AKG Rhythm Pack Test

Drum-Mikrofon-Koffer gibt es ja etliche, wenige allerdings haben ein so populäres Zugpferd wie das D112 von AKG im Lineup. Du weisst schon, immer wenn der Toningenieur vom “Osterei” redet, ist genau dieses Bassdrum-Mikrofon gemeint. Die restlichen fünf Mikrofone aus dem Rhythm-Pack von AKG sind nicht nur kleiner, sie sehen auch komplett anders aus. Rein optisch präsentiert sich das Ganze also nicht besonders homogen. Bleibt zu hoffen, dass der Klang einen einheitlicheren Auftritt liefert als das Design.

AKG Rhythm Pack ist ein Name, der nach Großem klingt. AKG ist eine rennomierte Firma und das englische „Pack“ ein Audruck für ein zünftiges Bündel voller feiner Sachen. Dass ich das denke, liegt wahrscheinlich daran, dass ich „Pack“ immer etwas gedehnter, also amerikanischer ausspreche, eher so „päääck“. Dabei brummt mein Stimmband derart, dass ich automatisch an etwas Großes denke, einen Chevrolet, einen Cheeseburger mit drei Frikadellen oder eben ganz allgemein ein großes Bündel voller feiner Sachen. Aber nix da, der Koffer von AKG ist der kleinste Mikro-Koffer des gesamten Vergleichstest, außerdem sind die Produkte made in Austria! Also nicht Amerika, sondern Wien, keine Burger, sondern Kaffee Melange. Platzsparend und effizient sind die Europäer ja, Understatement und Spitzenqualität gehen in der Mitte des Abendlandes seit Jahrhunderten Hand in Hand. Qualität bedeutet bei Drum-Mikrofonen für die meisten User, dass sie das Drumset vor allem nicht kleiner klingen lassen dürfen als es ist. Klein aussehen: ja. Klein machen: nein! Volumen und Power, tiefe Frequenzen und sauber aufgelöste Höhen, das will ich hören!

AKG_RhythmPack_23FIN

Details

Der Koffer ist aus billigem Plastik gebaut, notdürftig mit einem Werbesticker beklebt, die Scharniere laufen von Anfang an unsauber, die Innenverkleidung aus Nullachtfuffzehn-Noppenschaum rutscht einem direkt in die Hände. Was da überhaupt keinen guten Eindruck macht, sind glücklicherweise nicht die Mikrofone sondern der Koffer, der mich stark an die Schrott-Werkzeugkoffer aus dem Baumarkt erinnert: In Nullkommanix vom Ladenregal auf den Müllberg. Obwohl ich gerade schon genüsslich warmlaufe, muss ich schon mit meinem Verriss aufhören, bevor er überhaupt richtig begonnen hat, denn die sechs sauber aufgereihten Mikrofone machen sich ganz schön sexy in ihrem Mattschwarz. Mattschwarz? Mein Zahnarzt würde sagen: “Das wird teuer!” In diesem Fall sage ich: “Das sieht teuer aus!” Aber wie schon erwähnt reihen sich nicht alle Mikros gleichermaßen selbstlos in das Corporate Design des Bundles ein. Die C 430 Overhead-Mics sehen einfach ganz anders aus als ihre Geschwister D112 und D40. Die schwarze Lackierung ist gänzlich verschieden, ein Schaumstoff-Poppschutz schützt die Membran und die Form des Bodys hat auch nichts mit dem der D40 zu tun. Ansonsten ist das Overhead-Mikrofon so dick und lang wie mein kleiner Finger.

Die drei D40, die sowohl für die Snare als auch für die Toms geeignet sein sollen, wirken auf Anhieb sehr kompakt. Wesentlich subtiler als der strahlend weiße Austria-Schriftzug auf den C430 verweist eine graue, kleine Fußnote auf den Herstellungsort der D40-Mikrofone: Polen. Ausgerechnet die Snare- und Tom-Mics sind also keine absolute Chefsache. Unter anderem im Sinne der europäischen Arbeitslage freue ich mich aber über jedes Produkt ohne China-Schriftzug. Der Body ist – wie bei den anderen beiden Modellen – aus Metall, der Korb lässt sich abschrauben und wird von einem silbernen Metall-Ring umfasst. Die Kapsel sitzt sehr flexibel im Inneren des Mikrofons und übersteht meinen rudimentären Rupf- und Ziehtest ohne Baenstandungen. Die Mikrofon-Halterungen samt Klemme sind dann wieder aus Plastik, aber ebenfalls solide verarbeitet. Das sieht haltbar aus und sollte doch etwas kaputt gehen, lässt sich alles, was aus Plastik ist, ohne weiteres abschrauben und ersetzen. Die Klemmen sind übrigens äußerst klein, dazu aber mehr im Praxis-Bereich.

Zu guter Letzt noch ein paar Worte zur Legende unter den Bassdrum-Mikrofonen: dem D112. Das D112 ist nicht außergewöhnlich super verarbeitet, bietet aber dennoch für einen absolut akzeptablen Preis eine robuste und gute Leistung. Das Ding hält und liefert in jeder Situation, was von ihm gefordert wird. Das ist schon seit Jahrzehnten so, weshalb sich das AKG D112 weltweit als das Gebrauchsmikrofon schlechthin durchgesetzt hat.
Das Geheimnis ist sicherlich das Verhältnis zwischen dem unschlagbar günstigen Preis und der Wertstabilität. Der Body besteht aus Aluminium, der Korb wurde mit einem firmengrünen Plastikstreifen versehen und besteht aus hell glänzendem Metall. Schon wieder ein anderes Design! Dann will ich die Mikrofone mal auf das Feld schicken und sehen, ob diese sechs Freunde auch wirklich ein echtes Team sind.

Praxis

Auch diese Rubrik beginnt mit einer ganz banalen Hürde: Die Klemmen für die D40 sind einfach zu klein! Noch unangenehmer ist die Tatsache, dass die am Spannreifen montierten Halter lediglich die Einstellung des Winkels zulassen! Will man den Sound nicht im Anschluss an die Aufnahme “hinbiegen” müssen, ist es aber absolut essentiell, so flexibel wie möglich positionieren zu können! Um ein vernünftiges Ergebnis zu erzielen, sollte man die Mikros also auf Stative schrauben – was auch problemlos vonstatten geht. Eine Zusatzinvestition muss also einkalkuliert werden, entweder für Ständer oder brauchbare Klemmen.

Hat man die polnischen Lauscher dann akkurat ausgerichtet, bilden diese den Sound der Toms und der Snare sehr natürlich ab. AKG verweist offiziell auf die gute Kompatibilität der D40 mit tiefen Toms. Das kann ich bestätigen, der Sound ist voll und satt, allerdings sind die Höhen dadurch doch etwas  unterrepräsentiert. Ein kurzer Griff zum EQ wird also möglicherweise zum Standard. Alles was jetzt noch fehlt, ist ein viertes D40, falls man doch mal eine dritte Tom spielen möchte. Immerhin ist im Koffer schon eine Aussparung für eine Set-Erweiterung vorhanden, allerdings muss das vierte D40 um den letzten freien Platz im Koffer mit einem möglicherweise dritten C430 Kondenser-Mikrofon kämpfen. Das fehlt nämlich – besonders schmerzhaft für Filigran-Groover – an der Hi-Hat! Dem Schmerz kann aber schnell ein Ende bereitet werden, das Mikrofon kann nämlich für eine UVP von gerade mal 165 Euro nachgeordert werden. Und die Investition lohnt sich: Die Overheads transportieren eine Menge Höhen, alle fein aufgelöst und deutlich angehoben. Hier sind die D40 an den Trommeln und die C430 über den Becken eine gute Kombi. Letztere klingen zwar etwas scharf, ergänzen sich mit den restlichen Mikrofonen dafür klanglich definitiv besser als optisch. Erwähnenswert ist noch, dass die kleinen Overhead-Kondenser Phantomspeisung benötigen. Gemessen an ihrer Winzigkeit stellen sich die Mikrofone allerdings nicht groß an und akzeptieren von 9 bis 54 Volt alles an Saft, was sie kriegen können. Wahrscheinlich käme man auch mit Fahrraddynamo auf eine ausreichende Speisung, sollte man gerade kein passendes Atomkraftwerk zur Hand haben.

Was jeder Live-Techniker dieser klangvollen Welt bestimmt schon in seinen Händen hielt, ist das D112, das “Ei” von AKG. Wer diesen Kosenamen nicht kennt, wird sofort in eine Reihe stellt mit Fussballguckern, die nicht wissen, ob Deutschland da jetzt von rechts nach links oder von links nach rechts spielt. Das D112 ist ein dynamisches Nierenmikrofon mit großer Membran, das jedem Tontechniker sofort einen satten Punch schickt. Da gibt es keine großen Probleme, der Soundcheck für die Bassdrum ist relativ schnell abgehakt, man kann sich um alles andere kümmern. Die kleine Frequenz-Erhöhung im Kickbereich macht es im Livebetrieb zum annähernd “idiotensicheren” Bassdrum-Mikro. Das macht das Mikrofon so beliebt! Für den perfekten Studiosound fehlt dem D112 allerdings ein wenig Tiefbass, dafür pflügt sich die voreingestellte Power des Klassikers von AKG noch in jeden Gehörgang des tanzwütigen Publikums, das wahrscheinlich von Hörgewohnheit reden würde, wenn es wüsste, warum es gerade diese Bassdrum so gerne hört. Gerade letztens hat ein Live-Techniker mit dem Ei den perfekten Bassdrum Sound aus meiner tiefen Trommel gezogen. Dazu hat er das relativ leichte Mikrofon mit einem praktischen Teleskop-Klemmstativ am Rim befestigt. Auch mittels Ständer lässt sich das Gerät problemlos positionieren, ein Stativ muss aber in jedem Fall einkalkuliert werden.

Hier gibt es nun die Audio-Files im bewährten bonedo-Player (MP3-Format). Wer sich einen detaillierteren Eindruck verschaffen möchte, kann sich auf der Übersicht-Seite alle Audios auch als unkomprimierte Wav-Files downloaden.
Noch zwei Infos zu den Aufnahmen: Die Hi-Hat wurde mit einem KM84 von Neumann mikrofoniert, die Snare-Drum wurde zusätzlich bei den „Snare Bottom“Files mit einem SM 57 von unten versehen, als Raummikros kamen zwei Royer R-121 Bändchen-Mikros zum Einsatz.

Audio Samples
0:00
Einzelsignale Groove 1 Clean Groove 1 Snare Bottom Groove 2 Clean Groove 2 Snare Bottom Groove 2 Snare Bottom Raum Groove 3 Clean Groove 3 Snare Bottom

Das D112 verrichtet seinen Dienst seit eh und je souverän und meistert jede Situation mit unumstößlicher Gelassenheit. Das Bassdrum-Mikrofon musste sich nie ändern, weil sich der Zuhörer schon komplett auf den Sound dieses “Ostereis” eingestellt hat. Klassiker wie dieser sind unantastbar. Wirklich kritisieren kann man die Klemmen der Tom- und Snaremikrofone D40. Diese lassen nur eine (oft ungünstige!) Position zu und sind deshalb unbrauchbar. Auch schade ist, dass im Grundsetup nur zwei Overheads und drei Trommel-Mikrofone enthalten sind. Berücksichtigt man den Preis des Rhythm-Packs von AKG, wird allerdings klar, warum: Der Preis ist wirklich unglaublich gut. Kauft man die Mikrofone einzeln, entstehen wesentlich höhere Kosten, als wenn man sich für dieses wirklich sinnvolle Paket entscheidet. Apropos einzeln kaufen: Alles lässt sich natürlich extra ordern, der Koffer bietet Platz für Erweiterungen und ein solches Setup ist im Kreise der Mikrofonkoffer bis 1000 Euro durchaus typisch. Insgesamt präsentiert sich das AKG Rhythm Pack als wetterfester Alleskönner mit zwar generell etwas wenig Bass, dafür aber einem sehr natürlichen und fein aufgelösten Klangbild, in dem besonders die D40 an den Toms und der Snare positiv herausstechen. Stressfreier kann man live kaum trommeln!

Unser Fazit:
4 / 5
Pro
  • gut abgestimmtes Set
  • gutes Preis-Leistungs-Verhältnis
  • sehr gute Snare- und Tom-Mikrofone
  • Klassiker D112 ist im Set enthalten
Contra
  • unbrauchbare Klemmen
  • nur zwei Tom-Mikrofone
  • kein gemeinsames Design
Artikelbild
AKG Rhythm Pack Test
Für 589,00€ bei
AKG_RhythmPack_02FIN
Facts
  • D112 (Bassdrum):
  • dynamisches Mikrofon mit Nierencharakteristik
  • Material: Aluminium
  • Farbe: Matt-Schwarz, Metallic glänzend, Anthrazyth
  • Frequenzgang: 20-17.000 Hz
  • Impedanz: 210 Ohm
  • Ausgangsstecker: eingebauter 3-pin XLRM-Stecker
  • Zubehör: Mikrofon-Klemme
  • Empfindlichkeit: 1,8 mV/Pa (-75 dBV)
  • D40 (Snare/Toms):
  • dynamisches Mikrofon mit Nierencharakteristik
  • Material: Metall
  • Farbe: Matt-Schwarz, Metallic-Schwarz, Anthrazyth
  • Frequenzgang: 75-20.000 Hz
  • Ausgangsstecker: eingebauter 3-pin XLRM-Stecker
  • Zubehör: Rim-Mikrofonklemme (Plastik, schwarz)
  • Empfindlichkeit: 4 mV/Pa (-48 dBV)
  • C430 (Overheads/Hihat):
  • Kondensator-Mikrofon mit Nierencharakteristik
  • Material: Aluminium
  • Farbe: Matt-Schwarz
  • Frequenzgang: 20-20.000Hz
  • Impedanz: 200 Ohm
  • Ausgangsstecker: eingebauter 3-pin XLRM-Stecker
  • Zubehör: Mikrofon-Klemme
  • Empfindlichkeit: 7 mV/Pa (-43 dBV)
  • Phantomspeisung: 9-52 V, ca 2 mA
  • Preis: EUR 569,00 (UVP)
Hot or Not
?
AKG_RhythmPack_23FIN Bild

Wie heiß findest Du dieses Produkt?

Kommentieren
Schreibe den ersten Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.
Bonedo YouTube
  • iZotope Ozone 12 Bass Control Demo (no talking)
  • LD Systems ICOA Pro Series - All you need to know!
  • Watch THIS if you use analog gear! Everything you need to know about the Freqport FreqInOut FO1