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Buchbesprechung: Oli Rubow – Das moderne Schlagzeugquartett

Was hat Trommeln mit Karten spielen zu tun, und was in aller Welt ist ein Schlagzeugquartett? Wer zum ersten Mal von Oli Rubows Buch „Das moderne Schlagzeugquartett“ hört, könnte meinen, hier treten die größten, tollsten, teuersten Drumkits der Welt gegeneinander an, mit Terry Bozzios Monsterkit als „Spitzentrumpf“… Aber weit gefehlt, hier geht es um eine völlig neuartige Methode, spielerisch mit Groove-Variationen umzugehen und Spaß, Kreativität und Lernerfolg gleichzeitig zu vermitteln. 

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Gerade im Schlagzeugunterricht mit Kindern zeigt sich häufig, dass sich viele Übungen besser vermitteln lassen, wenn sie attraktiv verpackt sind. Aber keine Sorge, Oli Rubow verkauft hier keinen alten Wein in neuen Schläuchen, sondern zeigt in seinem Buch Ansätze, die man in dieser Form in gewöhnlichen Schlagzeug-Lehrbüchern bisher nicht findet. Hierbei spielt sein HipHop-Background eine ebenso große Rolle wie die Tatsache, dass er sich seit vielen Jahren intensiv mit dem Programmieren von Drums am Rechner beschäftigt und zudem als Koryphäe für die Simulation „elektronischer“ Sounds am Akustik-Drumkit gilt. Aber worum geht es nun eigentlich genau?


Am Anfang war das Pattern
Die Grundidee des Buches besteht darin, einen beliebigen Groove auf möglichst vielfältige Weise zu variieren. Dazu gibt es 54 Spielkarten mit leicht verständlichen Piktogrammen, acht Handzeichen und eine heraustrennbare Schablone in der Heftmitte, die als eine Art Sequencer dient. Als Inspiration für den Basic Groove kann man auf über 100 charakteristische Patterns aus der Musikgeschichte zurück greifen, die am Ende des Buches aufgelistet sind. Im buchbegleitenden Blog www.dmsqblog.wordpress.com finden sich YouTube-Links zu den Notenbeispielen. Darunter sind zahlreiche Klassiker aus den Genres Soul, Rock, Funk, HipHop, Reggae, House usw. Zudem findet sich auf den folgenden Seiten im Buch noch eine Liste genretypischer Bassdrum-, Snare- und Hi-Hat-Figuren, die beliebig miteinander kombiniert werden können („Pattern Lego“). Wie schon erwähnt, kann man aber auch einen beliebigen anderen Groove als Basis wählen. Um die Funktionen der Spielkarten kennenzulernen, empfiehlt sich für den Anfang ein einfacher Rhythmus.

Fotostrecke: 3 Bilder 54 Piktogramme und 8 Handzeichen bieten eine Menge Spielmöglichkeiten.

Weniger ist mehr: Die Kunst des Weglassens
Hat man sich für einen Grundrhythmus entschieden, kann man nun den Papiersequenzer benutzen, um eine achttaktige Form zu symbolisieren. Jedes der acht Felder entspricht einem Takt, so dass der Sequencer wie ein Leadsheet gelesen werden kann. Diejenigen Taktfelder, in denen Variationen stattfinden sollen, können nun mit den entsprechenden Karten belegt werden. Für den Anfang ist die Nutzung des Sequencers sinnvoll, um die Karteninhalte in Ruhe zu lernen. Später können die Anweisungen auch durch spontanes Hochhalten verschiedener Karten erteilt werden. Hier ist dann schnelles Erfassen und Umsetzen der Inhalte erforderlich.
Bei den Variationen des ausgewählten Grooves geht es um weit mehr als beispielsweise das bloße Ausschmücken mit Ghostnotes, das einem dabei vermutlich als erstes einfällt (und für das es auch eine entsprechende Karte – die mit dem Gespenst – gibt). Hier hat sich Oli Rubow wirklich eine Menge einfallen lassen, aber beginnen wir doch am besten mit einigen einfach umzusetzenden Anweisungen. So fordern beispielsweise drei der Karten dazu auf, jeweils eines der Instrumente Hi-Hat, Bassdrum oder Snare wegzulassen bzw. zu “muten”. Wenn man beispielsweise die “Bassdrum Mute” Karte auf das vierte und die “Hi-Hat Mute”-Karte auf das achte Feld legt, ergibt sich ein Muster, wie es häufig bei programmierten Beats zu finden ist. Dort macht man sich das Ein-und Ausschalten der Einzelstimmen gerne zunutze, um Abwechslung zu schaffen. Gerade weniger erfahrene Drummer lernen so unter anderem, dass ein Fill nicht zwangsläufig in Achtel- oder Sechzehntelnoten von der Snare ausgehend über die Toms verlaufen muss, sondern ebenso durch ein simples Weglassen der Hi-Hat generiert werden kann. Auch die Karten, die dazu auffordern, bestimmte Teile eines Taktes, beispielsweise das erste Viertel, als Pause zu interpretieren, beziehen ihre Inspiration aus der Welt der programmierten Grooves, wo beispielsweise zu Anfang einer neuen Strophe der Gesang den Auftakt markiert und das Schlagzeug erst auf der zweiten Zählzeit einsetzt.

Stottern, schneiden, schieben: Weitere Groove-Variationen
Hinter dem Stichwort „Stutter“ verbergen sich Karten, die ein Stottern des Taktes simulieren sollen, indem beispielsweise das erste Viertel das Taktes vierfach wiederholt wird, so wie ein Sample, das viermal hintereinander neu angetriggert wird – auch eine Variation, die sich gut am Ende einer vier- oder achttaktigen Form macht. Etwas anspruchsvoller wird es, wenn die Karte mit der Schere zum Einsatz kommt. Hier soll der Takt zerschnitten und neu zusammengefügt werden. Auch Verschiebungen des Grooves sind vorgesehen, was ebenfalls ein ausgeprägtes rhythmisches Verständnis voraussetzt. Die Klassiker „Four on the floor“ sowie „Four on the snare“, bei denen die vorhandene Bassdrum- oder Snare-Figur gegen ein Viertelpattern ausgetauscht werden soll, gehören ebenfalls zum Repertoire. Auch Halftime und Doubletime führen zu schönen Ergebnissen, wobei letzteres vor allem im Zuge der „Drum & Bass“-Bewegung häufig praktiziert wird. 
Entertainment: Der einarmige Bandit, die dritte Hand und die Warnung an die Eltern
Spaßig wird’s, wenn zum Beispiel das Ausgangspattern mit einer Hand gespielt werden soll oder aber die geheimnisvolle „dritte Hand“ ins Spiel kommt. Damit ist gemeint, dass man mit einer Hand zwei Instrumente gleichzeitig spielt. Erweitert werden kann das ganze natürlich noch durch die Stimme als „fünfte Extremität“. Und damit auch hier und da mal komplett sinnbefreit agiert werden kann, gibt es die „Parental Advisory: Creative Content“ Karte, die aussieht wie die Aufkleber auf CDs, die vor jugendgefährdenden Texten warnen und dazu auffordert, über eine Taktlänge etwas Ungewöhnliches zu tun. 
Mach es wie der Meister: Verfremden, Verformen, Verzerren
Wie eingangs schon erwähnt, liebt Oli Rubow es, Klänge zu verfremden, und anstatt einen Fuhrpark von Effektgeräten an den Start zu bringen, bevorzugt der Meister dafür ganz einfache Mittel, sei es ein Pizzakarton auf der Snare oder ein Geschirrtuch auf dem Floortom. Auf diese Weise können beispielsweise Oldschool Drumsounds erzeugt werden, wenn die entsprechende Karte zum Zug kommt. Mitunter eignen sich natürlich auch die bloßen Hände, um Klänge zu manipulieren, so zum Beispiel wenn es darum geht, den Kartenbefehl „Snare Gate“ auszuführen. Andere Karten aus der Effektabteilung erfordern auch bestimmte Spieltechniken oder dynamische Variationen wie zum Beispiel „Echo“, „Vintage Compressor“ oder das umgedrehte „R“, das rückwärts abgespielte Klänge simulieren soll. Wer wissen will, wie man so etwas und andere Illusionen am Drumset umsetzen kann, sollte sich unbedingt mit Oli Rubows Sound-Bibliothek beschäftigen, welche ebenfalls in seinem Blog zu finden ist.

Fotostrecke: 3 Bilder Diverse legendäre Drumpatterns können als Basisgrooves verwendet werden.

Lehrer, spielen wir ‘ne Runde Karten? Erfahrungen aus dem Schlagzeugunterricht
Ich habe das Quartett über einige Wochen im Einzel- und Gruppenunterricht mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen eingesetzt und dabei viel positives Feedback erhalten. Die Idee, Spielkarten im Unterricht zu benutzen, fanden natürlich vor allem die jüngeren Schülerinnen und Schüler zwischen sechs und zehn Jahren reizvoll, da diese Altersgruppe besonders empfänglich für den spielerischen Umgang mit der Materie ist. Es zeigte sich aber schnell, dass es kaum möglich ist, gleich „in die Vollen“ zu gehen, denn bevor man mit den Karten spielen kann, müssen die Anweisungen erst einmal erlernt werden. Daher habe ich bei den Anfängern zunächst simple Grooves innerhalb einer viertaktigen Form verwendet und die Schüler jeweils im letzten Takt einfache Variationen, zum Beispiel Aussetzen der Hi-Hat oder der Snare, spielen lassen. Nach und nach kamen dann andere Karten dazu und es wurden mehrere Takte variiert. Das Hochhalten spontan ausgewählter Karten zum Zwecke, dass bereits im folgenden Takt die Anweisung umgesetzt werden soll, erforderte ein gewisses Training, machte den Schülern aber viel Spaß, weil die Abläufe hier weniger vorhersehbar waren. Außerdem ist es natürlich jederzeit möglich, durch bestimmte Karten die Schüler zu witzigen Aktionen anzuregen. Da ich in der „Testphase“ ausschließlich auf E-Drums unterrichtet habe, kamen viele interessante Karten, die sich auf das kreative Ausloten der akustischen Drumsounds beziehen, nicht zum Einsatz, aber dennoch zeigte sich, dass man schon mit wenigen Karten für blendende Unterhaltung und Spielfreude sorgen kann.

Fazit

Das moderne Schlagzeugquartett“ ist kein herkömmliches Lehrbuch und daher auch nicht zum Zwecke des Selbststudiums vorgesehen – obwohl hier durchaus zahlreiche Anregungen und Ideen zu finden sind, die sich jeder Schlagzeuger zunutze machen kann. In erster Linie eignet sich das Buch für den Einsatz im Schlagzeugunterricht, vor allem mit Kindern, da es auf eine unterhaltsame Weise frische Ideen, die in anderen Büchern nicht zu finden sind, vermittelt und somit die Kreativität anregt und gleichzeitig das rhythmische Verständnis fördert. Die Anleitung durch einen Lehrer halte ich dabei für sinnvoll, damit der Bezug zu musikalischen Strukturen gewährleistet ist. Doch nicht nur im Unterricht, auch im Zusammenspiel mehrerer Drummer oder Perkussionisten lassen sich mittels des Papiersequencers auch komplexere musikalische Abläufe generieren, so dass der musikalische Einsatzbereich dieses innovativen Systems sehr umfassend ist. 

Innovativ, unterhaltsam, kreativ: „DMSQ“ ist ein hervorragendes Tool nicht nur für den Unterricht
Innovativ, unterhaltsam, kreativ: „DMSQ“ ist ein hervorragendes Tool nicht nur für den Unterricht

Das moderne Schlagzeugquartett ist unter der ISBN: 9783897751699 im LEU-Verlag erschienen und kostet € 29,80.

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