Tontechniker und Musiker sind bekanntlich ein lustiges Völkchen oder halten sich zumindest dafür. In unserem Land hat man offensichtlich Spaß daran, die Soße unserer Sprache mit witzigen Begriffen immer wieder nachzuwürzen: Aus “Bierflasche” wird “Düse” und “Dackeltrenner” sind dünne Rennradreifen. Verständlich, dass auch das tägliche Arbeitsgerät der Tontechniker daran glauben muss. Vor allem die Bauformen von Mikrofonen inspirieren schon lange zu allerlei Vergleichsbegriffen: Eines der ersten Kondensatormikrofone heißt “Flasche”, dynamische Mikrofone wie die “Eistüte” (Shure SM58), das “Brikett” (AKG D12), die “Kaffeemühle” (CAD E200), das “Osterei” (AKG D112 – neuerdings auch “Futurama-Raumschiff”) oder der “Elefantenpimmel” (Electro-Voice RE20) sind nur einige Hinweise dafür, dass es tatsächlich ein wenig Kreativität unter den Tonschaffenden gibt.
Zwar wird man bei Electro-Voice wahrscheinlich nicht sonderlich begeistert über die Nähe zu derartigen zoologisch-anatomischen Details unter Missachtung jeglicher Maßstabstreue gewesen sein, doch hat das Ganze auch einige unbestreitbare Vorteile: Derartige Begriffe prägen sich einfacher ein! Die Marketingabteilung eines Unternehmens kann dies zwar im Regelfall nicht als selbstgesteuerten Erfolg für sich verbuchen, unzufrieden wird es sie dennoch nicht machen.
Ob man beim Design der SR-Serie bei Earthworks wohl den Kosenamen “Kaminfeuerzeug” im Sinn hatte, um einen möglichst hohen Widererkennungswert zu erzeugen? Naheliegend wäre es jedenfalls.
DETAILS Selbstverständlich werden bei Mikrofonen wie dem SR25 nicht einfach nur zum Spaß Löcher in das Gehäuse gebohrt. Die beliebten Verwandten des SR mit Kugelcharakteristik weisen sie nicht auf, aber die Öffnungen beim Testobjekt müssen es dem Schall erlauben, über den Hintereingang und durch das kleine Labyrinth namens Laufzeitglied auch die Rückseite der Membran zu erreichen. Das Ergebnis ist eine richtende Charakteristik, denn das SR25 arbeitet mit der klassischen Richtwirkung “Niere”. Demnach besitzt es bei 180° seine Off-Axis, ist also für den Schall am unempfindlichsten, der genau von hinten auf das Mikrofon trifft.
Die Bauform des SR25 erinnert stark an Messmikrofone, die aufgrund ihres Druckempfänger-Prinzips mit ihrem Gehäuse selbst dem Schall schnell ins Gehege kommen. Aus diesem Grunde werden derartige Mikrofone im Regelfall mit einem möglichst geringen Durchmesser im Bereich hinter der Membran gebaut. Auch die nicht für Messungen benutzten Kugeln verfügen über dieses elegante Design. Wie die Masse an Mikrofonen anderer Hersteller zeigt, ist ein derartiges Gehäuse zwar akustisch nicht notwendig, unterstreicht jedoch die Familienzugehörigkeit der SR-Mikrofone. Das handlange Mikrofon passt mit dem unteren Teil seines Korpus bequem in die üblichen Klemmen, doch lassen Earthworks es sich nicht nehmen, eine eigene Halterung beizulegen. Der Membrandurchmesser ist deutlich geringer als bei übliche Kleinmembran-Druckgradientenempfänger. Auch hier ist die Nähe zu anderen Earthworks- und ganz generell zu Mess-Mikrofonen- deutlich.
Der Frequenzgang des Kondensatormikrofons wird vom Hersteller mit 50 Hz bis 25 kHz bei einer maximalen Abweichung von +/- 2 dB angegeben, was zu einer hohen Impulstreue führen kann: Um einen nur theoretisch existierenden “idealen” Impuls (Anstieg und Fall 90° zur Nullachse) mit additiver Technik aus einzelnen Sinusschwingungen unterschiedlicher Frequenz darzustellen, bräuchte man genau genommen eine unendliche (!) Bandbreite. Bezüglich der Übertragung der Höhen unterscheidet sich mein Testopfer von einigen seiner Brüder, die auch noch bis 30 kHz derartig gut übertragen – dafür ist es deutlich preiswerter! Das Rauschen ist mit 22 dB(SPL) (nach A-Filterung) nicht gerade atemberaubend niedrig, allerdings muss man diesen Wert immer auch in Relation zum Maximalpegel sehen. Dieser liegt mit 145 dB(SPL) in Bereichen, die dafür sorgen, dass das Signal bei hohen Pegeln nicht sofort weinend zusammenbricht. Schlagzeug- oder Speaker-Abnahmen sind also nicht von vornherein ausgeschlossen. Earthworks preisen das SR25 aus diesem Grund auch als ideales Mikrofon für die Schlagzeugabnahme an und machen es zum Bestandteil des “DrumKit”-Mikrofonbundles. Wie alle Mikrofone der SR-Serie beträgt der Übertragungsfaktor 10 mV/Pa und erhält – ich muss es wahrscheinlich nicht einmal erwähnen – die Kapselvorspannung durch die übliche Phantomspeisung.
Geliefert wird das SR25 in einer kleinen Plastikkiste, deren zusätzliche Schaumstoffausstanzungen neben dem gelieferten Mikrofon samt Klemme anzeigen, liebend gerne auch ein zweites dieser Art beherbergen zu wollen. Sinnvoll: Als “MP”-Version, also als “Matched Pair”, steht das Earthworks ebenfalls in den Katalogen.
Praxis Earthworks propagiert sein Feuerzeug als Schlagzeugmikrofon, was sicher aufgrund des hohen Grenzschalldruckpegels und der guten Übertragung von Impulsen naheliegend ist. Statt ein Drumkit zu mikrofonieren, erschien es mir zur Verdeutlichung des Charakters sinnvoller, eine Akustikgitarre aufzuzeichnen. Hätten sich Musiker und Tontechniker immer stoisch an Herstellertipps gehalten, wäre es nie zu verzerrten Gitarren, All-Buttons-Kompression und “Digital Noise”-Effekten gekommen. Bei Signalen eines Drumkits sind manchmal Nonlinearitäten in der Übertragungskette durchaus vorteilhaft, zudem sind gerade bei Becken die Charaktere der Instrumente einerseits komplex und andererseits von Instrument zu Instrument höchst unterschiedlich. Wie sich zeigt, war die Entscheidung für die Akustikgitarre nicht falsch.
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SR25
Auch ohne Vergleichsmikrofon macht sich der zu erwartende Klangcharakter direkt bemerkbar, der Gitarrist zieht beim Anhören seines Files anerkennend die Augenbrauen nach oben. Die Schnelligkeit und die hohe Bandbreite lassen das Signal äußerst transparent wirken. Auf der Suche nach geeigneten Adjektiven kommt auch schnell “spritzig” in den Sinn, oder – um im gewählten Bild zu bleiben – “Funken sprühend”. Dieses “Sparkle” ist es auch, was vielen Nutzern möglicherweise zu hart erscheint. Daher ist das SR kein Gerät, das man einfach auf den Mikrofonständer pflanzt, um danach nur noch den Fader hochzuziehen. Hier ist bei einem Großteil der Anwendungsgebiete der Einsatz eines sanften, sauber arbeitenden Hi-Shelfs oder eines flachflankigen Tiefpassfilters hoher Qualität notwendig. Es gibt zwar Mikrofone, die einen “Set it and forget it”-Charakter haben, aber ein wenig Spielraum kann ja nicht falsch sein. Der Mittenbereich des SR25 ist im positiven Sinne unauffällig; wer möchte, kann diese Neutralität als Charakterlosigkeit umdeuten. Kompressionseffekte oder sonstige dynamische Besonderheiten weist das Mikrofon bei sämtlichen Frequenzen und Pegeln nicht auf. Selbst im enormen Nahbereich des Instruments und mit der Sensibilität eines Waffenschmieds auf die Gitarre eingedroschen, zeigt sich das SR vom Pegel unbeeindruckt und wandelt, ohne mit der Wimper zu zucken – also ohne Verzerrungen zu generieren.
Vergleich mit MK012Vergleich mit KM184Vergleich mit AM40
Schaltet man auf andere Mikrofone um, fällt es recht deutlich auf: Das Oktava MC012 – noch das “gute” aus alter russischer Produktion – kann besonders in den Höhen einfach nicht mithalten, der Klassiker Neumann KM184 spielt mit dem Testgerät aber in der gleichen Liga. Die Unterschiede sind hier kleiner, man kann erkennen, dass das KM etwas ausgewogener und “runder” klingt als das SR. Um das amerikanische Mikrofon gegenüber dem KM184 in Schutz zu nehmen: Auch der Sound der Kleinmembrane von Neumann genießt in unserem Gedächtnis wahrscheinlich einen hohen Bekanntheitsgrad. Die Unterschiede sind hier marginal und Präferenzen schlicht und einfach Geschmackssache. Preislich liegen sie sowieso in der gleichen Region. Wie auf einer guten Veranstaltung wird hier auch noch für Kontrastprogramm gesorgt: Das Groove Tubes AM40 ist ein Kondensatormikrofon mit deutlich größerer Membran als das SR und hat es nicht so mit “kristallklarer” Verstärkung der Kapselsignale, denn hier liegt eine Röhre im Signalweg. Deutlich hört man bei der Umschaltung, wie sich der Charakter ändert. Auch hier gibt es kein “gut” oder “schlecht”, sondern schlicht und einfach die Frage, was man mit dem Mikrofon erreichen möchte.
Röhren-Mikrofonvorverstärker werden häufiger mit Großmembran-Mikrofonen verwendet, doch auch die Kombination mit den kleinen Geschwistern ist oft reizvoll. Das Earthworks hinterlässt nach der Verstärkung mittels Vakuum-Gläschen jedoch einen uneindeutigen Eindruck:
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SR25AM40
Die Spritzigkeit, der Höhenreichtum und die Schnelligkeit gehen naturgemäß ein wenig verloren, was für das Signal im Umfeld eines Mixdowns durchaus vorteilhaft sein kann. Die Zerrungen und die Kompression des Preamps – der hier zur besseren Verdeutlichung ordentlich in die Sättigung gefahren wurde – wollen aber nicht so recht zum Earthworks passen. Hier beißen sich Moderne und Tradition etwas – ob diese Spannung sinnvoll ist, muss allerdings die Situation entscheiden. Andere Mikrofone wie das Röhren-„Mittelmembranmikro“ GT AM40 lassen es dagegen so richtig krachen.
Nach dem Praxistest ist klar: Das “Feuerzeug” Earthworks SR25 ist ein wirklich hochwertiges Stück Tontechnik, dessen Übertragungsqualität Hochachtung verdient und sicher auch bekommt. Das Arbeiten mit diesem Gerät macht Spaß, was in erster Linie an der Höhenübertragung und der enormen Impulstreue liegt. Vor allem ohne vorherige Digitalwandlung direkt an eine Abhöre mit den von Dr. Heil entwickelten, äußerst schnellen “Air Motion Transformer”-Treibern angeschlossen, zeigt das Mikrofon, was es kann. “Langsam” ist das bestimmt nicht! Die Tatsache, dass das Earthworks unterhalb von 50 Hz eher schwachbrüstig ist, wird bei den vorgesehenen Einsatzgebieten kaum schmerzen.
Fazit Qualität und Preis sind definitiv Oberklasse, dementsprechend kann man mit dem Earthworks SR25 durchaus zufrieden sein. Das Zeug dazu, als “Kaminfeuerzeug” in die Annalen der Tontechnikgeschichte einzugehen, hat es allemal. Zu einem derartigen Kosenamen gehört nicht nur ein Äußeres, das Assoziationen zulässt, sondern auch eine entsprechend hohe Verbreitung und Bekanntheit, welche vor allem durch hohe Qualität erreicht werden. In die eingangs genannten Mikrofone kann sich der Schallwandler aufgrund seiner Audioqualität und Flexibilität mit stolz geschwellter Brust einreihen. Das Marketing für diesen Schallwandler tut ihm mit dem Stempel “Schlagzeug-Mikro” deutlich unrecht, verkennt es doch seine Flexibilität. Wer ein Kleinmembran-Kondensatormikrofon sucht, das er für Drums, Amps, Gitarren und andere “laute” Signale einsetzen will, der sollte sich bei den Erdarbeitern einmal nach dem SR25 umsehen. Die Flexibilität hochklassiger europäischer Mikrofone (mir fallen da drei Hersteller ein) erreicht das SR aber leider nicht. Aber wer weiß, vielleicht beweist in 20 Jahren ein Tontechniker irgendwo auf der Welt Humor, indem er ein Earthworks SR25 in ein tatsächlich funktionierendes Kaminfeuerzeug umbaut. Ob ich dann allerdings mitlachen kann, weiß ich nicht so recht, denn ich finde jetzt schon: Es wäre wirklich schade darum!
Gitarist: Bassel El Hallak Gitarre: Martin & Co. 000C-16GTE Kabel: Van Damme Star Quad Vorverstärker: 2 x Focusrite ISA220, Lydkraft Tube-Tech MP 1A DAW: MotU 828, Apple Logic Pro 8
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