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Gibson Flying V Melody Maker Test

Die Zeiten ändern sich, und dass früher alles besser gewesen sein soll, kann ich auch nicht uneingeschränkt bestätigen. Als Junge spazierte ich irgendwann in den nächstgelegenen Musikladen, sah sie und verliebte mich auf den ersten Blick. Klar, dass ich dann öfters dort war und nach einigen Wochen traute ich mich zum ersten Mal, den Verkäufer anzusprechen. Und ich durfte sie spielen, eine Gibson Les Paul, das Objekt meiner Begierde. Ab diesem Zeitpunkt waren wir ein Paar und ich besuchte sie jede Woche und spielte sie so lange, bis die Leute im Laden total genervt waren. Dann ging es traurig nach Hause und die Spannung stieg wieder bis zum nächsten Besuch. Ob sie noch da sein wird? Oder hatte sich irgendein reicher Schnösel, der zudem überhaupt nicht spielen konnte, meine Gitarre gekauft, sie mir also quasi ausgespannt. Aber als Schüler 2000 Mark für die Lady auf den Tisch zu legen, war kaum machbar. Dafür musste man fast bis zur Rente Zeitungen austragen oder mindestens eine Bank überfallen.

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Diese Sorgen sind heute etwas seltener. Klar, für eine Les Paul kann man immer noch eine richtige Stange Geld hinblättern, aber mittlerweile gibt es Original Gibson Gitarren zu einem extrem günstigen Kurs. Dazu gehören auch die etwas einfacher gehaltenen Instrumente der Melody Maker Serie, die der Hersteller schon seit Ende der fünfziger Jahre im Programm hat. Bei unserer Testkandidatin handelt es sich zwar nicht um eine Les Paul, sondern um eine Flying V Melody Maker, dafür aber um einen absoluten Preisknüller! Was dieses Schnäppchen, das schon für weniger als 500 Euro über die Ladentheke geht, so alles zu bieten hat, erfahrt ihr im folgenden Test.

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DETAILS

Korpus
Die Flying V Melody Maker Serie ist in drei unterschiedlichen Farben erhältlich, in Schwarz, Weiß und Blau. Letztere trägt unser Testmodell, die genaue Bezeichnung ist Satin Blue. Hier macht sich auch der günstige Preis bemerkbar, denn es gibt keine aufwendige Mehrfach-Lackierung, das Finish zeigt sich sehr rudimentär in einfachem mattem Blau, das ich aber prinzipiell nicht schlecht finde. Die Gitarre hat eben nicht dieses neue Hochglanz Outfit, sieht eher schon etwas gebraucht aus, obwohl es natürlich nicht so ist. Sie ist insgesamt sehr schlicht gestaltet, die V-Form ziert ein kleines schwarzes Schlagbrett mit einem Pickup und dem dazugehörigen Volume-Regler, daneben die Klinkenbuchse. Auch die Bridge ist nur einteilig. Statt einer Tune-O-Matic mit Stop Tailpiece, wie es bei den „großen“ Flying V’s der Fall ist, verrichtet hier ein einfaches Wrap Around Tailpiece seinen Dienst. Eine Brücke also, bei der die Saiten von der Hals-Seite aus eingefädelt und dann um die Brücke gewickelt werden. Mehr gibt’s nicht, höchstens noch die Gurtpins, einer am Ende des oberen V-Flügels, der andere auf der Korpusrückseite am Übergang zum Hals. Die werden auch sicherlich benötigt, denn eine Flying V ist bekanntlich im Sitzen nicht sehr bequem zu spielen.

Pickup
Was die Auswahl des Tonabnehmers anbetrifft, hat man sich nicht lumpen lassen und einen Seymour Duncan Ceramic HB-103 eingebaut. Dieser Pickup ist nah am Steg positioniert und bringt eine gute Ausgangsleistung mit, die den Amp schon recht früh zum Zerren bringen kann. Genaueres dazu werdet ihr im Praxisteil erfahren.

Hals
Der eingeleimte Hals ist auf der Rückseite genau wie die gesamte Kopfplatte ebenfalls blau lackiert. Beim Holz verlässt man sich mit Mahagoni und einem Ahorn-Griffbrett auf Bewährtes. Das Halsprofil wird vom Hersteller als Melody Maker bezeichnet, eine etwas kräftigere D-Form, die aber gut in der Hand liegt. Auf dem Griffbrett befinden sich 22 Medium Frets, die eine kurze Einspielzeit benötigen, um Bendings glatt und ohne Widerstand zuzulassen. Hier macht die Flying V keinen Unterschied zu den meisten preisgünstigen Gitarren, bei denen man noch etwas Hand anlegen muss, um das Optimum aus ihnen herauszuholen. Für viele Gitarristen ist das eine Plage, andere hingegen entwickeln einen gewissen Heimwerker-Geist und freuen sich, wenn sie ihre Gitarre etwas pimpen und ihr so einen Hauch Individualität verpassen können. Die Flying V ist natürlich, bedingt durch den schmalen Korpus am Halsansatz, in den oberen Lagen exzellent bespielbar, die Orientierung und das Treffen der richtigen Töne ist durch die Punktmarkierungen auf dem Griffbrett und an der Hals-Leiste optimal gewährleistet. Die Kopfplatte ist im Vergleich zu den Standard Flying V’s etwas kleiner und an beiden Seiten mit je drei White Button Tuner bestückt, die problemlos ihre Arbeit verrichten. Aus Platzmangel ist der Gibson-Schriftzug auf der Abdeckplatte für den Halsstellstab eingraviert, direkt über dem Kunststoffsattel, über den es auch nichts Nachteiliges zu berichten gibt. Er ist für die mitgelieferte Saitenstärke (010-046) gut ausgefeilt und ausreichend glatt, sodass die Gitarre weder beim Stimmen noch bei Bendings oder Vibratos ihre Stimmung verliert.

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PRAXIS
Die Flying V Melody Maker kommt trotz ihres günstigen Preises in einem gut gefütterten Gigbag. Man sollte sich aber gleich einen Gurt zulegen, denn im Sitzen lässt sie sich schlecht spielen, es gibt keinen richtigen Auflagepunkt. Rocken funktioniert eben nur im Stehen (oder im Liegen), basta! Also anschnallen und los gehts.
Auch ohne Amp macht die Gitarre schon ordentlich Krach und klingt recht perkussiv, hinterlässt also auf jeden Fall einen guten Eindruck. Mal sehen und hören, was der Pickup daraus macht. Beim Einstöpseln des Kabels fällt leider die Position der Buchse etwas negativ auf. Wenn man einen normalen Klinkenstecker benutzt, dann kann dieser bei weiten Anschlägen im Weg sein, denn er steht ja senkrecht aus der Gitarre und die Buchse befindet sich relativ nah am Steg. Ein Winkelstecker ist da auf jeden Fall vorteilhafter. Obwohl das Instrument nach einem verzerrten Amp schreit, wird zuerst der Basis-Sound mit einem unverzerrten Sound getestet. Der Seymour Duncan Pickup macht natürlich Dampf, der Ausgangspegel liegt im Standardbereich eines Humbucker Pickups. Den Klang würde ich als abgerundet bezeichnen. Für die Steg-Position klingt der Tonabnehmer noch verhältnismäßig weich, hat aber nicht die aggressiven Höhen manch anderer Kollegen und auch der Bassbereich ist satt vertreten, also absolut Cleansound-tauglich.

Audio Samples
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Clean

Wenn man den Volume-Regler etwas zurücknimmt, wird der Pegel nur unwesentlich geringer, aber die Höhen werden leicht abgesenkt, sodass sich die Flying V auch mit ganz normalen Lagerfeuer-Strummings zufriedengibt.

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Clean Strumming

Crunch/Dynamik
Der Pickup leistet wirklich hervorragende Arbeit, was bei den leicht angezerrten Sounds besonders gut zum Vorschein kommt. Die Anschlagsnuancen werden optimal übertragen, er bügelt nicht alles platt, sondern hat eine sehr transparente Wiedergabe. Das ist natürlich bei einer Gitarre mit nur einem Tonabnehmer und Volume-Regler elementar wichtig, denn wenn der Pickup keine dynamischen Spielereien zulässt, dann sieht es schon mal ziemlich grau aus mit den Klangvariationen. Aber keine Angst, die gibt es hier, wie man bei folgendem Beispiel hören kann. Die Flying V hängt am Marshall Plexi, Volume ist an der Gitarre voll aufgedreht und zuerst wird leicht angeschlagen und dann geht es härter zur Sache. Das Ergebnis kann sich hören lassen, der Sound ist zuerst nur minimal verzerrt, beim härteren Anschlag erzeugt die Gitarre einen schönen Crunchsound, der auch etwas höhenbetonter wird, was dem Durchsetzungsvermögen natürlich sehr entgegenkommt.

Audio Samples
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Crunch Dyna

Mid Gain
Bei mittigem Rockbrett-Sound läuft der Düsenjäger natürlich zur Hochform auf und kommt in Verbindung mit dem etwas höher verzerrten Marshall besonders knackig rüber. Sehr gut gefällt mir die direkte Ansprache des Instrumentes, aber auch die wirklich präsente Basswiedergabe. Hier ist nichts mulmig oder verwaschen, die Töne auf den tiefen Saiten kommen kerzengerade aus dem Amp.

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Mid Gain

Hi Gain
Für einen transparenten Bandsound ist diese klare Basswiedergabe ein existenzielles Element. Besonders wenn Riffs auf den tiefen Saiten gespielt werden, am besten noch von zwei Gitarristen, dann sind Gitarren mit dieser Klarheit in den Bässen gefragt. Auch bei Hi Gain Sounds gibt es nichts zu beanstanden, die Übertragung der Pinch Harmonics klappt ausgezeichnet, auch hier kann man seine eigenen Spielarten sehr gut ausfahren.

Audio Samples
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Harmonics

Auch bei hoher Verzerrung werden die Anschläge noch klar übertragen und kommen deutlich aus dem Verstärker. Das beweist der übliche Test zur Akkordverständlichkeit: Die Akkorde E, G, D, A und E werden langsam nacheinander gespielt und sind auch als solche noch zu erkennen. Auch beim letzten Akkord, dessen Saiten einzeln angeschlagen werden, ist der jeweilige Ton trotz hoher Verzerrung noch gut im Klangwust zu orten.

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Chords

Metal
In dieser Disziplin behauptet sich die Flying V ebenfalls sehr gut, was ich auch nicht anders erwartet habe. Man kann mit der Gitarre sehr präzise Riffs abfeuern, auch wenn die Saiten tiefer gestimmt sind. Der Wrap-Around Steg bietet eine gute Auflagefläche für die rechte Hand, sodass Palm Mute Attacken entsprechend absolviert werden können. Was bei den Sounds mit höherer Verzerrung leider etwas stört, ist das Einstreuverhalten des Pickups, hier hätte man die Abschirmung etwas sorgfältiger ausführen sollen. Aber irgendwo muss eben gespart werden, denn bei dem Preis kann man keine Weltwunder erwarten. Wenn ein guter Techniker rekrutiert wird, ist dieses Problem aber im Handumdrehen gelöst.

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Metal
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FAZIT
Viel Gibson-Rock für wenig Geld. Die Flying V Melody Maker hat trotz sparsamer Ausstattung und einem entsprechend geringen Kaufpreis einiges zu bieten. Es gibt zwar nur einen Pickup und einen Volume-Regler, aber keine Abstriche bei der Qualität. Der Seymour Duncan HB-103 liefert einen sehr transparenten Ton und überzeugt durch eine gute Übertragung. Alle Anschlagsvarianten werden optimal an den Amp weitergeleitet und sichern eine große, vom Gitarristen gesteuerte Klangvielfalt. Der etwas kräftigere Hals lässt sich gut bespielen, Flachbrettspieler werden sich etwas umgewöhnen müssen. Dafür erhält man eine gute Ansprache mit entsprechendem Sustain und Obertonverhalten. Am besten hat mir die Flying V bei den verzerrten Sounds gefallen, aber auch im Cleanbereich kann man das Instrument einsetzen, denn der Pickup klingt sehr rund und nicht bissig. Wer auf Flying V steht und eine Gibson zu einem sehr guten Kurs haben möchte, der sollte die Flying V Melody Maker unbedingt antesten.

Unser Fazit:
4 / 5
Pro
  • Sound
  • Dynamik, Tonübertragung des Pickups
  • Preis
  • Einstellung des Halses und der Saitenlage ab Werk
Contra
  • Einstreuungsverhalten bei Hi-Gain-Sounds
  • Position der Anschlussbuchse
Artikelbild
Gibson Flying V Melody Maker Test
Für 299,00€ bei
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Facts
  • Hersteller: Gibson
  • Model: Flying V Melody Maker
  • Finish: Satin Blue
  • Korpus: Ahorn
  • Hals: Mahagoni
  • Profil: Melody Maker
  • Griffbrett: Ahorn
  • Halsbr.Sattel: 43 mm
  • Halsbr. 12.Bd.: 53 mm
  • Halsdicke 5. Bund: 24,5 mm
  • Mensur: 628 mm
  • Bünde: 22 Medium Frets
  • Mechaniken: Gibson White Button
  • Pickups: Seymour Duncan HB-103 Ceramic Humbucker
  • Regler: 1x Volume
  • Brücke: Wrap Around Bridge
  • Zubehör: Gigbag
  • Preis: 449,- Euro
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