Electro-Voice EV ND86 und ND96 Test

Electro-Voice-Mikrofone sieht man in hiesigen Studios und auf Bühnen deutlich seltener als im Heimatland USA, aber dennoch haben sich EV ihren Platz neben Shure, Sennheiser, AKG und den vielen anderen Herstellern behaupten können – und zwar nicht seit Jahren, sondern Jahrzehnten.

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Das hat natürlich seinen Grund, und der liegt in der Klangqualität und der Zuverlässigkeit der Electro-Voice-Mikros. Nachdem wir aus der neuesten ND-Serie das EV ND76 getestet haben, widmet sich dieser Artikel den beiden mit der höheren Nummer im Produktkürzel (und auf dem Preisschild), nämlich EV ND86 und EV ND96.

Details

Polar Pattern: Superniere

Die ND-Serie, die auch einen ganzen Haufen Instrumentenmikrofone beinhaltet, beerbt die alte N/Dym-Serie, die das „Neodym“ noch auffälliger im Namen trug. Neodym ist eine Seltene Erde, die Magnete kräftiger beziehungsweise bei gleicher Kraft kleiner und leichter macht. Die Tauchspulenmembran von EV ND86 und ND96 reagiert anders auf die Einfallsrichtung von Schall als das Nierenmikro N76, nämlich in Supernierencharakteristik Damit ist die Unterscheidung von 76 und 86/96 ähnlich wie bei Shure, wo SM57/58 Nieren- und das Beta 57/58 Supernierencharakteristik aufweisen. Wichtig: Die Off-Axis der beiden Mikros dieses Reviews liegt nicht genau auf 180°, sondern bei 115 und 215°. Beide Vocal-Mikros besitzen in ihren stoßgeschützten Kapseln eine zweite Spule, die Brummen unterdrückt – also einen Humbucker.  

Fotostrecke: 5 Bilder Electro-Voice EV ND96, das teuerste Vocal-Mic der Range

Ähnlichkeiten und Unterschiede

Der Frequenzgang beider Mikrofone ist ähnlich, aber nicht gleich. Eine Hochmittenanhebung findet man bei beiden, genauso eine gewisse Unregelmäßigkeit in den Höhen und einen Abfall zu 20 kHz. Das ND96 ist im Bass laut Pegelfrequenzgang schlanker, beide Mikros haben aber eine ausgeprägte Bassanhebung durch den Nahbesprechungseffekt. Zwar ist der Mitten- und Tiefmittenbereich beim ND96 deutlich ausgeprägter, aber mit dem kleinen Presence-Switch, der dem ND86 fehlt, kann man dies „zurückfahren“. Für beide Mikros gibt Electro-Voice 350 Ohm Impedanz über 140 dB(SPL) als maximalen Schaldruckpegel an. Hoher Maximalschalldruck ist typisch für Tauchspulenmikrofone, die Impedanz der Mikrofone ist als eher hoch einzustufen, übliche Kabellängen von unter zehn Metern sollten an normalen Amps aber kein Problem darstellen. Ein Unterschied besteht allerdings beim Übertragungsfaktor, denn während das EV ND86 mit 2,4 mV/Pa ausgibt, sind es beim ND96 3,3 mV/Pa. Es wird daher ganz folgerichtig als „high gain“ beworben.  

Fotostrecke: 4 Bilder Das ND86 hat eine klassischere Kopfform.

Zinkdruckguss und unterschiedliche Kopfformen

Verpackt sind beide Electro-Voice-Mikrofone in konische Griffteile aus polyurethanbeschichtetem Zinkdruckguss, die Köpfe sind mit einem stabilen Metallgitter und innenliegendem Metallgewebe ausgestattet. Die Korbform ist jedoch höchst unterschiedlich, wie die Fotos zeigen. Das hat nicht nur Designgründe, sondern durchaus hohe Auswirkung auf den Sound eines Mikrofons. Sowohl ND86 als auch ND96 werden mit kleiner Tasche, Klemme und Reduziergewinde geliefert.  

Fotostrecke: 3 Bilder Das ND96 verfügt über die gleiche Griffergonomie wie das ND86.

Praxis

Das Electro-Voice EV ND96 erzieht

Die beiden Electro-Voice-Mikrofone EV ND86 und EV ND96 sind mit knapp 330 Gramm um ein Zehntel schwerer als ein Shure SM58, was sich im Praxisbetrieb bei der Handhaltung kaum bemerkbar macht. Wichtiger: Handling Noises sind tatsächlich recht gering, aber natürlich hört man es, wenn man mit einem beringten Finger an den Korpus schlägt – wie bei eigentlich jedem Mikro. Der Kragen zum Korpus trägt bei beiden zu korrekter Handhaltung bei, der flache Vorderkorb beim 96 erzieht geradezu zum axialen Besprechen. Tut man das nicht, handelt man sich dort etwas früher Klangfärbungen ein, wie der Vergleich der bei 45° eingesungenen Files zeigt.

ND96: Top-Mikro der ND-Range von Electro-Voice
ND96: Top-Mikro der ND-Range von Electro-Voice

Transienten unverschmiert

Sowohl ND86 als auch ND96 zeigen, dass sie keine Klassiker, sondern Neuentwicklungen sind. Zwar ist das Tauchspulenprinzip seit Jahrzehnten kaum verändert, doch haben die traditionellen Hersteller, zu denen Electro-Voice zweifelsohne zählt, einen enormen Erfahrungsschatz in der Entwicklung. Das merkt man daran, dass sie den Frequenzgang, das dynamische Verhalten und die Richtwirkung gut steuern können. Im Ergebnis haben wir hier zwei Mikrofone, die Transienten erstaunlich unverschmiert und nicht zu verrundet wiedergeben, einen geringen Noisefloor besitzen und auch mit hohem Schalldruck problemlos umgehen.  

Audio Samples
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EV ND86, 0 cm EV ND86, 10 cm EV ND86, 10 cm, 45 Grad EV ND86, 0 cm, mit Presence-Filter EV ND86, 0 cm, ohne Presence-Filter EV ND86, 10 cm EV ND86, 10 cm, 45 Grad EV ND76, 0 cm EV ND76, 10 cm EV ND76, 10 cm, 45 Grad Beyerdynamic M88, 0 cm Beyerdynamic M88, 10 cm Sennheiser e 835, 0 cm Sennheiser e 835, 10 cm Shure SM58, 0 cm Shure SM58, 10 cm Shure SM58, 10 cm, 45 Grad

Gratwanderung gelingt

Das 96 ist kerniger als das 86 und erinnert ein wenig an ein SM58, reibt aber weniger in den Präsenzen und klingt nicht so gedrungen, vor allem bei naher Besprechung. Und das ist für viele Stimmen wichtig: trotz kleiner Abstände offen zu bleiben. Auch die Überbassung durch den Nahbesprechungseffekt hält sich in Grenzen, beim 96 ist die Gefahr von Popplauten aber etwas höher als beim 86. Ordentlich Fundament haben beide, Durchsetzungsfähigkeit auch, aber nie ist auch nur ansatzweise Schärfe im Klang ein Problem. Diese Gratwanderung gelingt höherwertigen Mikrofonen etablierter Hersteller meist besser als den anderen. Der Presence-Switch des 96 nimmt weiteren Mumpf aus dem Signal – merklich, aber nicht übertrieben, sodass Stimmen in beiden Settings ordentlich und nicht bearbeitet klingen. Dass er nicht allzu leichtgängig ist, aber dennoch erreichbar, ist genau richtig.  

Fazit

Electro-Voice EV ND86 und EV96 sind Gesangsmikrofone, die man problemlos empfehlen kann. Vor allem das EV96, obwohl etwas poppempfindlicher, kann auf ganzer Linie überzeugen. Stimmen sind für ein Tauchspulenmikrofon recht klar, aber trotzdem durchsetzungsfähig, das Signal hat Power und setzt sich in vielen Situationen schon ohne EQ gut durch. Vor allem Sänger und Sängerinnen, die über eine gewisse Mikrofondisziplin verfügen, also Abstände und somit Bassigkeit gut regeln und den bei Supernieren etwas kleineren Sweet Spot einhalten können, sind mit den Mikros, besonders dem 96 auf der sicheren Seite. Der Präsenzschalter macht das Mikrofon tatsächlich flexibel, sodass man es auch als Verleiher in mehrfacher Ausführung im Case haben kann.  

Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • klarer, offener Klang
  • stabiles Pattern (besondes ND86)
  • hoher Übertragungsfaktor (ND96)
  • gut austarierte Klangalternative beim ND96
Contra
  • keins
Artikelbild
Electro-Voice EV ND86 und ND96 Test
Für 194,00€ bei
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FEATURES UND SPEZIFIKATIONEN
  • Richtcharakteristik: Superniere
  • Wandlerprinzip: dynamisch
  • Frequenzgang: 70 Hz – 17 kHz (ND86)
  • Frequenzgang: 140 Hz – 15 kHz (ND96)
  • Empfindlichkeit: 2,4 mV/Pa (ND86)
  • Empfindlichkeit: 3,3 mV/Pa (ND96)
  • Gewicht: 326 g (ND86) / 323 g (ND96)
  • Preis Schalterversion ND86: € 179,– (UVP)
  • Preis schalterlose Version ND96: € 229,– (UVP)
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