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Focusrite Saffire Pro 40 Test

Die Zeiten, in denen man auf dem Markt der Audio-Interfaces noch halbwegs den Überblick behalten konnte, sind so gut wie vorbei. Die Händler sind gezwungen, in ihren Internetshops eine lange Liste an Kriterien zur Auswahl zu stellen, damit der Kunde das System finden kann, welches für ihn gut geeignet ist. Wie es dann klingt und sich in der Praxis verhält, ist damit noch nicht sicher.

Der englische Pro-Audio-Hersteller Focusrite hat vor einiger Zeit die Zeichen erkannt und sich auf die Entwicklung von Interfaces konzentriert. Dabei könnte das Saffire Pro 40 das Interesse der Kundschaft besonders deutlich wecken, da es viele wichtige Features bietet. Wir haben uns dem 19″-Interface der Firma mit dem doppelten F-Loch als Symbol mit gewohnt strengem Blick und spitzem Bleistift genähert.

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Details
Es ist noch nicht sonderlich lange her, da beschränkten sich die Interfaces dieser Welt noch auf simple Ein- und Ausgänge. Da heute oft Pulte wegfallen, müssen diese Geräte mehr und mehr deren wichtige Funktionen mit übernehmen. Dementsprechend lang liest sich heute auch die Featureliste derartiger Systeme. An dieser Stelle könnt ihr noch einmal tief durchatmen. Ok? Dann geht es los:
Die Zahl 40 im Produktnamen rührt von der Summe der maximal nutzbaren Ein- und Ausgänge des Gerätes her, die sich wie folgt aufschlüsseln: Es gibt acht analoge Eingänge, die mit einer XLR/TRS-Kombibuchse (Autoswitch) ausgestattet sind. Zwei davon befinden sich direkt auf der Frontplatte. Nutzbare Signale für diese Inputs sind Line- oder Mikrofon-Signale, die ersten beiden vertragen zudem Instrument-Level und verfügen über ein 9dB-Pad. Ein zuschaltbares Hochpassfilter gibt es nicht. Die Nutzbarkeit von Phantomspeisung ist heute selbstverständlich, sie wird beim Pro 40 in Blöcken für die ersten und letzten vier Inputs geschaltet. Ausgangsseitig warten nicht acht, sondern zehn Buchsen auf Anschluss. Aufgrund des Routings ist es jedoch sinnvoll, zwei von ihnen als Monitoring-Outs zu verwenden, denn auf sie wirken auch Dim (18 dB), Mute und Monitor-Volume. Über die Control-Software ist es außerdem möglich, das Monitoring mono und einzelne Seiten stumm zu schalten.

Ein TOS-Buchsenpärchen empfängt und versendet optische Audiodaten, die entweder in S/PDIF- (stereo), ADAT- (achtkanalig bis 48 kHz) oder ADAT-SMUX-Formatierung (vierkanalig bis 96 kHz) vorliegen können. Die obligatorischen RCA-Buchsen für elektrische S/PDIF-Signale fehlen auch beim Focusrite nicht. Der mehrkanalige AC3-Standard wird freundlicherweise ebenfalls unterstützt. Einen separaten Wordclock-Input gibt es nicht, so dass das Gerät entweder Master ist oder die Taktung eines digitalen Inputs als Schrittmacher verwenden muss.
So: Hat jeder mitgezählt? Wenn ich acht analoge Ins, zehn analoge Outs, insgesamt vier S/PDIF Coax und die maximal 16 ADAT-Kanäle zusammenzähle, komme ich auf (8+10+4+16=) 38 Kanäle, nicht auf 40! Hmm. Die Briten mögen auf der “falschen” Straßenseite fahren, aber zählen können sie sehr gut, davon konnte ich mich selbst schon überzeugen. Die Lösung ist kein Trick, mit dem Marketingexperten versuchen, ein Produkt im besseren Licht dastehen zu lassen, sondern ein durchaus sinnvolles Gimmick der pfiffigen Inseleuropäer: Die verbleibenden zwei Inputs sind so genannte “Loopbacks”. Dies sind virtuelle Inputs, die sich in der umfangreichen Control-Software verwenden lassen. Sie können wahlweise das Signal der gerade aufgezählten physikalischen Inputs oder sogar zwei von 20 DAW-Outputs erhalten. Als wäre das nicht schon genug, können dies sogar Mixes sein, die mit der Software erstellt wurden. Das verspricht ein zwar komplexes, aber fähiges Routing. Und “Pro 40” klingt immerhin besser als “Pro 38”.

Generell hat man das Gefühl, dass die britischen Engineers ganze Arbeit geleistet haben, als sie das Gerät konzipierten. Da nach meiner Erfahrung in einer Studioumgebung immer irgendein MIDI-Gerät verkabelt werden muss, ist es ungemein sinnvoll, dass die zwar in die Jahre gekommene, aber immer noch nicht altersschwache MIDI-Schnittstelle mit an Bord ist. Da die Großzahl der Rechner nicht über mehrere Firewire-400-Ports verfügt, ist auch das Vorhandensein zweier FW-Buchsen eine Wohltat – denn in einer Produktion “mal eben” an die Library auf der FW-Platte zu müssen, kann sonst ganz schön nerven. Auch an die Standardsituation einer Gesangsaufnahme in einem Raum wurde gedacht: Es gibt zwei völlig voneinander getrennte Kopfhörer-Amps! Damit das Zahlenspiel mit “Pro 40” dadurch nicht völlig durcheinander kommt, sind die Phone-Outs Splits der Kanalpärchen 7/8 und 9/10.

Das Gerät kommuniziert per CoreAudio (OS X ab 10.4) und ASIO (XP und Vista), einen Stand-Alone-Modus gibt es leider nicht. Schade, denn gerne möchte man ab und zu sein Interface im Live-Betrieb für Mixing-Presets nutzen, vor allem als Keyboarder oder Elektronik-Frickler. Das Gerät arbeitet mit einer Samplerate von maximal 96 kHz, die Quantisierung beträgt 24 Bit. Über die genauen Spezifikationen der verbauten Wandler schweigt sich der Hersteller leider aus. Wer sich wundert, wie UK und ein solcher Preis zusammenpassen: Das Interface wird – wie fast alles heutzutage – von chinesischen Arbeitern zusammengesetzt.

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Praxis
Bei der Gehäuseform von Audio-Interfaces beißen sich die beiden Fälle Rackeinbau und Desktop-Betrieb. Abnehmbare Rackwinkel habe ich schon des Öfteren gesehen, aber die hier verwendete Form ist auch praktisch:

Die hässlichen Löcher für die Fixierung im 19″-Rack werden mit kleinen Blindplatten überdeckt. Ideal wäre noch, wenn diese irgendwo am Gerät fixiert werden könnten, damit man sie später nicht suchen muss (oder sowieso einfach wegschmeißt). Der etwas eigensinnige Umgang mit der Rack-Norm ist bei Focusrite nicht neu, denn die “Green”-Serie aus den 90ern hatte eine wellige, wie verschmortes Plastik wirkende Frontplatte und auf jeder Seite nur ein Loch – eines oben, eines unten.  
Das eingebaute Netzteil macht die Verkabelung leicht, da man dadurch von dieser Steckernetzteil-Pest verschont bleibt. Allerdings muss das Gerät dadurch auch beweisen, den Kampf gegen die Einstreuungen nicht zu verlieren. Bei der Verkabelung der Outs gibt es dann aber doch eine Fußangel. Linksverkehr in UK ist man gewöhnt, aber diese Reihenfolge der Wege (siehe Bild)? Nun gut, die Zahlen sind zwar aufgedruckt, aber bei halber Bestückung der Outs mit Steckern zwischen vielen anderen Kabeln und unter einem möglicherweise tieferen Gerät im dunklen Rack möchte ich behaupten, dass selbst englische Upper-Class-Techniker ihre berühmte Zurückhaltung aufgeben und sich aus dem dicken Lexikon der wunderbar üblen, englischen Schimpfwörter bedienen.

Das englische Alphabet geht übrigens so: A,B,K,J,I,H,F…
Das englische Alphabet geht übrigens so: A,B,K,J,I,H,F…

Ist die Installation der Hardware jedoch geglückt, schließt sich direkt die Installation des “soften” Pendants an. Dies erfolgt von CD und ist wirklich absolut unproblematisch. Neben dem Treiber und der Control-Software werden die VST/AU-Plug-Ins Compressor, Gate, Reverb und EQ mitgeliefert. Auf einer separaten CD befinden sich unter anderem Ableton Live Lite 7 und die “Bass Station” von Novation (die zu Focusrite gehören).
Die Tatsache allerdings, dass sich Focusrite offenbar gezwungen sahen, nachträglich einen kleinen, kopierten Zettel mit der Aufschrift “getting started” und den Standard-Routings für Kopfhörer und Monitoring beizufügen, spricht nicht gerade für die viel beschworene “intuitive Bedienbarkeit”. Ein wenig Farbe hätten die Engländer hier zugunsten der Übersichtlichkeit doch verteilen können.

(click to enlarge)

Hat man das Prinzip der verschiedenen Mixes und der Routingmöglichkeiten jedoch einmal verstanden (das Manual ist “ordentlich”), freut man sich über die ganzen Möglichkeiten. Zero-Latency-Monitoring geht dann von allen Quellen genauso leicht von der Hand wie das weitere Versenden von Signalen zur DAW und von dieser zu externen Geräten. Die Monitor-Sektion lässt sich entweder von der Software oder der Hardware aus bedienen, bei einigen Konfigurationen ist es für Neulinge ratsam, zumindest in Reichweite einer nachgeschalteten Volume-Control oder gar des Netzschalters zur Abhöranlage zu sitzen: Man kann die Volume-Regelung mit Shift-Click komplett umgehen (!). Schön ist, dass sich Presets selbst bis 7.1-Mehrkanal auswählen lassen!

Klanglich erfüllt das Saffire die Erwartungen, die man heute an derartige Geräte hat. Es brummt nichts, die Mic-Pres sind nicht nur als “Dreingabe” zu verstehen. Sicher: gute Mikrofonvorverstärker kosten sehr viel Geld, so dass hier keine Qualität wie aus der Red-Range erwartet werden kann. Ich kann dennoch guten Gewissens behaupten, dass sich damit mehr als „nur arbeiten lässt“. Bis auf Schlüsselsignale wie Gesang oder Hauptmikrofon würde ich ihnen in einer Produktion durchaus vertrauen. Im Höhenbereich erscheint das Saffire etwas zu spitz. Dies ist für den ersten Eindruck sicher angenehm und suggeriert sehr hohe Qualität (“Toll, wie die Höhen übertragen werden!”), der ISA220 aus gleichem Hause wirkt aber im Vergleich weitaus ausgeglichener und unaufdringlicher. Aus den beiden Audiofiles von meinem Arbeitsplatz (mit einer akustisch sehr prominenten Tüte Studentenfutter) wird aber auch deutlich, dass die Unterschiede so signifikant nicht sind. Spätestens mit dem Pro 40 sind auch die “normalen” (also bezahlbaren) Audio-Interfaces dieser Welt bei der für professionelle Produktionen notwendigen Qualitätsstufe angekommen.

Audio Samples
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Büroatmo Pro 40 Büroatmo ISA220 Sax (Kondenser) Pro 40 Sax (Kondenser) ISA220 Sax (Dyn.) Pro 40 Sax (Dyn.) ISA220

Wirklich signifikante Unterschiede hören sich anders an.

Die Performance des Interfaces lässt keinen Grund zum Meckern, es lassen sich auch bei größeren Projekten akzeptabel kleine Buffer-Sizes einstellen. Das Locking auf fremde Taktgeber erfolgt flott und unkompliziert, die A/D- und D/A-gewandelten Signale weisen durch Syncing keine wahrnehmbaren Unterschiede auf. Die laut Focusrite neuartige Phase-Locked-Loop-Technologie scheint also Wirkung zu zeigen. Wirklich vermisst habe ich, dass das Metering nicht ganz so flexibel ist wie das Routing. Ich möchte mir auf einer Frontplatte alle relevanten Pegel anzeigen lassen, um nicht immer vor dem Bildschirm hängen zu müssen. Schließlich habe ich auch mal Mikrofone in der Hand, die ich ausrichten möchte und dergleichen.

In meinen Augen hat das Pro 40 es nicht nötig, mit zusätzlichen Plug-Ins auf Kundenfang zu gehen. Zum einen rechtfertigen Ausstattung und Qualität den Preis des Gerätes, zum anderen können diese Plug-Ins dem hohen Anspruch des Interfaces nicht gerecht werden. Nur weil Focusrite draufsteht, bedeutet das nicht automatisch gute Qualität (das hat das Unternehmen in der Vergangenheit auch mit diverser Hardware unter Beweis gestellt). Die Mittelklasse-Plug-Ins schaffen es gerade einmal, neben den Standards der meisten DAW-Hersteller nicht schamvoll rot zu werden. Ich muss immer an Verkaufsfernsehen denken: “Wenn sie jetzt bestellen, erhalten sie diese hochwertige Fliegeruhr gratis dazu!” Weckt nicht gerade mein Vertrauen…

Der absolute “Knaller” ist das EQ-Plug: Ich habe es im Demosong einfach aus dem Bypass herausgenommen und das Signal hindurchgeschickt, ohne auch nur ein Gain zu verändern. Das, was dabei passiert, spricht Bände und ist wirklich peinlich für den Hersteller mit dem Doppel-F. Ein Gain-Change mit dem EQ zu machen, will ich euch und euren Ohren ersparen. Auch das Reverb spricht für sich: Am besten gar nicht erst installieren…

Audio Samples
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EQ Compressor auf Drums Reverb
ff_Saffire_40_Pro__111
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Fazit
Ihren Saphir hätten Focusrite meinetwegen auch “Diamant” oder so nennen können: Es handelt sich beim Saffire Pro 40 um ein durchaus gelungenes Produkt, das Ausstattungs- wie Qualitäts-seitig voll überzeugen kann. Es berücksichtigt die Großzahl an denkbaren Anwendungs- und Konfigurationsanforderungen an ein Gerät dieser Klasse, zahlreiche Details beweisen, dass man in England den Kunden gut zugehört hat und Produkte nicht im Elfenbeinturm designt. Sicher kann man sich mehr Bedienelemente, mehr Platz, MTC- und LTC-Sync, Wordclock, AES/EBU, kilometerlange LED-Ketten und dergleichen wünschen, aber das ist ja immer so. Den Preis würden die Briten dann bestimmt nicht mehr halten können und das Saffire wäre kein “Middle-of-the-Road”-Produkt mehr. Ehrlich: Ich bin jetzt schon auf den Nachfolger gespannt!

Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • Ausstattung
  • Klangqualität (v.a. der Mic-Pres)
  • (eingeschränkt) surroundfähig
  • Performance
  • Flexibilität des Routings
  • Preis
Contra
  • Fehlen einiger professioneller Features (u.a. flexibleres Hardware-Metering)
  • kein Stand-Alone-Modus
  • mitgelieferte Plug-Ins
Artikelbild
Focusrite Saffire Pro 40 Test
Für 499,00€ bei
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TECHNISCHE DATEN
  • Firewire-Audiointerface
  • 19″, 1HE, 3 kg, 26,5 cm Tiefe
  • eingebautes Netzteil
  • 96 kHz, 24 Bit AD/DA
  • acht analoge Inputs (Combobuchse XLR/TRS), Mic/Line
  • zwei der Inputs auf Instrument-Level schaltbar, mit Pad
  • 48V-Phantomspeisung (schaltbar: Ch 1-4 und 5-8)
  • zehn analoge Outputs (alle für Multichannel-Monitoring nutzbar)
  • Monitoring-Funktionen
  • zwei separate Kopfhörer-Verstärker
  • TOS-I/O (S/PDIF, ADAT, SMUX)
  • S/PDIF-koaxial-I/O
  • zwei Firewire-Ports
  • MIDI-I/O
  • CoreAudio- und ASIO-Treiber
  • Control-Software mit verschiedenen Mix-Settings und flexiblen Routingmöglichkeiten
  • Ableton Live Lite 7 im Lieferumfang
  • Novation Bass-Station im Lieferumfang
  • Preis: € 529,- (UVP)




Testfiles:
Mikrofon Atmo: Oktava MC012 (russ. Produktion) Druckempfänger-Kapsel
Mikrofone Altsaxophon: Sennheiser MD21, Mojave Audio MA-201FET
Kabel: Van Damme Star Quad
Vergleichspreamp: Focusrite ISA220 (EQ/Dyn: Bypass)

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Profilbild von Stefan

Stefan sagt:

#1 - 11.03.2013 um 12:36 Uhr

0

Inzwischen ist ein Stand-Alone Betrieb mit
dem Saffire Pro 40 möglich.
In der Mixer-Control-Software:
SaffireMixControl->Menü->Datei->Save to Hardware.
Bitte die Bewertung anpassen da es sonst zu
Irritationen kommen kann.

Profilbild von Nick (bonedo)

Nick (bonedo) sagt:

#2 - 11.03.2013 um 14:59 Uhr

0

Hallo Stefan, vielen Dank für den Hinweis. Wir können nur leider in der Regel keine Updates aller Testberichte liefern. Schön aber, dass das jetzt geht! Mit besten Grüßen, Nick

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