Lange genug mussten Scratch Live-User auf einen preiswerten dedizierten MIDI-Controller warten, zumindest wenn sie nicht selbst Hand an die Konfiguration legen wollten. Nun tut sich was im Lager Serato. Der Controllerism hält auch hier endlich Einzug. Wenn auch zunächst noch gemächlich. Rein quantitativ liegt das Angebot im Vergleich zu manchen Konkurrenten auf den hinteren Rängen. Neben drei Rane-Mixern werden gerade mal sieben weitere Fremdkonsolen von Numark, Pioneer und Denon nativ unterstützt.
Mein heutiger Testkandidat Denon HC1000S ist einer der Auserwählten. Er kommt ohne Transportsektion, wendet sich primär an Turntablisten, und schreibt sich unter anderem auf die Fahne, Scratch-Lives Browser- und Loop-Funktionen zu hardwaregesteuerten Ehren zu verhelfen. Der Straßenpreis von 170 Euro liegt knapp unter Natives Kontrol X1, das bekanntlich ein SSL-Setup mitbringt. Die beliebten hochportablen Faderfüchse kosten etwa 250 Euro.
Serato Scratch Live Serato Scratch live ist ein digitales Vinyl-System (DVS), das sich nicht nur in Hip Hop-Kreisen aufgrund seiner Stabilität und Scratch-Performance großer Beliebtheit erfreut. Gesteuert wird die Mix-Software über echtes Vinyl, in das ein zeitcodiertes Signal geschnitten ist. Es übermittelt die Laufrichtung des Plattenspielers und die Nadelposition auf dem Vinyl an die virtuellen Player. Positions-, Richtungs- oder Tempoänderungen werden unmittelbar auf das Audiomaterial übertragen und nahezu gefühlt latenzlos wiedergegeben. Alternativ lässt sich das Programm auch mit zeitcodierten CDs und MIDI-Controllern steuern. Einen ausführlichen Test findet ihr hier.
Ausgepackt Alle Achtung. Was da aus der schlichten grauen Umverpackung kommt, ist nicht nur deutlich kleiner als erwartet, sondern auch vieeeel schwerer. HC1000s ist nämlich nur 25 cm breit, 9 cm tief und 2,5 cm hoch, wiegt dabei aber satte 1500 Gramm. Das überrascht. Ich glaube zwar nicht, dass die leichteren Kontrahenten aus den Häusern Fuchs oder NI beim nächtlichen Standard-Einsatz sonderlich bruchgefährdet sind, aber hier schafft der Vollmetall-Körper direkt eine Art Vertrauen in die Belastbarkeit der schlanken Schaltzentrale. Polstermaterial, ein USB-Kabel und ein Faltblatt sind alles, was ich noch im Karton finde. Ist der seitlich angebrachte Mini USB-Port mit dem Computer verbunden, blinkt die Konsole dreimal und wartet bereitwillig auf ihren ersten Arbeitseinsatz mit Serato Scratch Live.
Aufbau HC wirkt nicht wirklich überladen, ist logisch und hauptsächlich spiegelsymmetrisch aufgebaut. Rechtes Deck, Browser, linkes Deck, die Software-Funktionen sind beschriftet und die Bedienung erschließt sich auf Anhieb. Insgesamt warten 43 Schaltflächen und drei Encoder auf ihren Auftritt am Tanzflur. Da die Entwickler zusätzlich eine Shift-Funktion implementieren, ist eine stattliche Anzahl an Zweitfunktionen vorhanden. So kommt der Consollero, falls ich mich nicht verzählt habe, auf über 70 Befehle. Qualitativ entsprechen die Bedienelemente meinen Erwartungen. Ähnliche hatte ich noch vom DN S-1200 Test in Erinnerung. Die Knöpfe liefern ein deutliches Klickgeräusch, dass man in lauten Umgebungen eher fühlen als hören muss und lösen vollflächig aus.
Jedes Deck hat die gleichen Bedienelemente bekommen, da freut sich der ordnungsliebende Seratorist.
Die Browswersektion Vier Mini-Taster bieten Zugriff auf Files, Browse, Prepare und History, die sich alle sehr effizient mit dem Jog-Encoder durchstöbern lassen. Drückt man den Drehregler nieder, wechselt er zwischen Crates und Playlist. Befindet man sich gerade im File-View, dringt man mit den Tasten FWD und BACK tiefer in die Ordner-Hierarchie ein oder hangelt sich im „Browserview“ durch die ID3-Tags der Musiksammlung. Hat der DJ einen Titel ausgewählt, befördert er diesen per A LOAD oder B LOAD in den entsprechenden Player. Diese Taster haben auch noch eine praktische Zweitfunktion. In Kombination mit SHIFT duplizieren sie das ausgewählte Deck auf den entsprechenden Kanal. Beide Einheiten laufen dann mit dem gleichen Song an der gleichen Position synchron. Man nennt dies Instant-Double. Die Funktion wird besonders gern zum „Loopen“ und Scratchen verwendet. Falls der DJ gerade so richtig heiß gelaufen ist, zeichnet er auf Knopfdruck seinen Mix mit dem Session-Rekorder auf. Der nachfolgende Praxisteil beschäftigt sich mit den Kreativ-Features unseres Prüflings.
Loops Im oberen Teil der Decksektionen sind die Loop-Abteilungen beheimatet. AUTOLOOP setzt einen taktsynchronen Zyklus. Die Länge bestimmt der DJ selbst in einem Rahmen von 1/32 bis 32 Beats. Mehrfache Loops in Audiodateien sind per Regler auszuwählen, und werden per RELOOP wiederbelebt. Ist keine Schleife aktiv, ändert der Push-Encoder das Loop-Interval, ansonsten halbiert er die Länge oder verdoppelt sie. Ein Teilen kann auch über die integrierte Buttonfunktion erfolgen. Zwei separate Schaltflächen für LOOP ROLL und AUTO LOOP ermöglichen einen praktischen Wechsel der Betriebsmodi, ohne die SHIFT-Taste mit einzubeziehen. ROLL deaktiviert den Autoloop.
LOOP ROLL ist ein besonders tolles SSL-Feature. Es aktiviert die Schleifenwiedergabe. Der Track läuft aber quasi im Hintergrund weiter und sobald man ROLL ein weiteres Mal betätigt, befindet sich der Song an der Position, wo er ohne Unterbrechung gewesen wäre. Ähnlich funktioniert hier auch der REVERSE. Solange der Button gedrückt wird, läuft das Audiomaterial rückwärts und überspringt losgelassen den zeitlichen Zwischenraum. So zensiert der DJ schnell mal ein paar explicit Lyrics, wenn es sein muss.
Manuelle Loops Ganz klassisch erstellen IN und OUT manuelle „Schleifenflanken“. Reloop holt deaktivierte Zyklen zurück. Sie sind im beatsynchronen Livemix natürlich eher mit Vorsicht zu genießen, denn um einen taktgenauen Loop per Hand zu setzen, ist ein gutes Timing erforderlich. Wem on-the-fly Loops ohnehin zu heikel sind, der legt sie mit dem SSL-Editor an spielfreien Abenden im Vorfeld an. Alle gespeicherten Markierungen sind von der Controllerhardware zugänglich.
Flankenschubser Was mir sehr gut gefällt ist die Möglichkeit, Loop-Flanken über den Endlosdrehregler im laufenden Betrieb anzupassen, und zwar sowohl bei manuellen, als auch bei Auto-Loops. Ist eine Schleife eingeschaltet, drückt der DJ entweder IN oder OUT und kann dann mit dem Encoder Start- oder Endpunkt verschieben.
Cuepunkte Besonders Scratch-Artisten freuen sich über fünf explizite Positions-Buttons. Sie nutzen die imaginären weißen Punkte auf dem Vinyl, um ihre Lieblingsstellen im Song jederzeit kratzparat zu haben. Jetzt noch unterschiedliche LED-Farbgebungen wie bei den Software-Cuepunkten. Das wäre praktisch, würde gut aussehen und machte dem Weihnachtsbaum Konkurrenz. Obwohl ich zugeben muss, dass mir eine horizontale Anordnung der Schaltflächen zum Jugglen lieber wäre. Dann könnte ich die Lesezeichen Piano-like spielen, was beim vorliegenden senkrechten Arrangement nicht möglich ist. Aber das ist ja auch irgendwie Geschmackssache. Die Taster leuchten jedenfalls orange auf, wenn sie eine Position markieren. Als Zweitfunktion bieten drei von Ihnen Zugriff auf Samplebänke.
Was noch… Im Zentrum des Deckgeschehens, wo normalerweise immer die Abspielsektionen untergebracht sind, findet man am Denon-Controller einen ziemlich großen TAP-Button. Für mich als Anti-Tapper schreit dieser geradezu nach Remapping. Ein Fall für den Praxisteil. Links von TAP werden Rückwärtslauf und die Tonhöhenkorrektur entfesselt, der weiße Taster ist in die Bedienung der Samplebänke eins bis drei verstrickt. Auf der anderen Seite bedient er Slots vier bis sechs. Der Zugriff auf den Sampler ist etwas umständlich gelöst, vermutlich ein Zugeständnis an die kompakte Bauform. LOAD öffnet zunächst das Panel. Zur Befüllung der einzelnen Bänke ist es nötig, SHIFT und LOAD gemeinsam zu drücken und mit der dritten Hand das entsprechende Samplepad zu pressen. Ist es beladen, wird es mit einem Combo-Move aus LOAD und dem entsprechenden Sample-Button abgespielt. Dabei sollt der DJ den Modus zuvor von Trigger auf Start/Stop oder Hold (spielt nur während des Niederdrückens) stellen. Ansonsten erlebt er vielleicht eine ungewollte Überraschung, denn er kann das Sample ohne einen Griff zur Tastatur nicht stoppen.
Ist gar nicht so kompliziert? Auch gut. Schnipselladen und Abfeuern sind also im Rahmen der persönlichen Fingerfertigkeit zu betrachten. Ich bin wirklich kein Freund von umständlichen Controller- oder Keyboard-Shortcuts im DJ-Set und empfinde es in Zeiten von MIDI-Learn eher als Performance-hinderlich Fingerakrobatiken mit drei oder mehr gleichzeitig auszulösenden Buttons zu vollziehen. Schließlich muss das Timing ja auch sitzen. Bleiben noch die südlichen vier Taster der Steuereinheit. Sie ermöglichen Pitchbending, Fast- und Track-Search sowie den Sprung zum nächsten oder vorhergegangenen Song.
MIDI – 1. Remapping the Beast Scratch Live verwendet eine recht unkomplizierte Methode, um MIDI-Steuerelemente auf die Software zu Mappen. Die Theorie sagt: Aktiviere die MIDI-Funktion im Programm, wähle dann die zu kontrollierende Funktion in der grafischen Benutzeroberfläche aus und betätige abschließend das Bedienelement der Fernsteuerung. Fertig. Die Praxis jedoch zeigt, dass ich die Rechnung zumindest teilweise ohne die Wirte gemacht habe. Zum Beispiel war es mir nicht möglich, TAP von seiner angestammten Funktion zu befreien und statt dessen zum Play/Pause-Button umzufunktionieren. Stattd essen wechselt der Anwender zunächst in einen anderen MIDI-Kanal (1,2,3 oder 4) unter Verwendung von SHIFT und einem der vier darüber liegenden Buttons (File = 1; Browse = 2;, History = 3, Prepare = 4). Sendet er nun etwa auf Kanal drei, um die Abspielsteuerung zu bauen, ist ein Rücksprung zum Steuern der Browser- und Loop-Funktionen nötig. Alternativ mappt er diese Auslöser doppelt. Diese Lösung empfinde ich als suboptimal. Freiheit für den TAP-Button! Auch hätte eine Reihe LED-Indikatoren für den aktuellen MIDI-Kanal sicher nicht geschadet. Sollte die Konsolenverbindung unterbrochen werden, zeigen die Cuepads eins bis vier bei einem Hotplug immerhin den zuletzt aktiven Kanal durch kurzzeitiges Blinken an.
MIDI – 2. Mapping the Beast Einen kleinen Ausflug ins Treckerland möchte ich auch dieses Mal unternehmen und das hat einen bestimmten Grund. Es geht mir hierbei um die SHIFT-Taste. Im Traktor-Test stellte sich erwartungsgemäß eine volle MIDI-Kompatibilität der einzelnen Controller-Elemente heraus, zudem wurde meine Vermutung bestätigt, dass HC1000 kein hardwarebasiertes Shifting mitbringt, sondern einen softwaregesteuerten Quasi-Modifier, der die Zweitfunktionen in SSL anspricht. Willkommen im Club! Ich hoffe, Serato macht diese Funktion bald für die Anwender zugänglich, denn leider liefert der Denon-Controller nicht alle Bedienelemente, an die man sich so im MIDI-gesteuerten DJ-Alltag gewöhnt hat. Besonders optimistisch bin ich aber diesbezüglich nicht. Ich denke, viele Anwender alternativer Software, die HC1000S vielleicht aufgrund seiner geringen Ausmaße ins Auge gefasst haben – er sollte wirklich in jeder noch so kleinen Kanzel Platz haben – werden den lieb gewonnenen PLAY/ PAUSE-Button ebenfalls schmerzlich vermissen. Aber kein Problem, je nach Mix-Software können sie ja tatsächlich TAP nutzen, und ROLL für die automatische Synchronisation, die Samplebänke zur Effektaktivierung, Dritt- und Viertfunktionen für die Encoder. Und da soll einer noch den Überblick behalten? Klar, mit einem scharfen Verstand, der sich die individuellen Belegungen merkt. Prinzipiell geht’s aber auch mit etwas Engagement und Fingerfertigkeit. Weil der schokoladentafelbreite Kontrollspezialist kleiner als ein DIN A4 – Blatt ist, kann sich der geneigte „Photoshopper“ nämlich ein persönliches Overlay anfertigen und mit jedem Standard-Printer ausdrucken. Laminiert wird beispielsweise im Copyshop. Mich hat der Controller überzeugt, allerdings nicht wegen der Overlays, sondern wegen seiner maßgeschneiderten Bedienelemente und der engen Verzahnung und Performance mit SSL. Bleibt nur abzuwarten, wie es nach der Effektimplementierung in Schratch Live 2 aussehen wird. Vier MIDI-Kanäle bieten hoffentlich ausreichenden Spielraum. Nachfolgend seht ihr noch einmal übersichtlich die gemappten Funktionen…
Decksektionen Oben
Decksektionen Unten
Browsersektion
CUE 1-5 CLEAR 1-5
SAMPLER 1-3 (4-6)
LOAD SAMPLE
PLAY SAMPLE LOOP DIVIDE LOOP SELECT LOOP ROLL AUTO LOOP LOOP-IN P LOOP-OUT EXIT LOOP RELOOP
Denon HC1000S ist ein spezieller Hardware-Controller für Serato Scratch Live, der zuerst durch sein sehr kompaktes Design auffällt und dann mit einem durchdachten Layout punkten kann. Nahezu symmetrisch aufgebaut erschließt sich die Bedienung auch dem Neuling sofort. Das Zentrum steuert die Musikbibliothek, die Außenseiten dirigieren die Decks. Zwar leider ohne Abspielsteuerung – ein waschechter „Seratorizer“ spielt nun mal mit Timecode-Vinyls – aber dafür mit bequemen Zugriff auf Browser, Loop- und Cuepunkte. Man navigiert in den Loops oder durch den Track oder spielt mit akrobatischem Griff den Sampler ab. Sämtliche Bedienelemente entsprechen dem guten Denon-Standard, sind zum Teil beleuchtet und liefern so Statusfeedbacks. 1,5 Kilo Gewicht sind zwar nicht gerade leichtfüßig, sorgen aber für Rutschresistenz, auch wenn es mal grob zur Sache geht. HC1000S wird bei der Inbetriebnahme automatisch eingerichtet, alle Regler funktionieren auf Anhieb. Sollte der schmale Bursche im Eifer des Gefechtes mal versehentlich die Verbindung zur Computerhardware verlieren, ist er erneut angestöpselt nach 2-3 Sekunden wieder einsatzbereit. Er sendet wahlweise auf den MIDI-Kanälen eins, bis vier, der Shift-Button liefert für den Rest der Truppe keine weiteren Noten- oder CC-Werte. SSLs Mapping-Procedere beschränkt die individuelle Einrichtung des USB-Gerätes ein wenig und könnte daher noch optimiert werden. Dies ist aber eine Softwareangelegenheit und dem Controller nicht anzulasten. Summa summarum ist Denon hier ein solides Stück Ingenieursarbeit geglückt, denn es macht zu einem erschwinglichen Preis von 169 Euro auch für konfigurationsfaule SSL-User den Griff zur Computertastatur fast obsolet. Zudem bringt es einen echten Performancegewinn und eine Menge Spaß. HC1000S hat sich damit einen Platz in meinem SSL-Setup erkämpft.
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