American Audio SDJ1 Test

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Der erste Eindruck
Etwas verblüfft bin ich schon, als ich das Paket vom benachbarten Bürokomplex gegen Vorlage meines Ersatz-Zustellungsscheines ausgehändigt bekomme. 1,8 Kilo leicht und ungefähr die Länge meiner Tischstehlampe. Was hat der Chefredakteur da wohl wieder auf den Weg gebracht? Na denn mal raus aus dem Karton.

Der Lieferumfang von SDJ1

Die Konsole belegt mit 482 x 88 x108 mm gerade mal zwei Höheneinheiten im Rack. Kein Wunder, denn sie hat ja keine mechanischen Laufwerke. Einen Designpreis einzuheimsen, ist für Rack-Geräte eher schwierig, ich habe aber schon schlechter gestylte Player als den heutigen Kandidaten gesehen. Er ist solide verarbeitet, macht einen robusten Eindruck und steht, falls nicht montiert, rutschsicher auf vier Gummifüßen. Ein Desktop-Betrieb mit Cinchkabeln ist nicht möglich, denn dafür sind die Füße nicht hoch genug. Es müssen schon Winkel-Stecker sein. Diese legt American Audio allerdings bei. Nachdem der Prüfling mit dem 600-er Mischpult verkabelt ist, was aufgrund der übersichtlichen Backpanels keine Herausforderung darstellte, kann es also losgehen. Der Autor befiehlt: Power-On. Der Player signalisiert unbekümmert: Insert Card.

SD-Karten-Allerlei
Okay, Karte einlegen (soweit reicht mein Englisch), aber vielleicht sollte ich diese vorher befüllen. 1GB Speichervolumen nebst USB2.0 Lesegerät liegt dem Karton bei. Innerhalb einer Minute schaufelt mein Test-System drei Alben auf den Flash-Speicher. Das ist deutlich schneller als ein zehnminütiger CD-Brennvorgang mit achtfacher Geschwindigkeit. Die Karteneinschübe lesen handelsübliche SDs oder SDHCs bis zu einer maximalen Größe von 4GB. Na hoffentlich kann American Audio bei Bedarf über ein Firmware-Update ein paar GB drauflegen, sonst ist vielleicht bald Schluss mit der Kartenkompatibilität. Ich musste vor kurzem erst einen älteren, aber treuen 10×15 Foto-Drucker ausmustern, der mit Speichermedien jenseits 256 MB nichts mehr anfangen kann.

Ungeachtet dessen passen laut Herstellerangaben etwa 800 Titel in guter Qualität (5MB/ MP3) auf ein 4-GB-Medium. Das halte ich doch für etwas geschönt. Partytaugliche 320kBit/s codierte Audiodateien belegen bei einer Laufzeit von rund sieben Minuten rund 17 MB Kartenplatz. Dies führt zu rund 230 Tracks. Aber die sollten als musikalischer Spielraum für eine Nacht mehr als ausreichen. Ansonsten steckt der Verantwortliche halt einfach ein paar Chips mehr ein.

Neben seinem minimalen Transportgewicht bei kleiner Größe bringt das Medium SD-Card aber noch weitere Vorteile. Die Lesezeiten sind schneller als bei CD-Laufwerken, die Player sind nicht so anfällig für Erschütterungen. Die CD ist außerdem kratzanfällig und hat ein lagerbedingtes Verfallsdatum, denn nach fünf bis zehn Jahren können oftmals Teile der Daten nicht mehr gelesen werden. SD-Cards hingegen verkratzen nicht. Bei häufigem Gebrauch können zwar Plastik-Führungen abbrechen, trotzdem bleibt sie lesbar. Ihre Lebensdauer hängt von den Schreib- und Löschvorgängen ab. Werden die Karten nur selten bespielt und danach nur noch ausgelesen, halten sie in der Regel länger.

Mit dem Mini-Speicher verschwindet aber leider auch der visuelle Bezug zum Song, zumindest für Nostalgiker wie mich. Denn Schallplatten-Cover sind zum Teil richtige Kunstwerke, die Scheiben werden von Sammlern liebevoll in Schutzhüllen verstaut, manche von Ihnen sind mit einer speziellen Geschichte verwoben. Wer glaubt, ich sei ein wenig befangen, mag recht haben, denn das Durchblättern eines Plattenkoffers konnte mir die CD schon nicht ersetzen.

Backpanel
An der Rückseite befinden sich zwei Paare Cinchbuchsen, die jeden Zuspieler mit einem Mischpultkanal verbinden. Jede Einheit kann per Relay-Play vom Mixer aus ferngesteuert werden. Abhängig von der Crossfader-Position startet oder stoppt das jeweilige Deck. Gerade wenn die Übergänge nicht beatsynchron sein müssen, ist das sehr praktisch. Die 3,5 mm Klinkenbuchse für die Faderstart-Funktion ist jedoch nicht unbedingt bekannt für seine Kontaktsicherheit und Langlebigkeit. Einen Stand-by-Modus gibt es nicht, die Leistungsaufnahme des Gerätes benennt der Hersteller mit 23 Watt.

Bedienpanel
Der Einschaltknopf muss mindestens zwei Sekunden lang gedrückt werden, dann kann es losgehen. Das ist mal gar nicht so verkehrt. Die Bedienoberfläche zeigt sich sehr aufgeräumt. Links und rechts zwei identische Abspieleinheiten – in der Mitte sind zwei Kartenslots plaziert. Jedes Laufwerk hat Zugriff auf beide Einschübe, die Zuweisungen geschieht über spezielle CARD-SELECT-Buttons. SGL/CTN steuert den Wiedergabemodus (SGL= Einzelwiedergabe CTN= Wiedergabe der ganzen SD-Karte). Musikstücke stehen Root, also gemeinschaftlich in logischer Reihenfolge zur Verfügung, mit FOLDER navigiert der DJ in der Ordnerstruktur, wie in einem Dateibaum. Das gelingt mit den Endlos-Encodern zügig. Die integrierte Buttonfunktion befördert den gewünschten Song ins dazugehörige Deck. Musikstücke laden im Sekundenbruchteil, der Wechsel zum nachfolgenden Track geschieht genauso schnell. Aber Vorsicht: Die aktuelle Auswahl landet immer sofort im Deck, es sei denn, der DJ hat vorsorglicherweise ADV (Advanced Search) aktiviert. Dann kann er noch während ein Track läuft nach einem Nachfolger suchen, ohne den Abspielvorgang zu unterbrechen. Hat er einen geeigneten Song gefunden, bestätigt er durch Antippen des Encoders zunächst den Ladeauftrag, erst ein erneutes Auslösen spielt das neue Lied ab. Wird der Regler niedergedrückt und dabei gedreht, überspringen die nächsten zehn Tracks. Triggern bewirkt einen Wechsel der angezeigten MP3-Informationen (Artist, Genre, Bitrate, Folder-Name, File-Name, Title-Name).

Display
Ausreichend hell und kontraststark präsentieren sich die 95 x 30 mm großen VF-Anzeigen und sind selbst aus etwas ungünstigen Blickwinkeln noch halbwegs gut abzulesen. Eine hardwareseitige Kontrast- oder Helligkeitsanpassung hätte nicht geschadet. Der obere Teil des Displays zeigt entweder die verbleibende oder die bereits vergangene Spielzeit des Tracks an (ELAPSED, REMAIN). Je nachdem, für welche sich der DJ unter Verwendung des Time-Buttons entschieden hat, visualisieren zehn Pfeil-Indikatoren diese ähnlich wie bei einem Zeitstrahl. Ferner zeigt der Screen Ordner und Song-Nummern, den aktuellen Pitchwert in Prozent und die Beats per Minute mit einer Nachkommastelle an. Im unteren Abschnitt liefert eine Punktmatrix Datei-, ID3- und Ordnerinformationen. Statusfeedbacks für Loop, Reloop und Autocue sind ebenfalls mit an Bord.

Unter dem Display
Rot und Grün leuchten die extragroßen Cue- und Play-Buttons, die Schaltflächen für Loops sind nur halb so groß und stellen die einzige kreative Entfaltungsmöglichkeit am SDJ1 dar. Die silbrigen Schaltflächen entsprechen dem gängigen Standard und lösen, genau wie ihre schwarzen Gefährten auf der vollen Fläche aus.

Pitchfader
Der Pitchfader ist griffig, hat einen angenehmen Widerstand und einen praxistauglichen Regelweg von 60 Millimeter, in dessen Mitte eine einrastende Nullstellung mit 2 Millimetern Deadzone in beide Richtungen aufwartet. Sieben Millimeter misst sie an den Nord -und Südenden. Das ist schon etwas unangenehmer. Damit der Pitch funktioniert, muss zuvor der Button mit dem Prozentzeichen betätigt werden. Das Regelintervall umfasst drei Abstufungen (4, 8,16 Prozent). Vier und Acht passen die Geschwindigkeit mit 0,1 prozentiger Exaktheit an, bei 16 Prozent ist es eher 0,2. Das sollte reichen.

Jogwheel
American Audio verbaut 60 mm Jogdials, mit einer geriffelten Metallscheibe im Zentrum. Sie ist von einem etwa 15 mm breiten Kunststoffrand umgeben, in dem kleine Fingermulden eingearbeitet sind. Während des Abspielvorgangs stimmen sie bei Bedarf Tempo und Takt der abgespielten Musikstücke aufeinander ab. Kurzes Anschubsen beschleunigt den Song ebenso kurzeitig. Wird das Rad kontinuierlich im Uhrzeigersinn gedreht, steigert das Musikstück seine Abspielgeschwindigkeit um maximal 100 Prozent. In entgegengesetzter Richtung führt diese Aktion zum Stillstand. Eine andere Herangehensweise ermöglichen die Pitchbend-Buttons. BEND+ beispielsweise erhöht die Wiedergabegeschwindigkeit je nach Dauer der Betätigung anhaltend bis zum voreingestellten Pitchfaderwert. Also maximal um 16 Prozent. Grundsätzlich startet die Beschleunigung oder der Bremsvorgang mit dem momentanen Pitch als Basis.

Die BEND-Schaltflächen könnten ruhig etwas größer ausfallen und gehören meiner Meinung nach unter den Pitchfader. Das war aber wahrscheinlich aus Platzmangel nicht möglich. In dieser Konstruktion liegen sie nicht mal einen Fingerbreit neben dem Einschaltknopf für den Pitch. „Knöpfchenschubser“ sollten also in hektischen Situationen etwas aufpassen, „Jogger“ arbeiten in dieser Hinsicht gefahrloser.

Fotostrecke: 2 Bilder Mit den Jogdials kommt man nach kurzer Aufwu00e4rmphase gut zurecht.

Die Tellerchen können aber nicht nur „nudgen“, sondern auch Trackscannen. Mit der Schnellsuche überspringt der DJ im Handumdrehen, oder vielmehr im Rädchendrehen flott ein paar Minuten Spielzeit (etwa 10 Sekunden pro Turnus). Alternativ spult er mit SEARCH-Buttons. Einfaches Antippen springt genau einen Frame weit, anhaltendes Drücken dient dem schnellen Vor- oder Rücklauf. Das Schloßsymbol mit der Bezeichnung TEMPO-LOCK verriegelt seltsamerweise nicht die Geschwindigkeit, sondern startet die Timestretching-Funktion, was uns direkt in die Praxis führt.

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