassbereich beim Hals-Pickup (Clean-Sounds)
Artikelbild
Gibson LP Studio 70‘s Tribute Gold Top Test
Für 649,00€ bei
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Technische Daten:
  • Hersteller: Gibson
  • Model: Les Paul Studio 70‘s Tribute
  • Finish: Gold Top
  • Korpus: Mahagoni mit Ahorndecke
  • Hals: Ahorn
  • Profil: Unique 70s, Thin to thick
  • Griffbrett: Ahorn (Baked Maple)
  • Halsbr.Sattel: 43 mm
  • Halsbr. 12.Bd.: 53 mm
  • Mensur: 628 mm
  • Bünde: 22 Medium Frets
  • Mechaniken: Tone Pros Vintage Style
  • Pickups: 2x Dual Blade Alnico Mini Humbucker (Alnico II)
  • Regler: 2x Volume, 2x Tone
  • Brücke: Tune-o-Matic mit Stop Tailpiece
  • Preis: € 799,- (UVP)
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