Zoom H8 Test

Praxis

Untermenü-Surfen

Der Funktionsumfang des Zoom H8 ist beträchtlich und die Zoom-Ingenieure haben sich alle Mühe gegeben diesen zu zähmen. Dabei setzen die Japaner voll auf den Touchscreen, der Antippen und vertikales, sowie horizontales Streichen „versteht“. Auf zwei Startseiten findet man die Icons für die entsprechenden Funktionen und die drei Haupt-Betriebsmodi Field, Music und Podcast, die man durch Antippen startet – das kennt man vom Smartphone. Damit hat es sich aber auch schon mit dem App-basierten Bedienkonzept, ab dann heißt es: ausgiebiges Untermenü-Surfen! Auch da gibt wieder drei Hauptkategorien: Die Audio-Aufnahme-Einstellungen, die Spureinstellungen und die Projekteinstellungen, die wir über die drei Bildschirm-Icons, der Speicherkarte, dem Mikrofon und dem Zahnrad aufrufen können.

Fotostrecke: 7 Bilder Startbereit: Zoom H8

Field – Music – Podcast

Der Field-Modus ist der generelle Aufnahmemodus des H8, für Stereomitschnitte, Live-, Sound-FX-, Location- oder Atmo-Aufnahmen und nur hier stehen dem User die vollen 96kHz/24Bit zur Verfügung. Im Music-Modus ähnelt der H8 einer Mini-DAW, dort kann man den einzelnen Kanälen sogar externe Audiodaten zuweisen, die vorher auf die SD-Karte kopiert wurden. So lassen sich im Home-Studio zum Beispiel Drumloops generieren, über die man dann unterwegs Gitarren-Overdubs aufnimmt. Im Podcast-Modus ist der Anschluss von lediglich vier Mikrofonen möglich, dafür stehen einem vier Sound-Pads auf dem Touchscreen zur Verfügung (die dann Kanäle 3-4 belegen), über die Jingles, Geräusche oder Musiken abgespielt werden kann. Neben der umfangreichen Sammlung an mitgelierten Presets können die Pads natürlich auch mit eigenen Sound-Kreationen belegt werden.

Fotostrecke: 3 Bilder Der Bildschirm zeigt im Field-Modus für jeden aktivierten Kanal ein Level-Meter.

Die Aufnahmepraxis gestaltet sich einfach: Nach Auswahl des Betriebsmodus werden die Kanäle, die man aufnehmen möchte, mit dem Taster „scharf“ geschaltet und der Pegel mit dem Gain-Regler eingestellt. Weitere Einstellungen werden in den Spur-Einstellungen getätigt: Dort kann die Phantomspeisung aktivieren werden (übrigens sind 24 und 48 Volt möglich), es gibt ein Low-Cut-Filter, ein Dynamik-Tool, das entweder als Kompressor, Gate oder Limiter arbeitet, einen Lautstärke- und Pan-Regler, eine Stereo-Link-Funktion sowie ein Untermenü zur Dateizuweisung, das beim Thema Overdubs gleich noch eine wichtige Rolle spielen wird. Zudem kann man hier den Gain-Wert auch auf digitaler Ebene einstellen.
Viele der Einstellungen, die man in diesen Spurmenüs tätigt, sind übrigens an den Eingang und nicht an den Betriebsmodus gekoppelt. Der H8 erinnert sich an diese Einstellungen – auch über einen Wechsel des Betriebsmodus oder ein Abschalten hinaus. Da unser Gedächtnis meist schlechter ist als das des H8, sollte man aufpassen, dass man die Bassdrum-Aufnahme im Studio nicht mit dem Low-Cut-Einstellung der letzten Atmo-Session tätigt! Fragt nicht, woher ich das weiß…

Weitere praktische Funktionen

Der H8 hat einen Multieffekt-Prozessor an Bord, den man im Music- und Podcast-Modus nutzen kann. Allerdings nur, wenn das Projekt mit einer Sampling-Rate von 44,1 kHz erstellt wurde, bei 48 kHz ist das Effektgerät außer Betrieb – eine Einschränkung, die nicht mehr in die heutige Zeit passt. Auswählen kann man aus verschiedenen Amp-Simulationen für Gitarre und Bass, Modulations- und Halleffekten. Eine Besonderheit: Wird der Effekt als Insert-Effekt auf einer Spur verwendet, funktioniert das nur während der Aufnahme und der Effekt wird in die Audiodatei geschrieben. Nur wenn der Effekt nicht auf eine Spur, sondern auf die „Send“-Spur geroutet ist, kann der Effekt während der Wiedergabe genutzt werden.50 Presets könne auf dem H8 gespeichert werden, aber über die kostenlose Software „Zoom Guitar Lab“ können weitere Presets auf dem Rechner gespeichert und bearbeitet werden, zudem können eigene neue Presets aus vielen Effektbausteinen gebastelt werden. Zu guter Letzt gibt es noch ein Stimmgerät, auf das man leider im Music-Modus keinen direkten Zugriff hat, man muss den Modus verlassen, zum Tuner-Icon wischen, stimmen und dann wieder den Music-Modus starten… leider umständlich.

Fotostrecke: 2 Bilder Nur im Send-Modus kann der Effekt während der Wiedergabe genutzt werden.

Aufnahmen!

Der Klang der internen Mikrofonvorstufen ist sauber und selbst bei hohen Gain-Werten noch rauschfrei. Das ist gut, den besonders empfindlich ist das XY-Mikrofon nicht. Die Entwickler hatten vermutlich eher die musikalische (und damit lautere) Anwendung im Blick, als zum Beispiel die Aufnahme von Natur-Atmos. Bei letztere Anwendung muss man den Gain-Regler fast bis zum Anschlag aufreißen, damit genug Pegel beim H8 ankommt.
Den Aufnahmetest starte ich mit einer Drum-Aufnahme, wobei der H8 als Overhead über der rechten Schulter des Schlagzeugers positioniert war. Zusätzlich habe ich Bassdrum und Snare separat mit einem Audio-Technica ATM230 und einem Shure SM57 über den H8 abgenommen. Die Aufnahme hat eine schöne Räumlichkeit, beim Intro-Fill am Anfang kann man gut hören, wie gut die Toms über die Stereobreite wandern.
Ganz banale Probleme hatte ich beim Aufbau des H8 als Overhead-Mikrofon: Ist der Recorder auf ein Stativ geschraubt, wird es ab einer gewissen Höhe unmöglich, das Display einzusehen, was das Einstellen der Gain-Regler schwierig machte. Spätestens hier wünscht man sich, dass der H8 von Haus aus Bluetooth an Bord hat. Alle Audio-Files sind wie üblich unbearbeitet.

Audio Samples
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Drums L/R-Mix Drums Overhead XY Drums Kick-Spur solo Drums Snare-Spur solo

Der transparente Sound zeigt sich auch bei akustischen Instrumenten, wie einer klassischen Gitarre: Das Signal ist von der hellen Sorte, klingt dennoch ausgewogen. „Wärme“ wäre jetzt kein Attribut, das mir in den Sinn kommt. Eher „Klarheit“.
Ich jage den Gitarristen durch einen internen Hall-Effekt, Preset 36 „Send Room1“ und bin angenehm überrascht vom Ergebnis! Auch wenn die Klangqualität nicht mit den Plug-in-Spezialisten in meiner DAW mithalten kann, lässt es sich mit den H8-Effekten durchaus arbeiten.
Beim H6-Test wurde ein mangelndes Bassfundament des XY-Mikrofons kritisiert. Um das zu prüfen, hole ich den Kontrabass aus der Ecke und muss sagen: Hier mangelt es an nichts, der Bass klingt tief und fett. Diese Aufnahme habe ich übrigens im Podcast-Modus gemacht und mir – Verzeihung – ein bisschen Applaus dafür über die Sound-Pads spendiert. Dabei fällt mir auf, dass die FX-Sounds des H8 durchaus einen kleinen Fade-In und Fade-Out vertragen könnten.
Einen kurzen Stereobreiten-Test habe ich mit einem Shaker gemacht, indem ich einmal um den H8 herrum-geshaket bin. Dabei zeigt sich ein weiteres Mal, wie gut der H8 die Räumlichkeit abbilden kann.
Zum Abschluss gibt es dann noch ein bisschen was Elektrisches: Eine E-Gitarre mit einer Amp-Simulation aus dem Effekt-Prozessor (Preset: DZ Drive). OK, der etwas harte Klang und die harschen Höhen, das ist nicht so mein Geschmack – aber Gitarrenamps simulieren ist auch ein extrem schwieriges Terrain.

Audio Samples
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Klassische Gitarre mit XY-Mikrofon Klassische Gitarre mit internem Plate-Effekt Kontrabass mit XY-Mikrofon und Applaus Einmal rum um den H8 mit dem Shaker E-Gitarre mit interner Amp-Simulation DZ Drive

Meine erste Assoziation mit dem Star-Wars-Raumschiff musste ich während des Praxis-Testes übrigens revidieren: Sind alle XLR-Buchsen belegt verwandelt sich der H8 auf wundersame Weise vom Millenium-Falken in ein Recording-Insekt.

Raumschiff oder Spinne?
Raumschiff oder Spinne?

Endlich: Eine Overdub-Lösung

Das Aufnehmen von weiteren Spuren über bereits aufgenommenen Passagen, nennt man im Fachjargon „Overdub“ und die seltsame Umsetzung der Overdub-Funktion beim H5 und H6 wurde von meinem Bonedo-Kollegen Aggi Berger in seinen Tests zurecht bemängelt: Das Problem beim H5 und H6 liegt in der Tatsache, dass die Aufnahmedaten des Stereomikrofon und der anderen Eingänge fest an eine Aufnahmespur gekoppelt sind (eine genaue Erklärung des Problems beim H5 und H6 kannst Du hier nachlesen).Beim H8 hat Zoom nachgebessert und jetzt ist es möglich, in den Spurmenüs die Dateizuweisung eine Aufnahme von ihrer Quell-Spur abzukoppeln und einer neuen Spur zuzuweisen. Diese Overdub-Prozedur ist zwar immer noch nicht elegant, aber immerhin ist es jetzt möglich, eine Gitarre mit dem XY-Mikrofon, und danach einen Gesangs-Overdub wieder mit dem gleichen XY-Aufsatz aufnehmen!

Kritikpunkt: keine physikalischen Lautstärkeregler

Schmerzlich vermisse ich einen Drehregler für die Lautstärke des Kopfhörerausgangs! Das geht nämlich nur über den Touchscreen. Und zur Änderung der Abhörlautstärke sind zwei Aktionen nötig: Antippen des entsprechenden Kopfhörer-Symbols auf dem Display und ein Fingerstrich zum Ändern der Lautstärke.Das gilt auch für die Lautstärke des Line-Outs, die kann man aus den Betriebsmodi heraus überhaupt nicht regeln. Dazu muss man den Modus verlassen – also auch die Aufnahme abbrechen – und ein spezielles Line-Out-Icon aufrufen und kann jetzt (erst) den Pegel ändern. Das dauert im Notfall einfach zu lange! Es würde unser aller Ohren und Equipment freuen, wenn alle Lautstärke-Regler als physische Regler am Gerät vorhanden wären!

Audio-Interface

Die Einbindung den Zoom H8 als Audio-Interface funktioniert problemlos. An meinem Apple Laptop wir das H8 nach Anstecken direkt als Audio-Device erkannt, unter Windows ist ein separater Treiber nötig, den Zoom auf seiner Webseite zum Download anbietet. Die Latenzen sind gut, in Ableton Live erreiche ich einen Gesamtlatenz von 4,5 Millisekunden bei einer Buffergröße von 32 Samples. Zum Abhören der Eingangssignale gibt es eine Direct-Monitoring-Funktion, dann werden die anliegenden Signale direkt auf den Ausgang geleitet.
In der Software gestaltet sich die Zuordnung der Spuren dann etwas schwierig: Input 1-2 identifiziere ich als XY-Aufsatz-Mikro, Inputs 5-8 sind die H8-Spuren 1-4; die Inputs 9 und 10 sind die H8-Spuren A und B und die Inputs 11-12 der L/R-Mix des H8. Die Inputs 3-4 bleiben in der DAW dauerhaft still, ich vermute, die Spur-Hierarchie des H8 wird auch im Audio-Interface-Modus beibehalten, dann wäre Spur 3-4 nämlich die Backup-Aufnahme des XY-Mikrofons.
Extrem unglücklich finde ich die Tatsache, dass das Aufsatz-Mikro automatisch aktiviert wird, sobald man den Audio-Interface-Modus anschaltet (in den anderen Betriebsmodi erinnert sich der H8 daran, welche Spuren vorher aktiviert waren). Wenn man da nicht aufpasst, ist das Feedback vorprogrammiert, vor allem wenn in der vorherigen Session das Direct-Monitoring aktiv war!

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