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DPA d:facto II Test

Nun ist also das DPA d:facto II zum Mikrofontest bei mir gelandet. Habe ich ein Deja-Vu? Schließlich habe ich doch gerade erst vor wenigen Monaten das d:facto Vocal getestet. Damals war es brandneu auf dem Markt und im Test konnte ich nichts ausmachen, was nach der zeitigen Einführung eines Nachfolgers geschrieen hätte.

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Wer wollte, konnte schon beim Vorgänger die Kapsel abschrauben und auf einen Wisycom-Transmitter setzen –und hatte somit ein Wireless-System in DPA-Qualität. Das d:facto II geht nicht nur einen, sondern direkt zwei Schritte weiter:

Details

Modularität galore!

Der Mikrofonhersteller DPA, der sich im Wesentlichen aus dem dänischen Testsystemhersteller Brüel & Kjær entwickelt hat, vertrat lange die Philosophie, dass eine Kapsel einen speziell darauf abgestimmten Mikrofonverstärker benötigt, weshalb man, anders als etwa der deutsche High-End-Hersteller Schoeps, viele komplette Mikrofone anbot. Ob man sich nun der eigenen Wurzeln besonnen hat (mein antikes B&K-Röhrenmikrofon hat eine diffusfeld- und eine direktfeldentzerrte Wechselkapsel) oder schlicht dem Ruf des Marktes gefolgt ist, ist unerheblich: DPA bieten seit wenigen Jahren nun auch ein vollmodulares Kleinmembran-Kondensatormikrofon-System an, welches kürzlich auf den Namen d:dicate getauft wurde. Diese Modularität ist mit dem d:facto II nun auch für Bühnen-Gesangsmikrofone verfügbar, denn das Adaptersystem ist mit dem d:dicate identisch. Somit stehen dem Mikrofon die Kapseln des Systems zur Verfügung. Neben der mitgelieferten Supernierenkapsel DPA MMC4018V („V“ steht hier sehr sicher für „Vocal“) können etwa auch eine Breite Niere (MMC4015) oder Niere (MMC4011) zum Einsatz kommen. Zwar passen sie nicht mehr unter das abschraubbare Gittergehäuse mit mehrlagigem Poppschutz, doch sind auch die langen Kapseln MMC2011 (Doppelmembran-Niere!) und das Richtrohr 4017 nutzbar. Wer mag, kann auch eine der beiden Kugeln installieren. Das ist zwar nicht besonders ratsam im Live-Betrieb, doch Mikrofonverstärker ist Mikrofonverstärker: Diese Kombination kann man natürlich auch im Studiobetrieb nutzen – wenn man sich nicht an der ungewöhnlichen Optik stört (die mich entfernt an die mit MG-Kapseln ausgestatteten Josephson C617 erinnert).

Fotostrecke: 7 Bilder Schraubt man den Korb des DPA ab, kommt zum Vorschein, dass im d:facto II eine Kleinmembrankapsel zum Einsatz kommt.

Kondensatorkapsel

Bestandteil eines d:facto II ist – ob nun als Handheld-Variante mit „Schnur“ oder mit Wireless-Adapter – die speziell für Stimmen optimierte MMC4018V-Kleinmembrankapsel. Deren Polar Pattern ist stark richtend, genaugenommen ist es eine Superniere. Wie bei DPA üblich, handelt es sich um eine Elektret-Kapsel, die Phantomspeisung muss also nicht auch für die Kapselvorspannung herhalten. DPA-Mikrofone sind zwar generell für ihre Ausgewogenheit bekannt, doch das „V“ in der Bezeichnung ist bei vielen Herstellern offenbar ein Persilschein für etwas „gebogene“ (seien wir fair: „optimierte“) Frequenzgänge. Bei dem vorliegenden Review-Item äußert sich das besonders in einem deutlich supporteten Höhenband. Das Zentrum dieses 3dB-Boosts liegt bei etwa 12 kHz. Bis hinunter zu etwa 100 Hz – also dem Grundtonbereich der Stimme – ist die Übertragungskurve nahezu eben. Darunter ist es das feste 18dB/oct-Hochpassfilter, welches bei einer f0 von 80 Hz die Tiefenwiedergabe einschränkt. Bei einem Bühnenmikrofon geht das absolut in Ordnung, hier überwiegt der Nutzen der geringeren Nebengeräusche der möglicherweise leicht „satteren“ Klangnuance. Außerdem darf man nicht vergessen, dass bei Nahbesprechung einer Druckgradientenkapsel die Bässe verstärkt werden – vor allem, wenn die Charakteristik nahe an der Acht liegt. Als mechanischer- und Poppschutz dient der Kopf mit seinem festen Maschengitter, unter welchem sich ein Schaumstoff und eine feine Metallgaze befinden.

Fotostrecke: 5 Bilder Nicht linear: die Vocal-Kapsel

Schalldruckwunder?

Recht gering für ein Kondensatormikrofon ist die Empfindlichkeit. Magere 5 mV/Pa sind es, doch dafür ist es erstaunlich übersteuerungsfest: Mit 160 dB SPL max. scheint man auf der mehr als sicheren Seite zu sein. Das Erstaunen hält sich jedoch in Grenzen, wenn man liest, dass bei 139 dB SPL aber bereits 1% THD erreicht sind. 160 dB SPL scheinen in diesem Zusammenhang eher die Grenze zu sein, an der sich die Molekularverbindungen des d:facto auflösen und es in seine atomaren Bestandteile zerfällt. Aber ich will nicht gemein sein: 139 dB SPL mit einem Prozent Verzerrungsprodukte geht absolut in Ordnung. Für die 19 dB(A) Noise Level gilt das genauso. 100 Ohm Ausgangsimpedanz unterbieten die Anforderungen eigentlich aller Mikrofonvorverstärker, die Kabelvariante des d:facto II erlaubt Leitungslängen von 100 Metern, ohne dass man Klangeinbußen hinnehmen müsste.

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Praxis

Obwohl 309 Gramm schwerer als sein Vorgänger, ist auch die aktuelle Ausgabe des d:facto schön leicht und liegt hervorragend in der Hand. Genau wie bei allen anderen DPA-Produkten, die ich im Laufe der Jahre in die Finger bekommen habe, ist die Fertigungsqualität auch hier über jeden Zweifel erhaben. Die Formgebung des d:facto II ist durch den geschwungenen Handgriff, den leicht länglichen Korb und das zurückhaltende Mattschwarz vornehm, elegant und beinahe schon etwas elitär. Das sieht in der Hand von hauchigen Jazz-Sängerinnen sicherlich spitze aus, in der tätowierten Pranke eines Rock`n`Roll-Schwergewichts hingegen bestimmt deplatziert. Optik und Technik gehen Hand in Hand: Die feine Detailzeichnung, die man von Bühnen-Kondensatormikrofonen im Allgemeinen und DPA im Besonderen erwartet – muss man auch beim Nachfolger des d:facto Vocal nicht missen. Es ist schon irre, wie das d:facto II kleine Nuancen, stimmliche Texturen, die Komplexität von Atmern nicht nur bis zum Mikrofonvorverstärker, sondern auch über eine PA bis zu den Ohren der Zuhörer transportiert (eine entsprechend hochwertige Kette einmal vorausgesetzt).

Heißt das denn jetzt, dass das DPA d:facto II ein feingeistiges, zerbrechlich klingendes Mikrofon ist, das nur zarte ätherische Alabasterstimmchen wandeln sollte? Nein! Bei aller Transparenz (die besonders bei den kurzen Konsonanten auffällt) produziert es dennoch einen enormen Druck, der dabei hilft, die Stimme auch gegen eine instrumentale Übermacht bestehen lassen zu können.

Audio Samples
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Vocals 10 cm Vocals 1 cm Vocals 30 cm

Gerade im Live-Einsatz kann es ja schnell einmal vorkommen, dass man etwas kräftiger am EQ drehen muss, um ein optimales Ergebnis zu erzielen. Dank seiner Ausgewogenheit bleibt dies beim DPA aber grundsätzlich im Rahmen. Und sollten doch einmal große Hübe notwendig werden, kann ich versichern, dass das Signal des d:facto genug „Fleisch“ hat, um dies bei weiterhin guter Qualität zu ermöglichen.

Sehr transparant – und erstaunlich gut gegen Popplaute geschützt!
Sehr transparant – und erstaunlich gut gegen Popplaute geschützt!

Neben Transparenz wird vielen DPA-Schallwandlern eine gewisse „Drahtigkeit zugeschrieben. Das d:facto II macht hier keine Ausnahme. Stimmen klingen knackig und dabei vielleicht eher eine winzige Spur zu sehnig und clean, als “zu warm”. Die dadurch naheliegende Gefahr, dass das Signal überpräsent, scharf, spitz und hart klingt, besteht beim DPA-Mikrofon aber zu keinem Zeitpunkt : Die Dänen können es einfach! Große Anerkennung verdienen die dänischen Ingenieure auch für ihre Grid-Konstruktion: Das Zusammenspiel der verschiedenen Materialien vor der Kapsel bewirkt eine sehr gute Popplaut-Unterdrückung!

Audio Samples
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Vocals ohne Korb
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Fazit

DPA hat mit dem d:facto II einen würdigen Nachfolger für das Debut geliefert. Doch nicht nur die nun enorme Modularität ist ein klares Argument für die dänische Schönheit, auch der Sound ist es: Klar, transparent, mit Druck und Durchsetzungsvermögen. Nun ist d:facto II natürlich nicht außergewöhnlich preiswert (das würde bei einem Produkt des Edelherstellers auch verwundern). Wer aber auf der Suche nach den genannten Klangeigenschaften und einer ausgesprochen hohen Fertigungsqualität ist, dem bleibt kaum eine andere Wahl – und der wird den Kauf ganz bestimmt nicht bereuen! Außerdem ist das DPA-System sogar preiswerter als die Produkte viele Mitbewerber, wenn man eine Wired- und eine Wireless-Variante benötigt.

Edle Möglichkeit, Gesang auf der Bühne zu den Ohren der Zuhörer zu bringen: DPA d:facto II
Edle Möglichkeit, Gesang auf der Bühne zu den Ohren der Zuhörer zu bringen: DPA d:facto II
Spezifikationen
  • Empfängerprinzip: Druckgradientenempfänger (mit Laufzeitglied)
  • Richtcharakteristik: Superniere (Kapsel tauschbar)
  • Wandlerprinzip: Kondensator
  • Betriebsspannung: 48V Phantomspeisung
  • Frequenzgang: 20 Hz – 20 kHz
  • Übertragungsfaktor: 5 mV/PA
  • maximaler Schalldruckpegel: 160 dB SPL
  • Ausgang: XLR male
  • Dreifacher Pop-Filter
  • verschiedene Wireless-Adapter erhältlich
  • Preis: Euro 916,30 (UVP)
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Kommentieren
Profilbild von Martin Hofmann

Martin Hofmann sagt:

#1 - 02.12.2013 um 17:12 Uhr

0

Kürzlich konnte ich das D.Facto II mit einem Sennheiser e965 und einem Neumann KMS105 vergleichen. Das Ergebnis war eine deutlich bessere Verständlichkeit, mehr Transparenz und sehr gutes Feedbackverhalten. Man konnte das Mikro extrem laut einstellen, ohne dass es zum Rückkoppeln neigte. Für professionelle Anwender dürfte sich die Ausgabe lohnen

Profilbild von Torsten Nicolai

Torsten Nicolai sagt:

#2 - 09.10.2020 um 13:41 Uhr

0

Nun habe ich das Mikro schon einige Jahre im Einsatz.
Man sollte schon ein versierter Sänger sein um zu verstehen, daß man keine Tieftonanhebung für eine menschliche Stimme benötigt, so wie es bei Sennheiser- Produkten oft der Fall ist. Tononkels werden das schätzen und lieben.
Das D. Facto ist frequenzcharakteristisch fast linear. Für Leute, die ihre eigene Stimme- wie sie akustisch klingt- auf den Lautsprecher bringen möchten, ist es die wohl beste Variante, wenn man nicht auf ein Kondensator verzichten will.
Nach einer entspannten Kompression und und einem EQ, der kaum zum Entzerren als mehr zum Verfeinern dient, erreicht man ein hohes Maaß an Sprachverständlichkeit.
Wenn man das Subbass- Signal viva aux ausspielt, sind auf den Tops keine "Ploppgäusche" zu hören. Bei der kompletten PA genügt wirklich ein Low- cut- Filter.
Die Nebengeräusch von klappernden Drumsets und brüllenden Git- Amps halten ich für ein Kondenser außerordentlich in Grenzen, trotzdem die Charakteristik einen weichen Übergang von Nah- zur distanzierten Besprechung vorweist.
Alles in Allem- ein gelungenes Werk für einen duften Preis.

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