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Bitwig Studio 2.4 Test

Bitwig Studio 2.4 ist da! Die DAW wird im fünften Jahr zusehends erwachsen. Man rüstet Funktionen nach, die im Übereifer der ersten Releases im Vergleich zu den großen Mitbewerbern noch fehlten, bleibt aber mit seiner Multi-Plattform-Ausrichtung, dem ausgeklügelten Modulationssystem und einem sehr durchdachten, kontextabhängigen Bedienkonzept in vielen Punkten in der Vorreiterrolle.

Bitwig_Studio_24


Bitwig Studio ist in Version 2 ausgereifter und zugänglicher geworden, hat aber seine Verspieltheit und die Modular-Ansicht behalten. Seit dem Release von 2.0 im März 2017 sind insgesamt drei größere Updates erschienen, die zwei neuesten, die seit unserem letzten Test erschienen sind, stellen wir euch heute vor und haben sie ausgiebig getestet.

Details

Bedienoberfläche und Konzept der Hybrid DAW

Optisch erinnert Bitwig Studio an Studio One von Presonus, die verschiedenen Bereiche Arrangement, Inspector (links), der Clip-Modus und der Clip/Device-Bereich unten haben Anleihen von Ableton und Logic Pro X. Und so ist die DAW im besten Sinne ein Hybrid nach dem Prinzip „Best of many worlds“ ohne nach blankem Abklatsch auszusehen.

Jeder der Bereiche lässt sich über die entsprechenden Buttons unten rechts und unten links zu- oder abschalten, ähnlich wie in Ableton Live.
Jeder der Bereiche lässt sich über die entsprechenden Buttons unten rechts und unten links zu- oder abschalten, ähnlich wie in Ableton Live.

Bitwig Studio 2.2

Fünf neue Modulatoren kamen zum neuen Modulator-Konzept dazu. Der Time Shift Device, ein Darstellungsprofil für die gemischte Nutzung von Bitwig Studio auf einem Monitor und einem Touchscreen sowie das Synchronisationsprotokoll Ableton Link waren ebenfalls neu. 

Um den Link-Button sichtbar zu machen, müsst ihr die Funktion in den Einstellungen unter „Synchronization“ aktivieren.
Um den Link-Button sichtbar zu machen, müsst ihr die Funktion in den Einstellungen unter „Synchronization“ aktivieren.

Bitwig Studio 2.3

Größte Neuerung war der Phase-4 Synthesizer, ein auf Phasenverzerrung und Phasenmodulation basierender Synthesizer mit vier Oszillatoren. Sein Sound lehnt sich an die CZ-Reihe von Casio, die neben der berühmten DX-Reihe von Yamaha Vorreiter bei den digitalen Synthesizern der 80er waren. 

Wie bei allen Devices lässt sich auch Phase-4 ausklappen. Hier sieht man die vier Oszillatoren im Einsatz.
Wie bei allen Devices lässt sich auch Phase-4 ausklappen. Hier sieht man die vier Oszillatoren im Einsatz.

Dazu kam eine neue Timestretching-Engine namens Elastique, neue Modi der eigenen Timestretching-Engine, die Möglichkeit Taktwechsel zu vollziehen und sogenannte Instrument- und FX-Selector-Devices, mit denen man mehrere Synthesizer oder Effekte als Layer gleichzeitig ansteuern kann. 
Die neue Timestretching-Engine zeigen wir euch im Praxisteil in Aktion, einige Soundbespiele zu Phase-4 gibt es hier.

Fotostrecke: 3 Bilder Hier wird der Sampler vom Modulator „Random“ moduliert. Dieser verändert zufällig die Abspielposition des Samples leicht.
Audio Samples
0:00
01. Phase-4 – Spinet
 02. Phase-4 – CosE Piano 
03. Phase-4 – Scattered Seabed 
04. Phase-4 – Ambient Strings

Bitwig Studio 2.4



Der Sampler wurde in diesem Update komplett überarbeitet, hat neue Wiedergabe-Modi, eine Pitcherkennung und eine erweiterte Multi-Sampling-Ansicht bekommen. Brachte Bitwig Studios Sampler bisher schon einen sehr mächtigen aber einfach zu bedienenden Workflow mit, ist hier noch mal an allen Ecken gedreht und auch der Look verändert worden.

Audio Samples
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05. Sampler – Tolcha Juno Saw
 06. Sampler – Pseudo Granular 1
0 07. Sampler – Humblewave Adams Family
 08. Sampler – Fritz Cola Flute

Weiter gibt es die Möglichkeit, jeder Spur und sogar jedem Instrument in einem Layer einen einzelnen MIDI-Kanal zu zuweisen. Einige neue Devices und Modulatoren sind auch dazugekommen und es gibt die ersten Templates, um nicht vor einem leeren Projekt zu sitzen müssen, wenn ihr ein neues startet. Je nachdem, ob ihr mit Drums, einem Klavier oder einer Reihe Synthesizern starten wollt, oder direkt eine Vorlage für ein Performance-Set braucht, hier gibt es Einstiege.

Fotostrecke: 2 Bilder In jeder Instrumenten-Spur und jedem Layer von mehreren Instrumenten könnt ihr den ein- und ausgehenden MIDI-Kanal bestimmen.
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Praxis

Modulation-Nation

Modulatoren waren eine der großen Neuerungen in Bitwig Studio 2, Kollege Alexander Eberz hatte sie im Test zu Version 2.0 bereits vorgestellt. Von außen betrachtet mag diese Funktion für Nutzer von eher traditionellen DAWs etwas undurchsichtig erscheinen. Zum Einstieg in den Praxisteil gibt es hier für euch einige Möglichkeiten, wie man die Modulatoren einsetzen kann.

Sechs der neuen Modulatoren: Audio Rate, Parseq-8, Note Counter, Polynom, Sample & Hold und Quantize
Sechs der neuen Modulatoren: Audio Rate, Parseq-8, Note Counter, Polynom, Sample & Hold und Quantize

Mod Max

Der Klassiker, den ihr vielleicht aus vielen Synthesizern und Filter-Plug-ins kennt, ist das, was man früher den Wah-Wah-Effekt genannt hat. Ein LFO (Low Frequency Oscillator) moduliert (bewegt) den Cutoffregler eines Filters entweder freischwingend oder synchronisiert zum Host-Tempo nach eingestellten Notendivisionen.

Fotostrecke: 3 Bilder Über den kleinen blauen Pfeil am Modulator verknüpft man diesen mit einem Parameter.

Etwas abgefahrener wird es, wenn ihr den Modulator „Steps“ einsetzt, einen 16-Schritt-Step-Sequencer und diesen beispielsweise mit dem Dry/Wet-Regler eines Reverb-Plug-ins verbindet. Dadurch springt der Loop mal nach vorne, mal nach hinten und fügt eine zweite rhythmische Ebene ein. 
Im letzten Beispiel habe ich den neuen Modulator Parseq-8 eingesetzt und dessen einzelne Steps fast alle mit unterschiedlichen Parametern, teilweise mehreren gleichzeitig, verknüpft. Manchmal werden die verzerrten Tiefen lauter gemacht, dann die Stereobreite für einen Schritt verringert, dann wieder die Höhen gedämpft.

Audio Samples
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09. Sampler – Wah-Wah-Effekt
 10. Sampler – Reverb-Rhythmus
 11. Sampler – Modulation Madness mit Parseq-8


Times are a-stretchin‘

Zwar beherrschte Bitwig Studio auch vorher schon ein wenn auch recht rudimentäres Timestretching mit dem simplen Namen „Stretch“, mit dem Update wurde nun aber richtig aufgetischt. Insgesamt sechs neue Algorithmen sind mit dabei, zwei neue in der eigenen Engine, die auf Granularsynthese basiert.

Jeder Stretch-Mode hat eine kurze englische Erklärung für das am besten geeignete Einsatzgebiet dabei, sobald man das Menü öffnet.
Jeder Stretch-Mode hat eine kurze englische Erklärung für das am besten geeignete Einsatzgebiet dabei, sobald man das Menü öffnet.

All along the Stretch Tower

Den speziellen Charakter eines Timestretching-Algorithmus hört man am deutlichsten bei sehr starken Tempoveränderungen. Der Loop aus der Library von Bitwig Studio hat im Original ein Tempo von 132 BPM. Um die neuen Modi mal so richtig zur Brust zu nehmen, habe ich die Geschwindigkeit für das Timestretching dann auf 60 BPM gestellt.

Audio Samples
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12. Bypass 
13. Stretch 
14. Stretch HD
 15. Slice
 16. Cycle
 17. Elastique Solo
 18. Elastique
 19. Elastique Eco
 20. Elastique Pro
 21. Repitch

Samplin‘ in the Wind

Die Menge der Neuerungen und ihre Nützlichkeit für den Arbeitsalltag als Sampler ist beeindruckend. Allein die Möglichkeit der automatischen Tonhöhenerkennung (Detect Root Key) und das automatische Einrasten der Abspielpunkte an Nulldurchgängen (vermeidet Knacksen) macht das Arbeiten mit eigenen Samples sehr flüssig. 
Die Fülle an neuen Abspiel- und Fademöglichkeiten lassen jedem Sounddesign-Fan das Herz aufgehen. So könnt ihr selbst aus langweiligen Klaviersamples verstörende, schwebende Flächensounds werden lassen. 

Multiple Voice

Hat man seinen Fieldrecorder geschnappt, in aufwendigen Aufnahmesessions die Orgel in der Dorfgemeinde Ton für Ton, in verschiedenen Lautstärken aufgenommen, um zu Hause endlich den epischen Mittelteil seines 9-Minuten-Epos zu spielen, braucht es einen Sampler, mit dem man die vielen Samples so ordnen und anlegen kann, dass es nicht zu kompliziert wird. Bitwig Studios Sampler hat hier nachgelegt.

Die Crossfades erstellt ihr in der Multi-Sampling-Ansicht, indem ihr die ALT-Taste gedrückt haltet und die Fades mit der Maus am Anfang oder Ende einer Zone anlegt.
Die Crossfades erstellt ihr in der Multi-Sampling-Ansicht, indem ihr die ALT-Taste gedrückt haltet und die Fades mit der Maus am Anfang oder Ende einer Zone anlegt.

Außerdem ist es nun möglich, Crossfades zwischen den Velocity-Layern zu ziehen. Habt ihr beispielsweise das C3 in drei Laustärken aufgenommen, bekommt jedes der drei Samples bei Multi-Sampling-Libraries einen Velocity-Bereich auf einer Taste zugeteilt. Bei so wenigen Variationen kann der Sprung von einem Velocity-Bereich zum nächsten, je nach Anschlagsstärke, sehr deutlich hörbar sein und unnatürlich klingen. Diese Crossfades ermöglichen einen weicheren Übergang. Schade: Die Tonhöhenerkennung ist nur einzeln pro Sample abrufbar, nicht als Batch-verarbeitung. Das macht das Arbeiten mit vielen Samples etwas mühsam.

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Fazit

Bitwig 2.4 platzt aus allen Nähten an Ideen, Verbesserungen und dem Andersmachenwollen. Viele Funktionen rufen ein ständiges „Endlich“ und „Warum macht das nicht [insert Lieblings-DAW] auch?“ hervor. Man merkt der DAW an, dass ihre Macher aus der Ableton-Live-Design-Schule kommen, die blockartigen Module und Bereiche sprechen eine ähnliche Sprache. Mit dem neuen Sampler, Phase-4, den Timestretching-Algorithmen und vielen kleinen Verbesserungen ist Bitwig Studio einen großen Schritt gegangen. Die neuen Instrumente erweitern die Sound- und Bearbeitungsmöglichkeiten noch einmal erheblich. Trotz Nischen-Publikum müssen sich die Berliner aber auch den direkten Vergleich zu den Großen gefallen lassen. Und da hakt es noch etwas. Das Handbuch führt viele neue Funktionen kaum oder nur in zwei Sätzen beschrieben auf, hat in der deutschen Version viele Textstellen, die nicht aus dem Englischen übersetzt sind und wirkt insgesamt recht stückhaft zusammengeschustert. Einige Funktionen der „Großen“ vermisste ich schmerzlich: In der Library gibt es für die Synth- und Sampler-Presets keine Vorhörfunktion, eine DER Erleichterungen in Ableton, die mittlerweile sogar Native Instruments in ihrem Komplete-Kontrol-Modul eingeführt hat. Auch die nicht vorhandene AU-Schnittstelle auf Mac-System kann zu Problemen führen. Auch das „MIDI-Note-Chasing“, das es mindestens in Ableton Live 10 und Logic Pro-X gibt, fehlt. Damit muss man beim Abspielen von MIDI-Clips mit sehr lang klingenden Noten nicht immer vom Anfang des Clips starten, um sie zu hören. Bitwig Studio 2.4 wendet sich tendenziell eher an fortgeschrittene Benutzer, die mehr in die Tiefe des Sounddesigns gehen wollen, oder die User am ganz anderen Ende, die mit ihrer DAW nicht mehr zufrieden sind. Das Programm macht vieles richtig und vieles gut, hat aber an einigen Stellen noch etwas Entwurfscharakter. Update-Tempo und Menge der Erneuerung zeigen aber, dass das den Machern bewusst ist. Wir sind gespannt.

Pro
  • Vielzahl an neuen, hervorragend klingenden Timestretch-Modi
  • Mächtiger Sound des Phase-4 Synth
  • Sampler ist einfach zu bedienen
  • Ableton Link zum gemeinsamem Jammen
Contra
  • Deutsches Handbuch teilweise nicht übersetzt, Devices fehlen
  • Kein AU- und AAX-Support
  • Keine Vorhörfunktion für die Synthesizer-Presets
  • Tonhöhenerkennung im Sampler nicht bei mehreren Samples gleichzeitig möglich
Bitwig_Studio_24_Test_Bild_02_Oberflaeche
Jeder der Bereiche lässt sich über die entsprechenden Buttons unten rechts und unten links zu- oder abschalten, ähnlich wie in Ableton Live.
Features
  • plattformübergreifende DAW (Windows, OS X, Linux)
  • Sequenzer zum linearen Arrangieren
  • Clip-Mode zum nicht-linearen Songaufbau
  • volle Multi-Core- und Multi-Prozessor-Unterstützung
  • VST3 Support
  • Device Nesting: Instrumente zu multi-timbralen Layern verbinden
  • integrierte 32/64-Bit-Plug-in-Bridge
  • Sandbox als Plug-in-Crash-Schutz
  • Neue Time-Stretching-Technologie Elastique Pro
  • Multi-Display-Unterstützung für bis zu drei Bildschirme
  • unbegrenzte Audio-, MIDI- und Effekt-Spuren
  • 30 Modulatoren zum Modulieren von Device- und Plug-in-Parametern
  • 37 Audio-Effekte
  • 11 Software-Instrumente
  • 15 Container
  • 11 Noten-Effekte
  • 8 Hardware-Effekte für CV zur Anbindung von Analog-Synthesizern
  • MIDI- und Note-Expressions, einschließlich Micropitch Pitch-Kontrolle
  • automatisches Sample-Slicing für Sampler und Drum-Maschine
  • Automation in absoluten und relativen Modi bearbeitbar
  • Unterstützung für zahlreiche MIDI-Controller
  • Remote Controls zur übersichtlichen Device-Parameter-Steuerung und vereinfachtem Mapping
  • Layer-Editing
  • Open Controller API: ermöglicht das Erstellen und Anpassen von MIDI-Controller-Mappings inklusive Scripting für den Zugriff auf nahezu alle DAW-Funktionen
  • Datei-Import: WAV, MP3, AAC, WMA, FLAC und Ogg Vorbis
  • Systemvoraussetzungen:
Systemvoraussetzungen
  • Mac OS X 10.9 oder neuer, Windows 7 oder neuer, Ubuntu Linux 10.4 oder neuer, 4 GB RAM, 400 MB Standardinstallation, 9 GB Vollinstallation
Preis
  • 344,- EUR (Straßenpreis am 8.8.18)
Unser Fazit:
4 / 5
Pro
  • Vielzahl an neuen, hervorragend klingenden Timestretch-Modi
  • Mächtiger Sound des Phase-4 Synth
  • Sampler ist einfach zu bedienen
  • Ableton Link zum gemeinsamem Jammen
Contra
  • Kein AU- und AAX-Support
  • Keine Vorhörfunktion für die Synthesizer-Presets
Deutsches Handbuch teilweise nicht übersetzt, Devices fehlen
  • Tonhöhenerkennung im Sampler nicht bei mehreren Samples gleichzeitig möglich
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Bitwig Studio 2.4 Test
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