Bricasti Design M7 Test

DETAILS

Der Bricasti M7 ist ein Stereo-Hall-Hardware-Prozessor mit analogen und digitalen Ein- und Ausgängen. Das 19-Zoll-Gehäuse ist aus rostfreiem Stahl, sehr hochwertig verarbeitet und in einem klaren, minimalistischen Design gehalten. Das Gewicht liegt mit 4,1 kg im “19-Zoll-Normbereich”.
Alle Bedienelemente befinden sich auf der 1-HE hohen, schwarz-eloxierten und ziemlich dicken Alufrontplatte. Diese ist leicht stufig gefräst, wodurch die Bedienelemente ein wenig gruppiert werden. Alle Knöpfe und Buttons sind natürlich auch aus Aluminium und liegen sehr angenehm in der Hand bzw. unter den Fingern. Sämtliche Anschlüsse befinden sich auf der Rückseite.
Beginnen wir bei den Bedienelementen ganz rechts: Hier findet sich der Power-Schalter zum Drehen, welcher schön straff geht und somit nicht unbeabsichtigt betätigt werden sollte. Nach dem Einschalten bootet der M7  mit vielversprechendem Relais-Klackern. 
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Schräg unter dem Power-Schalter befindet sich ein Tap-Tempo-Taster, der in  “Software Version 1” keine Funktion hatte. Wir wären aber nicht bonedo, hätten wir uns das EPROM-Chip-Update Version 2 nicht besorgt und selbst verpflanzt. Das für Kunden kostenlose (!) Upgrade-Kit bohrt den M7 nämlich noch ein wenig mehr auf, doch dazu später mehr. Jetzt dient der Button vor allem Muting, dem Bypass und der Tempo-Anpassung der neu hinzugekommen Delays. Ein Multieffektgerät wird aus dem Bricasti damit dennoch nicht – aber das soll es ja auch nicht.
Wieder etwas weiter oben befinden sich die vier Preset-Favoriten-Schalter, auf die man idealerweise seine Top-4-Räume abspeichern sollte, um sie so schnell im Direktzugriff zu haben bzw. um sie besser miteinander vergleichen zu können. Natürlich bietet der M7 noch reichlich mehr Speicherplatz, dann aber über das Menü aufrufbar. Insgesamt stehen nach dem Update, inklusive den unveränderten Presets des V1 Algorithmus, ganze 221 Presets, aufgeteilt in 11 Bänke, zur Verfügung. Speicherplatz für eigene Presets gibt es in den sogenannten Registers “Reg”, mit fünf Bänken à zehn Speicherplätzen, in Summe also 50.
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In der Mitte finden sich dann diese Menüs bzw. Mode-Taster: Prog, Reg, System, Store, Edit und Enter. Erklärt sich fast von selbst. Direkt daneben liegt der große Alu-Endlos-Encoder, der edel und leichtläufig rotiert und auf eine Rasterung verzichtet. Links daneben haben sich die Cursor-Tasten gruppiert, “hoch“ und „runter”, über die, in Verbindung mit dem mächtigen Drehregler, fast ausschließlich die praktische Bedienung erfolgt.
Schaltet man beispielsweise in den “Prog”-Mode, also in die Factory-Presets, dienen die Cursor dem Wechsel der Überkategorien in der unteren Zeile des Displays (Halls, Plates, Rooms, Ambience, Chambers, Spaces, NonLin ) und das fette Drehrad der eigentlichen Preset-Auswahl innerhalb dieser Kategorie im oberen Teil. Hier macht Kurbeln Freude!
Will man beim M7 einen Parametersatz anpassen, drückt man auf “Edit” und steppt sich dann mit den Cursor-Tasten durch die einzelnen 18 Parameter. Der große Drehregler editiert dann den Wert des Parameters entsprechend dem roten, sehr deutlich lesbaren – und vor allem hellen und dimmbaren –  2×16 Segment-Display.  Sexy 80s-Understatement – ich mag das.
Die Bedienung geht flott von der Hand, da Veränderungen “im Nu” zu hören sind und es keine “toten Parameter” gibt. Das schauen wir uns, oder besser gesagt, hören wir uns im Praxisteil aber nochmal genauer  an. Nur soviel sei schon verraten, das Gesamtergebnis setzt sich aus den frühen Reflexionen, dem frühen Hall (bis 100ms) und dem späten Nachhall zusammen (Hallfahne), die aber alle intern miteinander in Verbindung stehen. An dieser Stelle deshalb nur die Auflistung aller verfügbaren Algorithmus-Parameter nach dem von uns durchgeführten Update:
  • Reverb Time: Regelbar von 0,2 bis 30 sec. Definiert die Nachhalldauer des mittleren Frequenzbereiches. Das obere und untere Frequenzband werden durch Crossover-Frequenzen und Multiplikatoren definiert. Kleines Beispiel: Beträgt die Halldauer 1 sec und der LF-Multiplikator hat den Wert 2, so resultiert daraus eine Hallzeit von 2 sec im Bassbereich. Sehr praxistauglich.
  • Size: Definert die Größe des virtuellen Raums von „Small“ zu „Large“ mit 31 Zwischenschritten. Dabei werden die Rückwürfe mit größer werdendem Parameter immer mehr auseinander „ge-spreaded“. Man erhält dadurch viel Kontrolle, wie groß ein Raum empfunden bzw. gehört wird. Von dem Wort „Raum“ sollte man sich allerdings nicht täuschen lassen: Unter den Presets gibt es auch Waldschluchten, um einmal die Dimension des Attributes „Large“ etwas praxisrelevanter zu gestalten. So erklärt sich auch die Notwendigkeit der vielen Zwischenschritte, welche vor dem Update nicht so detailliert vorhanden waren.
  • Predelay: Sorgt für den definierten Einsatz des Frühhalls, lässt sich von 0 bis 500 msec regeln, die Parametersprünge werden dabei immer größer. Auch sehr praktisch.
  • Diffusion: Steuert die Zerstreuung der Reflexion in 11 Stufen und macht den Raum dichter, wodurch der Gesamtklang homogener wird. Steht in seiner Wirkung mit dem Size-Parameter in Wechselwirkung.
  • Density: Ist für die Dämpfung bzw. Dichtheit der Echos verantwortlich und bestimmt, wie sich diese über die Zeit verändern, sprich anschwellen oder “verhallen”. Wieder in 11 Schritten anpassbar.
  • Modulation: Sorgt für die Pitch-Variation in der Hallfahne, ähnlich einem Chorus, und damit für den “larger-than-life”-Sound. 11 Zwischenpositionen von “Off” bis “Max” sind vorhanden.
  • Rolloff: Einer der wichtigsten Parameter für den Gesamtsound des Reverb: Das Tiefpassfilter bestimmt durch die obere Eckfrequenz, steuerbar von 80 Hz bis Full (>22kHz), ob der Raum muffig und bassig oder bright klingt. Auch hier werden die Parametersprünge zu „Full“ hin immer größer.
  • HF RT Multiply: Der Multiplikator zur Bestimmung der Nachhallzeit des Hochfrequenzbandes in Abhängigkeit von dem Mittenband. Einstellbar von 0,2 bis 1.
  • HF RT Crossover: Die Trennfrequenz von Mitten- zu Hochfrequenzband, regelbar von 200 Hz bis 16kHz.
  • LF RT Multiply: Der Multiplikator zur Bestimmung der Nachhallzeit des Tieffrequenzbandes in Abhängigkeit von dem Mittenband. Einstellbar von 0,2 bis 4.
  • HF RT Crossover: Die Trennfrequenz von Tief- zu Mittenfrequenzband, regelbar von 80 Hz bis 4,8 kHz
  • VLF Cut: Bestimmt den Anteil der “Very Low Frequency” im Anfangsstadium des Hallaufbaus von 0 bis -18 dB.
  • Early/Reverb Mix: Bestimmt das Mixverhältnis von Early Reflections und Reverb. Regelbar von 0/20 über 20/20 bis hin zu 20/0.
  • Early Rolloff: Wieder ein Tiefpassfilter, steuerbar von 80 Hz bis Full (>22kHz), diesmal aber für die frühen Reflexionen.
  • Early Select: Bietet eine Auswahl von 32 Erstreflexionsmustern, die sich in Aufbau und Abbau unterscheiden.
  • Delay Level: Ganz neu in Version 2: Das Delay. Hier wird die Intensität von Off bis -6dB eingestellt, mit der die Verzögerungen in den  “Late Reverb” gelangen.
  • Delay Time: Hier wird die Verzögerungszeit von 100 bis 996 ms eingestellt. Obwohl nur eine Delay-Zeit vorhanden ist, werden im Hintergrund acht Stimmen zeitlich versetzt, was für schöne dicke, gefärbte Hallfahnen sorgt.
  • Delay Modulation:Zusätzlich lässt sich die Modulation der Delays bestimmen, welche von Off über Low in zehn Stufen zu High variiert werden kann, wodurch sich zusätzliche Chorus-artige Effekte ergeben, die für “bigger-than-life” unerlässlich sind. 

Den Überblick auf der Vorderseite zu komplettieren, möchte ich noch auf das gerasterte Levelpoti auf der linken Seite hinweisen. Jede Positionsänderung wird wieder mit sympathischem Relais-Klackern bestätigt. Dies dient ausschließlich der Aussteuerung (11x 2dB Schritte von +8 dBm bis +24 dBu) des analogen Eingangs, welcher sich, wie alle anderen Anschlüsse auch, auf der Rückseite befindet. Eine Aussteuerungsanzeige befindet sich im Display. 

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Das bedeutet also vier XLR-Buchsen für den analogen Stereo-I/O, dessen Ausgang mehrere Intensitäten bietet: +24dB, +16dB und +8dB sind möglich. Digital geht’s per AES 24 Bit SingleWire zur Sache, sogar bis zu 192kHz sind möglich – dafür sind die anderen beiden XLR-Buchsen zuständig. Auto-Clocking auf die gebräuchlichsten Rates ist selbstverständlich. Die Samplerate für die analogen Eingänge ist fix bei 96 kHz/24 Bit. Ein Mischbetrieb Digital/Analog ist nicht möglich, was einige sicher schade finden werden, da sich der M7 so nicht als A/D bzw. D/A Wandler missbrauchen lässt. Die Anschlüsse bieten natürlich auch tolle, sehr technische Messwerte, die ich euch und mir aber gerne ersparen möchte. Nur so viel: Sie sind ausgezeichnet! Echte Nerds googlen diese sowieso lieber selbst.

Weiterhin ist eine RS-422 Schnittstelle für die bereits angesprochene Fernbedienung vorgesehen sowie ein weiterer RS-422 für den Loop-Thru weiterer M7(M) Einheiten. MIDI ist physisch vorhanden, jedoch nicht weiter in Versionsnummer 1 implementiert. Wir schauen uns den MIDI-Zugewinn nach dem Update im Praxisteil an. 
Die Lüftungsschlitze für den Temperatur-geregelten Lüfter befinden sich auf der Rückseite links. Dieser läuft meist sehr ruhig, wenn beim Einbau in das Rack genügend Platz nach oben gelassen wird, denn Hitze produziert das kleine Kerlchen schon ordentlich. Die mittleren Schlitze der Rückseite stellen dabei übrigens die Lufteinlässe dar und sollten niemals verdeckt werden. Unter dem Kaltgeräteanschluss für den Strom befindet sich außerdem die Sicherung. Alle Anschlüsse sind fest mit dem Gehäuse verschraubt, hier gibt es nichts zu bemängeln. Wünschenswert wäre nur ein echtes Universalnetzteil gewesen, welches ohne Sicherungswechsel alle weltweit vorhanden Stromarten akzeptiert.
Kommentieren
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MarkS sagt:

#1 - 10.09.2011 um 23:02 Uhr

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Schöner und aufwendiger Test ,über ein super Gerät !
Bravo Felix !!!

Profilbild von Numinos

Numinos sagt:

#2 - 20.09.2011 um 13:45 Uhr

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Ich schließe mich dem Vorredner an: Kompliment, Herr Kollege - das nenne ich sorgfältig! Am Ende des Tests hat man fast schon das Gefühl, das Teil hätte einen Nachmittag lang im eigenen Studio gestanden :)

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TonyR sagt:

#3 - 20.11.2013 um 15:55 Uhr

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Wie updatet man sein Bricasti auf V2?

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Felix Klostermann sagt:

#4 - 20.11.2013 um 18:11 Uhr

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Hallo TonyR, du musst dir die neuen Chips von deinem Händler oder von Bricasti selbst besorgen, die alten Chips nach Anleitung raushebeln und die neuen entsprechend einsetzten. Kein Hexenwerk - Siehe Fotos im Praxis-Teil!

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