Elysia nvelope 500 Test

Die Spezialisten von Elysia haben sich bislang vor allem mit ihren Dynamikprozessoren einen Namen gemacht. Nun ergänzt mit dem nvelope 500 ein ganz besonderer Vertreter dieser Gattung das Portfolio – wenig überraschend, wenn man die Vorgeschichte kennt.

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Obwohl der deutsche Hersteller Elysia erst vergleichsweise kurz am Markt präsent ist, handelt es sich bei den Mitarbeitern doch um alte Hasen. Chefdesigner Ruben Tilgner war vor der Elysia-Gründung bei SPL tätig, und insofern ist die konzeptionelle Ähnlichkeit zwischen Elysias nvelope 500 und SPLs Transient Designer kein bloßer Zufall. Nicht nur, dass Ruben Tilgner in seiner Zeit bei SPL unter anderem für die Entwicklung des Transient Designers verantwortlich zeigte – das Funktionsprinzip an sich ist ebenfalls seine Erfindung. Und das passiert wirklich nur ganz selten: Dass ein Designer ein völlig neues Geräte- bzw. Schaltungsprinzip entwickelt. Guten Gewissens darf man den Transient Designer einen „modernen Klassiker“ nennen. Insofern sind wir sehr gespannt, was Elysia mit dem nvelope 500 anzubieten hat. Bereits auf den ersten Blick wirkt das Modul wie eine Luxus-Version des ursprünglichen Tools. Ist es Elysia gelungen, ein an sich schon tolles Gerät noch weiter zu verbessern?

Details

Das grundlegende Funktionsprinzip des nvelope 500 ist exakt das gleiche wie beim Transient Designer – und das ist auch gut so. Im Gegensatz zu herkömmlichen Dynamikwerkzeugen arbeitet solch ein Gerät nämlich unabhängig vom Eingangspegel, ein Threshold-Parameter ist also nicht notwendig. Die Einschwing- und Ausklingphasen eines Audiosignals lassen sich mit einem Enveloper dieses Typs entweder hervorheben oder abschwächen, ohne dass man das Signal mit Treshold- und Make-up-Potis anpassen muss. Mithin erledigt solch ein Dynamikwerkzeug also ganz ähnliche Aufgaben wie ein Kompressor, aber bei erheblich vereinfachter Bedienung.Das grundlegende Prinzip hieß beim originalen SPL-Transient-Designer „Differential Enevlope Technology“. Diese funktioniert wie folgt: In den Regelnetzwerken von Attack und Release arbeiten jeweils zwei Hüllkurvenfolger. Beim Attack folgt der eine Envelope-Follower direkt dem Eingangssignal, der zweite hingegen arbeitet mit einem langsameren Einschwingvorgang. Aus der Differenz der beiden – daher der Name – lässt sich eine Steuerspannung ableiten, mit der man gewissermaßen das Einschwingverhalten eines Signals isolieren kann. Wird diese Steuerspannung nun an einen VCA angelegt, so kann dieser die Einschwinghase des Signals entweder verstärkern oder abschwächen. Analog dazu arbeitet die Release: Hier folgt ebenfalls wieder die eine der beiden Hüllkurven direkt dem Signal, die andere hält den Spitzenpegel etwas länger. Und abermals wird aus der Differenz beider Hüllkurven die VCA-Steuerspannung generiert. Da der Prozessor mit Hüllkurvenfolgern arbeitet, entfällt auch die Notwendigkeit eines Threshold-Parameters, denn die Bearbeitung passt sich eben automatisch dem Eingangssignal an.
Es gibt durchaus ein paar Anwendungsgebiete, wo ein Enveloper bzw. Transient Designer einen vollwertigen Kompressor nicht ersetzen kann. Manchmal ist beispielsweise der direkte Zugriff auf die Attack- und Release-Zeiten zwingend erforderlich. Aber für eine Reihe von Aufgaben ist der Enveloper besser geeignet als ein herkömmlicher Kompressor, da man mit seiner Hilfe manches einfacher und zielgerichteter erledigen kann – etwa dann, wenn man ein Signal einfach etwas knalliger bekommen möchte oder etwa den Raumanteil auf Drums etwas hochziehen will.

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Während der Ur-Transient-Designer zu diesem Zweck einfach über zwei mittengerasterte Attack- und Releasepotis verfügte, mit denen man die Intensität der beiden Vorgänge beeinflussen konnte, bietet Elysias nvelope 500 deutlich mehr Eingriffsmöglichkeiten. Als 500-Modul mit doppelter Breite lässt sich der zweikanalige Prozessor dabei entweder im verkoppelten Stereomodus oder als völlig unabhängiges, zweikanaliges Dual-Mono-Gerät betreiben.
Die Attack- und Release-Potis des SPL-Vorgängers hat die Kassette zwar auch, aber darüber hinaus noch eine Reihe weiterer Möglichkeiten; so ist jedem Attack/Release-Poti nämlich ein gerastertes Frequenz-Poti zugeordnet. Im Dual-Band-Modus bestimmt das Frequenz-Poti der Attack-Abteilung mit seinem Frequenzgang von 20 Hz bis 8 kHz die untere Eckfrequenz für die Transientenbearbeitung. Und das entsprechende Poti der Release-Schaltung steuert analog dazu die obere Grenzfrequenz des Ausschwingvorganges, mit einem Einstellbereich von 50 Hz bis 15 kHz. Sowohl die Attack- als auch die Release-Potis bieten einen satten Hub von ±15 dB. Das ist in jedem Fall genug Spielraum für extrem(st)e Einstellungen, welche dann keinen Stein mehr auf dem anderen lassen. Selbstverständlich bietet der nvelope 500 auch einen Fullrange-Modus ohne die zusätzliche Frequenzeinstellung. In dieser Betriebsweise hat das Frequenzpoti für die Attack trotzdem eine Funktion, es steuert den Einfluss tiefer Frequenzen auf die Bearbeitung.
Da die Kassette nun ohnehin über diese Sidechain-Filter verfügt, lag es nah, sie auch in den Audioweg schalten zu können. Im EQ-Modus wird also die Dynamikbearbeitung deaktiviert, die Kassette bietet dann in jedem Kanal zwei – siehe die Frequenzgänge der entsprechenden Potis – sehr weit durchstimmbare Shelving-Filter für Bässe und Höhen. Und damit lassen sich einige nette Tricks realisieren. Nicht nur, dass der nvelope 500 wahlweise als Stereo-Enveloper oder Stereo-Zweiband-EQ (wobei man in dieser Betriebsweise wenn beide Kanäle verkoppelt sind ebenfalls nur die linke Seite einstellen muss um auch die rechte beeinflussen zu können) Verwendung finden kann, kann man natürlich mittels entsprechender Verkabelung an der Lunchbox auch beide Kanäle in Reihe schalten, um Monosignale dann mit Dynamikeinheit und EQ bearbeiten zu können.
Schließlich verfügt die Kassette noch über einen Auto-Gain-Modus. Insbesondere bei heftiger Verstärkung der Attackphase können deutliche Pegelspitzen auftreten, die unter Umständen nachfolgende Geräte übersteuern können. Spätestens wenn man tatsächlich Signalverzerrungen hört sollte man Auto Gain aktivieren, womit sichergestellt wird, dass der Ausgangsspitzenpegel ein verträgliches Maximum niemals überschreitet. Ein weiterer Unterschied zum SPL-Vorgängermodell liegt in der verwendeten Schaltungstechnik. Während der Transient Designer um 2181-VCA-ICs von THAT herum aufgebaut ist (immerhin ein solider Industriestandard, der auch von SSL und vielen anderen Herstellern von VCA-Kompressoren eingesetzt wird), hat Elysia den nvelope 500 vollständig in diskreter Class-A-Technik realisiert. Das ausgesprochen cleane Schaltunsglayout folgt dabei trotzdem modernen Gesichtspunkten: Es kommen viele SMD-Bauteile zum Einsatz und die Ein- und Ausgänge werden übertragerfrei und rein elektronsich symmetriert.

Wie auch bei allen anderen Elysia-Geräten wurde großer Wert auf die hochwertige Hardware gelegt. So kommen beispielsweise ausschließlich Potenziometer von ALPHA zum Einsatz, der Hardwire-Bypass wurde mit Relais realisiert und der gesamte mechanische Aufbau der Kassette ist – bis zu den edel verrundeten Kanten der Frontplatte – schlichtweg makellos. Das ist wieder einmal German Engineering vom Feinsten und verdient allerhöchstes Lob, verrät es doch viel über die kompromisslose Einstellung, mit der bei Elysia entwickelt und gefertigt wird.
Dass die Kassette nicht über ein geschlossenes Gehäuse verfügt, werten wir abermals nicht als Kritikpunkt. Ist das Modul erst einmal eingebaut, übernimmt das Gehäuse der Lunchbox diese Funktion, und bei offener Bauform kann beispielsweise Wärme, die von der Schaltung produziert wird, viel leichter abgeführt werden.

Praxis

Es dürfte deutlich geworden sein, dass Elysia dem nvelope 500 im Vergleich zum Ur-Transient-Designer ein deutliches Plus an Features und Möglichkeiten mit auf den Weg gegeben hat. Das macht den nvelope zu einem ziemlich mächtigen Werkzeug. Gleichsam scheint aber auch der Blick ins Handbuch zwingend erforderlich, denn die Flexibilität der Kassette möchte erst einmal verstanden und beherrscht werden. Wie gut also, dass Elysia dem nvelope 500 ein ausgesprochen übersichtliches, vornehm gestaltetes Handbuch mit auf den Weg gibt, das hilft, sämtliche offenen Fragen schnell zu klären. Dies erscheint insbesondere deswegen lobenswert, weil viele Hersteller ihren 500-Modulen allenfalls ein paar lose Zettel beilegen, viele Module kommen sogar ganz ohne jedwede Dokumentation.
Schon im „Normalbetrieb“, also im Full-Range-Modus, der sich am ehesten mit der Betriebsweise des originalen Transient Designers vergleichen lässt, zeigen sich die Qualitäten der Kassette. Der nvelope 500 packt zu, und zwar in beide Richtungen. Das Audiobeispiel mit der Drumloop zeigt hier ganz bewusst die Extreme mit permanent voll ausgefahrenen Attack- und Releasewerten. Das ist bisweilen in musikalischer Hinsicht bereits übers Ziel hianusgeschossen, aber darum geht es hier nicht. Entscheidend ist, deutlich zu machen, dass der nvelope 500 stets mehr Spielraum zur Verfügung stellt als benötigt wird und ihm folglich nie die Puste ausgeht: Wie gesagt: Er ist ein ausgesprochen mächtiges Werkzeug.

Audio Samples
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Drumloop Original Drumloop min. Attack Drumloop max. Attack Drumloop min. Release Drumloop max. Release Drumloop min. Attack, max. Release Drumloop max. Attack, min. Release

Möchte man diese robusten bis herzhaften Ergebnisse weiter verfeinern, so bietet der Dual-Band-Modus weitere Eingriffsmöglichkeiten, die in der Praxis an vielen Stellen hervorragend ins Bild passen. Hier sei auf die folgenden Audiobeispiele mit dem Schlagzeugraum verwiesen. Eine leichte Frequenz-Anpassung bei der Release bewirkt, dass die Becken etwas weniger giftig in den Ohren beißen – so fügt sich das Signal dann gleich viel besser in den Kontext ein.

Audio Samples
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Drumroom Original Drumroom Release +6 dB Drumroom Release +6 dB, Attack -5 dB Drumroom Release +6 dB (Filter 7 kHz), Attack -5 dB

Das Tracking der Hüllkurven folgt präzise und flexibel dem Ausgangsmaterial. Ich meine, der nvelope 500 geht hier sensibler und feinfühliger zu Werke als sein SPL-Vorgänger. Davon können viele Signale sehr profitieren. Allerdings lässt sich der nvelope 500 von sehr flächigem Material (wie beispielsweise mit Pedal gehaltenen Flügel-Akkorden) ein wenig irritieren. Nun ist dies nicht unbedingt das Material, das den Einsatz eines Transient-Designers zwingend erforderlich macht, aber es erscheint doch der Rede Wert, dass die gesteigerte Sensibilität des nvelope 500 in einigen Situationen erhöhte Anforderungen an den Charakter des Ausgangsmaterial zu stellen scheint.

Audio Samples
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Piano Original Piano Höhen +8 dB ab ca. 300 Hz

Der EQ-Modus überzeugt mit gewohnter Eylsia-Qualität. Insgesamt klingt der nvelope 500 sehr frisch und offen und luftig, ganz so, wie man das auch von den anderen Geräten des Herstellers kennt. Mollig-träge Wärme darf man hier nicht erwarten, eher eine Transparenz, die bisweilen ins Seidige spielt, hin und wieder aber auch ganz gut die Krallen ausfahren kann – insgesamt ein knackiger, direkter Sound, den man vielleicht auch mit dem Adjektiv „modern“ umschreiben könnte. Die Filter unterstreichen genau diesen Klangeindruck, und man sollte sie auf gar keinen Fall links liegen lassen: Es handelt sich hier um eine ausgesprochen wertvolle Zugabe.
Etwas übers Ziel hinausgeschossen ist Elysia hingegen möglicherweise bei der Funktion des Frequenzpotis des Attack-Netzwerks im Full-Range-Modus. Unabhängig vom Audiomaterial konnte ich diesem allenfalls einen homöopathischen Einfluss auf das Klanggeschehen entlocken – vielleicht hätte man diese Funktion zugunsten besserer Übersichtlichkeit einfach weggelassen. Aber ein großes Problem ist das nicht, es nimmt dem Gerät ja nicht wirklich etwas weg, es fügt ihm – meines Erachtens – lediglich nichts überaus Wichtiges hinzu.

Fazit

Als zeitgemäße Darbietung des klassischen Themas „Transient Designer“ macht der nvelope 500 also eine ziemlich gute Figur. Er bietet all das, was man von solch einem Tool erwartet – und das in gehobener Qualität. Darüber hinaus hat Elysia die Kassette mit zahlreichen Zusatzfunktionen ausgestattet, die ein weiteres Mal den Erfindergeist von Elysias Chef-Designer Ruben Tilgner unter Beweis stellen. Die überragende Qualität der Hardware verdient ebenfalls noch einmal eine lobende Erwähnung: Es macht ganz einfach Spaß, mit Geräten umzugehen, die Ingenieurskunst sozusagen durch jede Pore atmen, selbst bei den vermeintlich unwichtigen, nicht direkt den Klang betreffenden Details wie den blitzsauber gefrästen Ecken und Kanten der Frontplatte. Hier erlaubt sich Elysia nicht den Hauch einer Nachlässigkeit; auch das stärkt das Vertrauen.
Schließlich ein Blick auf den Preis: Man könnte vermuten, dass insbesondere die gehobene Hardware-Qualität auch den Preis nach oben schraubt – was in diesem Fall durchaus gerechtfertigt wäre. Aber das ist keineswegs der Fall. Elysia bietet diese (Stereo!-)Kassette zu einem Preis an, den andere Hersteller vielleicht auch für ein Mono-Modul aufrufen würden. Fassen wir noch einmal zusammen: Der nvelope 500 stammt aus der Feder des Erfinders des Ur-Transient-Designers, er erweitert die Grundfunktionalität des Gerätes sinnvoll, besteht aus diskreten Class-A-Schaltungen, wurde in makellose Hardware gegossen. Da bleibt nur eines zu sagen: Zugreifen, und zu diesem Preis allemal!

Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • Klangeigenschaften
  • Qualität der Hardware
  • viele interessante Zusatzfunktionen
  • EQ weit mehr als nur eine „Zugabe“
  • Stereo- und Dual-Mono-Betrieb möglich
Contra
  • Tracking bei flächigen Signalen bisweilen etwas unruhig
Artikelbild
Elysia nvelope 500 Test
Für 819,00€ bei
elysia_nvelope500_03
Technische Spezifikationen
  • Stereo- oder Dual-Mono-Betrieb
  • Fullrange- oder Dual-Band-Modus
  • kann auch als Stereo-Zweiband-EQ eingesetzt werden
  • Auto-Gain-Funktion fängt Signalspitzen ab
  • diskrete Class-A-Schaltung
  • Preis: € 759,- (UVP)
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