Ampeg Micro VR Stack Test

Über die gewichtige Rolle, die Ampeg im Musikbetrieb spielt, braucht man wohl nicht mehr viele Worte zu verlieren, schließlich stattet diese Firma seit fünf  Jahrzehnten Bassisten auf der ganzen Welt mit leistungsfähigen Verstärkern aus. Dabei liest sich die Liste der Ampeg-User wie das „Who is Who“ der Rock-Geschichte. Die ersten Produkte waren allerdings kompakte Combos wie der B-12,  der als Verstärker für den elektrischen Kontrabass von Ampeg, den Baby-Bass, konzipiert war oder der legendäre B-15, ein Combo mit 15 Zoll-Lautsprecher, der auch heute noch gerne in Studios verwendet wird.

Das Verstärker-Topteil kann bei diesen Modellen umgedreht im Boxengehäuse versenkt werden, wodurch die Combos als Nebeneffekt kompakter und transportabler werden. Ursprünglich erfunden wurde das „Portaflex“-Design aber zum Schutz der empfindlichen Röhren. Als im Laufe der 60er Jahre die Rock-Musik immer populärer wurde und Gitarristen die große Bühnen mit ihren Marshall-Türmen beschalten, benötigten auch die Bassisten stärkere Anlagen, um sich Gehör zu verschaffen und für das nötige Fundament im Bandsound zu sorgen. Ampeg reagierte darauf mit dem SVT, einem 300-Watt-Röhren-Top und einer riesigen Box mit acht 10 Zoll-Lautsprechern, die im Volksmund auch liebevoll „Kühlschrank“ genannt wird. Mit der Einführung dieses Power-Turmes schuf Ampeg ein neues Marktsegment. Bis heute ist der SVT der Bassverstärker mit dem sowohl optisch als auch akustisch höchsten Wiedererkennungswert. Der aktuelle Trend im Bassanlagen-Bereich geht allerdings wieder eher in die entgegengesetzte Richtung. Verstärker und Boxen werden immer kleiner und leichter, dank neuer Technologien wie Neodym-Magneten und Digitalendstufen aber nicht weniger leistungsfähig. Ampeg reagiert auf diese Entwicklung auf seine eigene Weise und bietet nun ein SVT-Stack im Mini-Format an.

Das Micro VR-Stack setzt sich aus dem Micro SVT VR Top und einer SVT-210AV Box mit zwei 10 Zoll-Lautsprechern zusammen und sieht aufgebaut wirklich sehr niedlich aus, wie ein SVT-Stack aus dem Spielzeugladen. Beide Komponenten sind nicht nur sehr kompakt in der Form, sondern auch sehr leicht. Die 2×10“ Box wiegt knapp 12kg, das Topteil mit der Optik eines „Classic SVT“ bringt gerade mal 4kg auf die Waage. Den Roadie kann man sich bei dem Mini-Stack also getrost sparen und sich von dem Geld stattdessen mal ne Tasse Bluna gönnen.

Ob das Türmchen nur für den Einsatz in der Puppenstube reicht oder doch eine ernstzunehmende Bassanlage ist, erfahrt ihr in diesem bonedo-Test.

Details

Micro VR
Sowohl die Metallfrontplatte mit den Bedienelementen als auch das Holzgehäuse mit dem schwarzen Kunstleder-Überzug und den Stahlecken sind an das Design des Ur-SVT angelehnt. Genau wie das aktuelle „große“ SVT-Modell, trägt also auch der Kleine das Kürzel VR (Vintage Reissue) zurecht. Im Innenleben unterscheiden sich die beiden Geschwister dann allerdings deutlich voneinander. So hat der Micro VR keine Röhren wie sein großer Bruder. Stattdessen liefert hier ein Solid-State-Preamp das Signal an eine analoge MOSFET-Endstufe, die 200 Watt zu leisten vermag. Um das Gewicht möglichst gering zu halten, wurde auch auf einen klobigen und schweren Trafo verzichtet und stattdessen ein modernes Schaltnetzteil verbaut.

Die silberne Front mit der blauen Beschriftung (genau wie beim Vintage-Model) ist durch die wenigen Regler sehr übersichtlich und durchaus praktikabel gestaltet. Neben dem Klinkeneingang sitzt ein Pad-Schalter, mit dem das Input-Signal um -15dB angepasst werden kann, sowie eine Peak Indikator-LED, die anzeigt, wenn der Preamp übersteuert wird.  Es folgen fünf Regler für Gain, Bass, Mitten, Höhen, Volume für die Endlautstärke und ein Schalter für den Limiter samt zugehöriger Betriebsanzeige-LED. Der EQ regelt den Bassbereich bei 40Hz um +14/-12dB, die Mitten bei 500 Hz um +5/-13dB und schließlich die Höhen bei 8kHz um +19/-25dB. Zusätzliche Features wie etwa den Mid-Select oder die Bright- und Deep-Schalter des Vintage-SVT hat Ampeg beim Micro weggelassen, ihm dafür aber zwei Mini-Klinkenbuchsen spendiert – einen Audio-Eingang für externe Quellen, wie z.B. MP3-Player und einen Kopfhörerausgang – damit man auch mal üben kann, ohne den Nachbarn auf den Zeiger zu gehen.

Die Rückseite beherbergt den Anschluss für das Stromkabel, einen Schalter zur Spannungsanpassung an 115 oder 230 Volt Stromnetze, den Lüfter, zwei Klinkenbuchsen zum Anschluss der Lautsprecher und zwei weitere für den Effekt-Loop, -Send und -Return. Auch ein symmetrischer XLR-Ausgang zum Anschluss an ein Pult oder zum Aufnehmen im Studio ist vorhanden, allerdings ohne Pre/Post-Schalter um den EQ zu umgehen. Das Signal wird immer hinter dem EQ und vor dem Master abgezweigt. Seine komplette Leistung liefert der Mini SVT nur beim Betrieb an 4Ohm, also zum Beispiel mit zwei Ampeg 210AV Boxen. Mit einer Box an 8Ohm setzt der Kleine immerhin noch 150Watt an die Luft.

SVT-210AV
Auch die kleine 2×10 Zoll Box präsentiert sich im Vintage-SVT-Look, da darf natürlich auch die silbern schimmernde Frontbespannung nicht fehlen. In dem geschlossenen Gehäuse verrichten zwei 10-Zöller von Eminence mit einer Belastbarkeit von bis zu 200Watt@8Ohm und einem Frequenzgang von 58Hz – 5kHz ihren Dienst. Auf der Rückseite sitzen lediglich zwei Klinken-Buchsen zur Kontaktaufnahme mit dem Amp und einer weiteren Box. Die Box hat sogar Versenkungen auf der Oberseite, damit das Topteil auch bei höheren Lautstärken sicher steht und sich nicht selbstständig machen kann.

Trotz seines geringen Gewichts macht das ganze Stack einen soliden Eindruck auf mich, an der Verarbeitung gibt es wirklich nichts zu beanstanden.

Praxis

Schon beim Auspacken des Mini-Stacks überraschte mich das geringe Gewicht der Komponenten. Vor allem die 2×10“-Box ist mit knappen 12kg extrem leicht und der Transport damit ein Kinderspiel. Trotz Federgewicht steht der kleine Turm aber sicher und wackelfrei, lediglich bei sehr hohen Lautstärken vibriert das Topteil in den eingelassenen Kunststoffschalen der Box und beginnt zu scheppern. Das finde ich aber nicht weiter tragisch und kann leicht behoben werden, indem man z.B. ein Stück Schaumstoff dazwischen legt. Was mich eher stört, ist das Lüftergeräusch. Es ist natürlich nicht so laut, dass es im Bandkontext eine Rolle spielen würde, aber der Micro-VR bietet sich ja gerade auch als Übungsamp für zu Hause oder zum Recorden im Studio an – und in solchen Situationen kann der Lüfter dann wirklich ein wenig stören.

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Aber wie klingt der kleine SVT denn nun? Kurz gesagt: wie ein Ampeg. Wer den runden, klassischen Ampeg-Sound mag, wird auch den Micro VR mögen. Das kleine Stack produziert einen in den Bässen kompakten Sound und bietet einen schönen, präsenten Mittenbereich. Im oberen Frequenzbereich ist der Amp nicht so klar wie modern designte Anlagen mit Tweeter, also nichts für den ambitionierten Slapper. Dafür wurde der Ampeg aber auch nicht gemacht.

Generell hat Ampeg den Mini SVT auch nicht als Konkurrenz-Produkt zu den modernen, superleichten High-Power-Amps konzipiert, die sämtliche Bassverstärkerhersteller in letzter Zeit auf den Markt bringen. Das Stack hat seine ureigene Nische. Die kleine, supertransportable Verstärker-Anlage liefert sowohl zu Hause, im Proberaum, im Studio oder bei kleinen Gigs aus dem Stand den markanten und begehrten Ampeg-Sound mit hohem Wiedererkennungswert. Und das ist doch schon ´ne ganze Menge!

Bei allen Auftritten, die über einen super dezenten Bar-Gig hinausgehen, ist es jedoch dringend nötig, eine zweite Box anzuschließen. Mit nur einer 210AV kommt das Stack doch schnell an seine Grenzen. Ist ja auch klar, denn eine 2×10“-Box kann eben nicht endlos Luft bewegen. Trotz der Transistorendstufe verhält sich das Topteil bei höheren Lautstärken zunächst sehr vintage-mäßig, der Bass komprimiert ein wenig und die Mitten treten mehr in den Vordergrund. Fährt man ihn jedoch an die Leistungsgrenze und aktiviert den Limiter, wird der Bass relativ schlagartig beschnitten. Das trübt allerdings nicht das positive Gesamtbild und dient ja letztendlich auch zum Schutz der Box.

Der Audio-In zum Anschluss eines MP3-Players oder Drumcomputers funktioniert leider nur mit Kopfhörer, die externe Quelle kann also nicht über die Box gehört werden. Das ist schade, denn möchte man zu einem Playback üben , muss man folglich auch den Bass über den Kopfhörer hören.

Audio Samples
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Direkt-Mikro-Mix Direkt-Mikro-Mix Flat

Mit dem Ampeg Micro VR Stack bekommt man innerhalb der durch Größe und Leistung definierten Grenzen eine ernst zu nehmende Bassanlage für zu Hause, den Proberaum oder zum Recorden, die sehr leicht zu transportieren ist und den klassischen Ampeg-Sound liefert. Bringt man dann noch eine zweite SVT 210AV Box ins Spiel, lassen sich auch kleinere Clubgigs bestreiten. Manche kleinere Schwächen wie den zu lauten Lüfter oder den heftig einsetzenden Limiter könnte Ampeg in der nächsten Auflage überarbeiten, sie trüben das positive Gesamtbild aber nicht allzu sehr. Der kleine SVT-Turm ist auf jeden Fall sein Geld wert und damit eine klare Empfehlung für Ampeg-Fans!

Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • Transportabilität
  • Vintage Optik
  • Sound
Contra
  • lauter Lüfter
Artikelbild
Ampeg Micro VR Stack Test
Für 339,00€ bei
AmpegMicroVR_31FIN
Facts
  • Micro-VR Top
  • Endstufe/Leistung: Solid State Class A/B, 200Watt an 4Ohm, 150Watt an 8 Ohm
  • Eingänge: Klinke Instrument, Miniklinke Audio-In
  • Ausgänge: 2 Klinke Lautsprecher, Symm. XLR Out, Miniklinke Kopfhörer
  • Klangregler: Bass, Mitten, Höhen
  • Sonstiges: Lüfterkühlung, Limiter, Clip – LED
  • Maße BHT in mm: 300 x 140 x 250
  • Gewicht: 4kg
  • Preis: 415 EUR (UVP)
  • SVT – 210AV
  • Gehäuse: geschlossen, 14mm Sperrholz, Kunstlederüberzug
  • Lautsprecher: 2 x 10 Zoll Eminence
  • Wiedergabe: 58Hz – 5kHz
  • Belastbarkeit: 200 Watt
  • Impedanz: 8 Ohm
  • Anschlussfeld: 2 Klinke
  • Maße BHT mm: 330 x 610 x 280
  • Gewicht: 12kg
  • Preis: 355 EUR (UVP)
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AmpegMicroVR_06FIN Bild

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Bassbrain sagt:

#1 - 12.10.2013 um 22:02 Uhr

0

Danke für diesen Testbericht! Alle Informationen, die ich benötige, um mir ein Bild zu machen, habe ich - inkl. Soundfiles - erhalten. Da ich ebenso bereits den Testbericht über den Ampeg Micro CL Stack gelesen habe, weiß ich jetzt nur zu genau, wie ich den Stack zu testen habe. Denn klar ist: Als Nutzer eines realen SVT II mit entsprechender 8 x 10er Box kann ich mir nur schwerlich vorstellen, das ein Transistor mit einer Röhre soundmässig gleichgestellt werden kann. Der wirklich einzige Transistor, der Ampeg zumindest die Saiten reichen dürfte, ist mein B220, den ich Ende der 1970er als Teenie gekauft habe - und ihn heute noch im Originalzustand in meinem Studio stehen habe. Der Testbericht ist für mich für meine Kaufentscheidung wichtig gewesen! Nochmals "Danke!".

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