DPA d:dicate ST4006A Test

Praxis

In DPAs “vormodularer Epoche” hat es einige Kontroversen gegeben, ob es nicht übertrieben sei, für jede Kapsel einen eigenen Verstärker kaufen zu müssen. Auf der anderen Seite, so argumentierte man nicht zuletzt bei DPA, konnten durch die Nichtmodularität Kapsel und Verstärker absolut optimal aufeinander abgestimmt sein. Zudem sei Flexibilität in gewissem Maße durch die austauschbaren Gitter und die aufsteckbaren APE-Bälle gewährleistet. Es geht bei DPA offenbar doch modular, sonst gäbe es die d:dicate-Serie wohl nicht – die Möglichkeit, die Grids zu tauschen, ist geblieben. Prinzipiell ist es ganz einfach, diese zu wechseln: Sie müssen nur auf- und abgeschraubt werden. Bei diesem Prozess liegt allerdings die Membran völlig frei! Stößt man mit einem aufzuschraubenden Grid an diese, ist es erst einmal vorbei – und eine Neubespannung bedeutet Nutzungsausfall und ist bestimmt nicht preiswert. Ein Grid-Wechsel ist also sicherlich keine Prozedur für schummrige Live-Situationen.

Einzelnes DPA 4006A des AB-Stereosystems
Einzelnes DPA 4006A des AB-Stereosystems

Mit dem Diffusfeld-Grid ausgestattet, zeigen die 4006A genau das, was DPA-Kugeln auch nachgesagt wird: Sie sind phänomenal schnell, sehr transparent und klar, und zwar auch und gerade abseits der Hauptachse. Diese Eigenschaften helfen nicht nur gut dabei, Rückwürfe des Raumes nachvollziehbar zu halten, sondern auch Strukturen konturiert abzubilden – das fällt bei größeren Klangkörpern besser auf als bei der Gitarre aus unserem Beispiel. Dennoch: Bedenkt man, dass es sich um eine AB-Aufstellung handelt, erhält man eine erstaunlich deutlich nachvollziehbare Ortung (ohne dass der für A/B typische Tiefeneindruck leiden würde). 

Audio Samples
0:00
DPA 4006A Close-Up Grid DPA 4006A Free-Field Grid DPA 4006A Diffuse-Field Grid

Im Vergleich zu Schoeps wird klar, was die beiden voneinander trennt: Die Dänen sind spitzer, schärfer und kantiger in den Höhen, während Bass und Tiefbass deutlich straffer übertragen werden: Unten sind die DPA nicht sehr bauchig, sondern tendenziell analytisch, trocken, vielleicht sogar etwas “reserviert”. In den Mitten und oberen Mitten kann man eine gewisse “Drahtigkeit” feststellen, die dem Signal eine gewisse Härte und Präsenz verleiht. Keine Sorge, sie sind weit davon entfernt, “britzelig” oder gar resonierend zu klingen, es ist eher so, dass man mit diesen Eigenschaften ein gutes Durchsetzungsvermögen für Einzelsignale und eine hervorragend formbare Grundlage für ein Hauptmikrofonsystem erhält. Wer bei den klangbeschreibenden Adjektiven etwas wie “angenehm”, “weich”, “rund” und “heimelig” vermisst hat, dem kann ich natürlich recht geben, allerdings sollte klar sein, dass es sich wirklich nur um Nuancen handelt und keine Klangstempel, die nicht mehr zu entfernen sind. Im Gegenteil: Bedenkt man, welchen Weg ein Signal letztlich bis zum Hörer nimmt, werden sich zwangsläufig einige genau dieser Eigenschaften etwas versenden. Der Gefahr, dass Signale schwammig oder indifferent werden könnten, wird hier also quasi akustisch vorgebaut. 

Doch vielleicht möchte man es von Anbeginn der Recordings anders regeln. Ist das Signal an der Mikrofonposition deutlich zu höhenlastig, kann neben den üblichen sonstigen Mitteln (Änderung von Winkeln, Spielweisen, etc.) ein anderes Grid aufgesetz werden. Zwar bleibt der DPA-Grundcharakter in der Freifeld-Abstimmung mit dem silbernen 251-Grid nach wie vor erhalten, doch wundert es nicht, dass es in diesem Fall etwas gemächlicher zur Sache geht. Die Ähnlichkeit mit Schoeps ist hier sehr hoch, was auch nicht wundert: Nicht umsonst zählen die beiden zur absoluten Elite. Im direkten Vergleich mit den freifeldentzerrten MK2-Kapseln von Schoeps zeigt sich jedoch immer noch die gewisse “Sehnigkeit” im Signal der 4006A. Das Nahfeld-Grid führt diesen Zusammenhang weiter: Egal, mit welchem Aufsatz, die DPA 4006A klingen immer äußerst natürlich, manchmal vielleicht sogar ein Quäntchen “natürlicher als die Natur” – aber dass diese durchaus von Vorteil sein kann, sollte deutlich geworden sein. 

Vielleicht sei an dieser Stelle gesagt, dass ich aus Erfahrung prinzipiell sogar auch für die Nose Cone behaupten kann, dass sie verfärbungsfrei arbeitet. Mit den Ballaufsätzen sollte man jedoch vorsichtig sein – hier gilt es, ganz genau auf Phaseneigenschaften besonders der nicht axial eintreffenden Schallereignisse zu hören und abzuwägen. Der Vorteil der Grids, bereits in der akustischen Domäne, statt später mit analogen oder digitalen Equalizern eingreifen zu können, ist auch hier vorhanden, doch der Klanggewinn ist deutlich kleiner. Natürlich kann ein EQ in einem A/B nicht nachträglich die Richtungsabhängigkeit verändern. Ich habe bislang bis auf eine Ausnahme dann doch ohne die APE-Bälle aufgezeichnet. 

Fotostrecke: 2 Bilder Im Vergleichstest: 4009 mit Nose Cone…

Wirklich spannend ist der Vergleich mit dem 130V-System in Person eines Sets aus 4003er-Mikrofonen (genaugenommen sind es noch 4009er). Die Vergleichbarkeit ist so gering gar nicht, denn das generell klanglich sehr durchsichtige 130V-Speiseteil DPA HMA5000 kann mit einem Gain von 0 dB den Einfluss auf das Signal sehr minimal halten. Eigentlich nicht verwunderlich ist es, dass die Limitierungen durch die 48V-Phantomspeisung dafür sorgen, dass eine höhere Systemdynamik möglich ist (übrigens nicht zuletzt im Tausch gegen eine geringere mögliche Leitungslänge!) Doch auch im Bereich der Mikrodynamik positioniert sich das 130V-System ein klein wenig weiter vorne, Transienten scheinen noch rascher durchgereicht zu werden. Im Bassbereich hingegen scheinen die 4006A etwas strenger und kälter zu übertragen, die 4003er wirken dadurch etwas “größer” und “wichtiger”. Insgesamt fällt jedoch die konstruktive Verwandtschaft mehr als auf, wenn man sich die Signale im Vergleich anhört.

Audio Samples
0:00
DPA 4009 Diffuse-Field Grid
Kommentieren
Schreibe den ersten Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.