Steinberg UR-RT2 und UR-RT4 Test

Die Meldung sorgte für Begeisterung: Steinbergs neuste Audiointerfaces kommen mit Neve-Übertragern, sichtbar unter dem geschlitzten Gehäuse, und mit Autogramm von Rupert Neve höchstpersönlich. UR-RT2 und UR-RT4 sind damit in bester Gesellschaft, erleben wir gerade förmliche ein 1073-Revival, sei es mit AMS Neve 1073 SPX, Warm Audio WA-73 oder auch Heritage Audio. Kann man also eigentlich nicht viel verkehrt machen, oder? 

Details

Allgemeines

Steinberg UR-RT2 und UR-RT4 sind gut ausgestattete 24-Bit/192kHz-USB2-Audiointerfaces der Mittelklasse, kompatibel mit Macs ab macOS 10.11 sowie PCs ab Windows 7. Beide sind recht identisch und unterscheiden sich im Wesentlichen nur in der Anzahl verfügbarer I/Os, Preamps und Kopfhörerausgänge. 

Fotostrecke: 2 Bilder Schicker Alulook an den Knu00f6pfen, in Wahrheit ist es trotzdem nur Kunststoff!

Rupert Neves Erben?

Und was ist neu? Nicht viel, soviel vorweg, es gibt aber nun zuschaltbare Übertrager im Signalweg, versehen mit Rupert Neves Autogramm. Das weckt selbstverständlich klangliche Assoziation wie warm, cremig, seidig und natürlich darf auch mein Lieblingsattribut nicht fehlen: teuer. Hinzukommt, dass die Aluoptik an die Portico-Serie von Neve erinnert und das schicke Lüftungsöffnungen auf der Oberseite den Blick auf die verlöteten Übertrager freigeben, welche ebenfalls mit einem dicken R signiert wurden.

Fotostrecke: 2 Bilder Schau mir unteru00b4s Gitter: Neve u00dcbertrager mit Autogramm.

Aus alt mach neu

Alles andere ist ansonsten recht gleich geblieben. Das UR-RT2 verfügt wie das UR242 über zwei Yamaha-Preamps namens D-Pre. Diese sind mit XLR/TRS-Combobuchsen von Neutrik inklusive analoger Gainregelung ausgestattet und bieten eine Peak-LED sowie zuschaltbare Phantomspeisung mit eigener Status-LED. 
Neu ist, dass sich der Schalter für die 48V-Phantomspannung nun bei beiden Units hinten befindet. Den Schieber für einen CC-Mode wie beim UR44 gibt es an dieser Stelle also auch nicht mehr. Low Cut und Phasendrehung sind zwar auch am Start, weiterhin aber nur in digitaler Form sowie über die mitgelieferte Software dspMixFx aktivierbar.
Ebenfalls dem Rotstift zum Opfer gefallen ist der PAD-Schalter. Böse Zungen könnten behaupten, bei den recht schwachen D-Pres ist er ohnehin nicht nötig – aber egal. Die RTs bringen es auf maximal +54 dB Gain (-60 dBu bis -6 dBu, nominal).

Zwei/vier Preamps mit Combobuchse gibt es am UR-RT2/UR-RT4 zu vermelden. High-Z ist bei Kleinen „auf der Eins“ umschaltbar, beim großen Interface hingegen „paarweise fix“.

This one goes to eleven

All das gilt im Prinzip auch für das UR-RT4 welches jedoch vier Preamps besitzt. Wie beim UR-RT2 kann die Phantomspannung auch hier nur paarweise geschaltet werden. Ein kleiner, aber feiner Unterschied ist, dass die Combobuchsen beim UR-RT4 eine feste Impedanzanpassung haben. Die ersten beiden akzeptieren somit auf den Klinkenbuchsen nur unsymmetrische High-Z-Signale, die anderen beiden hingegen symmetrische Linesignale. Beim UR-RT2 ist der erste Input mit einem kleinen Drucktaster zwischen Line und High-Z umschaltbar. Die Impedanzanpassung ist für passive Instrumente wie E-Bass und E-Gitarre notwendig.
Schauen wir kurz auf die Rückseite. Bei beiden Interfaces gibt es einen Main Out sowie einen zusätzlichen Line In, die beide sowohl symmetrische als auch unsymmetrische Verbindungen auf großer Klinke (TRS 6,35 mm) akzeptieren. Der Line In ist ferner zwischen +4 dBu und -10 dBV via Software umschaltbar.

Mehr I/Os als Wandler

Das UR-RT4 hat außerdem noch vier weitere Line Outs am Start, wobei jedoch nur ein Paar mit eigenem Wandler ausgestattet ist. Ansonsten gibt es wieder bei beiden einen MIDI-Ein- und einen MIDI-Ausgang zu vermelden sowie die Tatsache, dass die doppelte Beschriftung der Anschlüsse sowohl auf Rück- als auch Oberseite gelungen ist, da sie bei einer Platzierung auf dem Schreibtisch durchaus hilfreich ist. Versorgt werden beide Interfaces von identischen 12V-Universalnetzteilen, ein kleiner Druckschalter am Gerät trennt die Kisten vom Netz. 

Fotostrecke: 2 Bilder Trotz der sechs Line Outs hat das UR-TR4 nur vier D/A-Wandler zu bieten, das UR-TR2 sogar nur zwei, wodurch Kopfhu00f6rer und Boxen nicht getrennt adressiert werden ku00f6nnen.

Integrierte Effekte

Wie auch das UR242 und UR44 verfügen beiden neuen „Neve“-Interfaces über dieselben DSP-Effekte. DSP deshalb, weil diese nicht vom Computer berechnet werden, sondern auf dem Interface selbst, was einem Verzögerungen erspart und damit die Effekte auch zum Einspielen prädestiniert. Das kennt man sonst nur von deutlich teureren und höherwertigen Interfaces wie etwa von Universal Audio oder Antelope Audio. Allerdings ist das FX-Angebot von Steinberg nicht sonderlich groß. Für die meisten Monitoringbelange dürften der Reverb sowie der Channelstrip inklusive Kompressor und EQ aber ausreichen. Gitarristen dürfen sich außerdem über den Clean, Crunch, Drive und Lead Amp freuen. Pommesgabel olé!

Der Monitoring-Mischer des UR-RT4 ist recht klein und optisch wenig lebensbejahend.

Die restliche Monitoring-Features sind okay, aber wirklich nicht besonders ausgefuchst. Das ist bei den relativ wenigen Ausgangswegen (D/A-Wandler) und der avisierten Zielgruppe aber zu verschmerzen. Das UR-RT2 kennt entsprechend auch nur einen Monitoring-Mix, das UR-RT4 immerhin zwei. Die GUI ist ferner funktional und verständlich, allerdings ziemlich klein und mit der Farbgebung gewinnt man sicherlich auch keinen Schönheitspreis. Eine nette Zugabe ist allerdings Cubase AI als Downloadversion für Mac und PC (nur für 64-Bit-Umgebungen) sowie Cubasis LE als App für das iPad.

Audio Samples
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Clean 1 Clean 2 Crunch Drive (modern2) Drive (raw) Lead

Praxis

Installation

Die Einrichtung sowohl des Steinberg UR-RT2 als auch des UR-RT4 gelingt im Nu, die Bedienung ist simpel und die erste Aufnahme ist schnell realisiert. Die Latenz ist ebenfalls auf einem guten Niveau und der dspMixFX-Monitoring-Mischer erfüllt seinen Zweck. Nothing fancy, aber eben auch nicht schlecht – eben wie bei den Vorgängern UR242 und UR44.
Anhand der identischen Latenz sieht man auch, dass sich an den Treibern nicht viel geändert hat. Bei einem etwas in die Tage gekommen Interface zumindest etwas fragwürdig. Na ja, dafür ist das Softwarepaket mit Cubase AI, Cubasis LE für das iPad und den paar VSTs nicht schlecht.

Fotostrecke: 8 Bilder Latenz-mu00e4u00dfig ist Alles beim Alten, sprich wie beim UR242. UR-RT2 und UR-RT4 sind dabei identisch.

Am Ende zählt der Klang

Tja, der Klang. In Anbetracht des dicken R und der Illusion, es gäbe hier den Neve-Sound: enttäuschend. Nicht falsch verstehen, das Interface und die Preamps sind okay, aber eben auch nicht geil. Fangen wir an: Ob der Trafo im Signal ist oder nicht, macht kaum einen nennenswerten Unterschied. Wie auch? Laut Signal Flow Chart befindet er sich nach dem Mic-Pre und vor dem Wandler. Sollte man ihn heiß anfahren – was man aber fast gar nicht kann, weil die Preamps recht schwach sind – kann man vor dem Wandler nicht wieder absenken. Davon mal abgesehen, dass ein Übertrager nach der Gainstufe auch nicht den selben Effekt wie ein Übertrager vor der Gainstufe hat. 

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Ohne Übertrager – Bass DI Mit Übertrager – Bass DI
Audio Samples
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Ohne Übertrager – Acoustic Stereo – High Main / Noisy Ohne Übertrager – Acoustic CR73 – High Main / Noisy Ohne Übertrager – Acoustic SM7B – High Main / Noisy Mit Übertrager – Acoustic Stereo – High Main / Noisy Mit Übertrager – Acoustic CR73 – High Main / Noisy Mit Übertrager – Acoustic SM7B – High Main / Noisy

Punkt 2: Die Preamps sind nicht kräftig genug – und wenn uns Neve eins gelehrt hat, dann ist das: Headroom, Headroom, Headroom. Mit 75 dB Gain sind die Neve 1073 auch äußerst potent, die Steinbergs liefern hingegen maximal 54 dB Gain, wenn überhaupt. Konkret: Eine Westerngitarre, aufgenommen mit einem SM7B, 30 cm vor dem Bauch, kam nicht mal annähernd ins Clipping – und das obwohl ich den Gain voll aufgerissen hatte. Und das führt uns direkt zu Punkt 3: Die Preamps rauschen – und zwar kräftig auf den letzten Millimetern des Regelwegs. Das hört man sogar ohne eingesteckte Mics. Nicht gut.
Alles halb so schlimm, könnte man jetzt fragen: Wer dreht schon voll auf? Stimmt. Trotzdem: siehe Punkt 2. Hinzukommt, dass die Preamps auch nicht wirklich schön klingen. Nein, Steinberg – oder sollte ich besser Yamaha sagen – mit dem Interface habt ihr euch und Rupert Neves Erbe wirklich keinen Gefallen getan, zumal der Preis für die Leistung recht sportlich ist.

Audio Samples
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Focusrite Clarett – Air – Acoustic Stereo Focusrite Clarett – Air – Acoustic CR73 Focusrite Clarett – Air – Acoustic SM7B

Zum Vergleich: Das Clarett 2 Pre USB kostet nur ein bisschen mehr als das UR-RT2 , das Clarett 4 Pre USB sogar ein bisschen weniger als das UR-RT4. Von der Ausstattung her sind diese Focusrite-Interfaces in etwa identisch – und trotzdem klingen sie deutlich besser. Aber hört doch einfach mal selbst!

Fazit

Steinberg UR-RT2 und UR-RT4 sind grundsätzlich solide Interfaces, die alles mitbringen, was man zum Homerecording benötigt. Jedoch vermitteln sie mit ihrem Preis und den vielen Rubert-Neve-Logos den Eindruck, hier gibt es richtig fetten High-End-Sound – und das ist leider nicht der Fall. Die Preamps klingen okay, rauschen aber im obersten Bereich und sind auch nicht besonders kräftig. Die Übertrager sind ebenfalls eher ein Placebo. Auch gemessen am Preis gibt es bessere Interfaces.

Pro
  • gutes Softwarepaket
  • grundsätzlich solide Interfaces
  • DSP-Effekte für das Monitoring
Contra
  • Übertrager haben kaum Einfluss
  • Kopfhörer nicht getrennt adressierbar (UR-RT2)
  • Preamps zu schwach und klanglich nicht besonders
  • Preamps rauschen im oberen Leistungsbereich deutlich
  • Neve-Logos versprechen hochwertigen Sound, der nicht geboten wird
Features UR-RT2 und UR-RT4
  • USB2-Audiointerfaces mit bis zu 24 Bit/192 kHz
  • Zwei/vier Class-A-D-PRE-Mikrofonvorverstärker mit 48V-Phantomspannung
  • Rupert-Neve-Designs-Transformator zuschaltbar an jedem FronteingangComboeingänge (XLR, Klinke) plus zwei weitere LineeingängeHi-Z-Eingang für Instrumentensignale (UR-RT4: 2)Vier zusätzliche symmetrische Lineausgänge (Klinke, 6,35 mm) beim UR-RT4Kopfhörer-Ausgang (UR-RT4: 2)Latenzfreies, DSP-unterstütztes Monitoring mit REV-X-Hall
  • Channel Strip und Guitar Amp Classics (auch als VST-3-Plugin enthalten)
  • MIDI-Eingang und -AusgangRobustes VollmetallgehäuseKompatibel mit Windows, macOS und iOS (Apple-Kamera-Connection-Kit, Lightning-auf-USB-Kameraadapter oder Lightning-auf-USB3, Kameraadapter wird benötigt)Cubase AI als Downloadversion für Mac und PC (nur für 64-Bit Umgebungen) und Cubasis LE für iPad inklusive
Preis
  • Steinberg UR-RT2: € 328,– (Straßenpreis am 12.7.2018)
  • Steinberg UR-RT4: € 569,– (Straßenpreis am 12.7.2018)
Unser Fazit:
3 / 5
Pro
  • gutes Softwarepaket
  • grundsätzlich solide Interfaces
  • DSP-Effekte für das Monitoring
Contra
  • Übertrager haben wenig Einfluss
  • Kopfhörer nicht getrennt adressierbar (UR-RT2)
  • Preamps zu schwach und klanglich nicht besonders
  • Preamps rauschen im oberen Leistungsbereich deutlich
  • Neve-Logos versprechen hochwertigen Sound, der nicht geboten wird
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