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Shure KSM8 Dualdyne Test

Shure hat auf der NAMM 2016 vollmundig eine „neue Ära“ der Mikrofontechnik angekündigt und dabei auf das Dualdyne-Prinzip verwiesen, welches im Live-Gesangsmikrofon KSM8 zum Einsatz kommt.

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Ein klarer Sound und eine starke Reduktion des Nahbesprechungseffekts und der durch ihn einhergehenden Bassanhebung im Nahbereich sind die Schlüsselargumente, mit denen das Shure KSM8 Dualdyne beworben wird – beides sinnvoll im Einsatz mit Vocals auf der Bühne.
Neben dem kabelgebundenen KSM8 in mattem Nickelfinish (Shure KSM8/N) oder in schlichterem Schwarz (Shure KSM8/B) sind auch kabellose Varianten zu erstehen, und zwar für das analoge UHF-R-System genauso wie für ULX-D und QLX-D. Beides sind digitale Systeme, von denen es bei letzterem auch eine Bundle-Version aus KSM8-Mikrofonkopf, QLXD2-Hand-/Sendeteil und dem Empfänger QLXD4 käuflich zu erwerben gibt. Wir hatten, ganz old-school, das mit schnödem XLR-Anschluss ausgestattete Shure KSM8/N zum Test.

Details

Verliebt in das Shure KSM8

In absolut klassischer Form kommt das Shure KSM8 daher. Ich sage das so trocken: Das Mikrofon ist von geradezu prächtiger Schönheit, besonders im Nickel-Look. Es könnte der Klassiker von 1965 sein. Oder 1973. Oder 1988. Jedem, der die Mikrofon-Historie nicht etwas genauer kennt, könnte man erzählen, dass es sich um ein gesuchtes Vintage-Mikrofon handelt. Mit ein wenig ausgefuchsteren Photoshop-Kenntnissen könnte ich das KSM Dieter Thomas Heck in die Hand zaubern. Ich bin verliebt. In das Mikro, nicht in Dieter.

Zeitlos schön: Das neue Shure-Gesangsmikrofon in matter Nickeloptik.
Zeitlos schön: Das neue Shure-Gesangsmikrofon in matter Nickeloptik.

Komplex aufgebauter Mikrofonkorb

Das Handteil ist aus Aluminium im Druckgussverfahren gefertigt, der Korb wird über ein präzises Gewinde mit dem Korb verbunden, auf welchem sowohl der Shure-Schriftzug als auch das Retro-Emblem mit „S“ und stilisierter Spule zu sehen ist, wie es unter anderem im 5575LE zum Einsatz kommt. Der vorne abgeflachte Korb nutzt ein äußerst stabiles, doppeltes Drahtgitter zum mechanischen Schutz, dahinter verbirgt sich eine sehr, sehr feine Kunststoffmatte, die unter anderem verhindert, dass Feuchtigkeit eindringt. Auf der Vorderseite findet man zusätzlich eine Schaumstoffschicht, die sicher der weiteren Popplautreduzierung gilt. Gut, dass der komplex aufgebaute Korb so stabil zu sein scheint – einzeln zahlt man nämlich 75 Euro dafür!

Doppelmembrankapsel bei einem dynamischen Mikrofon

Optik und Korb, na das war bislang aber ein Geplänkel! Es gibt doch wichtigere Aspekte bei Shures KSM8! Das ist vollkommen richtig, denn schließlich haben wir es nicht mit einem einfachen Tauchspulensystem zu tun, wie es in hunderten, eher tausenden Mikrofonen zum Einsatz kommt, sondern mit Shures patentierter Dualdyne-Technologie. Das „Dual“ steht für die zweite Membran, die im Mikrofon verbaut ist. Und schraubt man den Korb ab, kommt die ungewöhnlich designte Kapselkonstruktion zum Vorschein. Auf der Oberseite ist eine auffällige Platte zu sehen, unter welcher die Schalleintrittskanäle zur Vorderseite der aktiven oberen Membran verbaut sind. Die akustische Aufgabe wird ähnlich sein wie die der sonst verbreiteten gelochten Plastikhauben, also etwa die gezielte Steuerung von Resonanzen.

 

Fotostrecke: 4 Bilder Blick in den abschraubbaren Mikrofonkorb des dynamischen Mikrofons.

KSM: „Konkurrenzloses Super-Mikrofon“?

Es gibt andere Mikros, die über einen geringen oder keinen Nahbesprechungseffekt verfügen. Zunächst wären da alle Druckempfänger, aber das sind naturgemäß Kugeln, und jeder, der sich schon einmal mit einem Sennheiser MD 21 oder einem Funkberater PGH in die Nähe einer Monitoranlage getraut hat, kennt die Konsequenzen… Electro-Voice bauen das beliebte RE20 und Artverwandte mit dem Variable-D-Prinzip. Die Konstanz des Klangbildes über die verschiedenen Abstände funktioniert zwar hervorragend, doch ist das Mikrofon aufgrund der rückseitigen Lufteinlässe vor allem eines: monströs. Stellt man das Ding einem Sänger vor das Gesicht, sieht man fast nur noch das Mikrofon. Underdog Sanken liefert mit CU-41 und CU-44X ein sehr patternstabiles Nierenmikro fast ohne Nahbesprechungseffekt, ist aber ein sehr kostspieliges Studiomikrofon (aber, ich kann es nicht oft genug sagen, absolut genial!). 

Fotostrecke: 3 Bilder Hier stilisiert dargestellt: Richtcharakteristik Niere

Auch das KSM8 kann „ganz normal“ – bei den technischen Daten

Mit 1,85 mV/Pa besitzt das Shure KSM8 eine ganz „normale“ Empfindlichkeit für ein dynamisches Mikrofon. Auch der Pegelfrequenzgang von 40 Hz – 16 kHz ist weder positiv noch negativ aufregend, sondern absoluter Usus. Lediglich die Impedanz ist mit 300 Ohm nicht gerade niedrig, aber immerhin bedeutet das, dass man eher einmal Unterschiede bei den verschiedenen Preamps wahrnehmen und deutlichere Änderungen beim vielleicht möglichen Verändern der dortigen Eingangsimpedanz vernehmen kann. Nackt kommt das Mikrofon nicht, sondern bringt neben einem einfachen Mikrofonhalter auch eine ordentliche, feste Hülle zum Anziehen mit.

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Praxis

Sehr gutes Handling

Es ist kein unbegründetes Klischee, dass nordamerikanische Verarbeitung im Vergleich zu europäischer oder japanischer eher etwas „robuster“ und „grobschlächtiger“ daherkommt. Beim Shure KSM8 ist davon aber nichts zu spüren. Das in Mexiko gefertigte Mikrofon ist absolut ordentlich verarbeitet, von Grill über Gewinde bis zur Oberflächenbearbeitung. Nimmt man das 330 Gramm schwere Mikrofon in die Hand, fällt direkt das gute Handling auf. Es ist nicht zu schwer (zumindest in der Kabelvariante) und nicht zu leicht. Fasst man es zu weit unten am Schaft an, findet man es etwas kopflastig, sodass man das Mikrofon ein wenig in der Hand herunterrutschen lässt. Allerdings nur ein klein wenig, denn der Hals des KSM8 fängt sehr früh an. Dadurch wird verhindert, dass man das Mikrofon in der Hand versinken lässt und mit Daumen und Zeigefinger die rückwärtigen Schalleintrittsöffnungen verschließt, wodurch der Sound schlechter und die Rückkopplungsempfindlichkeit höher werden. Doch selbst das Verschließen des Korbes zur Hälfte bei vermeintlich „cooler“ Mikrofonhaltung verkraftet das KSM gut, wie ihr einem Soundfile weiter unten entnehmen könnt (allerdings ist dann in der Off-Axis das pure Chaos…). 

Fotostrecke: 2 Bilder “Made in Mexico” muss gar nicht versteckt werden – das Mikro ist sauber verarbeitet.

Das KSM8 ist vor allem eines: ausgewogen!

Im Betrieb wird sofort deutlich, dass man es wirklich mit einem sehr ausgewogen klingenden Mikrofon zu tun hat. Das Shure ist weder besonders frisch noch mumpfig, nicht zischelig, scharf oder verwaschen. Dass der so wichtige Präsenzbereich davon nicht ausgenommen ist, ist eine gute Nachricht für Verleiher, da man mit dem KSM8 den Spruch „Das Mikro passt nicht zur Stimme“ sicher seltener hören wird als etwa bei einem SM58. Hinstellen, passt schon. Und wenn nicht ganz, halten sich EQ-Orgien in ihren klaren (Pegel- und Q-)Grenzen. Nervige Resonanzspitzen konnte ich keine ausmachen, der natürliche Roll-Off in den Höhen kommt angenehm und natürlich. Dennoch ist die Konstruktion der rückseitig schwingungsbedämpften Membran mit ihrer aufgeklebten Spule, die in den Neodym-Topfmagneten eintaucht, flott genug, um auch kleine Details noch zu übermitteln. Natürlich: An die Pfiffigkeit und Akkuratheit eines Kondensatormikrofons mit seiner Federgewicht-Membran kommt das KSM8 auch nicht heran. Das muss es in den meisten Fällen aber gar nicht. 

Audio Samples
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Shure KSM 8, bearbeitet und mit Begleitung Shure KSM8, 1 cm Shure KSM8, 7 cm Shure KSM8, 25 cm Shure KSM8, 7 cm, 45 Grad Shure KSM8, 1 cm, Korb hinten zugehalten Shure 545SD, 1 cm Shure 545SD, 7 cm Shure 5575LE, 1 cm Shure 5575LE, 7 cm Shure SM7B, 7 cm Beyerdynamic M88, 1 cm Beyerdynamic M88, 7 cm Electro-Voice RE20, 1 cm Electro-Voice RE20, 7 cm

Sehr gut, aber kein Game-Changer

Damit sind wir bei einem Kernthema: Die Verringerung des Nahbesprechungseffekts ist spürbar, in der Praxis absolut von Vorteil, das Signal bleibt auch bei geringen Abständen eher klar, aber es ist auch kein Quantensprung. Die Audiobeispiele zeigen dies recht deutlich. Ich will aber gar nicht meckern, denn schließlich gibt es hier wirklich merkliche Verbesserungen, und zwar ohne dass dadurch neue Probleme an anderer Stelle entstanden wären! Und das macht das Shure KSM8 zu einem wirklich empfehlenswerten Mikrofon! An den P-Lauten kann man es gut erkennen: Das Gesangsmikro ist nicht immun gegen Popplaute, doch bringt es sie zwar satt und kräftig, aber mit recht „ungefährlichem“ Pegel auf die Reise durch das XLR-Kabel.

 

Das Mikro ist ein hervorragendes Werkzeug – aber kein Heiland.
Das Mikro ist ein hervorragendes Werkzeug – aber kein Heiland.

Warum eigentlich „Gesangsmikrofon“?

Gut, das KSM8 wird in erster Linie für Vocals verwendet werden, üblicherweise auf Bühnen. Das soll aber niemanden davon abhalten, den Schallwandler auch mit anderen Aufgaben zu betrauen. Als ordentlich Pegel vertragendes Mikrofon mit gut kontrollierbarem Bassbereich, stabiler Richtcharakteristik und schön klingender Off-Axis finde ich, dass es auch im Studio seinen berechtigten Platz finden kann. Gitarrenamp, Bassamp, Bassdrum, Snare, Blechbläser, ja sogar Studio-Vocals à la SM7B – alles machbar. Ist es die geheime Alternative zum RE20? Dieses ist riesig, und es ist teuer. Ok, hier wäre ein Knackpunkt: Das Shure KSM8 ruft mit 500 Euro einen Preis auf, der sich gewaschen hat. Dies sind Gefilde, in denen man zwar kein DPA d:facto, aber immerhin ein Neumann KMS 105 ordern kann, wenngleich dieses andere Vor- und Nachteile hat. Trotzdem: Das Shure KSM8 hat durchaus das Zeug dazu, in zehn oder zwanzig Jahren als hochwertiger Standard auf Bühnen und in Tonstudios zu gelten. 

Das EV RE20 hat ebenfalls einen schwachen Nahbesprechungseffekt, ist aber sehr sperrig und bestimmt nicht "handlich". Das Shure KSM8 hingegen schon.
Das EV RE20 hat ebenfalls einen schwachen Nahbesprechungseffekt, ist aber sehr sperrig und bestimmt nicht “handlich”. Das Shure KSM8 hingegen schon.
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Fazit

Das Shure KSM8 ist zweifelsohne ein hervorragendes Mikro, das ich nicht nur in Sängerhänden auf den Bühnen sehe, sondern auch explizit im Studiobetrieb. Technologisch ein Schritt nach vorne, das ist das Dualdyne-Prinzip tatsächlich, die Ingenieure haben ganze Arbeit geleistet. Den Mund sehr voll genommen haben aber doch die Marketingleute, denn die Mikrofontechnik in ein neues, goldenes Zeitalter führen, das wird das KSM8 wohl kaum. Es ist jedoch keineswegs übertrieben, wenn ich behaupte, dass Shure mit dem KSM8 erneut mit Bravour gezeigt haben, was sie schlicht und einfach hervorragend können: verdammt gute Tauchspulenmikrofone bauen.

Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • sehr detaillierter Klang
  • hohe Impulsfestigkeit
  • gute Off-Axis-Rejection bei stabilem Pattern
  • geringe Handling Noises
  • gute Gewichtsverteilung
  • schönes, dezentes Retro-Design (Nickelfinish)
Contra
  • kostspielig
  • klanglich Effekte bleiben etwas hinter den Erwartungen zurück
Artikelbild
Shure KSM8 Dualdyne Test
Für 415,00€ bei
Shure_KSM8_Dualdyne_Gesangsmikro_9
FEATURES UND SPEZIFIKATIONEN
  • Empfängerprinzip: Druckgradientenempfänger mit Passivmembran
  • Richtcharakteristik: Niere
  • Wandlerprinzip: dynamisch (Tauchspule)
  • Frequenzgang: 40 Hz – 16 kHz (-3 dB)
  • Übertragungsfaktor: 1,8 mV/Pa
  • Besonderheit: geringer Nahbesprechungseffekt
  • Ausgang: XLR male
  • Preis: € 499,– (UVP)
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Zeitlos schön: Das neue Shure-Gesangsmikrofon in matter Nickeloptik.

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Karlotta sagt:

#1 - 25.02.2016 um 17:02 Uhr

0

Ich hab bei euch die News gelesen. Wollte warten bis ein guter Test kommt! Jetzt vergleiche ich das Mic noch mit einem beyerdynamics V 96. Das Neumann TLM 105 hat mir nicht so gefallen, mit meiner Stimme, DPA ist zu teuer. Danke für den Test!

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