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ART Pro VLA II Test

Was kann der ART Pro VLA II leisten? Immerhin macht ein voll ausgestatteter 19“-Optokompressor zu diesem Preis ausgesprochen neugierig. Und wenn Erfolg an den Stückzahlen gemessen wird, dann ist das allein schon ein Indikator für die Qualitäten dieses Kompressors.

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Bei einem Straßenpreis unter der 400-Euro-Marke gönnt sich der Kompressor des amerikanischen Herstellers ART (kurz für: Applied Research and Technology) ein erstaunliches Erscheinungsbild. Zumindest auf den ersten Blick versprüht das 19“-Gehäuse mit den zwei Höheneinheiten durchaus Highend-Charme. Die dicke, massive Aluminium-Frontplatte, die großen VU-Meter, die üppige Ausstattung – all das sieht zunächst einmal nicht nach einem Kaufpreis aus, für den man in der Highend-Liga gerade mal das Gehäuse ohne Inhalt bekäme. Auf den zweiten Blick sieht man zwar schon, dass hier nicht übermäßig viel Budget für die optische Detailgestaltung vorhanden war, aber das kann einem als preiswussten Anwender nur recht sein: Je mehr Ressourcen in die klanglichen Qualitäten eines Audioprozessors fließen, desto besser! Schließlich ist der Hauptzweck eines solchen Gerätes seine klangliche Leistung, der Look kommt erst danach. Aber nicht dass wir uns missverstehen: Seriös sieht der Pro VLA II durchaus aus, es handelt sich hier definitiv rein optisch bereits um ein sehr ernstzunehmendes Studio-Tool!
Der Hersteller aus dem Staat New York arbeitet eng mit der Designabteilung seiner kanadischen Mutterfirma, Yorkville Sound zusammen, die nicht weit enfernt auf der anderen Seite des Lake Ontario beheimatet ist. Es dürfte sich aber von selbst verstehen, dass – trotz des nordamerikanischen Designs – die Fertigung in Fernost erfolgt; anders ließe sich ein derart aufgebauter Prozessor nicht zu diesem Kaufpreis realisieren.

Details

Gain bis +20 dB, Ratio mindestens 2:1

Der Pro VLA II ist zweikanalig aufgebaut, kann also als zwei unabhängige Mono-Einheiten ebenso betrieben werden wie im Link-Modus, bei dem die Pegelreduktion beider Kanäle verkoppelt wird. Mit Bedienelementen wurde das Gerät großzügig ausgestattet, es sind alle Parameter vorhanden, die man heute standardmäßig bei einem zeitgemäßen Dynamiktool erwarten würde: Threshold, Output Level, Ratio, Attack und Release. Alle Parameter werden mit gerasterten Potis justiert, welche sich angenehm schwergängig anfühlen – das erhöht die „gefühlte Wertigkeit“ des Prozessors schon mal und ist nicht ganz unerheblich, denn wir wollen uns ja auch wohlfühlen bei der Arbeit.Praktisch allen Parametern ist zudem gemein, dass die Regelbereiche sehr weit abgestimmt wurden. Das erhöht zwar die Sorgfalt, mit der man beim Einstellen vorgehen muss, aber auf der anderen Seite eben auch die Flexibilität und Vielseitigkeit des Prozessors. Der Threshold lässt sich zwischen -30 und +20 dB einstellen, dazu bietet der Pro VLA II bis zu 20 dB Aufholverstärkung – das sollte also auch ausreichen für heftigere Einsätze. Das Attackpoti bietet Werte zwischen 0,25 und 50 Millisekunden, bei der Release sind Zeiten zwischen 0,15 und 3 Sekunden möglich. Beide Bereiche sind also in der Tat sehr weit abgestimmt: Diese Attackwerte erlauben gleichermaßen zuverlässiges „Halten“ von Transienten wie auch ordentlichen Punch bei längeren Zeiten. Analog dazu erlauben die Releasewerte einerseits heftig schnaufende Effektkompression auf Drums, andererseits aber auch sanfteres Leveling. Mit Werten zwischen 2:1 und 20:1 kann die Kompressionsrate zwischen sanfterer Kompression und brutalem Peaklimiting variiert werden. Einzig ganz sanfte Raten von 1,5:1 oder gar 1,2:1, wie sie gerne beim Mastering verwendet werden, bietet der Pro VLA II nicht.

Fotostrecke: 3 Bilder Ausstattungsseitig (fast) alles, was das Herz begehrt: ART Pro VLA II

Besser als VU oder LED-Kette: beides!

Und damit sind alle klanggestaltenden Parameter bereits beschrieben. Sidechain-Filter oder Wet/Dry-Mischpotis kann der ART-Prozessor nicht ins Feld führen, was aber angesichts des Kaufpreises zumindest mit einem verständnisvollen Nicken quittiert werden sollte. Dafür gibt es zwei andere Bereiche, in denen der Pro VLA II mit geradezu üppiger Ausstattung glänzen kann, von der sich auch deutlich teurere Geräte ein Scheibchen abschneiden könnten: Metering und Anschlüsse. Die beiden schönen, großen VU-Meter können sowohl den Ein- als auch den Ausgangspegel anzeigen. Dazu gibt es für den Ausgangspegel noch eine zusätzliche LED-Kette mit immerhin acht Segmenten. Da VU-Meter prinzipbedingt zu träge sind, um zuverlässig Peak-Pegel anzeigen zu können, dient dies der Übersteuerungssicherheit. Peaks hat man einfach auf den schnellen LEDs zuverlässiger und besser im Blick, laut Definition geht es beim VU-Standard eher um Lautheit, die sich am menschlichen Hörempfinden orientiert. Die Pegelreduktion schließlich wird über zwei weitere LED-Ketten mit jeweils zehn Segmenten angezeigt. Das bedeutet, man ist über den Betriebszustand des Pro VLA II rein visuell bestens informiert, man kann sich Input, Output und Pegelreduktion auch gleichzeitig anzeigen lassen. Das macht optisch auch einigen Alarm – beziehungsweise ordentlich was her.
Bypass-Buttons sollten als Selbstverständlichkeit gelten, der Link-Modus verbirgt jedoch eine kleine Besonderheit. Hier wird das Output-Level-Poti des linken Kanals zum Master, während man mit demjenigen des rechten Kanals die Balance beider Kanäle feintunen kann.

Verbindungssachen

Anschlüsse bietet der Prozessor reichlich: Alle Inputs und Outputs sind gleich doppelt vorhanden, nämlich mit symmetrischen XLR- und Klinkenbuchsen. Dazu kann der I/O-Referenzpegel zwischen -10 und +4 dB umgeschaltet werden, also zwischen semi- und professionellem Niveau. Das macht bei einem Gerät dieser Preisklasse Sinn, denn es wird wahrscheinlich in Setups betrieben werden, in dem beide Pegelniveaus eine Rolle spielen können.

Fotostrecke: 5 Bilder Üppiges Anschlussfeld: Der Kompressor verfügt über XLR- und Klinkenbuchsen für alle Audioverbindungen und kann mit -10 oder +4 dB Referenzpegel betrieben werden

Innereien

Das Innenleben macht einen nicht ganz so aufgeräumten Eindruck wie bei mancher handgefertigter Konkurrenz aus dem Hochpreis-Segment, aber das wird man diesem Gerät nicht ernsthaft vorwerfen wollen, zumal einfach viel Technik drinsteckt. Zudem ist das Innenleben des Pro VLA II keineswegs „billig“. Ein Ringkerntrafo im Netzteil gehört ebenso zur Ausstattung wie eine Audioschaltung, die größtenteils auf NE5532-OpAmps basiert. Diese ICs sind nichts übertrieben Feines, aber durchaus solide Qualität, die man durchaus auch in Geräten höherer Preisklassen findet – solider Industriestandard eben. Das wohl wichtigste Bauteil eines jeden Kanals ist der Optokoppler, der das Herzstück des Regelelementes ausmacht. Es handelt sich hier um einen Klassiker, und zwar um eine Vactrol-Zelle des Herstellers PerkinElmer, die auf einer LED und einem fotoelektrischen Widerstand basiert. Dieses Bauteil ist auch für die Softknee-Kompression des Pro VLA II verantwortlich, also für eine Eigenschaft, die ein besonders smoothes, natürliches Regelverhalten garantieren soll.

Triode in der Output-Stage

Ein- und Ausgangsübertrager bietet der ART-Kompressor nicht; das wäre bei diesem Preis auch zu viel verlangt. Dafür wurde in die Transistor-IC-Schaltung noch ein kleines Schmankerl integriert, das für den Klangcharakter des Pro VLA II ebenfalls nicht ganz unwichtig ist: Im Ausgangsverstärker jedes Kanals kommt eine 12AT7-Doppeltriodenröhre zum Einsatz. Hierbei handelt es sich um eine Variante der weit verbreiteten 12AX7, die etwas weniger maximale Verstärkung zur Verfügung stellt, was bei dieser Anwendung aber kein Nachteil ist. Aber so trägt der Kompressor sein Namenskürzel zu Recht, denn „VLA“ ist schließlich eine Abkürzung für „Vactrol / Tube Leveling Amplifier“.

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Praxis

Schon die weiteren Parameterbereiche lassen vermuten, dass sich hinter dem Pro VLA II ein echter Allrounder verbirgt. Und in der Tat: Es handelt sich hier um ein mit allen Wassern gewaschenes Gerät, das man so leicht nicht aus der Laufruhe bringen wird. Insbesondere Kompressionsaufgaben, bei denen das Ziel eine smoothe, eher unaufällige Verdichtung ist, also eine Kompression, die ungemein wirkungsvoll agiert aber nicht unmittelbar als „Effekt“ wahrgenommen wird, erledigt der ART-Kompressor mit guten Ergebnissen. Und das ist kein Wunder, denn genau auf solche Aufgaben ist ein Optokompressor für gewöhnlich zugeschnitten, und da macht auch dessen weiches Knie, das stets einen sanften Einsatz der Pegelreduktion garantiert, sehr viel Sinn.

Sehr flexibles Arbeitsgerät: ART Pro VLA II
Sehr flexibles Arbeitsgerät: ART Pro VLA II

Dabei reagiert der Pro VLA II ziemlich feinfühlig auf das Eingangssignal, und gerade aufgrund des Zuschnittes der Attack/Release-Parameter lässt sich der Prozessor passend für sehr viele Aufgaben einstellen. Er ist schnell genug, um zuverlässig Transienten zu kontrollieren (etwa Vocal-Konsonanten) und man kann insbesondere die Attackzeit auch so lang einstellen, dass Bässe und Bassdrums mächtig Druck bekommen.
Während also der Fokus zunächst auf den etwas runderen, subtileren Einsätzen liegt, ist der Pro VLA II doch Allrounder genug, um auch etwas härter zupacken zu können. So richtig brutal wird es zwar nie, das ist unabhängig von der Preisklasse einfach nicht die Domäne des optischen Regelelementes, aber entsprechendes Material und entsprechende Einstellungen vorausgesetzt, kann man die Kompression des Art-Comps durchaus als knallig bezeichnen. Klar, ein 1176 klingt dann doch noch muskulöser, aber das ist eine ganz andere Baustelle.

Audio Samples
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Vocals Original Vocals Ratio 2:1, Fast Attack, Medium Release Drums Original Drums Ratio 20:1, Fast Attack, Fast Release Drums Ratio 20:1 Medium Attack, Fast Release

Insbesondere bei heftiger Kompression (und damit verbundener stärkerer Aufholverstärkung) greifen die Röhren zunehmend deutlicher ins Klanggeschehen ein. Der Sound bekommt dann eine sandig-reibelig-körnige Textur, die nicht untypisch für den Einsatz einer Röhre in solch einer Transistorschaltung ist. Bestimmte Geräte von TL Audio sorgen beispielsweise für ganz ähnliche Effekte. Die kultivierte Kompression des Pro VLA II erhält auf diese Weise eine etwas rauhbeinige Prägung, was durchaus eine interessante Kombination ist. Übertreibt man es jedoch, so lassen sich gewisse Härten nicht vermeiden, und an dieser Stelle zeigt sich somit auch ein Unterschied zu Geräten höherer Preisklassen.

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Fazit

Der ART Pro VLA II leistet angesichts des Kaufpreises eine ganze Menge. Dass es irgendwo dann doch noch klangliche Sphären gibt, die sich nur mit einem (teils gehörigem) Aufpreis erreichen lassen, sollte klar sein. Doch der ART-Kompressor ist vielseitiger und klingt „teurer“, als sein Euro-Äquivalent es vermuten lassen sollte. Niemand erwartet die endgültige Antwort auf die „Frage nach dem Leben, dem Mastering und dem ganzen Rest“ (frei nach Douglas Adams) in dieser Preisklasse. Aber dass man sich für solch eine kommode Investition eine so vielseitige Hardware-Kompression ins Haus holen kann, das ist schon erstaunlich. Wer also nach einem Allround-Hardware-Kompressor sucht, der nicht die Welt kostet, der wird hier mehr als nur gut bedient.

Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • Vielseitigkeit
  • Einstellmöglichkeiten, weite Parameterbereiche
  • Ausstattung, insbesondere Metering und Anschlussmöglichkeiten
Contra
  • leichte klangliche Härten insbesondere bei heftiger Kompression
Artikelbild
ART Pro VLA II Test
Für 599,00€ bei
ART Pro VLA II: Stereokompressor mir umfangreicher Ausstattung
ART Pro VLA II: Stereokompressor mir umfangreicher Ausstattung
Technische Spezifikationen
  • Stereokompressor
  • optoelektronisches Regelelement
  • Röhre in der Ausgangsstufe
  • umfangreiche Parametrisierung
  • zahlreiche Metering-Optionen
  • üppige Ausstattung mit Audio-Anschlüssen
  • Preis: € 419,- (UVP)
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Profilbild von Tobi

Tobi sagt:

#1 - 14.02.2013 um 00:20 Uhr

0

Hi Hannes, würdest du den JDK Compressor diesen hier vorziehen bzw. würdest du sagen der JDK ist doppelt so gut wird der ART in Anbetracht des Preises?

Profilbild von Hannes Bieger

Hannes Bieger sagt:

#2 - 14.02.2013 um 03:24 Uhr

0

Hi Tobi, danke für dein Interesse! Ich habe den JDK-Kompressor noch nicht ausprobieren können, aber deren EQ hat mich durchaus begeistert (siehe der Bonedo-Test des R24). Wenn der Kompressor ungefähr so gut ist wie der EQ dann ist er klasse, aber solange ich meine Finger und Ohren nicht dran hatte ist das leider nur Spekulation von meiner Seite... ;)

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