Focusrite Scarlett 4i4 3rd Generation Test

Focusrites Scarlett-Familie geht in die dritte Runde! Die populären USB-Audio-Interfaces gibt es in sechs unterschiedlichen Varianten, die sich hauptsächlich in der Art und Anzahl der Ein- und Ausgänge unterscheiden.

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Unser Testmodell, das Scarlett 4i4, ist mit vier analogen I/Os ausgestattet, womit es quasi der erweiterte Nachfolger des Scarlett 2i4 (2nd Gen) ist, das lediglich zwei Eingänge besitzt. Welche Features das 4i4 sonst noch bereitstellt, wie das preiswerte „24/192“-Interface klingt und was es Wissenswertes gibt, erfahrt ihr in unserem Testbericht.

Details

Was ist neu?

Optisch fällt der Generationssprung eher dezent aus, wobei im Detail diverse Optimierungen und Neuerungen stattgefunden haben. Laut Hersteller werden die Scarletts der dritten Generation mit neuen Mikrofonvorverstärkern ausgestattet, die über den zuschaltbaren, sogenannten AIR-Effekt verfügen. Beim Recording erzeugt dieser eine zusätzliche Präsenz, die den legendären ISA-Preamps des Herstellers nachempfunden ist. Wie dies technisch konkret umgesetzt wird, erfährt man leider nicht. Außerdem ist hierzu anzumerken, dass dieser Effekt ebenfalls im LINE- und INST-Mode der Eingänge 1 und 2 aktiviert werden kann, obwohl die Produkttexte des Herstellers den Eindruck erwecken, dass diese Funktion nur Mikrofonsignale beeinflusst. Die neuerdings mit USB Typ C-Buchsen ausgestatteten Interfaces verwenden neue Treiber mit geringerer Latenz. Auch an anderer Stelle findet man beim Vergleichen der Datenblätter diverse Verbesserungen zu Vorgängermodellen. So verfügen die aktuellen Preamps mit 56 dB Gain über eine um 6 dB höhere Vorverstärkung als bei den Scarlett Interfaces der zweiten Generation

Anschlüsse 

Die vier Eingänge des Scarlett 4i4 der dritten Generation verteilen sich auf die Gerätevorder- und Rückseite. Auf der Front befinden sich zwei kombinierte Mic-/Instrument-/Line-Eingänge in Form von Combo-Buchsen, während auf der Rückseite die Eingänge 3 und 4 als nicht umschaltbare Line-Inputs (6,35mm-Klinkenbuchse) vorliegen. In unmittelbarer Nachbarschaft befinden sich die symmetrischen und ebenfalls als große Klinkenbuchse ausgeführten Line-Outs 1 bis 4. Ein regelbarer Kopfhörerausgang befindet sich auf der Vorderseite. Wer zwei Kopfhöreranschlüsse benötigt, muss zum etwas größeren Scarlett 8i6 Gen 3 greifen, welches auch über einen externen Stromanschluss verfügt – das 4i4 wird ausschließlich über den USB-Port versorgt, was für den souveränen Betrieb von zwei Kopfhörern offenbar nicht ausreicht. Alternativ hat man die Möglichkeit, Out 3/4 an einen externen Kopfhörerverstärker anzuschließen. Auf der Rückseite ist weiterhin ein MIDI-Ein- und -Ausgang in Form herkömmlicher 5-poliger DIN-Buchsen verbaut, wodurch das Focusrite Scarlett 4i4 3rd Generation quasi zur universellen Lebensader eines einfachen DAW-Arbeitsplatzes wird. 

Fotostrecke: 4 Bilder Die regel- und umschaltbaren Eingänge 1 und 2 sind standesgemäß auf der Vorderseite eingebaut.

Bedienelemente / Focusrite Control

Die Bedienung des 4i4 erfolgt über die vier Potis und einen Taster zur Aktivierung der von Kondensatormikrofonen benötigten Phantom Power auf der Gerätefront. Weitere wichtige Funktionen, wie beispielsweise die Input Settings (LINE/INST, AIR, PAD) erreicht man lediglich über die kostenlose Software „Focusrite Control“. Diese wird auf der Homepage des Herstellers auch ohne eine bereits erfolgte Registrierung bereitgestellt, was positiv anzumerken ist.

Fotostrecke: 2 Bilder Focusrite Control

Verarbeitung

Das Scarlett 4i4 der neuesten Generation ist tadellos verarbeitet und vermittelt einen seriösen und entsprechend der Preisklasse durchaus repräsentativen Eindruck. Das teilweise aus Metall gefertigte Gehäuse ist robust und schwer genug (615 g), um auf seinen vier Gummifüssen standhaft auf meiner Arbeitsplatte bedient zu werden und dennoch, dank seiner kompakten Maße (185 (B) * 47,5 (H) * 119,7 mm (T)) und den abgerundeten Gehäusekanten, äußerst transportfreundlich. Alle Buchsen sitzen fest im Gehäuse und auch die Potis überzeugen mit einer vertrauenerweckenden Schwergängigkeit. Im Übrigen macht das praktikabel dimensionierte Monitor-Poti die Anschaffung eines zusätzlichen Monitor-Controllers in einer puristischen DAW-Umgebung überflüssig, sofern die Features und I/Os den Ansprüchen genügen.

Fotostrecke: 3 Bilder Alle Potis sind solide verbaut und machen einen hervorragenden Eindruck.

Lieferumfang

Der Lieferumfang seitens der Hardware ist ziemlich übersichtlich. Neben dem Interface ist eigentlich nur das USB-Anschlusskabel (Typ A auf Typ C) zu nennen, dessen Länge von ca. einem Meter für die nahe Positionierung des Interfaces an einem Laptop oder iMac absolut ausreicht. Verwendet man einen Desktop-Rechner, der sich nicht im unmittelbaren Zugriffsbereich befindet, kommt man um ein Verlängerungskabel wahrscheinlich nicht herum. Eine explizite Bedienungsanleitung des Scarlett 4i4 wird online als PDF (auch deutschsprachig) bereitgestellt und auch der weitere Lieferumfang beschränkt sich auf gebundelte Software. Allerdings ist der Begriff „beschränkt“ definitiv nicht als negative Wertung zu verstehen! Neben diversen Programmen, die auch als Freeware erhältlich sind, gibt es so einige richtig interessante Lizenzen, die einen effektiven Mehrwert darstellen und sowohl für Einsteiger als auch Profis interessant sind, wie beispielsweise die Softube Plugins Drawmer S73, Tube Delay und TSAR-1R Reverb sowie ein Instrument der freien Wahl von Addictive Keys des Herstellers XLN Audio. Ein Auflistung der Lizenzen findet ihr am Ende dieses Testberichts.

Ein kleine Kostprobe der im Lieferumfang enthaltenen Lizenzen
Ein kleine Kostprobe der im Lieferumfang enthaltenen Lizenzen

Praxis

Kompatibilität / Installation

Das Focusrite Scarlett 4i4 der Generation 3 ist sowohl PC- als auch Mac-kompatibel und läuft gemäß Hersteller mit allen ASIO-, WDM- und Core-Audio-kompatiblen Hostprogrammen. Während auf Windows-Rechnern die Installation der Software Focusrite Control den zur Verwendung notwendigen Treiber beinhaltet, funktioniert das (class-compliant) Interface unter MacOS auch ohne die Installation der entsprechen Mac-Variante, allerdings mit begrenztem (oder auch unpraktikablem) Zugriff auf die Features. Eine genaue Auflistung der kompatiblen Betriebssysteme befindet sich am Ende des Testberichts. Interessant in diesem Zusammenhang ist der lässige Hinweis „not tested … but should work“ bezüglich älterer macOS-Versionen wie beispielsweise das macOS Sierra 10.12.6 meines MacBook Pro und Testrechners. Does it work? (Auflösung folgt.) Obwohl Focusrite nicht explizit mit der Kompatibilität zu iOS-Geräten wirbt, findet man vereinzelt Hinweise auf eine Verwendbarkeit mit dem iPad Pro. Der Versuch, mein ordinäres 2019er iPad mit dem Scarlett 4i4 zu verwenden blieb erfolglos.

Die dritte Version der Scarlett-Serie zeigt im Test einige Verbesserungen.
Die dritte Version der Scarlett-Serie zeigt im Test einige Verbesserungen.

Testbedingungen / Performance

Wie viele meiner Kollegen bin ich etwas konservativ in Bezug auf Updates von Betriebssystemen (Never change a working system!). Dementsprechend habe ich das Scarlett 4i4 an meinem MacBook Pro (2,8 GHz Intel Core i7, 16 GB RAM) unter macOS Sierra 10.12.6 getestet, wobei die DAW-Hostprogramme Logic Pro X 10.4.4 und Pro Tools 12.5.2 zum Einsatz kamen. Focusrites „Should work“-Vermutung wurde bestätigt. Das Interface lief sowohl beim Abspielen „großer“ Projekte als auch beim Recording vollkommen stabil und frei von Aussetzern oder sonstigen nennenswerten Vorfällen. Auch die resultierende Latenz ist (laut Anzeige) nur marginal und bei der Verwendung virtueller Instrumente nicht wahrnehmbar höher als bei meinem professionellen UAD Apollo – top! 

Die Latenz in Apple Logic bei einer I/O-Puffergröße von 256 Samples.
Die Latenz in Apple Logic bei einer I/O-Puffergröße von 256 Samples.

Monitoring und Handling

Die Handhabung bzw. Arbeit mit dem Focusrite Interface ist absolut simpel und praktikabel. Das latenzfreie Eingangssignal wird automatisch dem Kopfhörerausgang zugeführt, ohne dass man einen Modus zum Direct Monitoring aktivieren muss und mithilfe der Focusrite Control ist ein brauchbarer Kopfhörermix im Handumdrehen erstellt. Der Status von Kanal 1 und 2 (INST, AIR, Pad, +48V) sowie der jeweilige Eingangspegel wird am Gerät mit mehrfarbigen LEDs übersichtlich visualisiert. Falls man in Nörgelstimmung ist, könnte man kritisieren, dass einige Status-Einstellungen nur per Software möglich sind, ein dramatischer Kritikpunkt ist dies m.E. aber nicht. Die gelungen austarierten Potis ermöglichen ein einwandfreies Einpegeln und das gefühlvolle Einstellen der Abhörlautstärken für den Monitorausgang und den Kopfhörer. Insgesamt macht das Scarlett 4i4 einen sehr ausgereiften Eindruck. 

Die Loopback-Funktion ermöglicht das Resampling des DAW-Outputs inklusive anliegenden Eingangssignalen über den (virtuellen) DAW Input 5/6.
Die Loopback-Funktion ermöglicht das Resampling des DAW-Outputs inklusive anliegenden Eingangssignalen über den (virtuellen) DAW Input 5/6.

Audioqualität

Die folgenden Audiobeispiele demonstrieren die überzeugende Klangqualität bei der Aufnahme mit den MIC-/LINE-/INST-Inputs sowie einige vergleichende Beispiele der Verwendung des AIR-Effekts während des Recordings. Abschließend ist ein Mix im digitalen Original und nach dem Re-Recording (DA/AD-Wandlung) mit dem Focusrite Interface zu hören.

Audio Samples
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Acoustic Guitar (Finger) MIC CMC5 / AIR Off Acoustic Guitar (Finger) MIC CMC5 / AIR On Acoustic Guitar (Strum) MIC CMC5 / AIR Off Acoustic Guitar (Strum) MIC CMC5 / AIR On Guitar Piezo INST Electric Guitar (Telecaster) INST E-Bass (Music Man) INST Sprache Kondensatormikrofon Sprache dynamisches Mikrofon Analog Synth (AIR Off -> On) LINE Analog Noise (AIR Off -> On) LINE Mix Original Mix (DA/AD-Conversion mit Scarlett 4i4)

Bei der wahrgenommenen Signalqualität des Scarlett 4i4 Gen. 3 ist die professionelle Verwendung des USB-Interfaces absolut denkbar. Merkwürdige Artefakte und das typische „USB-Fiepen“ günstiger Interfaces sind nicht vorhanden. Auch das moderate Rauschverhalten der Preamps, selbst beim Gain-hungrigen Shure SM7B, macht einen wirklich seriösen Eindruck.

Was ist mit dem Kopfhörerausgang?

Ein unsouveränes Kopfhörersignal war in einigen Testberichten der entscheidende Kritikpunkt bei Modellen früherer Scarlett-Generationen. Hier hat Focusrite offenbar nachgebessert. Zwar erreicht der Kopfhörerausgang – wenig überraschend – nicht die Auflösung und Feinzeichnung meiner SPL- und Lake People-Verstärker, dennoch ist er zum Monitoring und semiprofessionellen Mixing absolut potent und brauchbar. Wer diesbezüglich höhere Ambitionen hat, kann einen externen und höherwertigen Verstärker an die Line Outs 3 und 4 anschließen, was eventuell sowieso notwendig ist, wenn man zu zweit arbeiten/aufnehmen möchte.

Fazit

Das Focusrite Scarlett 4i4 Gen. 3 ist ein ziemlich ausgereifter Helfer mit guten Audiowerten (und einem absolut interessanten Software-Bundle), an dem es kaum etwas zu kritisieren gibt. Für glatte 5 Sterne fehlt mir allerdings das letzte Sahnehäubchen, z.B. dass in der Software Focusrite Control auch die Verwendung eines Mikrofonsignals angezeigt wird und dass sich verschiedenen Settings am Gerät einstellen lassen. Dennoch ist das ff Scarlett 4i4 der dritten Generation eine uneingeschränkte Empfehlung sowohl für Einsteiger als auch Profis, die möglicherweise ein „Zweit-Interface“ für unterwegs oder die Kreativ-Ecke zu Hause benötigen. Allerdings gibt es starke Konkurrenz im eigenen Hause, wie beispielsweise das ebenfalls neue Scarlett 8i6 mit 2 Kopfhörerausgängen, externer Stromversorgung und einer erweiterten I/O-Sektion zu einem für mein Empfinden durchaus überschaubaren Aufpreis. Wem die Features des Focusrite Scarlett 4i4 der dritten Generation genügen, der trifft auf jeden Fall eine gute Wahl. Empfehlenswert!

Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • zwei cleane Mikrofonvorverstärker
  • klangliche Flexibilität durch den zuschaltbaren AIR-Effekt (Kanal1/2)
  • intuitives Handling
  • neutral klingende AD/DA-Wandler
  • gute Verarbeitung
  • Direct Monitoring
  • brauchbares Softwarepaket im Lieferumfang
Contra
  • vergleichsweise puristische Ausstattung zum nächst größeren und nur mäßig teureren Modell
Artikelbild
Focusrite Scarlett 4i4 3rd Generation Test
Für 167,00€ bei
Focusrite_Scarlett_4i4_3rd_B01_Test
Features und Spezifikationen
  • USB 2.0 Audio-Interface
  • Auflösung bis zu 24 Bit / 192 kHz (44.1 / 48 / 88.2 / 96 / 176.4 / 192)
  • USB 2.0 Buchse Typ C
  • Bus-powered (ausschließlich)
  • USB Kabel Typ A auf Typ C
  • 2 kombinierte Mic-/Instrument-/Line-Eingänge (XLR-/Klinke Kombibuchse)
  • Scarlett Preamps: +48V Phantom Power (Kanal 1/2 gemeinsam aktivierbar), 56 dB Gain, Dynamikbereich 111 dB (A-gewichtet), äquivalentes Eingangsrauschen -128 dB (A-gewichtet), Impedanz 3 kOhm, „Air“- Effekt
  • 2 Line-Eingänge (6,35mm Klinke)
  • 4 Line-Ausgänge (6,35mm Klinke symmetrisch)
  • 1 Kopfhörerausgang (6,35mm Klinke)
  • MIDI In/Out (5-pol DIN-Buchsen)
  • Maße: 185 mm (B)
47,5 mm (H)
    119,7 mm (T)
    • Gewicht: 615 g
    • Kompatibilität:
    • Windows 7/8.1/10
    • macOS 10.13.6, 10.14.5+ („fully supported“)
    • macOS 10.10.5, 10.11.6, 10.12.6 (Zitat Homepage: „Not testet … but should work“ )
    • „Focusrite Control“ – Software für Mac und PC
    • Direct Monitoring
    • umfangreiche Software Lizenzen (Ableton Live Lite, Pro Tools First, Focusrite Red 2/3 Plugin Suite, Softube Time & Tone Bundle, 1 Instrument nach Wahl von XLN Audio Addictive Keys)
    Preis: € 229,– (Straßenpreis am 23. Juli 2019)
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      Profilbild von Morons MORONS!

      Morons MORONS! sagt:

      #1 - 24.07.2019 um 00:26 Uhr

      0

      Die Kiste läuft wohl - anders als der Vorgänger - nicht unter Linux. Immerhin gibt es mit Bitwig und Reaper mittlerweile schon komplexe/kommerzielle 2 DAWs die auch eine Linux-Variante anbieten, angesichts der Windows-10-Katastrophe verstehe ich nicht wirklich, warum bisher noch kein Hersteller mit "Certified-For-Linux"-Interfaces auf den Markt gekommen ist.
      Schlafen die Marketingfuzzies alle hinter ihren Macbooks?

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