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ALVAREZ MD-350 C Test

Der amerikanische Hersteller Alvarez aus Louis im Bundesstaat Missouri hat sich auf die Produktion von Akustikgitarren spezialisiert und mit einer beeindruckenden Vielfalt an Instrumenten weltweit einen Namen gemacht. Einigen werden die Instrumente unter dem Markennamen Westone schon einmal untergekommen sein, der Name, unter dem die Firma bis 1991 produzierte. Mit unterschiedlichen Serien an Konzert- und Westerngitarren in den verschiedensten Ausführungen und Formen bis hin zu Banjos und Mandolinen wird nahezu der gesamte akustische Bereich abgedeckt. Wie bei vielen anderen Herstellern auch werden – trotz der amerikanischen Heimat des Herstellers – die meisten der angebotenen Instrumente aber inzwischen nicht mehr in Nordamerika, sondern in China gefertigt.

Traut man der Werbung, befinden sich Gitarren aus dem Hause Alvarez im Besitz solch renommierter Musiker wie Carlos Santana, Zakk Wylde, Graham Nash, Anni Di Franco oder Bob Weir von Grateful Dead. Das hat uns dazu bewogen, selbst einmal Hand an eine ALVAREZ zu legen. Meine Wahl fiel auf die MD-350C, eine Gitarre aus der ambitionierten Masterworks-Serie, die im Januar 2006 auf der NAMM „vom Stapel“ gelaufen ist.

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Korpus
Mit den eckigen Schultern, der 27,5 cm breiten Taille und den gewohnten sonstigen Abmessungen entspricht die Korpusform der MD-350C dem typischen Design einer Dreadnought mit einer maximalen Breite von  39,4 cm am Saitenhalter und einer Länge am Bodenmittelstreifen von 50,5 cm.
Das große C steht bei der MD-350 C übrigens für den runden, nicht sehr tief ausgeschnittenen Cutaway, der dem Solisten das Bearbeiten der oberen Lagen erleichtert. Keine Überraschung auch bei der Wahl der Hölzer mit Fichte, Palisander und Ebenholz.

Die helle, fein gezeichnete Decke aus massivem Engelmann-Fichtenholz, einer Kiefernart, die im Westen Nordamerikas beheimatet ist, besteht aus zwei symmetrischen Hälften.
Weil die Maserungen aufgrund des Drehwuchses oft spiralförmig verlaufen, kann ein Großteil des „Krummholzes“ häufig nicht für den Instrumentenbau verwendet werden. Gibt es allerdings brauchbare Teile eines Baumes, dann erzielen diese einen deutlich höheren Marktwert. Ein Grund, warum das Holz der Engelmannfichte vergleichsweise teurer ist als das der Sitkafichte.
Die Tendenz zum Drehwuchs hat auch Auswirkungen auf die Optik: Die helle Decke dunkelt zwar im Laufe der Zeit an einigen Stellen mehr und an anderen weniger nach, wird aber nie den rotbraunen Ton einer in Ehren gealterten Sitkadecke entwickeln.
Die Decke der MD-350C bringt aber schon jetzt ein unübersehbares rhythmisches Farbmuster zum Vorschein, das nicht unattraktiv wirkt, sondern im Gegenteil dem Auge sogar schmeichelt. Leider stechen mehrere unschöne und unübersehbare  „Materialfehler“ ins Auge.

Das Holz der Engelmann Fichte ist normalerweise weicher als das der  bekannteren Sitka-Fichte und daher anfälliger für Beschädigungen. Ein Grund, warum bevorzugt das langsam gewachsene härtere Holz von Bäumen aus höheren Lagen beim Bau von akustischen Gitarren verwendet wird

Viele Hersteller von High-End-Gitarren sind in den letzten Jahren mehr und mehr vom Holz der Sitka Fichte abgerückt, weil sie den Ruf hat, zu „normal“ zu  klingen. Decken aus dem teureren Engelmann Holz liefern zwar auch den typischen voluminösen und klaren Fichtendecken-Ton, gelten unter Gitarrenbauern aber darüber hinaus als Garant für mehr Wärme und großen Obertonreichtum.

Der glänzende Lack der Decke wurde hauchdünn aufgetragen, um das Schwingungsverhalten des verarbeiteten Holzes zu erhalten.
Ein Schlagbrett ist zwar nicht montiert, aber mit dem selbstklebenden, schwarzen Deckenschoner, der zum Lieferumfang gehört, kann die Gitarre problemlos nachgerüstet werden.

Das bunt gefärbte Binding aus Tortoise verbindet die dünn gearbeitete Decke mit den beiden Zargen, und die geschmackvolle Herringbone-Randeinlage aus Schildkrötenpanzer auf der Decke korrespondiert mit dem Muster des Bodenmittelstreifens.
Mit solider Qualität und einer regelmäßigen Zeichnung präsentiert sich das ostindische Palisander, das für den leicht gewölbten Boden aus zwei Teilen spiegelbildlich um den eingelegten Bodenmittelstreifen aufgeschlagen wurde. Auch hier verbindet ein buntes Binding die Bodenhälften mit den beiden Zargen, die ebenfalls aus ostindischem Palisander gefertigt sind, und schützt die Stoßkanten vor Beschädigungen. Die Zargentiefe liegt zwischen minimal 9,00 cm am Hals und maximal 10,5 cm am Knopf.

Eine gestreifte, hölzerne Rosette mit Abalone-Einlegearbeiten begrenzt das kreisrunde Schallloch, und der an den Ecken abgerundete Saitenhalter wurde aus einem Stück Ebenholz geschnitzt.
Die zweiteilige Stegkonstruktion, die ursprünglich von Lowden eingeführt wurde, soll vor allem in den höheren Lagen eine exaktere Intonation ermöglichen, Stichwort: Längenkompensation. Die zwei „blanken“ Saiten werden über eine separate, kürzere und diagonal versetzt montierte Stegeinlage geführt. Die vier umwickelten Saiten teilen sich eine zweite, längere, und ebenfalls diagonal versetzte Stegeinlage.
Die zweiteilige Konstruktion erfüllt ihren Zweck und ersetzt inzwischen bei vielen Modellen die von Gibson vor 40 Jahren eingeführte einteilige diagonale Stegeinlage.

Die sechs Saiten werden durch Pins arretiert, die mit Punkten aus reflektierendem Abalone verziert sind.
Baut man den Preamp aus, kann man durch die obere Zarge einen Blick ins Innere des Korpus werfen.
Dort zeigt sich, dass sämtliche Reifchen, die zur Vergrößerung der Verleimflächen von Decke und Boden am Rand eingesetzt wurden, sauber und gleichmäßig verarbeitet sind. Ein wuchtiger, massiver Halsblock hält Decke, Hals, und die beiden Zargen zusammen, erhöht aber auch das Gewicht der Gitarre. Die Alvarez MD 350 C ist in der Tat ein schwerer Brocken.
Die Decke ist mit einer einfachen X-Verstrebung (X-Bracing) stabilisiert, und
der forschende Blick durch das Schallloch zeigt außerdem vier kräftige Querverstrebungen auf dem Boden, auch das eine sehr saubere Arbeit.

Kopfplatte
Im Zentrum der geschlossenen, schlicht geformten und mit Palisander furnierten  Kopfplatte präsentiert sich mit den beiden gespiegelten A’s das bekannte ALVAREZ Logo aus funkelndem Abalone.
Für präzises Stimmen bürgen die goldenen, geschlossenen Grover Mechaniken mit schwarzen Kunststoffknöpfen und geschmeidigem, weichem Lauf. Die Rundung an der Oberseite der Kopfplatte erinnert mich an das Design von Jean Larrivée. Sowohl Hals, Halsfuß als auch die Unterseite der Kopfplatte sind seidenmatt gefinished.

Elektronik
Auch die Elektronik ist nicht von schlechten Eltern. Der Piezo-Pickup arbeitet zuverlässig und sendet sein Signal an den in der oberen Zarge geparkten 600T Mk II, einen Pre-Amp von ALVAREZ, der bei vielen Akustikern schon einen legendären Stellenwert einnimmt.
Dieser Vorverstärker bietet gleichzeitig die Möglichkeit, ein kleines Mikrofon oder einen magnetischen Tonabnehmer einzuschleifen. Beide Komponenten sind aber nicht im Lieferumfang enthalten.

Ein integrierter Minimixer kann das Signal des optional im Schalloch befestigten Kondensatormikrofons oder des magnetischen Pickups aufnehmen und mit dem Piezo Pickup mischen. Die Anteile der beiden Signale lassen sich dann mit separaten Volume-Reglern kontrollieren, und in der Summe entscheidet schließlich ein Master-Regler über die Stärke des Gesamtsignals, das zur Weiterverarbeitung an Verstärker oder Mischpult geschickt wird. Neben der Phase-Shift Taste, die bei Feedback erbarmungslos zuschlägt, lässt sich ein altbewährtes Hausmittel in Front bringen, um störenden Frequenzen den Garaus zu machen: das Notch-Filter.
Bei diesem integrierten Filter handelt es sich um einen speziellen EQ, mit dem man einen extrem dünnen und tiefen Schnitt in einen vorher definierten Frequenzverlauf vornehmen kann. Auf diese Weise lassen sich störende Frequenzen wie Rückkoppelungen oder Brummschleifen zwischen 50 Hz und 2 kH teilweise oder sogar vollständig eliminiert, ohne dabei die Basiskomponenten des Klangspektrums zu beeinträchtigen.

Das Panel bietet außerdem den obligatorischen 3-Band EQ mit drei leichtgängigen Schiebereglern für Bass, Treble, und Mid, die sehr präzise arbeiten und sehr sensibel reagieren. Treble und Bass versehen ihren Dienst übrigens mit einer so genannten Kuhschwanzcharakteristik (Shelf).
Das mittlere Frequenzband ist außerdem parametrisch ausgelegt, wobei die Arbeitsfrequenz flexibel zwischen 600 Hz und 1,2 kH variieren kann. Die zur Speisung des Systems notwendige 9V Blockbatterie befindet sich in einem Batteriefach unter dem Pre-Amp. Zum Wechsel der Batterie muss der Pre-Amp, der mit zwei Schrauben in der Zarge ruht, zwar vollständig entfernt werden, die Demontage ist aber relativ schnell erledigt.
Die Kosten für ein externes Stimmgeräts kann man sich ebenfalls sparen, denn dem Pre-Amp wurde ein chromatischer Tuner spendiert, der seine Arbeit ebenfalls ohne Beanstandungen verrichtet.

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Klang und Spielpraxis
Die ersten Pickings auf der unverstärkten Gitarre klingen erstaunlich gut. Harmonien werden transparent aufgelöst, Single Notes kommen mit dem Plektrum laut und mit viel Sustain rüber. Die Töne verhungern nicht, und auf dem kompletten Griffbrett konnte ich keine Dead-Notes entdecken. Auch stärkere Anschläge verursachen keine Nebengeräusche, und es entsteht ein runder satter Ton. Darüber hinaus wirkt der kompensierte, zweiteilige Steg Intonationsproblemen effektiv entgegen, was volle Akkorde auf der ganzen Skala garantiert.

Der Cutaway der Alvarez  ist nicht sehr tief ausgeschnitten, trotzdem lässt sie sich problemlos bis in den letzten Bund bearbeiten. Auch der flache Halsfuß behindert die Greifhand beim Spiel in den höheren Lagen nicht.

Im Sattelbereich kann man aufgrund der flachen Saitenlage mit Leichtigkeit zugreifen, ab dem siebten Bund nimmt der Abstand jedoch spürbar zu. Dennoch können Single Lines auch in den oberen Lagen gespielt werden. Eine echte Sologitarre für „Flitzer“ ist die MD-350 C trotz Cutaway aber nicht, denn mit dem ab Werk aufgezogenen 12er Satz  kommt sie eher  Pickern und  Strummern entgegen.

Wie schon erwähnt, überrascht der Hals der Gitarre mit einer ausgeprägten V-Form. Diese nicht (mehr) alltägliche Variante will auf jeden Fall ausgelotet werden, da man unter Umständen seine gewohnte Greif-Ergonomie etwas korrigieren muss. Eigentlich hatte die „anachronistische“ Konstruktion bereits mit der Einführung des Truss Rod ausgedient. Die Aufgabe des üppigen Profils war es nämlich, dem Hals eine gewisse Stabilität zu verleihen, so dass er der Spannkraft der Saiten besser widerstehen konnte. Das Aufkommen von Stahlstäben zur Verstärkung der Hälse machte den Weg für ergonomisch ansprechendere Profile frei und drängte die V-Form mehr und mehr zurück. 

Audio Samples
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Fingerstyle Mike1 Fingerstyle Mike2 Fingerstyle Pickup Strumming Mike1 Strumming Mike2 Strumming Pickup

So mancher Luthier vertrat aber weiterhin hartnäckig die Ansicht, dass ein massiger Hals auch ein gewisses Quäntchen zur Entstehung des Tons beitragen könne. Es ist anzunehmen, dass der V-Hals  – zumindest im Hause Alvarez – deshalb eine Renaissance erlebt.

Insgesamt hat die Gitarre ein ausgewogenes Soundbild mit seidig-glänzenden Höhen und kräftigen Mitten anzubieten. Auch im Bassbereich geht es richtig zur Sache. Die MD-350C übermittelt einen lebendigen, obertonreichen, warmen Klang, der sich auch gut für Mikrofonaufnahmen eignet. Die Engelmann-Fichtendecke entwickelt richtig „Hub“, so dass man förmlich von der Druckwelle überwältigt wird.

Mit der Elektronik kann man einen sehr natürlichen Sound erzeugen, wenn man die MD 350C über einen Akustik-Amp mit „Hochtöner“ schickt. Besonders im Bassbereich liegen jede Menge Reversen ungenutzt brach.
Im Studio sollte man aber auf jeden Fall ein Mikro benutzen, denn es lohnt sich, den Naturklang der Gitarre einzufangen. Den Pre-Amp kann man zwar auch dort einsetzen, allerdings ist das Piezo-Knarzen im Obertonspektrum unüberhörbar. Ein Grund, warum sich die Kombination mit Mikrofonen anbietet.

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Fazit
Die MD-350 C kommt mit einem gut gefütterten, soliden Softcase, und ist unter Berücksichtigung des Preis-Leistungs-Verhältnisses wirklich Spitzenklasse. Auch im Vergleich mit viel teureren Gitarren macht sie eine ausgesprochen gute Figur und beeindruckt mit einem überdurchschnittlich guten Natursound. Engelmannfichte ist im Grunde das perfekte Holz für den Fingerstyle-Spieler, denn es produziert  einen warmen, offenen Klang, weshalb sich im Studio die Abnahme mit einem guten Mikrofon empfiehlt.
Das Tonabnehmersystem macht ebenfalls einen richtig guten Eindruck und lässt sich hervorragend mit dem Naturklang paaren. Mit dem 600T MKII kann man auch gelassen vors Volk treten, denn der flexible Pre-Amp  hat sehr viele Soundvarianten anzubieten und ist im Live-Betrieb einigermaßen resistent gegen Feedbacks.
Zusammengenommen kann die MD-350C durchaus auch mit Produkten „Made In America“, und darüber hinaus sogar mit renommierten Markeninstrumententen konkurrieren.

Unser Fazit:
4 / 5
Pro
  • Bespielbarkeit
  • Preis/Leistungsverhältnis
  • Klangeigenschaften
  • Verarbeitung
  • Elektronik
Contra
  • Decke mit Materialfehler
Artikelbild
ALVAREZ MD-350 C Test
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TECHNISCHE DATEN
  • Hersteller: Alvarez (Made in China)
  • Model: MD350C
  • Typ: Dreadnought Cutaway
  • Boden & Zargen: ostindischer Palisander
  • Decke: Engelmannfichte
  • Hals: 5-teilig laminiert (3 Lagen Mahagoni)
  • Griffbrett: Ebenholz
  • Saitenhalter: Ebenholz
  • Body Binding: Tortoise/Herringbone
  • Mechanik: goldene Grover
  • Finish: Natural
  • Strings: Elixir® Strings Light Gauge polyweb
  • Vorverstärker: System 600T MKII
  • Zubehör: gefüttertes Softcase
  • UVP: 2058,- €
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