Universal Audio LA-610 MKII Test

Auch ein paar Jahre nach seiner Markteinführung – und mittlerweile zur MKII-Version gereift – ist der Vollröhren-Channelstrip von Universal Audio immer noch ein Dauerbrenner. Und das hat gute Gründe, die allemal einen näheren Blick wert sind.

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Beinahe könnte man den 19“-Kanalzug als „Best-of-Compilation“ aus dem in Jahrzehnten gewachsenen Firmenportfolio von Universal Audio bezeichnen. Erstaunlich komplett ausgestattet, verfügt das Gerät über drei verschiedene Sektionen zur Signalbearbeitung, die einigen der größten Klassiker der Recording-Geschichte entliehen wurden.
Zunächst der Preamp: Diese Schaltung stammt aus der 610-Konsole, die Firmengründer Bill Putnam, 1176-Erfinder, Studiobauer und Lieblings-Engineer von Größen wie Frank Sinatra, um 1960 in seinen Recording-Tempeln installierte – darunter das damalige United Western Recorders, heute Ocean Way Studios und East West Studios in Hollywood. Diese Mischpultkonsole, die für die damalige Zeit typisch in Vollröhrentechnik aufgebaut war, half das Layout von Mischpulten, wie wir sie seitdem kennen, zu revolutionieren: Es war modular aufgebaut, mit Preamp, Zweiband-EQ und Echo-Send in jedem Kanalzug. Der feine Röhrenschmelz dieses Pultes hatte entscheidenden Anteil daran, den Klangcharakter zahlreicher Klassiker zu veredeln. Darunter befinden sich zahllose Aufnahmen von Frank Sinatra, aber beispielsweise auch LA Woman von den Doors und das epochale Pet Sounds von Brian Wilsons Beach Boys.
Diesem Vorverstärker wird eine nicht weniger legendäre Kompressoreinheit zur Seite gestellt, und zwar ein Dynamikmodul, das sich in den grundlegenden Schaltungsmerkmalen am LA-2A orientiert, dem Urvater aller Optokompressoren. Dieser wurde zwar nicht von Bill Putnam selbst erfunden, aber er kaufte die Herstellerfirma Teletronix kurzerhand auf und integrierte sie zur Mitte der 60er-Jahre in sein Universal-Audio-Firmenkonglomerat.
Zu erstaunlich geringem Aufpreis ersetzte der LA-610 vor einigen Jahren den Mono-Preamp M-610 – der Kompressor ließ sich mit vergleichsweise geringem Aufwand in den Preamp integrieren. Gegenüber der schon seit einer Weile nicht mehr angebotenen ersten Version kann die MKII-Variante mit einer Reihe von Detail-Verbesserungen aufwarten. Dazu gehören ein größeres, besser lesbares VU-Meter und außerdem ein Ausgangsübertrager des bei Kennern sehr geschätzten amerikanischen Traditionsherstellers CineMag.
Hervorzuheben bleibt an dieser Stelle, dass es sich beim LA-610 MKII um ein echtes Vollröhrengerät handelt, das ohne jegliche Halbleiter im Audiosignalweg auskommt. Das ist ein eher ungewöhnlicher Vorzug eines Gerätes in dieser Preisklasse. Bei Geräten mit diesem Funktionsumfang ist Vollröhrentechnik normalerweise eher zum doppelten Kaufpreis zu haben.

DETAILS
Rund die Hälfte der Frontplatte ist für die Bedienelemente des Röhren-Preamps reserviert, der insgesamt 62 dB Gain aus einer ECC83-Doppeltriode zieht – nicht gerade üppige Reserven, welche sich aber durch die zusätzlichen 15 dB der Kompressor-Ausgangsstufe auf eine sehr respektable Gesamtverstärkung von 77 dB addieren. Der Schlüssel zu den klanggestaltenden Möglichkeiten des Vorverstärkers liegt im äußerst variablen Gain-Staging. Das bedeutet, dass man insgesamt drei Bedienelemente des Vorverstärkers dazu nutzen kann, die Verstärkung zu beeinflussen – und je nachdem, wie heiß man den Eingang anfährt, lässt sich der Grundsound des Preamps mit herzhaften Sättiungsprodukten anreichern. Zunächst nimmt man die Grobeinstellung mit dem Gain-Schalter vor. Dieser bestimmt die Gegenkopplung des Preamps und damit den Signalanteil, der gegenphasig wieder auf den Eingang geführt wird. Vereinfacht gesagt: Je stärker die Gegenkopplung, desto sauberer klingt der Preamp, da das Feedback dessen spezifische Charaktereigenschaften zu neutralisieren hilft. Reduziert man die Gegenkopplung, so lässt man im übertragenen Sinne das Biest von der Leine, die Nichtlinearitäten werden stärker, die klangfärbenden Eigenschaften treten mehr in den Vordergrund. Für einen klaren, offenen Sound sollte man also mit dem Gain-Schalter am Linksanschlag starten. Darf es etwas kerniger zur Sache gehen, so bewegt man den Schalter in Richtung Rechtsanschlag. Für die Feineinstellung sorgt anschließend das große Level-Poti, dessen Plastikkappe den (noch größeren!) Pegelstellern der 610-Konsole nachempfunden wurde. Bei sehr heißen Eingangssignalen kann zusätzlich noch ein Pad-Schalter mit einer Dämpfung von -15 dB helfen, den Pegel in einem zivilen Bereich zu halten.
Allein diese drei Bedienelemente erlauben eine große Soundvielfalt, die sich beinahe bewusstseinserweiternd auswirken dürfte, wenn man lediglich die Onboard-Preamps günstigerer Mischpulte gewohnt ist.
Abgerundet wird der Vorverstärker durch Standards wie Phasendrehung und Phantomspeisung, beinahe luxuriös hingegen ist der 5-stufige Eingangswahlschalter, der als Quellen Mikrofon-, Line- und Instrumentensignale anwählt und für erstere und letztere auch noch jeweils zwei unterschiedliche Eingangsimpedanzen anbietet. Und um noch einen drauf zu setzen: Diese Schaltfunktionen (wie auch zahlreiche andere im Gerät) werden via Relais durchgeführt, zu erkennen am charakteristischen Klicken im Gehäuse. Das ist ein hochwertiger Schaltungstrick, da er hilft, die Signalwege im Gerät kurz zu halten. Aus Kostengründen bleibt solch ein Kniff normalerweise eher dem absoluten Highend-Segment vorbehalten.

Der Preamp-Sektion folgt ein vergleichsweise simpler Zweiband-EQ, dessen Layout für Mischpulte der späten 50er- bis frühen 60er-Jahre sehr typisch ist. Es handelt sich um zwei Shelving-Filter, die an den Frequenzen 70, 100 und 200 Hz (Bass) sowie 4.5, 7 und 10 kHz (Höhen) eingreifen, wobei zwei Drehschalter jeweils Filteramplituden von ±9 dB in 11 Schritten erlauben. Im Vergleich zu einem vollparametrischen Design ist die EQ-Sektion also eher einfach aufgebaut, unterschätzen sollte man sie doch keineswegs – dazu später mehr. Standesgemäß werden die aktiven RC-Filter des EQs von einer weiteren Röhre getrieben, zum Einsatz kommt hier eine ECC81-Doppeltriode.
Und damit wird das Signal dann auch schon an die Kompressorsektion weitergereicht. Als LA-2A-Typ mit festem Threshold wird die Kompression über das Peak-Reduction-Poti eingestellt und anschließend der Ausgangspegel mit dem Gain-Poti gesetzt – fertig! Bedienelemente für Attack, Release sowie Ratio fehlen, da die große Besonderheit des LA-2A ja in seinem Programm-adaptiven Regelverhalten liegt, das sich aus den Eigenschaften des verwendeten Optokopplers ableitet. Wesentliches Merkmal ist die zweistufige Release-Phase. Zunächst schnellt die Pegelreduktion in (recht zügigen) 40-80 Millisekunden auf die Hälfte des Wertes zurück – danach kommt der sogenannte „Memory-Effekt“ der Fotozelle ins Spiel. Die Zeitdauer der zweiten Phase hängt davon ab, wie hell und lange vorher das Licht der EL-Folie auf die Fotozelle geschienen hat. Oder, in anderen Worten: Je lauter und kräftiger das Eingangssignal, desto länger braucht der Kompressor, wieder in seinen Neutralzustand zurückzukehren. Und das bedeutet beispielsweise, dass laute Vocal-Phrasen stärker „abgefangen“ werden als leisere, und dass der LA-2A (und seine Artverwandten) genau deswegen für die Bearbeitung von Vocals, Bässen, etc. so geliebt werden. Dazu kommt, dass ein Optokoppler prinzipbedingt mit einem sehr weichen „Knee“ arbeitet, bei geringer Pegelreduktion also mit geringer Kompressionsrate zu Werke geht und bei stärkerer Kompression zunehmend wie ein Limiter fungiert. Zwar verfügt der Kompressor des LA-610 MKII wie auch sein Vorbild, der LA-2A, über eine Umschaltung zwischen einem Kompressor- und Limiter-Modus, in der Praxis machen beide Varianten jedoch – wie auch beim großen Vorbild – kaum einen Unterschied. Diesen hört man, wenn überhaupt, dann nur bei transientenreichem Material mit großer Pegelreduktion. Nicht vergessen werden darf aber, dass dieser Drehschalter auch als Bypass arbeitet und den Kompressor auf  Wunsch komplett aus dem Signalweg nimmt. Neben der sogenannten T4-Optozelle des LA-2A ist die Kompressoreinheit des Channelstrips mit drei weiteren Röhren bestückt: Eine ECC81 besorgt die Aufholverstärkung, und jeweils eine ECC83 sowie eine EL84 treiben im Sidechain die EL-Folie des Optokopplers an. Dieses Feature ist in mehrerlei Hinsicht interessant: Erst einmal setzen selbst deutlich teurere aktuelle Geräte im Sidechain meist auf Transistortechnik, während sich der LA-610 MKII hier in der Schaltungstopologie, wenn auch mit anderer Röhrenbestückung, am LA-2A-Vorbild orientiert. Insbesondere die EL84 dürfte vielen Lesern geläufig sein, und zwar als Endstufenröhre des Vox AC30 und artverwandter Gitarrenamps mit Class-A-Endstufe. Nicht weniger als fünf Glaskolben sorgen also dafür, dass der Kanalzug das noble Prädikat „echtes Vollröhrengerät“ vollkommen zu Recht trägt. Abgerundet wird die Frontplatte durch das VU-Meter, das Preamp-Pegel, Pegelreduktion des Kompressors sowie den Ausgangspegel des Gerätes anzeigen kann. Dazu gesellen sich noch der Betriebsschalter und das dazugehörige „Jewel Light“, das man auch von einigen Gitarrenamps kennt. Neben dem auf der Frontplatte zugänglichen Instrumenteneingang verfügt der Kanalzug über drei rückseitige XLR-Anschlüsse für Mikrofon- und Line-Eingang sowie Line-Ausgang.
Die Kaltgerätebuchse für die Stromzufuhr kommt ohne Spannungswahlschalter aus, da das Gerät über ein internes Schaltnetzteil verfügt.
Das gesamte äußere Erscheinungsbild des LA-610 MKII besticht durch wunderschönes, „historisch korrektes“ 50er-Jahre-Design in hochwertiger Fertigungsqualität, die keine Wünsche offen lässt. Dieser gute Eindruck setzt sich auch beim Innenleben fort: Das ist alles tipptopp und verdient eine gute bis sehr gute Note.

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Franz Baumann sagt:

#1 - 04.08.2012 um 20:22 Uhr

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Hallo Hannes
Bei der Suche nach einem Röhrenpreamp bin per Zufall auf Deinen Artikel gestossen. Sehr schöner und ausführlicher Bericht. Ich denke das könnte mein Preamp sein.
Der Contrapunkt hat mich dann ein wenig verunsichtert. Da ich das Gerät in ein Rack einbauen und die Rückseitigen Anschlüsse auf eine Patchbay legen möchte, stellt sich mir die Frage ob ich dann den Hi-Z Eingang nicht mehr benutzen darf. Wär ja irgendwie abstrus.
Oder gibt es einen nachvollziehbaren Grund?
hezliche Grüsse
Franz

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Hannes Bieger sagt:

#2 - 06.08.2012 um 14:40 Uhr

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Hallo Franz, danke für dein Feedback!
Du hast Recht, es wäre schöner, wenn dies nicht so wäre. Ich kann dir keinen logischen Grund nennen, warum der Hersteller sich so entschieden hat. Allerdings ist so etwas nicht völlig ungewöhnlich – auch bei anderen Herstellern gibt es was die Anschlüsse betrifft immer mal wieder kleinere Besonderheiten. Falls dir das Gerät ansonsten zusagt, würde ich dies aber nicht als Dealbreaker ansehen. Ich muss auch regelmäßig hinter emine Racks krabbeln um irgendwas umzustecken, das bleibt nicht aus. Patchbays sind zwar praktisch, aber aus klanglichen Gründen (kürzere Kabel, weniger Steckverbindungen...) ist eine direkte Verkabelung eh besser. Viele Grüße, Hannes

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Franz Baumann sagt:

#3 - 02.09.2012 um 14:59 Uhr

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Hoi Hannes.
Sorry für das späte Reagieren, ich war noch in den Ferien.
Die Frage ist halt, ob denn da was kapput geht, wenn man den Hinweis nicht beachtet und wenn ja, was? Oder andersrum, wenn ich die Eingänge auf die Patchbay lege, und die dann nicht belege, dann wär das ja quasi nur eine Verlängerung der rüchseitigen Anschlüsse und somit nicht belegt, also ohne Verbraucher. Wär das ein gangbarer Weg? Ich weiss, meine Elektronik-Kenntnisse sind nicht gerade die besten....
PS: Wenn bei mir der Preamp mal im Rack verbaut ist, dann komme ich leider nur sehr schwer wieder an die Anschlüsse....mit Taschenlampe unter den Tisch kriechen und Kabel suchen.... usw.Herzliche Grüsse, Franz

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