Lange Zeit mussten Reason-Nutzer auf Aufnahmefunktionen verzichten, wie sie andere seriöse DAWs schon lange bieten. Überraschend war deshalb diesen Sommer die Neuvorstellung von Propellerheads neuestem Streich: ein eigenes All-In-One Aufnahmeprogramm mit dem naheliegenden Namen „Record“, maßgeschneidert auf die Belange von Musikern, Bands und Homerecordern.
Dabei soll Record nicht eine unter vielen sein und zur „Tontechniker“-typischen DAW auswuchern, sondern mit einfacher Benutzeroberfläche und geschlossener Produktionsumgebung à la Reason punkten. Reason bleibt weiterhin separat erhältlich, integriert sich aber besonders elegant in das neue Programm, falls dieses bereits installiert wurde.
Wir wollten uns mit eigenen Augen und Ohren davon überzeugen, ob die positiven Reaktionen auch der Realität standhalten, und haben Record im bonedo-Labor unter die Lupe genommen.
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DETAILS
Die Neuentwicklung Record ist ein in sich geschlossenes, autarkes System, das nur eigene Effektprozessoren und Instrumente kennt. Das schafft die Möglichkeit zum äußerst CPU-schonenden Programmieren. So kann, was die Recheneffizienz anbelangt, auch aus einem handelsüblichen Laptop ein potentielles „Aufnahmestudio“ gezaubert werden. Ich war sehr überrascht, dass die 49 Kanäle des mit reichlich Effekten bestückten Demosongs auch auf meinem 2-GHz-Core 2 Duo (T6400) Vista32 Laptop gerade einmal etwa 50% CPU-Load forderten. Probier das mal mit der Konkurrenz …
Natürlich wird dadurch auch der Austausch einzelnen Session-Files zum Kinderspiel und Kollaborationen Tür und Tor geöffnet. Über fehlende Plug-Ins beim Mitmusiker – von Reason einmal abgesehen – muss man sich also keine Gedanken machen. Record bietet deshalb auch keinen Support für externe Plug-Ins im Standard von AU, VST oder RTAS. Und wenn man sich die Politik von Propellerhead anschaut, wird sich das auch wohl in näherer Zukunft nicht ändern.
Record ist visuell in die drei Teilbereiche Sequenzer, Rack und Mixer unterteilt. Der Sequenzer entspricht weitestgehend dem der aktuellen Reason Inkarnation, allerdings mit dem Unterschied, dass neben virtuellen Tracks auch Audiotracks angelegt und bearbeitet werden können. Umfangreiche Editierfunktionen inklusive Comping, Overdub und Alternativ Take stehen dabei zur Verfügung. Parameterautomationen gehen, wie schon von Reason gewohnt, flüssig von der Hand.
Auch das Rack wird Reason-Anwendern bekannt vorkommen: Hier finden sich verwendete Effekte und Instrumente als animiertes Rackgerät wieder. Diese sind beim Hinzufügen vor-verschaltet, können bei Bedarf auf der Rückseite aber auch neu verkabelt werden. Dabei kommt eine neuartige Visualisierung zum Zuge, die beim „Anfassen“ eines Kabels alle anderen Kabel halbtransparent macht.
Neu und praktisch: Beim Rackbau muss man sich nicht mehr mit nur 19“ Rackbreite begnügen. Nein, es lassen sich jetzt auch beliebig viele 19“ Racks nebeneinander darstellen. Das wurde im Zeitalter von 24“ und 30“ Screens auch allerhöchste Eisenbahn.
19“ nebeneinander: Scrollfinger ade!
Und schon sind wir beim Herzstück eines jeden Studios angelangt – egal ob virtuell oder real – dem Mixer. Propellerhead lässt sich nicht lumpen und spendiert der Neuentwicklung einen weitaus umfangreicheren Mischer, als man das vielleicht in Erinnerung an den ollen 14:2 erwartet hätte. Man spricht von einer Emulation der populärsten, analogen Mix-Konsole „ever made“, der SSL SuperAnalogue XL 9000 K.
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Ob der Mixer nur so aussieht oder tatsächlich auch so klingt, werden wir uns noch genauer anhören. Gegenüber seinem Vorgänger aus Reason, dem 14:2, ist er auf jeden Fall eine erheblich Verbesserung. Dieser war für Submixe zwar ganz nett, konnte sich jedoch beim finalen Mix nicht mit der Qualität anderer Major-Anwendungen messen.
Der neue Mixer arbeitet im Gegensatz zu den einzelnen Kanälen, die mit 32 Bit Auflösung laufen, mit 64 Bit Floating-Point-Berechnung. Über Rundungsfehler muss man sich also nicht sorgen. Ein besonderes Schmankerl stellt zweifelsohne der Master Buss Compressor dar, der ja schon den einen oder anderen No.1 Hit verdichtet haben soll.
In jedem Kanal finden sich Channel EQ (Zweiband-Vollparametrik mit zusätzlichen High- und Low-Shelf mit „Glocken“-Option und Dynamcis mit Compression, Limiting, Gating, Expansion und Sidechain sowie Filter im SSL-Style, deren Reihenfolge beliebig festgelegt werden kann. FX-Inserts und Sends mit dazugehörigen Aux-Wegen runden ein vollständiges Mischpult ab.
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Zusätzlich gibt es in jedem Audiotrack ein Monitorknopf, mit dem sich verschieden Monitoringsituationen durchspielen lassen; außerdem ein Tuner, mit dem man die Instrumente vor der Aufnahme in ihrer Stimmung kontrollieren kann. Hier erkennt man Liebe zum Detail.
Track scharf stellen, Instrument tunen und aufnehmen: Kein Problem!
Fast alle vorhandenen Effekte sind Eigenkreationen, die ein wenig an echte Hardware erinnern und Reason-Jüngern bekannt sein sollten. Darunter der Scream Verzerrer/Sättiger, das RV7000 Reverb, die MClass Effekte mit Kompressor, EQ, Stereo Imager und Maximizer, das DDL-1 Delay und der CF-101 Chorus/Flanger.
Neu hinzugekommen ist ein Line 6 Guitar Amp und ein Line 6 Bass Amp, die beide aus einer Zusammenarbeit mit dem Hersteller Line 6 entstanden. In der Grundausstattung bietet Record einige Modelle an Amps, Cabinets und Preamps zur Auswahl. Der treue Kunde und Besitzer eines Line 6 Interfaces wird mit noch mehr Modellen belohnt. Alle anderen können via iLok-Autorisierung weitere Modelle nachkaufen.
An Instrumenten hat Record einzig und allein ID8 im Angebot. Es handelt sich dabei um ein virtuelles Rackgerät, das es so in Reason noch nicht gegeben hat. Es bietet wenige Einstellmöglichkeiten und ist eher als ROMpler für das Songwriting zu verstehen. Erweiterte Funktionalität bietet ID8 nur als Teil eines Combinator-Patches, das vorgemappte Effekte zum Instrument bietet. Das kennt man – wie soll es anders sein – ja auch schon aus Reason.
Sobald jedoch Reason installiert ist, tauchen dessen Klangerzeuger und Effekte auch in Records-Rack auf. Man arbeitet so nur noch in einem Programm und braucht sich keine Gedanken über veraltete Protokolle wie ReWire zu machen. Auch alte Reason-Projekte lassen sich ohne Änderungen in Record öffnen und dort weiterbearbeiten. Echt clever!
Dass Reason und Record Hand in Hand gehen, sollte spätestens jetzt klar sein, was auch an der attraktiven Preisgestaltung der Bundles und Crossgrades ersichtlich ist. Nur wer wirklich ausschließlich aufnehmen will, kommt allein mit Record aus. Allen anderen sei das Duo von Anfang an empfohlen.
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PRAXIS
Bei Geld hört der Spaß auf! Um den Kopierschutz zu gewährleisten, wird Record mit einem Ignition-Key genannten Dongle ausgeliefert. Das hat nichts mit iLok zu tun, sondern ist eine eigene Technologie Propellerheads. Will man Record nutzen, muss der Dongle im Rechner stecken oder man muss sich bei jedem Start einer Onlineverifizierung unterziehen, was besonders mobilen Laptopnutzern sauer aufstoßen wird.
Einziger Trost: Der Demo-Modus, in dem unlimitiert aufgenommen, bearbeitet und auch gespeichert werden kann. Allerdings können in diesem Mode keine Audios exportiert und auch keine Projekte – außer den Demosongs – geöffnet werden.
Ignition Key, Demo- und Online-Mode stehen zur Auswahl
Die Navigation in Record hingegen ist leicht, für jeden Reason Nutzer ein Kindespiel und gestaltet sich auch für totale Neulinge nach einer gewissen Eingewöhnungszeit recht einfach.
Die Aktivierung und Kombination der drei Teilbereiche Rack, Mixer, Sequenzer über F5, F6, F7 und den sich ergebenden Kombinationsmöglichkeiten ist sehr effektiv gelungen. Miniaturvarianten der Teilbereiche, zusätzliche Links im Mixer zu dem korrespondierenden Gerät und der Sequenz, sowie Aufhellung des Mixerkanals bei der Auswahl von Sequenz oder Rackgerät erhöhen die Übersichtlichkeit zusätzlich. Wofür war dieser Effekt nochmal? Ah, genau, Synth Drone im Kanal 96 …
Um sich ganz dem „Musiker“ zu widmen, wurde auf umfangreiche Dropdown-Menüs verzichtet, und so laufen viele „ton-technische“ Entscheidungen automatisiert im Hintergrund ab. Record kümmert sich selbstständig um unterschiedlich Audioformate, Samplerates und Bitauflösungen und „frisst“ somit ziemlich jedes erdenkliche Audiomaterial.
Erstaunlich ist auch, mit welcher geringen Latenz gearbeitet werden kann. Mein Fireface lief mit 64 Samples knackfrei. Somit konnte auch „direkt ins Pult“ gespielt werden.
Viele Modifikationsbefehle sind im Kontext eingebettet. Bestes Beispiel ist die automatische Take-Aufnahme: Sind Loop-Punkte gewählt und ein Track wird aufgenommen, legt Record pro Durchgang einen Take in derselben Spur an. Hörbar und sichtbar ist immer der letzte Take. Wenn es an der Zeit ist, zu selektieren, reicht ein Doppelklick auf den Clip und Record öffnet den Comp-Editor, mit dem sich aus allen Takes das Beste zusammenschneiden lässt.
Der Comb Editor: Ruck-Zuck saubere Takes.
Auch Overdubs lassen sich sehr einfach realisieren: Mit einem Click auf den Overdub-Button legt Record automatisch einen neuen Track an und kopiert die verwendeten Trackeinstellungen wie Effekte und Routings gleich mit.
Eigentlich selbstverständlich, trotzdem sollte es noch einmal erwähnt werden: Da Audios und Clips voneinander getrennt sind, werden die Audios während der Bearbeitung nicht verändert, sondern mittels Clip werden nur Ausschnitte aus dem Audiofile definiert. Selbst der hundertste Schnitt kann wieder rückgängig gemacht werden. Non-Destruktives Editieren nennt sich das im Fachjargon.
Auch Tempoautomationen beherrscht Record und passt resultierende Timestretches bei Audiomaterial von selbst an – und das mit beachtlicher Qualität. Propellerhead scheint da einen neuen Weg zu verfolgen, hält sich aber noch bedeckt.
Die Instrumentensektion von Record fällt ein wenig spärlich aus. Um genau zu sein, gibt es nur ein Instrument: ID8, das vorgefertigte Sounds mit sehr einfachen Regelmöglichkeiten bietet und für einfache Keyboardsounds ausreicht.
Wer mehr will, kauft Reason besser gleich mit. Dafür erhält man ein sehr umfangreiches Arsenal an Synths, Samplern und zusätzlichen Effekten. Und zusätzliche getrennt erhältliche Add-Ons versorgen einen auch zukünftig mit aktuellen Sounds.
Line 6 ist für amtliches Guitar-Modeling bekannt und macht auch bei Record keine Ausnahme. Alle Modelle klingen sehr Line6 typisch und bieten im Zusammenspiel eine Fülle an Sounds. Eingangseitig muss natürlich nicht immer unbedingt eine Gitarre anliegen. Sinn ergibt ein wenig Verzerrung – je nach Musikrichtung- eigentlich auf fast jedem Instrument!
Weitere neue Effekte, die man noch nicht von Reason kennt, bietet Record nicht. Wer die Qualität der Reason-Effekte kennt, weiß, dass sie gut, aber nicht High End sind. In Anbetracht des Preises und der Produktplatzierung geht das aber vollkommen in Ordnung.
Der Mixer allerdings hat mich vom Klang her sehr überzeugt – vor allem der Bus-Compressor weiß zu gefallen. Hier muss sich Propellerhead nicht vor anderen Lizenzinhabern verstecken. Auch die EQs klingen sehr gut, aber ich würde nicht so weit gehen und sagen, dass sie wie echte analoge SSLs klingen.
Der neue Mixer wird auf jeden Fall seiner Hauptaufgabe „ einfache und übersichtliche Schaltzentrale“ gerecht. Wer der Sache und seinem eigenen Können nicht traut, dem bietet das Bounce Mixer Channel-Feature umfangreiche Exportmöglichkeiten, um auch professionellen Studios alle nötigen Daten für einen externen Mix zu liefern.
Das Audiobeispiel stammt aus einem Record Demo Song. Das sind die Record eigenen Credits.
Praktisch und fehlerresistent fällt auch die Dateiverwaltung aus: Ein Song = eine Datei, in die alle Tracks, Audios, Clips, Patches, Crossfades und andere relevante Songinformationen gepackt werden. Das hat nur einen kleinen Nachteil: Beim häufigen Austausch eines Songs im Rahmen einer Kollaboration werden alle Daten – auch unveränderte – immer wieder mitsynchronisiert. Je nach Umfang des Projektes und der Internetverbindungsgeschwindigkeit kann dies ganz schön Zeit kosten. Eine reine Projektdatei wäre wahrscheinlich nur wenige Kilobytes groß.
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Fazit
Ein neues Programm zum Updatepreis für Reason-Nutzer! Für diejenigen, die bisher nur mit Reason gearbeitet haben, lohnt sich das Crossgrade auf alle Fälle. Viele neue und nützliche Features bringt Record mit und wäre mir allein schon des neuen Mixers wegen eine Investition wert.
Wer Reason bisher nur als Soundlieferant direkt in seine andere DAW laufen ließ, kann sich Record wahrscheinlich schenken. Es sei denn, er will seinen gesamten Produktionsprozess verändern und nur noch Out-of-the-Box produzieren.
Für Neueinsteiger und Homerecorder ist Record allerdings, wie ursprünglich auch Reason, der ideale Einstiegspunkt in die Musikproduktion. Einfacher und logischer gehts nicht, ohne dass man sich in Musikbaukästen der ganz unkreativen Art wiederfindet („Music Maker“).
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