Neumann KM 183 und KM 184 Test

Im Test verschiedener Kleinmembran-Kondensatormikrofone darf natürlich auch Neumann mit den Modellen KM 183 und KM 184 nicht fehlen. Der traditionsreiche Hersteller ist vor allem für seine Großmembran-Kondensatormikrofone bekannt. Kunststück: Georg Neumann ist der Urvater des heutigen Kondensator-Mikrofons. Doch neben U87, U89, M 149 Tube, TLM 103 und einigen anderen Schätzchen im aktuellen Sortiment ist besonders die nichtmodulare KM-180-Serie sehr beliebt. 

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Auf dem Markt positionieren sich die 180er-Mikrofone preislich deutlich unter den Top-Produkten – auch denen aus eigenem Haus: Die wesentlich unbekanntere Modularserie ist deutlich teurer, gilt aber auch als hochwertiger. Zudem ist es mit der Kapsel KK 120 die einzige Möglichkeit, eine Kleinmembran-Acht von Neumann zu nutzen. Das Nierenmikrofon KM 184 findet man häufig in Studios, es ist jedoch auch auf Bühnen öfter zu sehen. 

Details

183, 184 und 185

Insgesamt drei verschiedene Mikrofone sind in der Kleinmembran-Serie 180 verfügbar. Anhand der letzten Zahl der Produkbezeichnung erkennt man die Richtcharakteristik: 184 steht für die Niere, 183 für die ebenfalls getestete Druckempfänger-Kugel. Die Hyperniere trägt eine 5 als letzte Ziffer. Die Serie 180 beerbt ihre Vorgänger, im Falle des KM 184 das KM 84, das tonadergespeiste KM 74 sowie das KM 64. Das 64 entstammt noch der Röhrenzeit und wurde mit einer heute sehr raren AC-701K-Triode von Telefunken betrieben. Die aktuelle Produktrange ist nicht nur röhren- sondern auch übertragerlos – das KM 184 könnte also nach Neumann-Bezeichnungslogik auch TLM 184 heißen. 

Fotostrecke: 8 Bilder An den vorhandenen oder fehlenden Schalleintrittsöffnungen zu unterscheiden: DE- und DGE-Version der KM-Mikros

KM 183: 0,5% Verzerrungsprodukte erst bei 140 dB(SPL)

Beide Mikrofone verfügen über die gleiche schlichte Optik. Auch in mattem Schwarz erhältlich, bilden die Mikrofone einfache Mattnickel-Zylinder von etwas über 10 Zentimetern Länge und 22 Millimetern Durchmesser, jedes KM wiegt etwa 80 Gramm. Auffälligstes Merkmal ist das rote Neumann-Emblem, eine blaue Raute würde auf ein digitales Neumann-Mikrofon schließen lassen. Die analogen Varianten werden per XLR-Male-Buchse mit der Außenwelt verbunden, das wird sicher niemanden verwundern. Mit 50 Ohm ist die Ausgangsimpedanz erstaunlich gering, sodass man schon mit niederohmigen Eingängen keinerlei Klangfarbenänderungen zu befürchten hat. Möchte  man die Richtcharakteristika unterscheiden, hilft neben dem Produktkürzel und dem aufgedruckten Symbol ein Blick auf den optisch durch einen Spalt abgesetzten Kopf: Das KM 183 hat keine seitlichen Schalleintrittsöffnungen, denn als echter Druckempfänger benötigt es sie auch nicht. Blickt man auf die Kapsel, erkennt man hinter dem oberen Schutzgitter ein gelochtes Blech. Dies ist ein Indiz für die Verwendung eines Push-Pull-Kondensators, in dessen Mitte die eigentliche Membran liegt. Womöglich besonders dadurch kann bei gleichzeitig hohem Grenzschalldruckpegel ein A-bewerteter Ersatzgeräuschpegel von 13 dB erzielt werden: Das KM 184 produziert erst bei 138 dB(SPL) 0,5 % Klirr, das KM 183 sogar erst bei 140. Der Feldleerlauf-Übertragungsfaktor liegt bei 12 (KM 183) und 15 mV/Pa (KM 184). 

KM 184 erbt nicht die Linearität des KM 84

Anders als das Neumann KM 84 weist das Mitte 1993 vorgestellte KM 184 nicht mehr die unaufgeregten Höhen auf, sondern ist mit einem leichten Boost bei einer Mittenfrequenz von 9 kHz ausgestattet. Laut Neumann-Unterlagen ist dies aber nicht durch Resonanzen geschehen (die vor allem bei preiswerteren Mikrofonen gerne auch ihre klanglich negativen Auswirkungen unter Beweis stellen), sondern durch gezielte Veränderung des hinteren Schallzutritts. Im Bassbereich zeigt das Mikrofon einen Roll-Off, welcher um die 100 Hz beginnt und bei etwa 80 Hz -3 dB Dämfung erreicht. Bei 20 Hz liegt der Pegelverlust schon bei gut 10 dB. Nicht vergessen: Diese Angaben gelten bei normierter Freifeldmessung, wer “mehr Bass” möchte, bewegt das Mikrofon näher an die Schallquelle und nutzt den Nahbesprechungseffekt – das MK 184 ist schließlich ein Druckgradientenempfänger. 

Das KM 183 ist stark diffusfeldentzerrt

Bei einem Druckempfänger wie dem Neumann KM 183 sieht es anders aus: Der Druckstau vor der Membran erhöht besonders die Frequenzbereiche mit geringer Wellenlänge, also hoher Frequenz. Optimiert man den Frequenzgang eines Druckmikrofons auf den Nahbereich, ist es bei größerem Abstand höhenarm und fade. Das KM 183 ist jedoch diffusfeldentzerrt – und zwar sehr deutlich: Bei 10 kHz liegt die Übertragung um geschlagene 7 dB über der bei 1 kHz. Toll ist, dass trotzt dieser Entzerrung die Kugelform des Polar Patterns auch erst bei 10 kHz merklich zusammenfällt und das Mikrofon richtend wird. Im Bass ist das Omni-Mikrofon erst im Infraschall beschränkt, sodass selbst 20 Hz noch ohne Pegelverlust übertragen werden.

Fotostrecke: 4 Bilder Stereoset Neumann KM 184

Komplette Kiste

Erwirbt man Neumanns KM 183 oder 184 als Stereopärchen, erhält man dieses in einer schnieken Holzkiste. In dieser finden in Schaumstoff-Formausschnitten beide Mikros Platz, zudem passen noch die beiden mitgelieferten Windschütze und die winkelbaren Mikrofonklemmen in die Box – mehr nicht. Sehr gut, dass Neumann hier nicht wie manche andere Hersteller mit dicken Kisten angeben will. Sehr gut ist allerdings auch, dass es eine alltagstaugliche Verpackung überhaupt gibt: So manches Neumann-Mikro kommt ganz banal im Pappkarton.

Praxis

Das Neumann KM 184 gilt gemeinhin als zuverlässiges und vor allem gut einschätzbares Mikrofon zu einem vernünftigen Preis. Genau das deckt sich auch mit meinen Erfahrungen, denn mit dem 184 und einigen Vorgängern habe ich schon viel gearbeitet. Sie zeigen in den Audiobeispielen genau die klanglichen Eigenschaften, die zu erwarten sind: Die Gitarre klingt kräftig und kernig, hat durch die starken Präsenzen eine gute Durchsetzungsfähigkeit – dies liefert auch eine Begründung dafür, dass die 184er auch im Livebetrieb gerne genutzt werden. Mit dem EQ darf man ordentlich zulangen, ohne dass das Signal zerfällt, das gilt in ähnlichem Maße auch für die Dynamikbearbeitung. Allerdings wirken die mit der Neumann-Kleinmembran-Niere aufgezeichneten Signale in der Tendenz leicht grobschlächtig. Hier haben wir einen der wesentlichen Unterschiede zu deutlich teureren Mikrofonen: Die 184 gehen mit Transienten etwas gemütlicher um, tendieren ein wenig dazu, Signale zu verdichten und lösen nicht so weit auf, wie man es für manche Signale gerne hätte. Besonders an der Akustikgitarre, aber auch als Overheads eingesetzt, kann man sich für sehr zarte Signale ein wenig mehr Details wünschen – bei der Gitarre wären dies vor allem die feinen Strukturen der gehaltenen Töne sowie der Geräuschanteil des unmittelbaren Attackbereichs. Insgesamt neigen die absoluten Höhen sogar zur (allerdings ausreichend “edlen”) Mattigkeit. Die Pegelunterfütterung des einsetzenden zweistelligen Frequenzbereichs klingt beim KM 184 jedoch wesentlich besser als bei vielen anderen Mikrofonen! Sehr angenehm ist, dass die Kondensatormikrofone auch subjektiv rauscharm sind sowie ordentliche Pegel vertragen – wird die Zerrgrenze erreicht, geht es allerdings schnell sehr ruppig zur Sache. Das gilt ohne Einschränkungen auch für den Nahbesprechungseffekt: Bis zu einem gewissen Punkt lässt er sich hervorragend steuern, dann “kippt” er schnell um. Vorsicht also bei sehr nah mikrofonierten Hi-Hats!

Audio Samples
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Neumann KM 184 Neumann KM 183

Die Druckgradientenempfänger KM 183 liefern genau die Ergebnisse, die man von Mikrofonen dieser Bauart und Preisklasse erwarten kann. Nicht weniger, aber auch nicht mehr. Zur absoluten Oberklasse ist qualitativ Luft, was sich am Detailreichtum, an der Schnelligkeit und am ganz leicht matten Air-Band ablesen lässt. Im Vergleich zu den (mehr als doppelt so teuren) Schoeps fällt besonders auf, dass die Neumänner etwas präsenter sind, gleichzeitig geringfügig dichtere, weniger offene und gedrungenere Signale liefern. Trotz allem ist der Raumeindruck der beiden Stäbchen imposant, besonders im Tiefbass kann man sich nichts anderes wünschen. Die Ähnlichkeit innerhalb der Serie 180 wird auch bei den Kugeln deutlich: Man erhält prunklose Signale professioneller Qualität, die sich hervorragend formen, bei Bedarf sogar geradezu verbiegen lassen. Nicht zuletzt deswegen gelten die Neumann-Kleinmembraner als absolut verlässliche Arbeitstiere – ähnlich wie U 87 und U 89.

Fotostrecke: 5 Bilder KM 183 im AB-Setup

Fazit

Die Neumann-Mikrofone KM 183 und KM 184 gelten bei vielen Musikern und Technikern als die besten verfügbaren Kleinmembranmikros – wenn sie mit deutlich teureren noch nicht Bekanntschaft machen durften. Natürlich ist ein Mikrofon nicht dadurch besonders, dass ein Neumann-Logo angebracht ist, und man kann bei ganz genauem Hinhören den ein oder anderen klanglichen Wunsch an das Signal feststellen, doch ich will die Mikrofone keineswegs schlechtreden: Für einen Ladenpreis von etwa 1200 Euro gibt es nur wenige Alternativen: Sowohl KM 184 als auch KM 183 sind gut verarbeitet, liefern sehr professionelle, rauscharme, einschätzbare Signale, die in jeder Situation sehr gute Dienste leisten, verzichten auf Schnickschnack und sind pegelfest. Und dass sie seit numehr 20 Jahren gebaut werden und eine enorme weltweite Verbreitung haben, spricht ebenfalls für sie. 

Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • Pegelfestigkeit
  • Rauscharmut
  • frequenzstabile Richtwirkung (KM 184)
  • Signale lassen sich gut formen
Contra
  • leichte Tendenz zu Verdichtung und Detailarmut
Artikelbild
Neumann KM 183 und KM 184 Test
Für 1.375,00€ bei
Ordentlicher Sound zum angemessenen Preis: Neumanns Kleinmembran-Serie KM 18x.
Ordentlicher Sound zum angemessenen Preis: Neumanns Kleinmembran-Serie KM 18x.

Spezifikationen

  • Empfängerprinzip: Druckgradientenempfänger (184), Druckempfänger (183)
  • Richtcharakteristik: Niere (184), Kugel (183)
  • Wandlerprinzip: Kondensator
  • Betriebsspannung: 48 V Phantomspeisung
  • Frequenzgang: 20 Hz – 20 kHz (± 3 dB)
  • Übertragungsfaktor: 12 mV/Pa (183), 15 mV/Pa (184)
  • THD+N 183: 13 dB(A-bewertet)
  • THD+N 184: 15 dB(A-bewertet)
  • maximaler Schalldruckpegel 183: 148 dB SPL (0,5% THD+N)
  • maximaler Schalldruckpegel 184: 138 dB SPL (0,5% THD+N)
  • Vordämpfung: intern 10 dB
  • Preis (Stereoset 183): 1520,- € (UVP)
  • Preis (Stereoset 184): 1399,- € (UVP)
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