Shure KSM9HS Test

Details

Die Besonderheit des Shure KSM9HS ist folgende: Anders als die meisten anderen im Bühnenbetrieb für Gesang eingesetzten Kondensatormikrofone verwendet es eine echte Doppelmembrankapsel. Die rückseitige Membran dient also nicht wie bei einigen Passivmembransystemen ausschließlich als Laufzeitglied für die vordere, vielmehr kann ihr Signal separat abgegriffen und mit dem der vorderen Membran gemischt werden. Dies geschieht beim KSM9HS mit verschiedenen Pegeln und Polaritäten, sodass zwischen der Richtcharakteristik Hyperniere und einer breiten Niere ausgewählt werden kann. Um dies zu tun, muss der Korb abgedreht werden, ein kleiner Schalter ermöglicht dann die Wahl des resultierenden Polar-Patterns.

Das ist es, das KSM9HS – Shures neues Vocal-Bühnen-Kondensatormikrofon
Das ist es, das KSM9HS – Shures neues Vocal-Bühnen-Kondensatormikrofon
Fotostrecke: 5 Bilder Unter dem Korb wohnt die umschaltbare Doppelmembran-Kapsel

Backplate-Elektret-Kondensatorkapsel

Beim Shure KSM9HS kommt kein per externer Spannung polarisierter Kondensator zum Einsatz, vielmehr ist es eine permanente Vorspannung durch Elektret in der Kondensator-Backplate (dennoch wird Phantomspeisung zum Betrieb benötigt). Die schwingenden Häutchen haben einen Durchmesser von 3/4″ und bestehen aus Mylar, welches durch Goldbedampfung leitfähig gemacht wurde. Laut Shure hat das KSM9HS eine nur schwach ausgeprägte Bassanhebung durch den Nahbesprechungseffekt.

Mikrofondaten

Im Inneren des Metalldruckguss-Gehäuses befindet sich zwar kein Übertrager, aber natürlich die komplette Impedanzwandler- und Verstärker-Elektronik. Die an der XLR(m)-Buchse (oder genaugenommen, nach Verstärkung durch einen Preamp) messbaren Werte sehen wie folgt aus: Mit 3,16 mV/Pa in Hypernierenstellung und 2,24 bei der breiten Niere ist die Empfindlichkeit recht gering, allerdings ist der maximale Schalldruckpegel mit 150,8 (153,1) dB(SPL) an 2,5 Kilo-Ohm enorm hoch. Zwar fehlt die Angabe darüber, ob es nun 0,5 oder 1 % THD sind, doch “either way” ist das auch für die Mikrofonierung ausgewiesener Brüllaffen dicke ausreichend. Dass das Noise Level mit 20,7 (22,7 bei BN) dB(A) nicht übertrieben gering ist, ist in diesem Zusammenhang nachvollziehbar – und live sicher kein Beinbruch.

Fotostrecke: 4 Bilder Neuer Headliner im Shure-Programm?

Der Frequenzgang des Bühnen-Kondensatormikrofons ist im Bassbereich recht schwach, von 400 bis 100 Hz verliert die Übertragung 5 dB, weiter unten geht es noch steiler zur Sache. Das ist nicht dumm, wenn man bedenkt, dass es sich hier um ein Live-Vocalmike handelt, welches im Regelfall sehr nah besprochen werden wird – Shure setzen beim KSM9HS dem Nahbesprechungseffekt in erster Linie einfach eine weniger stark ausgeprägte Übertragung der Stimmen-Grundtonfrequenzen entgegen. Für Präsenz und Luftigkeit sorgen Beulen von 2 bis 3 dB bei 2 und 15 kHz. Ein schmaler S-Dip zur Vermeidung von Schärfe hat eine Centerfrequenz bei gut 7 kHz. Das 300 Gramm wiegende Gesangsmikrofon wird samt Clip im hübschen Köfferchen geliefert.

Praxis

Schon bei meinem Erstkontakt mit dem Shure KSM9HS habe ich mich gewundert, wieso man nur zwischen zwei Polar-Patterns auswählen kann, denn zumindest die “normale” Niere wäre doch noch eine interessante Option gewesen – und dank des Braunmühl-Weber-Prinzips sicher ohne großen Schaltungsaufwand zu realisieren. Eine maximale Rejection bei 180° ist bei Verwendung nur eines Wedge-Monitors sinnvoll, oft wird aus Gründen der Rückkopplungssicherheit die breite Niere nicht in Frage kommen, zudem hat die übliche Niere einfach eine hohe Tradition und ist bei Engineers wie Sängern bekannt.

Prinzipiell sinnvoll gelöst, aber irgendwie fehlt dem KSM9HS etwas: Die Niere!
Prinzipiell sinnvoll gelöst, aber irgendwie fehlt dem KSM9HS etwas: Die Niere!

Gesetzt den Fall, dass jemand das KSM9HS in einer stressigen Livesituation das erste Mal in der Hand hält, wird ihn vielleicht der Aufdruck mit den beiden Richtcharakteristika verwirren. Statt “Ja was denn nun, Hyper- oder breite Niere?” wird sich sicher jeder denken können, dass man umschalten kann. Ein Hinweis auf diese Fähigkeit und die dafür notwendigen Handgriffe (à la “Screw off grille to switch polar pattern.”) wäre nicht verkehrt gewesen, aber wo soll sich solch eine Funktion auch sonst verstecken. Dass diese nicht frei zugänglich ist, ist zur Vermeidung von Fehlbedienungen sinnvoll – viele unerfahrene User würden es vielleicht sogar für einen dieser widerlichen On-/Off-Schalter halten.
Anders als beim DPA d:facto, bei dem das Pad unter der Kapsel geschaltet wird, kann beim KSM9HS das Mikrofon in Betrieb und die Phantomspeisung aktiviert bleiben. Muten sollte man bei der Umschaltung natürlich trotzdem, doch vergisst man es doch einmal, hält sich das Knacksen in Grenzen.

Shures Doppelmembranmikro KSM9HS in voller Pracht
Shures Doppelmembranmikro KSM9HS in voller Pracht

Die Schleusen der Phantomspeisung werden geöffnet und die Schaltkreise im Inneren des KSM geflutet – das Mikrofon ist zum Betrieb bereit und kann in die Hand genommen werden. Obwohl es sehr kopflastig aussieht, liegt das Bühnen-Kondensatormikrofon wohlbalanciert in der Hand – sehr schön. Der vorne stark abgeflachte Grill erlaubt eine sehr geringe Nähe zur Membran. Zu nah vielleicht? Mit der Richtcharakteristik Superniere betrieben, ist der Nahbesprechungseffekt doch recht deutlich, das Signal tendiert leicht ins Dumpfe, doch in keiner Weise derart, dass man sich Sorgen machen müsste. Es helfen wie bei anderen Mikrofonen eine etwas bessere Mikrofondisziplin und ein Abstand von wenigen Zentimetern – anhand der Audiobeispiele ist das sicher nachzuvollziehen. Mit der Sängerin hat eine Umschaltung der Charakteristik Wunder bewirkt: Die breite Niere klingt schon bei gleichem Abstand weitaus luftiger und natürlicher – allerdings ist die Rückkopplungsgefahr hier deutlich höher, weshalb diese Mischform zwischen Kugel und Niere von Shure für ein Live-Umfeld mit gemäßigten Pegeln empfohlen wird. Im Vergleich mit dem Shure SM58 wird der Vorteil des Kondensatorprinzips anhand des Detailreichtums, der Linearität und der Höhen deutlich, aufgrund der deutlich anderen Konstruktion kann ein Live-Mikro aber klanglich gegen ein Bühnenmikrofon  natürlich nicht “gewinnen”.

Audio Samples
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KSM9HS Hyperniere nah KSM9HS Hyperniere 20 cm KSM9HS Breite Niere nah KSM9HS Breite Niere 20 cm SM58 nah SM58 20 cm Studio-Kondensatormikrofon nah Studio-Kondensatormikrofon 20 cm

Insgesamt zeigt das KSM9HS Shures Fähigkeiten, Livemikrofone zu bauen, von der Schokoladenseite. Transienten sind blitzschnell, die Auflösung und Textur der Höhen für ein Bühnenmikrofon wirklich sehr gut. Die Delle im Frequenzgang zur Verringerung von scharfen S-Lauten wird bei den meisten Sängerinnen und Sängern gut passen, mag aber für manche Stimme zu hoch angesetzt und zu schmal sein. Es gilt also auch hier: ausprobieren! Sehr effektiv arbeitet die Popplaut-Unterdrückung des HS, die Griffgeräusche hat das Mikrofon im Griff. Haha… natürlich sind Handgeräusche nicht ganz wegzubekommen, doch das Kondensatormikrofon arbeitet auch diesbezüglich sehr ordentlich.

Insgesamt positives Bild: Shures Doppelmembran-Gesangsmikrofon
Insgesamt positives Bild: Shures Doppelmembran-Gesangsmikrofon

Fazit

Das Shure KSM9HS ist ein sehr hochwertiges Bühnen-Kondensatormikrofon für den Einsatz als Gesangsmikro. Die wertige Verarbeitung ist eine Sache, der klare und präzise Klang eine weitere, die das Mikrofon ganz weit vorne mitspielen lässt. Das Konzept mit der Doppelmembrankapsel statt nur bei Studio-Großmembranmikrofonen auch für Live-Mikros einzusetzen, ist aufgrund der dann umschaltbaren Charakteristik ungemein praktisch – umso weniger leuchtet es mir ein, wieso nur zwei aus der Kapselverschaltung resultierende Richtcharakteristiken ermöglicht werden. Zusätzlich zur breiten Niere und Hyperniere hätte es nach meiner Meinung noch Superniere sein können, zumindest aber die gängige Niere sein müssen. Gemessen an seinen Leistungen muss man trotz der Preisempfehlung von gut 650 Euro von einer fairen Preispolitik sprechen.

Pro
  • umschaltbare Richtcharakteristik
  • guter Umgang mit Popplauten
  • ordentlicher Frequenzgang
Contra
  • nur Breite Niere und Hyperniere wählbar, keine Niere
Insgesamt gute Performance: Das Vocal-Kondensatormikrofon für den Bühneneinsatz
Insgesamt gute Performance: Das Vocal-Kondensatormikrofon für den Bühneneinsatz
TECHNISCHE DATEN
  • Empfängerprinzip: Doppel-Druckgradientenempfänger (mit Laufzeitglied)
  • Richtcharakteristik: Hyperniere und Breite Niere (umschaltbar)
  • Wandlerprinzip: Kondensator
  • Betriebsspannung: 48V Phantomspeisung
  • Frequenzgang: 50 Hz – 20 kHz
  • Übertragungsfaktor: 3,16/2,24 mV/Pa (HN/BN)
  • maximaler Schalldruckpegel: 150,8/153,8 dB SPL (HN/BN)
  • Ausgang: XLR male
  • Dreifacher Pop-Filter
  • Preis: Euro 668,28 (UVP)
Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • umschaltbare Richtcharakteristik
  • guter Umgang mit Popplauten
  • ordentlicher Frequenzgang
Contra
  • nur Breite Niere und Hyperniere wählbar, keine Niere
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