Line 6 Variax JTV 69 Test

PRAXIS
Analog-Gitarre
Bevor wir uns mit den großen Möglichkeiten der Modeling Gitarren beschäftigen, gibt es erst einmal die Analog-Gitarre zu hören, also die „normale“ Gitarre mit den drei Pickups. Der Klangcharakter „Strat mit heißem Steg-Pickup“ ist bei der JTV 69 sehr gut getroffen, das Instrument hat eine direkte Ansprache und punktet dadurch mit einem drahtigen, perkussiven Sound. Der Halspickup erzeugt klare und prägnante Rhythmus-Sounds. Hier ein Beispiel mit einem Funk-Groove.

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Analog N Clean

Die Zwischenposition mit Hals- und mittlerem Pickup klingt wie erwartet etwas weicher, hat aber im Vergleich zu manchen Strats noch einen Tick mehr Höhen im Angebot.

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Analog NM Clean

Der Humbucker am Steg hat einen etwas höheren Output als die beiden Single-Coils und bringt daher einen Amp schon etwas früher in die Verzerrung. Das Ganze ist aber sehr gut abgestimmt, die Ausgangslautstärke ist nicht zu hoch im Vergleich zu den beiden Single Coils, sodass beim Umschalten der Pickups keine drastischen Pegelsprünge entstehen. So klingt der Steg-Tonabnehmer über einen Marshall Plexi.

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Analog B Crunch

Die „analoge“ Gitarre bietet keinen Grund zu irgendwelchen Beanstandungen. Alles ist sauber verarbeitet, die Pickups bieten eine große Soundpalette, die Stimmung ist dank gut eingestelltem Tremolosystem und Locking Mechaniken auch bei etwas heftigeren Whammy-Bar-Einsätzen recht stabil. Hier hat sich die Expertise von James Tyler auf jeden Fall gelohnt. Jetzt werden wir uns aber dem Modeling-Part des Instruments widmen, denn hier sind ja noch ein paar mehr Möglichkeiten an Bord.

Modeling-Sounds
Der magische Knopf (Model-Wahlschalter) wird gedrückt, die Beleuchtung im Potiknopf geht an und wir haben einen kompletten Gitarrenladen zur Auswahl. Also starten wir mit dem Naheliegenden, nämlich dem Klangunterschied zwischen Magnet-Pickups und der Modeling Version. Wie sieht es bezüglich Pegel und Klangcharakteristik aus? Dafür habe ich das Strat-Modell (Spank) ausgewählt, die Kombination von Hals und mittlerem Tonabnehmer eingestellt und das Ganze über meinen clean eingestellten Sovtek geschickt. Ihr hört einmal die magnetischen Pickups und dann die Strat-Simulation des Variax Mode.

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Analog-Mode Variax-Mode

Das Ausgangssignal des Variax Mode ist etwas höher als die magnetischen Pickups, man kann es in etwa mit dem Unterschied von passiven zu aktiven Tonabnehmern vergleichen. Für absolute Clean-Sounds ist es ratsam, den Gain des Amps ein wenig zurückzuregeln. Im direkten Vergleich hat der Variax Ton etwas mehr Kompression am Start, leise Anschläge kommen deshalb schon lauter aus den Speakern, man hört es auch an den Saitenrutschern. Aber das sind kleine Nuancen, an die man sich auf jeden Fall gewöhnen kann. Was das Frequenzspektrum betrifft, kommt der Variax Mode mit einem etwas erhöhten Bassbereich, der allerdings von (Modeling) Gitarre zu Gitarre unterschiedlich stark ausfällt.
Soweit die nüchterne Bestandsaufnahme, jetzt beginnt der Spaß und wir hören uns ein paar Gitarrenmodelle mit unterschiedlichen Ampsounds an. Es geht los mit den typischen drei Tonabnehmerkombinationen der Telecaster: Hals, Hals & Steg und Steg. Dieses Modell klingt beim Halspickup schon recht kräftig und der Steg-Pickup liefert einen etwas bissigen Sound. Das Vorbild hierzu war eine 1960er Telecaster Custom. Damit ihr einen kleinen Anhaltspunkt zum Vergleichen habt, habe ich eine Korea-Tele über denselben Amp aufgenommen. Klar, der Vergleich hinkt natürlich, denn jede Tele klingt auch irgendwie anders, aber ich muss sagen, die Variax macht dabei eine gute Figur. Man merkt beim direkten Vergleich zwar den leicht „digitalen“ Sound der Gitarre, aber der hält sich im Rahmen.

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Variax Tele Original Tele

Als nächstes ist die Les Paul an der Reihe. Diesmal über einen gut zerrenden Marshall Plexi. Bei den verzerrten Sounds fallen die typischen digitalen Höhen des Modeling Sounds einen Hauch stärker auf. Das wird natürlich immer besonders deutlich, wenn man eine ähnliche Gitarre mit magnetischen Pickups zum Vergleich hört. Diesmal habe ich eine Les Paul Studio dagegen gehalten. 

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Variax Les Paul Original Les Paul

Der klangliche Unterschied ist jetzt nicht umwerfend groß. Vom Spielgefühl her passt es auch, wobei ich mir vorstellen kann, dass der empfindliche Les Paul Rocker, der seine Paula seit zwanzig Jahren kennt, mit der Variax etwas Gewöhnungszeit brauchen wird, weil Ansprache und Reaktion eben anders sind. Das liegt aber auch an der Konstruktion der Gitarre, die eigentlich für Strat-Spieler konzipiert ist. Line 6 hat für den Les Paul Fan natürlich auch eine Gitarre im Programm (JTV-59), die dem Verhalten und Aussehen der Paula entspricht.
Das Model Special ist angelehnt an die Gibson Les Paul Junior, die etwas dünner klingt als eine herkömmliche Les Paul und auch bei der Variax einen schneidigen Sound produziert. Sehr gut geeignet für Punk-Rock Powerchord Riffs.

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Special

Mit dem Tone-Regler lassen sich die Sounds natürlich etwas entschärfen. Je nach Gitarrenmodell ist auch das Verhalten des Volume- und Tone-Reglers nachgebildet. Die Special liefert bei komplett abgedrehtem Tone-Regler einen guten, körnigen Stoner Rock Sound.

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Special Tone

Hinter Chime verbirgt sich der Klang einer Rickenbacker 360 Gitarre, die es in 6- oder 12-saitiger Ausführung gibt und den Sound von den Beatles, Byrds oder Tom Petty geprägt hat. Je nach Pickup-Wahlschalter hat man beide Modelle im Handumdrehen parat und das Ganze klingt auch sehr authentisch. Hier ist die 12-String Variante, bei der man schon eine leichte Verstimmung mit eingebaut hat. Sehr original.

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Chime 12

Akustik-Gitarren sind natürlich auch im Programm, die sollte man aber besser nicht über den Gitarrenamp, sondern direkt ins Pult oder Audio Interface spielen. Es ist natürlich kein Vergleich zu einer richtigen Akustik-Gitarre, aber wenn man für ein Intro beim Gig mal die 12-Saitige per Knopfdruck parat hat, ist das auch nicht schlecht. So klingt’s.

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Acoustic

Für etwas außergewöhnliche Saiteninstrumente ist die Einstellung Reso zuständig. Hier gibt es Banjo, Douro, Danelectro Electric Guitar, Sitar und eine gemodelte National Tricone. Die Sitar ist einer Coral Sitar nachempfunden, die über den normalen Gitarrenamp gespielt wird. Für orientalische Klänge sehr gut geeignet. 

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Reso

Beim letzten Beispiel wurde übrigens ein Drop D Tuning benutzt. Wo wir beim Thema Tunings angelangt wären. Das ist natürlich eine absolut praktische Geschichte, gerade für Gitarristen, die öfters in unterschiedlichen Stimmungen spielen. Das Ganze funktioniert wirklich reibungslos, man hat mit einem Umschaltvorgang sofort das entsprechende Tuning parat. Wie schnell das geht, hört ihr im nächsten Beispiel, bei dem ich einmal angeschlagen habe und dann zwischen folgenden Tunings hin und her geschaltet habe: Open G – Open D – DADGAD – Open D. Man könnte also locker innerhalb eines Songs das Tuning wechseln. 

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Tuning

Auch bei den Tunings gibt es nichts zu meckern, alles funktioniert einwandfrei, man benötigt allerdings eine gewisse Lautstärke beim Spielen, denn sonst hört man den Ton der Originalsaiten noch zu stark. Und das kann zum Beispiel beim 1/2 Downtuning schon ziemlich in den Ohren wehtun. 

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Profilbild von Chris Arndt

Chris Arndt sagt:

#1 - 02.12.2011 um 23:15 Uhr

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Wie immer ein guter, ausführlicher Bericht von Thomas Dill. Auch sehr schöne Fotos! Ich finde, man hört den Unterschied und den digitalen Modellingcharakter bei den Vergleichsbeispielen noch recht deutlich heraus, besonders bei den Tele- und Paula-Beispielen; selbst auf meinen schrottigen Computerlautsprechern. Dafür wäre mir der Spaß dann doch zu teuer. Kann man den Hex-Pickup eigentlich auch für MIDI-Converter verwenden?

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Thomas Dill sagt:

#2 - 06.12.2011 um 01:09 Uhr

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Hallo Chris,freut mich, dass Dir der Test gefällt. Line 6 hat es im Moment nicht vorgesehen, dass der Hex Pickup als MIDI Converter genutzt wird. Viele Leute fragen aber schon danach...

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Olli sagt:

#3 - 19.06.2012 um 20:43 Uhr

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Seit der ersten Variax hab ich sie mir alle gekauft, bis auf die akustischen, und ich muss sagen dass, bis auf den Sound und die Open tunings, hier viel "verschlimmbessert" wurde.
Ich hab mal meine eigene Pro und Contra Liste vorbereitet:Pro:
Sounds sind etwas besser geworden;
Latenz stark verbessert, gerade bei open tunings

Profilbild von olli

olli sagt:

#4 - 19.06.2012 um 21:00 Uhr

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die Verarbeitung der Gitarren ist sehr gut;
Die neue Hardware ist gut (besonderes Lob für die Lockmechaniken und das Tremolo (Saitenaufziehen in Sekundenschnelle!)
Die magnetischen TA klingen klasse!jetzt zu den Contras...-die Gitarre wirkt insgesamt unendlich klobig, die Halsform ist überhaupt nicht meins, das war selbst bei den allerersten Variaxen besser. Auch die Ergonomie des Bodies lässt zu wünschen übrig. Da schmiegt sich aber auch so gar nichts an. Ich frage mich ernsthaft was sich James Tyler bei diesem Design gedacht hat. Erwähnte ich schon dass ich sie potthässlich finde?
-Sie wiegt für eine Stratstyle Gitarre zu viel.
-Muting funktioniert immer noch nicht bei den gemoddelten Sounds. Klingt einfach "falsch"Trotzdem behalte ich meine. Warum? Bei Studiojobs im sitzen gespielt geht das Handing klar, und die Kunden sind witzigerweise begeistert...

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