Es gibt gleich mehrere Gründe zum Feiern für Dani Löble: Zum einen ist seine Haus- und Hofband Helloween gerade 40 geworden und geht ab Oktober auf große Jubiläumstour, zum anderen ist er selbst seit ziemlich genau 20 Jahren Teil des Pumpkin-Familienkerns. Und ein neues Album gibt es obendrein: „Giants And Monsters“ erscheint im August. Die Aufnahmen zu diesem neuen Longplayer waren durchaus speziell, wie uns ein wie immer bestens gelaunter Dani Löble erzählt hat.

Du hast für das neue Album sämtliche Tracks auf drei verschiedenen Sets eingespielt?
Das klingt ziemlich großkotzig, aber ja, ich hatte tatsächlich drei komplette Drumkits dabei. Da war zum einen ein Metal-Kit, ein „Phonic Plus“ von Sonor mit quadratischen Kesseln – Pearl baut mir jetzt ein solches Kit für die kommende Tour. Ich liebe diese Dinger, denn sie klingen wunderbar metallisch. Für das Album haben wir das Set sehr ‚britisch‘ gestimmt: offen und ein bisschen höher als üblich. Das zweite Set war ein Vintage-„Stainless Steel“ von Ludwig mit zwei Kicks und Toms von 10“ bis 18“. Dazu gab’s ein Set mit einer 28“ großen Marching-Bassdrum von Pearl. All diese Sets konnte ich auf das immer gleiche Rack montieren, um in ein paar Minuten auf zig Konfigurationen umzubauen. Durch die 28“ große Bassdrum fielen natürlich etliche Toms weg, sodass nur eine Hänge- und zwei Standtoms übrig blieben.
All diese Sets ergaben ein jeweils anderes Spielgefühl. Manche Nummern habe ich sogar mit nur einem Pedal gespielt. Ich meine, bei einem lupenreinen, schnellen Metal-Song muss man natürlich keine Experimente machen, aber es gab eben auch Nummern, bei denen wir uns echt nicht sicher waren, was am besten funktioniert. Dann habe ich eben Takes mit allen drei Sets eingespielt, und wir haben uns anschließend die Resultate angehört. Manchmal war die Entscheidung für eine der Varianten sofort klar, manchmal kam schlussendlich sogar eine Art Frankenstein-Set heraus: Sonor-Bassdrums und Ludwig-Toms zum Beispiel.
So entstand eine jeweils individuelle Mischung, sozusagen ein schönes Gesicht für die jeweilige Nummer. Bei langsameren Songs hat sich die große Bassdrum angeboten, und so spielst du eben von vornherein auch die Fills anders. Das merkst du zum Beispiel bei der ersten Single aus dem Album „This Is Tokyo“ – ein Speedmetal-Trommler muss auf einmal den Rocker geben [lacht]. Das hat aber gerade den Charme ausgemacht. Teils existieren drei verschiedene Versionen von den Drumtracks, die Möglichkeiten geschaffen haben.
Das war natürlich erst mal viel Arbeit, aber auch ziemlich zeit- und kostenintensiv.
Stimmt, aber wir haben es genossen, so detailliert arbeiten zu können – auf dem Album sind zum Beispiel keinerlei Samples zu hören. Ich war sechs Wochen lang nur am Trommeln. Eine echte Materialschlacht, und es wurden um die 200 Felle verballert [lacht]. Aber wenn du allein schon zehn Toms oder so hast, dann geht das eben schnell. Ich habe natürlich nicht alle Felle durchgeschlagen, aber wir wollten es uns einfach gönnen, immer den besten Natursound zu haben. Deswegen haben wir so ziemlich nach jeder Nummer frische Felle aufgezogen – wie immer eigentlich. All in! Ich denke, das hört man der Platte auch an.
Stimmt, vieles klingt noch etwas wuchtiger als sonst.
Ja, das war das Ziel. Charlie [Bauerfeind, Langzeitproduzent] wollte es einfach ‚britischer‘ haben. Mein Drumtech hat dann, ausgehend von einer Tom, das jeweilige Set entsprechend gestimmt. Die Aufnahme hat auch sehr viel Raum, was den Songs sehr gut gestanden hat, und wir haben kein Muffling auf den Trommeln eingesetzt, sondern das Ganze wirklich klingen und scheppern lassen. Dadurch ist diese Unbekümmertheit, Wildheit und Rawness entstanden. Das fand ich auch beim Spielen sehr reizvoll. Dazu kommt die Tatsache, dass der Aufnahmeraum eigentlich für Orchester konzipiert, also sehr, sehr groß ist. Wir haben jede Menge Mikrofone eingesetzt und so sehr viel mit diesem Raum gearbeitet. Diese Wucht hörst du ebenfalls.
Lustigerweise hat mein Drumtech das Set am Anfang am falschen Platz aufgebaut, Charlie wollte es eigentlich weiter hinten haben. Ich hatte aber schon Sachen eingetrommelt, und danach erst haben wir das Set nach hinten gezogen. Das war aber meiner Meinung nach eben nicht mehr der richtige Platz für das Set in diesem Raum – an der ursprünglichen Stelle klang es einfach anders. Dann haben wir beide Takes miteinander verglichen, und der Unterschied war tatsächlich ziemlich krass. Also: Set wieder nach vorne und weiter!
“Ich bin mit allen Helloween-Aufnahmen sehr zufrieden, aber diesmal bin ich wirklich richtig fett happy.“
Es gibt ja zum Beispiel die Geschichte von Rick Rubin, der bei Aufnahmen für die Chili Peppers mit der Snare durch den Raum gelaufen ist und genau den Spot für das Schlagzeug ausgewählt hat, an dem die Snare für ihn cool klang. Solche Stories gibt’s auch von Buddy Rich, der seine Snare angeblich so gestimmt hat, dass sie sich in der ersten Reihe im Publikum geil anhört. Das hat ja alles seinen Sinn. Wo sind diese ganzen alten Gewohnheiten eigentlich hin? Das Schlagzeug ist nun mal ein akustisches Instrument – also lass es klingen!
Drum klingen die ganzen Homerecording-Sachen nicht so wirklich geil – weil alle die gleichen Samples und so weiter benutzen. Es hat ja nichts damit zu tun, dass die Jungs nicht trommeln könnten oder nicht kreativ wären. Aber so was holt mich einfach soundmäßig nicht ab, es berührt mich nicht. Wenn ich dagegen alte Platten höre, ist das ganz anders. Die Atmosphäre geht oft einfach verloren.

Das neue Album hat eben auch nicht diesen typischen Helloween-Sound, sondern klingt zumindest streckenweise anders.
Genau das war die Intention: Wenn wir schon die Möglichkeit hatten, dann wollten wir’s auch ausprobieren. Wir hätten sogar zwölf Wochen aufnehmen können. Es war einfach alles sehr entspannt. Ich bin mit allen Helloween-Aufnahmen sehr zufrieden, aber diesmal bin ich wirklich richtig fett happy. Bei den Drum-Recordings ist einfach so viel an Ideen, Kreativität, Spontaneität und Ungeplantem eingeflossen. Das ist wirklich schön. Wie früher. Es war jetzt das erste Mal, dass wir etwas so krass gemacht haben. Ich bin, auch schon für das letzte Album, einfach ins Studio und habe die Songs ohne Klick aus dem Kopf eingetrommelt. Das setzt natürlich eine enorme Vorproduktion voraus.
Du spielst die Songs tatsächlich derart im Blindflug ein?
Ja, ja. Ich habe die Songs zu Hause in meinem Aufnahmestudiolein ausgearbeitet und Drum-Demos gemacht. Wenn diese für alle okay waren, dann habe ich diese Demos Schlag für Schlag auswendig gelernt, bin ins Studio und habe die Songs zwei-, dreimal aufgenommen. Teils auch mehrere am Tag. Charlie hat mir ein paar Takte Klick gegeben, und dann ging’s los. Manchmal waren zum Beispiel Drum-Intros zum Klick zu steif – dann habe ich sie eben ohne gespielt. Es gibt einfach Parts, die eine gewisse Lebendigkeit brauchen. Es gab auch Tracks, die ich sowohl mit als auch ohne Klick eingespielt habe, und das Resultat ist eben „best of both worlds“ geworden. Ich bin natürlich superstolz, dass ich so was machen darf.
Wie verläuft denn das Schreiben der Songs bei Helloween allgemein?
Wir sind sieben Jungs in der Band, und fünf davon schreiben Songs. Entweder treffen wir uns oder die Songideen fliegen auf unserer Plattform ein. Diesmal waren es vielleicht 30 Songs, die so zusammengekommen sind. Aus diesen wählen wir aus. Bei Ideen, bei denen wir uns noch nicht sicher sind, wird gemeinsam gearbeitet. Wenn die finale Auswahl steht, geht’s an die Vorproduktion. Jeder kann beim jeweils anderen etwas beisteuern. Die eigentliche Vorproduktion findet bei uns jeweils komplett mit Drums, Vocals und allem, was dazugehört, statt. Was bei uns Demo ist, landet bei manch anderen schon auf dem Album [lacht]. Nein im Ernst, so viel Mühe geben sich die Jungs, um ihre Ideen zu übermitteln. Das ist toll.
Die Drums sind in diesem Stadium komplett programmiert?
Ja, aber nur um der Nummer ein Gesicht zu geben. Ich schalte meist alles aus und biete meine oder Charlies Ideen an – die manchmal komplett anders sind als das Vorgegebene. Manchmal stelle ich sogar das Tempo zur Diskussion – wenn Dinge sich für mich in dem vorgegebenen Tempo einfach nicht gut anfühlen und eiern. Da geht’s manchmal um drei, vier BPM, die der Song schneller oder langsamer sein muss. Auch die Songwriter sind vielleicht meiner Meinung, und so haben diese Entscheidungen für beide etwas gebracht.
Ich bin Rhythmiker und kein Songwriter, aber mir fallen eigentlich immer sofort Ideen für Drum-Arrangements ein. Das ist mein Part, und da lassen mich die Jungs auch machen. Manchmal haben sie sich aber auch bei bestimmten Stellen etwas gedacht [lacht]. Dann mach ich das natürlich auch, und wir stellen beide Takes gegeneinander. Es kann ja auch passieren, dass das Programmierte in dem Moment, in dem ich es sozusagen humanisiere, gar nicht mehr so geil rüberkommt, denn das Programmierte hat einfach ein ganz anderes Feeling. So was probieren wir einfach aus.
Manchmal editieren wir Ideen auch bewusst technisch mal ganz statisch, denn ich bin natürlich keine Maschine. Auch dadurch entsteht wieder eine „best of both worlds“-Mischung, die an manchen Stellen genau das Richtige sein kann. Live interessiert so was nicht unbedingt, aber auf der Platte sind solche Entscheidungen schon wichtig. Warum soll man Studiotechnik nicht nutzen?
Macht ihr so was von zu Hause aus oder zusammen im Studio?
Meistens remote: Jeder nimmt da auf, wo er sich wohlfühlt. Und ehrlich gesagt möchte ich bei solchen Sachen auch allein sein. Sich wirklich zusammenzusetzen, das bekommen wir allein zeitlich gar nicht auf die Reihe. Wir sind sieben Leute und wohnen auf der ganzen Welt verteilt. Über die Jahre haben wir herausgefunden, dass der Flow besser ist, wenn jeder aus seiner gewohnten Umgebung seinen Anteil beisteuert. Danach gibt’s ein „gentlemen’s agreement“. Ich persönlich brauche echt Ruhe im Studio. Charlie und ich arbeiten ja schon seit 25 Jahren zusammen und haben unseren gemeinsamen Groove entwickelt. Alles andere bringt für mich einfach Unruhe in die Sache. Wenn mal jemand von der Band vorbeikommt, ist das natürlich okay, und man kann sich schön foppen – aber alle zusammen, da könnte ich mich nicht konzentrieren.

Die Songs auf dem neuen Album sind teils auffallend kurz ausgefallen. War das Absicht oder hat es sich entwickelt?
Letzteres. Wir hatten nicht die Absicht, etwas so oder so zu machen. Sascha [Gerstner, Gitarrist] kam mit „Universe“ und seinen acht Minuten um die Ecke, einem der schnellsten Helloween-Songs überhaupt. Auch „Majestic“ von Kai [Hansen, Gitarrist], ein ziemlich abgefahrener Song, war so nicht geplant. Es gibt nie eine Helloween-Blaupause. Über die Jahre hat jeder seine Komfortzone entwickelt, in der oder auch über die hinaus er kreativ sein kann. Das ist ja das Schöne an der Band – wir sind einfach unvorhersehbar. Ich selbst als Allererster: Manchmal mache ich Sachen, von denen ich gar nicht weiß, wo sie herkommen und die ich von mir gar nicht erwartet hätte [lacht].
Dennoch gibt es diesen typischen Helloween-Sound.
Ja, das liegt natürlich an den Jungs in der Band. Es ist, glaube ich, die Energie von uns sieben, die den Sound der Band ausmacht. Wir sind auch sehr, sehr unterschiedliche Charaktere, und genau die machen die Band aus. Außerdem haben wir unsere Stammcrew, die schon seit über 20 Jahren mit uns herumzieht. So ist das Baby über die Jahre gewachsen, und jeder hat seinen Fingerprint hinterlassen. Selbst wenn wir mal Sch**** spielen, dann zählt diese Energie. Komischerweise bekommen wir das alles auf die Platten, obwohl wir remote aufnehmen. Ich habe keine Ahnung, wie wir es machen, aber das ist der Helloween-Sound.
Im Oktober steht die große Jubiläumstour zum 40. an. Wie sind bei euch die Proben organisiert?
Wir sind jetzt schon dran. Heute ist der erste Probetag. Am Anfang ist nur die Band da, die Sänger kommen gegen Ende dazu. Wir proben ab jetzt [Mitte Juni] bis Oktober im Zwei-Wochen-Turnus, zwei Wochen proben und zwei Wochen off, da eine solche Tourproduktion schon ziemlich massiv ist. Es geht ja nicht nur um die Musik, sondern auch um Videos, Programming, Time-Codes, Licht, verschiedene Contents und so weiter. Du kannst nicht einfach von der Leber weg spielen, es herrscht schon ziemlich viel Disziplin in puncto Arrangements.
Wir spielen zudem Songs, die in dieser Besetzung noch nicht oder überhaupt noch nie live gespielt wurden. Anschließend kommen die Produktionsproben, und dann geht’s schon auf Tour bis erst einmal Mitte Dezember. Nach der Europatour gibt es eine Woche off, dann geht’s nach Asien, dann wieder ein paar Wochen off, dann Nordamerika, dann wieder Asien, dann die Sommerfestivals in Europa, dann nach Südamerika. Dann wird es schon Mitte 2027 sein. Bam, here we are [lacht]!

Da hast du ja einiges vor der Brust.
Ja, ja, und älter wird man ja schließlich auch [lacht].
Das ist das Stichwort: Wie bereitest du dich körperlich auf die während der Helloween-Shows benötigte Leistung vor? Trainierst du für eine Tour besonders oder behältst du deine ja ohnehin hohe sportliche Tagesroutine bei?
[Lacht]. Früher war ich recht konstant in Sachen Sport und Tourvorbereitung, aber mein Körper gibt mir in den letzten paar Jahren schon deutliche Signale, dass ich nach einer Tour nicht volle Power weitermachen kann. Also gehe ich in Tourpausen so etwa 50 Prozent von meinem Level runter. Ich trommele jeden Tag, aber meistens übe ich tatsächlich bestimmte Dinge. Natürlich ballerst du auch mal, aber ich spiele nie und nimmer auf dem Niveau wie live auf Tour – da bist du viel mehr fokussiert auf Bewegungsabläufe und so weiter. Wenn’s wie jetzt langsam auf die Tour zugeht, dann habe ich mit einem Freund ein Sportprogramm aufgestellt, um mich körperlich wieder hochzufahren und aus meiner Komfortzone herauszuholen.
In der letzten Zeit habe ich das Boxing für mich entdeckt: Ich bin kein Boxer, aber dieses Training macht schon etwas mit mir, und ich komme auch wieder auf meine 70 Kilo. Dann funktioniert es. Ausdauer und Schnelligkeit, das alles wird im Boxtraining abgedeckt. Superb! Dazu gehören natürlich die gesunde Ernährung und der allgemeine Lebenswandel – wie ein Profiboxer eben [lacht]. Aktuell bin ich wieder bei etwa 80 Prozent meiner Leistung und steigere mein Level nach und nach.
“Heute bin ich mehr Musiker, mehr bei mir und spiele mehr für den Song. Das hörst du der Musik auch an, finde ich.“
Bei Proben brauche ich nicht wie ein Blöder reinzuprügeln – Hauptsache, es ist alles da, wo es sein muss! Wenn wir aber mit den Showproben anfangen, dann gehe ich hoch auf das nötige Level, übertreibe es ganz bewusst und nehme mich dann wieder zurück. So finde ich meine Grenze und kann sehen, wie lange ich gewisse Dinge durchhalte. So funktioniert es bei mir am besten, und dieses Level fräst sich ein. Auf Tour sagen mir die Jungs am Monitor und Front-of-house in puncto Lautstärke, wie sie es gerne hätten beziehungsweise für die Halle am besten brauchen können.
Wir können während der ganzen Show miteinander sprechen. Das Drumkit soll ja möglichst gut klingen. Das ist immer das Ziel. Dazu bekomme ich klare Ansagen, was die Intensität meines Spiels angeht, und wir schießen uns auf dieses Level ein. Es ist für mich eine Selbstverständlichkeit, dass ich den Jungs, die wir anstellen, um uns gut klingen zu lassen, auch das bestmögliche Signal anbiete. Dafür musst du einfach wissen, was du tust.
Zumindest optisch hat man bei dir den Eindruck, dass alles ziemlich kraftvoll und folglich auch laut gespielt ist.
Das sieht manchmal nur so aus. Ich habe von Ernst Seider, unserem damaligen FOH-Mann, der einen sehr guten Ruf in der Szene hat, gelernt, dass ich eher leise spielen soll, es dabei aber so aussieht, als ob ich die Kiste zerstöre. Als junger Bub widersprichst du da natürlich nicht [lacht]. Das Zauberwort lautet „abbremsen“. Gott sei Dank konnte ich das alles relativ zügig umsetzen. Es sieht also heute so aus, als ob ich die Hütte zernagele, aber du kannst meist locker danebenstehen – manchmal ist’s natürlich auch anders [lacht], und ich würde nicht empfehlen, in die Nähe des Kits zu kommen.
Ich habe über die Jahre einfach gelernt, mich den Songs anzupassen. Bei Gotthard [Löble spielte in der Band vertretungsweise ab 2017] habe ich gelernt, wann und wie ich welches Instrument aus dem Drumset lauter oder leiser spiele, um es grooven zu lassen. Auch in diesem Zusammenhang war diese Band für mich eine sehr interessante Baustelle. Das setze ich jetzt bei Helloween auch ein und trommele sehr bewusst.
Prügeln ist nicht mehr angesagt – früher war ich ja fast stolz, wenn mein Drumtech nach der ersten Nummer schon mit der Ersatzsnare ankam. Alter! Heute bin ich mehr Musiker, mehr bei mir und spiele mehr für den Song. Das hörst du der Musik auch an, finde ich. Aus heutiger Perspektive schoss früher vieles am Ziel vorbei. Professionell zu arbeiten, das heißt eben auch, zum Beispiel in einem Club genau zu wissen, was du trommelst, damit es unten gut klingt. Dem Publikum lautstärkemäßig den Schädel zu spalten, ist da eben nicht angesagt.

Beim Prügeln gibst du schließlich ein Signal, aber nicht viel Sound raus…
Genau. Es gibt zum Beispiel eine gewisse Lautstärke, an der meine Snaredrum einfach zumacht. Dieser Pearl-Aluminium-Kessel klingt wunderschön für Helloween, aber, wenn ich ihn überspiele, dann macht er eben einfach zu. In diesen Bereich komme ich gelegentlich, aber dann bekomme ich vom Monitor- oder FOH-Mann gleich eine entsprechende Ansage. Das ist das Tolle an der Zusammenarbeit: Der eine kreiert den Sound, der andere verkauft ihn, und alle stimmen sich untereinander ab. Da ziehe ich mich gerne zurück und sorge dafür, dass die Leute die Show genießen können.
Live spielst du alles genauso wie auf der Platte?
Genau. Ich erlaube mir da keine Freiheiten und lege auch Wert darauf. Man muss natürlich differenzieren: Wenn’s um die Songs geht, die aus meiner Ära bei Helloween stammen, dann habe ich mir damals beim Arrangieren schon etwas bei diesem und jenem Fill gedacht. Also nagele ich die Songs zu, sagen wir, 98 Prozent jeden Abend gleich runter. Die Jungs können sich so darauf verlassen, aber zum Beispiel auch die Leute am Licht: „Ah, wenn das Becken kommt, dann schalte ich drauf.“ Das Becken kommt dann eben auch jeden Abend, und zwar genau an dieser Stelle.
Ein Drumfill ist wie ein Riff für mich. Du kannst nicht „Smoke on the Water“ heute so und morgen völlig anders spielen, nur weil du lustig bist. Ich meine, das kann jeder natürlich handhaben, wie er möchte, aber für mich hat jeder Song seine Geschichte – und das ist eben das Drumfill, das da hingehört. So mache ich es auch mit der Helloween-Ära vor mir: Es gibt Songs, bei denen gefallen mir die Drumtracks von Uli [Kusch, Drummer von 1994-2001] oder Ingo [Schwichtenberg, Drummer von 1984-1995] sehr gut, bei anderen sind sie vielleicht aus meiner Perspektive eher nicht oder nicht mehr passend. Die baue ich mir dann so um, dass es für mich funktioniert. Aber auch die hörst du dann jeden Abend gleich von mir.

Du spielst ganz oldschool zwei Haupt-Bassdrums mit Einzelpedal. Bei der letzten Tour zumindest hattest du ein Set mit vier Bassdrums. Wie organisierst du das?
Schon seit etwa 2010 spiele ich ein so großes, massives Kit, weil mir das Visuelle echt wichtig ist. Für mich ist Helloween eben auch eine Rockshow und Entertainment. Auf den großen Bühnen, die wir spielen, wird selbst ein Drumset mit vier Bassdrums und zwei Gongdrums auf einmal ganz schön klein. Mit zwei, drei Toms und einer Bassdrum wärst du auf der Bühne gar nicht mehr zu sehen. Die zweite Sache ist, dass ich mit Van Halen und KISS aufgewachsen bin – dieses Spektakel fand ich immer schon super.
Ein Schlagzeug ist doch auch ein schönes Objekt zum Angucken, oder?! Pearl hat mir wunderschöne Sachen gebaut, die schon sexy aussehen. Gespielt werden diese Bassdrums nicht unbedingt, denn ich habe nun mal nur zwei Füße [lacht] und komme mit Doppelpedalen nicht wirklich gut zurecht. Ich wollte sogar mal einen Kühlschrank in eine Bassdrum einbauen, um die ganze Sache bewusst auf die Spitze zu treiben [lacht]. Spaß muss doch sein. Die 8“-Tom zum Beispiel ist ein Getränkehalter, denn die würde ich ja in echt kaum treffen [lacht].
Wie hast du deine Pedale eingestellt?
Da hat sich in der letzten Zeit bei mir einiges verändert. Mittlerweile habe ich meine „Eliminator“-Pedale ziemlich lose, den Beater eher etwas weit nach hinten und die Longboard-Trittplatte ziemlich steil eingestellt. Ich brauche eben zum einen die Schnelligkeit, zum anderen aber auch die Wucht. Ich hatte auf der „Pumpkins United“-Tour [2017/2018] auf einmal Probleme mit meinem rechten Fuß, und niemand konnte mir sagen, woran es lag. Also habe ich Alex Holzwarth als den deutschen Doppelbassdrum-Guru schlechthin angerufen und ihn um Unterricht gebeten. Er hat zunächst geglaubt, ich wolle ihn verarschen [lacht].
Alex hat mich jedenfalls, das war Anfang 2020, dazu gebracht, dass ich meine Technik komplett umstelle: Früher war ich der klassische Rocker, aber für die Ankle-Technique musste ich meinen rechten Fuß sozusagen komplett enteisen, um andere Muskelgruppen einzusetzen. Das habe ich auch mithilfe von Filmaufnahmen während der Shows gemacht. Der Fuß war so steif und fest, das kannst du dir gar nicht vorstellen.


Jetzt habe ich einen komplett anderen Bassdrumsound und kann Sachen spielen, die vorher überhaupt nicht funktioniert haben – und vor allem sind die Probleme mit dem rechten Fuß komplett Vergangenheit. Das alles hat sich also ausgezahlt: Ich habe mehr Sound, mehr Leichtigkeit und kann mich besser ausdrücken. Eine ganz andere Sphäre. Es gibt natürlich noch ein paar Bugs, die immer wieder drin sind, aber die bekomme ich auch noch in den Griff.
Sind die Bassdrums bei dir getriggert?
Ja, ich habe Trigger dran, aber die sind hauptsächlich für mich im Monitor. Seit ein paar Jahren liegt das Signal aber auch im FOH-Sound an, jedoch eher für den Fall, dass mal etwas schiefgeht. Dann hast du wenigstens einen Nagelstich als Signal. Je nach akustischer Situation können wir das Signal ein wenig dazufahren, meist aber nur im unteren Drittel. Das hält den Sound einfach ein bisschen stabiler. Ich habe auch Trigger an den Toms, die aber nicht triggern, sondern direkt ans Monitorpult gehen und dafür sorgen, dass die Gates aufgemacht werden: Wenn ich spiele, wird das Gate geöffnet, und ansonsten ist die Tomspur dicht. Dafür sind die Tomtrigger die Impulsgeber.
Ich denke, die Musik von Helloween braucht einfach einen ziemlich natürlichen Sound. Die ersten ein, zwei Touren habe ich noch komplett getriggert, aber da haben viele Sachen einfach nicht wirklich funktioniert – was uns bei der Umstellung sofort klar wurde. Jetzt muss ich halt bei Tempo 160 auch mal ordentlich reinschwarten, damit aus den Kesseln was herauskommt [lacht].
Gibt’s außer Helloween Pläne bei dir?
Helloween ist schon ein Vollzeitjob, und auch wenn ich nichts zu tun habe, dann habe ich was mit den Jungs zu tun [lacht] – im Proberaum oder wo auch immer. Ich versuche, die beste Version meiner selbst zu sein, und am Schlagzeug habe ich dafür immer wieder neue Ziele: An meine Idealvorstellung werde ich in meiner Lebenszeit nicht herankommen, aber bis der Sargdeckel zugeht, versuche ich, diesem Ziel so nah wie möglich zu kommen. Das ist meine Motivation. Ich beschäftige mich zum Beispiel auch immer wieder mit anderen Stilistiken wie Funk und Fusion und nehme hier und da bei Kollegen Unterricht für spezielle Dinge.
Nebenher habe ich mit unserem Gitarristen Sascha [Gerstner] noch ein Baby am Start, das jetzt hoffentlich mal langsam das Licht der Welt erblicken wird. Es kommt also noch so einiges, und ich freu mich drauf. Jülle [Jürgen „Ventor“ Reil, Drummer von Kreator] hat mal zu mir gesagt: „Je älter ich werde, desto geiler finde ich den Sch***.“ Da gebe ich ihm vollkommen recht. Die Drachen sind getötet, und jetzt genieße ich ganz andere Sachen: Es geht um Musik und nicht ums Ego.
Biografie Dani Löble
Daniel Löble (geboren 1973) spielte ab 1991 in lokalen Bands und nahm von 1993 bis 1995 Unterricht an der Modern Drum School in Zürich. 1994 gründete er die Band Höllenhunde. Von 1996 bis 1999 studierte Löble an der Academy of Contemporary Music (ACM) in Zürich und spielte bei Glenmore. 1999 folgten Rawhead Rexx und andere Bands, bevor es 2005 zu Helloween ging.
Diskografie:
Rawhead Rexx: Self Titled (2001), Diary In Black (2003)
Helloween: Mrs. God (2005, Single), Keeper Of The Seven Keys – The Legacy (2005), Gambling with the Devil (2007), 7 Sinners (2010), Straight Out of Hell(2013), My God-Given Right (2015), Helloween (2021), Giants And Monsters (2025)

Equipment:
- Drums: Pearl „Reference“ in „Marbled White“ mit „Black-Chromed“ Hardware
- 22“ x 18“ Bassdrum (2)
- 20“ x 18“ Bassdrum (2)
- 8“ x 8“ Tom (Getränkehalter)
- 12“ x 11“, 13“ x 12“, 14“ x 13“ Toms
- 16“ x 16“, 18“ x 16“ Floortoms
- 14“ x 6,5“ „Ultra Cast“-Snaredrum (2)
- 20“ x 14“ Gongtoms (2)
- „Black-Chromed Icon“-Rack und Hardware
- „Eliminator“-Pedale
- Cymbals: Paiste „Signature Reflector“ in „Custom White-Coloured“
- 22“ „Heavy Full“-Crash
- 19“ „Heavy Full“-Crash (2)
- 18“ „Heavy Full“-Crash (2)
- 20“ „Heavy Full“-Crash
- 18“ „Heavy“-China (2)
- 16“ „Thin“-China
- 22“ Ride
- 14“ „Dark Crisp“-Hi-Hat (2)
- 9“ „Rude“-Bell
- Sticks: Rohema (Dani-Löble-Modell)
- Felle: Remo (Toms/Top: „Pinstripe“-Clear, Snare/Top: „Pinstripe“-Coated, Sidesnare: „Emperor“, Bassdrums: „Powerstroke 3“-Clear), Drumsigns-Custom-Heads (Toms-Resonanz, Kick-Resonanz)
Website: helloween.org