Golden Age Project Comp-54 MKII Test

Bei bonedo im Test: Der Comp-54 MKII von Golden Age Project. Mit mittlerweile zahlreichen Preamps und EQs im Programm können die Schweden von GAP beweisen, dass ihr Konzept von klassischer Class-A-Technik im Budgetformat durchaus aufgeht. Doch ohne Dynamikeinheit ist solch eine Produktpalette nicht komplett!

gap_comp-54_04


Es ist kein Geheimnis, dass die Zahl 54 im GAP-Projekt ein Verweis auf den Neve 2254 ist: Um 1970 brachte der britische Designer nicht nur seine Mischpulte mit den legendären Preamp/EQ-Eingangsmodulen auf den Markt, er entwickelte auch eine passende Kompressor-Kassette dazu. Diese hörte auf eben jenen schmucken Namen „2254“, war quadratisch, praktisch – und so gut, dass diese Schaltung heute als Urahn einer ganzen Familie von Kompressoren gesehen werden kann. Selbst der 33609, der noch heute von AMS-Neve gefertigt wird, geht letztlich auf den 2254 zurück. Kenner lieben den Neve-Klassiker für seinen warmen, dicken und eher dunklen Ton. Viele Kompressoren von 1176 bis SSL machen den Sound heller und bringen ihn nach vorne. Der Neve-Comp wird klassischerweise jedoch für das Gegenteil herangezogen. Ist ein sämiges, ruhiges, dunkles Signal gefordert, dann darf der 2254 seine Magie entfalten.
Als Transistorkompressor aus der Pionierzeit dieser Geräteklasse bleibt der Neve-Urahn dabei ein Charaktertyp. Seine Schaltung konnte sich nicht an dem Überfluss an Topologien bedienen, die heute zur Verfügung stehen. Vielmehr musste man damals sehr kreativ mit den technischen Gegebenheiten jonglieren – eine Herausforderung für die Designer, die an diesen Widerständen nur wachsen konnten und auf diese Weise eben die Geräte herstellten, die wohl auch aufgrund dieses erzwungenen Pioniergeistes heute als Legenden gesehen werden.

Details

Diodenbrücke

Das Regelelement des 2254 arbeitet auf Basis einer sogenannten Diodenbrücke. Dabei handelt es sich um ein eher exotisches Konzept, das in England in der zweiten Hälfte der 60er-Jahre aber gerne angewendet wurde, auch die EMI-Kompressoren (sowie heute deren Clones von Chandler Ltd.) basieren auf dieser Idee. Es handelt sich dabei um eine Technik, die für bestimmte Schaltfunktionen verwendet wurde und die man sich dann etwas weiterentwickelt auch für die Dynamikbearbeitung zunutze machen konnte. Dieses Prinzip behält auch der GAP Comp-54 bei, der in Class-A-Technik daherkommt und sich ebenfalls auf eine Diodenbrücke verlässt.

Golden Age Project Comp-54 MKII: Der Kompressor orientiert sich am legendären Neve 2254.
Golden Age Project Comp-54 MKII: Der Kompressor orientiert sich am legendären Neve 2254.

Fast alle Parameter gerastert

Auf Seite der Bedienelemente gibt sich sich der Comp-54 konventionell. Sämtliche Parameter zur Dynamikkontrolle arbeiten mit diskreten Schaltstufen, lediglich das Output Gain lässt sich mit einem Poti stufenlos einstellen. Der Threshold-Parameter bietet mit -20 bis +10 dB einen typischen Einstellbereich, mit den Kompressionsraten 1,5:1, 2:1, 3:1, 4:1 und 6:1 lässt sich der Charakter der Kompression im sanften bis durchaus ordentlich zupackenden Bereich anpassen. Die Zeitkonstanten bieten jeweils acht Optionen, wobei der Attackparameter zwischen 0,5 ms und 50 ms recht weit abgestimmt wurde und auch die Releasephase mit 25 ms bis 1,55 s den gesamten sinnvollen Bereich abdeckt, inklusive zweier ungewöhnlich schneller Positionen. Zudem bietet der Comp-54 noch zwei Auto-Release-Varianten, die programmadaptiv reagieren.

Das Key-Signal kann gefiltert werden

Zur weiteren Klangkontrolle lässt sich noch das Sidechain-Filter heranziehen. Dieses greift wahlweise nicht nur bei 50 und 100 Hz als Hochpass, sondern auch als Peaking-Filter bei 7 kHz. Dies erlaubt den Einsatz des Comp-54 auch als De-Esser, da das Gerät mit diesem Filter besonders sensibel in genau jenem Präsenzbereich reagiert, in welchem knallige Konsonanten gerne ein rundes Vocal-Erlebnis zunichte machen: eine eher ungewöhnliche Ergänzung, die das Original so nicht bietet und die auch bei vielen anderen Comps mit eingebautem Sidechain-Filter wünschenswert wäre.

Der Mono-Kompressor von Golden Age Project bietet neben den Standardfunktionen auch ein paar Extras wie das flexible Sidechain-Filter.
Der Mono-Kompressor von Golden Age Project bietet neben den Standardfunktionen auch ein paar Extras wie das flexible Sidechain-Filter.

Input-, Output- und Interstage-Übertrager

Ergänzend finden sich auf der Frontplatte noch ein paar Schaltfunktionen, teilweise von LEDs unterstützt: der Betriebsschalter, ein weiterer zur Aktivierung der Link-Funktion für zwei Einheiten, ein Releais-gestützter Bypass sowie die Möglichkeit, das – recht hübsche, beleuchtete – VU-Meter zwischen Pegelreduktion und Ausgangspegel umzuschalten. Dazu gibt es noch einen weiteren Schalter, der lediglich die Kompression deaktiviert, die Schaltkreise des Comp-54 aber im Signalweg belässt. Das ist durchaus sinnvoll, denn auch der GAP-Kompressor sollte sich wie sein Neve-Vorbild durchaus für klangfärbende Aufgaben nutzen lassen, was bei einem Blick auf sein Innenleben schnell offensichtlich wird.

Fotostrecke: 6 Bilder Flexible Anschlüsse auf der Rückseite: Der Comp-54 bietet auch Link- und Insert-Buchsen.

Die mit konventionellen Bauteilen ausgeführte Class-A-Schaltung bietet aufgrund ihrer wesentlichen Merkmale, die sich recht nahe an denen des Ur-2254 orientieren nämlich einiges Potenzial zur Soundverbiegung. Nach dem Eingangsübertrager folgt bereits die Diodenbrücke. Danach durchläuft das Signal einen sogenannten Interstage-Übertrager, in dem auch das Sidechain-Signal abgezweigt wird. Nach einer transistorisierten Ausgangsstufe folgt dann der Ausgangsübertrager – nicht weniger als drei Stück liegen also im Signalweg. Zwar kommen bei dem in Fernost gefertigten Comp-54 ab Werk No-Name-Übertrager zum Einsatz, was Kostengründen geschuldet ist. Wer möchte, kann das Gerät aber mit den Carnhill-Übertragern modifizieren (lassen), die gemeinhin für Neve-Clones höherer Preisklassen verbaut werden, und die auch immer noch – ob nun in einer besonderen Varianten oder nicht – von AMS-Neve eingesetzt werden. Die Platinen sind für diesen Umbau jedenfalls bereits vorbereitet. Abgesehen von dieser offentlichlichen Möglichkeit, Fertigungskosten zu sparen, macht das Gerät rein technisch aber einen guten Eindruck. Das Gehäuse scheint solide, wenngleich es beim Design keine Kapriolen schlägt. Es kommen durchaus ordentliche Bauteile zum Einsatz, sämtliche Buchsen sind mit dem Gehäuse verschraubt. Es ist klar, dass man zu diesem Preis keine Highend-Hardware erwarten darf, aber in rein funktionaler Hinsicht gibt sich der Comp-54 keine Blöße. Das externe Netzteil ist nicht unbedingt schön, aber in dieser Preisklasse muss man es wohl hinnehmen. Sämtliche Audio-Anschlüsse liegen parallel an symmetrisch beschalteten XLR- und TRS-Buchsen an. Laut Hersteller ist die Ausgangsstufe kräftig genug, um auch zwei Geräte mit Signalen zu versorgen, so dass man den Comp-54 auch als Signalsplitter einsetzen können sollte. Der 600-Ohm-Schalter dient der Anpassung an „moderne“ oder „Vintage“-Standards bei der Ausführung der Ein-/Ausgangsstufen von Geräten. Originalgetreu ausgeführt „erwartet“ der Ausgangsübertrager eine Last von 600 Ohm, was bei vielen modernen Geräten mit Eingangsimpedanzen im Kiloohm-Bereich zu Fehlanpassungen führen kann. Normalerweise sollte man diesen Schalter also eingeschaltet lassen, man kann ihn aber auch als potenziell interessante Klangvariation nutzen: Im Gegensatz zu Verstärkerendstufen und Lautsprecherboxen kann hier nichts kaputt gehen, im Höchstfall bekommt der Sound eine leicht andere Note.

Praxis

Ein interessantes VU-Meter haben die Schweden da verbaut! Entgegen den üblichen Gepflogenheiten bewegt sich die Nadel sowohl bei der Anzeige des Ausgangspegels als auch der Pegelreduktion von links nach rechts, die Gain Reduction wird also gewissermaßen „falsch herum“ angezeigt. Das sorgt erst einmal kurz für Verwirrung, sollte den engagierten Engineer aber nicht vor größere Herausforderungen stellen. Der Endlos-Drehschalter für die Threshold-Einstellung ist ebenfalls etwas ungewohnt: Munter einen Schritt zu weit gedreht, und auf heftigste Kompression folgt auf einmal – gar nichts.

Seltenheit: GR wird in der gleichen Richtung wie der Pegel angezeigt, also von links nach rechts.
Seltenheit: GR wird in der gleichen Richtung wie der Pegel angezeigt, also von links nach rechts.

Aber abgesehen von diesen beiden Besonderheiten stellt der Comp-54 dem geneigten Anwender keine größeren Hürden in den Weg, kann vielmehr mit einem gradlinigen und an den richtigen Stellen verfeinerten Bedienkonzept überzeugen. Der zusätzliche Limiter des Original-2254 wurde weggelassen, das macht das Gerät auf jeden Fall übersichtlicher. Dafür gibt’s ein Sidechain-Filter, das nicht nur die üblichen Bass-Betonungen erlaubt, sondern auch den Einsatz des Gerätes als De-Esser ermöglicht – mit der entsprechenden 7-kHz-Einstellung.
Insgesamt kann der Comp-54 mit recht weiten Einstellbereichen überzeugen. Die Attack reicht von Vocal-Lautmacher-Werten im Mikrosekundenbereich bis hin zu punchy 50 Millisekunden. Der Release-Parameter bietet nicht nur zwei programmadaptive „Auto“-Modi, sondern auch einen für einen analogen Comp ausgesprochen radikalen Minimalwert von nur 25 Millisekunden: Damit kann man dem aggressivsten Plug-In Konkurrenz machen! Der Nachteil dieser großen Bandbreite ist jedoch, dass der im Alltag so wichtige Bereich der mittleren Werte mit den Zeiten 100, 400 und 800 ms recht grob aufgelöst wurde. Gerade zwischen 100 und 400 hätte ich mir noch eine Zwischenposition gewünscht.

Audio Samples
0:00
Vocals Original Vocals 2:1, 0,5 ms Attack, 400 ms Release Bass Original Bass 4:1, 3 ms Attack, 100 ms Release Drum Room Original Drum Room 6:1, 0,5 ms Attack, 25 ms Release Drum Room 6:1, 0,5 ms Attack, 25 ms Release, SC Filter 100 Hz

Das Kompressionsverhalten erinnert in der Tat deutlich an das große Vintage-Vorbild. Die Neve-Comps mit ihrer Diodebrücke haben ein ganz eigentümliches Regelverhalten, das sehr kräftig zupackt, dabei aber im Bereich „normaler“ Einstellungen niemals so analytisch oder gar aggressiv klingt wie ein typischer VCA-Comp. Solche Vergleiche können etwas hinken, aber im Prinzip liegt die Neve-Diodenbrücke irgendwo auf halbem Weg zwischen klassischen Opto- und VCA-Comps. Im Zusammspiel mit der breiten Parameter-Abstimmung lässt sich so im Studio-Alltag ein ziemlich ordentliches Spektrum abrufen, das grunsätzlich alle Arten von Einsätzen erlaubt. Als Vocal-Kompressor macht der Comp-54 ebenso eine gute Figur wie als Punch-Erzeuger auf Basslines. Und auf Raummikros und vergelichbaren Signalen lässt sich auch einiges „zerstörerisches“ Potenzial entfalten.

Kann bezüglich des dunkel-edlen Klangs nicht mit dem Original mithalten – vor allem ohne Upgrade der Übertrager.
Kann bezüglich des dunkel-edlen Klangs nicht mit dem Original mithalten – vor allem ohne Upgrade der Übertrager.

Einzig der Grundklang der Class-A-Schaltung kann mit der dicken, gemütlichen Sämigkeit des Originals nicht mithalten. Im Vergleich kommt der Comp-54 wesentlich schanker und frischer rüber. Während der 2254 (oder einer seiner Highend-Clones) gut geeignet ist, nervöse Signale zu beruhigen, macht der GAP-Comp den Klang tendenziell eher heller. Das ist an sich nicht verkehrt und klingt auch recht ordentlich, nur geht dem Comp-54 somit eine der zentralen Eigenschaften für die das Vorbild geliebt wird flöten. Da der GAP aber für den Einbau der Carnhill-Übertrager bereits entsprechend vorbereitet ist sollte man mit etwas Geschick dem Gerät eine Färbung verleihen können, die dem Original wesentlich näher kommt – sind doch die Übertrager in dieser Schaltung die zentralen klangformenden Bauteile.

Fazit

Der Golden Age Projects Comp-54 hinterlässt insgesamt einen sehr guten Eindruck. Das Gerät ist ordentlich verarbeitet, bietet einen ausgesprochen sinnvollen Funktionsumfang und kann auch mit dem typischen Kompressionsverhalten eines Neve-artigen Comps aufwarten. Dass zu diesem Kaufpreis beim Sound der Line-Stufen noch Headroom besteht, darf man dem Gerät nicht ernsthaft ankreiden. Hier gibt es trotz punktueller Kritik eine ganze Menge Kompressor fürs Geld!

Unser Fazit:
4 / 5
Pro
  • Regelverhalten
  • Klangeigenschaften
  • Preis-Leistungsverhältnis
Contra
  • externes Netzteil
  • Grundklang ohne Carnhill-Update heller als beim Vorbild
Artikelbild
Golden Age Project Comp-54 MKII Test
Für 389,00€ bei
Preiswert und gut: Golden Age Comp-54
Preiswert und gut: Golden Age Comp-54
Spezifikationen
  • Kompressor in Anlehnung an den klassischen Neve 2254
  • diskrete Class-A-Schaltung
  • Regelelement mit Diodenbrücke
  • diskrete Class-A-Schaltung
  • Sidechain-Filter
  • Link-Modus für zwei Einheiten
  • Preis: € 772,31 (UVP)
Hot or Not
?
gap_comp-54_04 Bild

Wie heiß findest Du dieses Produkt?

Kommentieren
Profilbild von Hank

Hank sagt:

#1 - 01.11.2014 um 18:10 Uhr

0

Hannes, danke für den schönen Test.
Ich benutze den GAP für Aufnahmen von Akustikgitarren, da frischt der Comp54 das Signal wunderbar auf und macht den Sound in meinen Ohren weitaus wertiger, schon bei der Aufnahme - das macht mir persönlich einfach beim Spielen mehr Spass!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.
Bonedo YouTube
  • iZotope Ozone 12 Bass Control Demo (no talking)
  • LD Systems ICOA Pro Series - All you need to know!
  • Watch THIS if you use analog gear! Everything you need to know about the Freqport FreqInOut FO1