ANZEIGE

Fender Road Worn 60er Strat Test

KORPUS
1954 wurde der Strat zunächst ein Korpus aus Eschenholz verpasst, ab Mitte 1956 dann einer aus der leichteren Erle. Der Korpus bestand aus zwei unsymmetrischen Teilen mit zwei echten Cutaways, die ihr ein sehr futuristisches Aussehen gaben. Das obere „Horn“ wurde nicht nur aus ästhetischen Gründen stark verlängert, sondern sollte auch für eine gewisse Balance beim Träger des Instrumentes sorgen. Bei der Entwicklung des Designs hatte sich Fender selbst kopiert, denn die Korpusform ahmte sehr stark die des Precision Bass nach, den Fender 1951 entwickelt hatte und bis zum Erscheinen der Strat schon erfolgreich vermarkten konnte. Die Form der Strat wurde seither nicht mehr geändert und die Größenverhältnisse vom Vorbild im Maßstab 1:1 auf unsere Road Worn übertragen.

Fender60sStratRoadworn_04FIN_01 Bild

Selbstverständlich wurde auch unsere Road Worn mit der typischen “Bierbauchfräsung” konturiert. Die Aussparung am Korpus ließen die Strat geschmeidiger am Körper anliegen als die kantige Tele, die nach längeren Sessions unangenehme Druckstellen am Rippenbogen hinterlassen konnte. Mit dem neuen Design erhielt auch gleichzeitig die abgerundete Kante eine Chance, die zwar für mehr Komfort sorgte, aber gegen Abnutzung auch nicht gefeit war – der Lack leidet hier genau so wie an den Ecken der Tele. Und deshalb wurde unsere Kandidatin auch an den runden Bodykanten insbesondere im oberen Vorder- und Rückseitenbereich mit massiven Abschabungen verziert. An der Stelle, wo der rechte Arm auf dem Body ruht, findet man trotz Armkonturierung größere Lack- und Holzbearbeitungen. Der Korpus unserer Road Worn Strat ist federleicht – bei ‚echten’ alten Gitarren neben vielen weiteren Faktoren auch ein Zeichen dafür, dass das Holz sehr trocken ist.

Eine 60er Strat erkennt man am dreischichtigen Pickguard, das mit elf Schrauben befestigt ist. Jedenfalls wurde das ursprünglich schneeweiße Schlagbrett unserer Road Worn an den Rändern standesgemäß nikotingelb eingefärbt und auch die elf Schrauben wirken alt und verrostet. Der Klinkeneingang für das Gitarrenkabel ist schräg in ein ovales Blech auf der Decke eingelassen. Diese Maßnahme hatte sich angeboten, weil die Telecaster, die den Klinkeneingang in der Zarge hatte, nicht selten mit ausgerissener Klinkenbuchse zurück in die Werkstatt kam.

Bis 1958 wurde die Strat ausschließlich in einem schwarzgelben 2-Tone-Sunburst lackiert. Sehr beliebt war ein transparentes Honiggelb, das an den Rändern in ein dunkles, deckendes Braun-Schwarz überging. Sonderfarben gab es nur auf Bestellung.Erst ab 1959 wurde der Rotton in der Mitte hinzugefügt, sodass das bekannte 3-Tone-Sunburst entstand. Bei den ersten Stratocasters aus jenem Jahr verabschiedete sich übrigens das Rot auch gerne wieder und das Finish kehrte zu alter zweifarbiger Pracht zurück.

Damals wurde noch echter Nitro-Cellulose Lack versprüht, der allerdings nicht an der Oberfläche blieb. Nach der Verarbeitung sackte er allmählich in das Holz ein und härtete dort nach. Dadurch wurde die Lackschicht an der Oberfläche immer dünner und oft entstanden dort Risse, die allerdings bei der Decke unserer Road Worn fehlen. Aber dort sind unzählige kleinere und größere Lackschäden zu sehen, die teilweise bis auf das blanke Eschenholz gehen. Unsere nitrolackierte Road Worn trägt ebenfalls ein Finish im bekannten 3-Tone-Sunburst, wobei es auch eine schneeweiße Version gibt, die ebenfalls sehr schick aussieht.

Mit dem Vibratohebel konnte die Tonhöhe verändert werden. Dieses neue System war klein, optisch unauffällig und erlaubte durch das Kippen der Brücke ein totales Erschlaffen der Saiten. Mit Federn, die sich in einer Fräsung im Body versteckt hielten, konnte die bewegliche Brücke ohne Nebengeräusche wieder in die Ausgangsposition zurückgebracht werden. Die kleine Brücke mit integriertem Saitenhalter bot für alle sechs Saiten eine Einstellvorrichtung in Höhe und Länge.
Selbstverständlich präsentiert sich auch unsere Road Worn mit Vibratohebel und der dazugehörigen beweglichen Brücke.

Fender60sStratRoadworn_07FIN_01 Bild

Die künstlich gealterten Metallteile sind so matt und stumpf, als hätten sie tatsächlich schon so manche Nacht Kneipenluft geatmet und so manchen Tropfen Schweiß über sich ergehen lassen müssen. Auf der Rückseite erkennt man die 6-Loch-Halsplatte, die in den 60er Jahren die 4-Loch-Platte abgelöst hatte. Die Plastikabdeckung der Vibratofräsung kann entfernt werden, um die Spannfedern zu justieren. Sogar diese ist bei unserer Testkandidatin analog zum Pickguard gelb verfärbt. Auch das Tremolo entspricht dem klassischen Vorbild, das Leo Fender 1954 für die Stratocaster entwickelte und bei dem die Saiten durch den Metallblock gefädelt und über die Brücke ihren Weg zu den Mechaniken finden.

Auf der Rückseite des Korpus befindet sich eine kleine Gürtelschnallenmacke – für meinen Geschmack etwas zu bescheiden. Aber nur keine Hemmungen: Beim nächsten Gig einfach den Gürtel mit der großen Metallschnalle tragen und was noch fehlt, das kommt dann ganz von selbst und nebenbei höchst authentisch hinzu.

Elektronik
Das wichtigste Glied bei der Klangerzeugung sind die Pickups. Während die alte Tele mit zwei von ihnen auskommen musste, wurde die Strat gleich mit drei in den Ring geschickt. Auch Metall verändert sich im Laufe der Zeit und mit ihnen die Komponenten und die elektrischen Eigenschaften von Tonabnehmer. Hundertprozentig nachvollziehen kann man diese Veränderungen technisch bis heute nicht, und es wird auch noch für absehbare Zeit eine große Herausforderung bleiben, der man sich bei der Road Worn Serie nicht gestellt hat – angesichts des Preises eine verständliche Entscheidung. Stattdessen ist sie mit drei fabrikfrischen Tex Mex Exemplaren bestückt. Wie „alt“ sie klingen, das werden wir noch herausfinden.

Fender60sStratRoadworn_11FIN_01 Bild

Die ersten Strats wurden mit einem Dreiwegschalter ausgerüstet, der wahlweise den vorderen, mittleren oder hinteren Tonabnehmer aktivierte. Doch findige Techniker entdeckten bald interessante Soundvarianten, wenn zwei oder drei Pickups miteinander kombiniert wurden. Es dauerte eine Weile, bis Fender die Idee aufgriff und serienmäßig einen Fünfwegschalter produzieren ließ. Mit diesem konnten entweder Hals- oder Stegtonabnehmer mit dem mittleren Pickup kombiniert werden. Kaum zu glauben, aber wahr: Zur Standardausstattung gehört er erst seit1977! Unsere Road Worn besitzt im Gegensatz zum Original einen Fünfwegschalter, der Ihr aber keinesfalls zum Nachteil gereicht.

Hals
Der schmale Hals mit 648 Millimeter Standardmensur wurde nicht – wie bei den Gibson Gitarren – mit dem Korpus verleimt, sondern mit vier Schrauben am Korpus befestigt. Die Halskrümmung lässt sich mit dem eingelegten Stahlstab justieren, der unter dem stark gewölbten Griffbrett seinen Platz hat. Erreichen lässt sich die Einstellschraube nur, wenn man zumindest das Pickguard entfernt.

Ein separat aufgeleimtes Griffbrett wurde der Strat erst ab 1960 spendiert. Offensichtlich bietet Palisander optimalen Schutz vor Gebrauchsspuren, denn das Griffbrett unserer Road Worn sieht aus wie neu. Fans „geagter“ Gitarren werden enttäuscht sein, denn die 60er mit aufgeleimtem Griffbrett bietet viel weniger Charisma als die 50er Road Worn Strat mit abgewetztem Lack. In den 50er und 60er Jahren hatte die Strat nur 21 Bünde, der Zweiundzwanzigste wurde ihr erst später spendiert. Mit 21 wird auch unsere auf die Strasse geschickt. Die nagelneuen 6105er Bünde mit schmalen angespitzten Kronen sind sauber abgerichtet und kommen ohne Abspielspuren aus.

Kopfplatte
Die Stimmmechaniken befinden sich in einer Linie auf der oberen Seite der asymmetrischen Kopfplatte.  Die ist schmal, wie es sich für eine frühe Strat gehört. Im Zeitraum zwischen 1965 und 1981 kam dann die breitere CBS-Form in Mode. Für unsere Road Worn hat daher offensichtlich eine Strat aus den frühen 60ern Pate gestanden. Verziert ist die Kopfplatte mit dem sogenannten Fender „Spaghetti“-Logo, das bis 1965 die Marke repräsentierte. Auf der Kopfplatte unserer Road Worn ist ein t-förmige Saitenniederhalter für die E- und B-Saite montiert. Der runde hatte schon 1956 ausgedient. Ursprünglich wurden die silbernen, geschlossenen Mechaniken von Kluson zugeliefert. Im Gegensatz zum Griffbrett sind die hier montierten Tuner ebenfalls behandelt und zeigen sich in bester Vintage-Optik.

Kommentieren
Profilbild von slightlydetuned

slightlydetuned sagt:

#1 - 23.10.2019 um 11:49 Uhr

1

"Ein separat aufgeleimtes Griffbrett wurde der Strat erst ab 1960 spendiert."Das ist nicht korrekt. Palisander-Griffbretter gab es bei Fender für die Strat ab Mitte 1959.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.