Gem Audio Labs Preceptor Test

Gem Audio Labs im bonedo-Review – Der polnische Hersteller Gem (vormals: Generic Audio) baut seit einigen Jahren seine kleine aber feine Produktpalette aus. Flaggschiff des Programms an Analogprozessoren ist sicherlich der Preceptor. Dieser Kompressor, der hier im Test ist, verfügt über ein Featureset, welches nahe an der theoretisch möglichen Vollausstattung rangiert. Und auch die inneren Werte können mit manchem speziellen Feature glänzen. 

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Da jedoch laut unseres Ex-Ex-Bundeskanzlers entscheidend ist, was hinten rauskommt, wollen wir dem 3-HE-Kraftpaket einmal auf den Zahn fühlen. Man darf gespannt sein, was unter der Haube steckt…

Details

Mastering-Ausstattung

Mit jeweils sechs Dreh- und Kippschaltern pro Kanal erlaubt der Preceptor feinfühlige Signalkontrolle, wobei die Bedienelemente sich in zwei Gruppen einteilen lassen: das zentrale Set, welches bei (fast) jedem Kompressor unabdingbar ist sowie eine Reihe von Zugaben, die das Bild weiter zu verfeinern helfen. Hervorzuheben bleibt bereits an dieser Stelle, dass das Gerät durchweg mit Drehschaltern ausgestattet wurde, Potis sucht man hier vergebens. Solch eine „Mastering-Style“-Konfiguration fühlt sich gut und luxuriös an, neben einfachem Stereo-Matching und Recall birgt sie auch den Vorteil großer Kanalgleichheit und bester Audio-Werte, da keine toleranzbehafteten und potenziell rauschträchtigen Poti-Leiterbahnen im Signalweg liegen.  

„Nur“ zwei Ratios, aber dennoch ungemein flexibel

Als Design mit festem Threshold (in bester 1176-Manier) verfügt der Preceptor über Input- und Output-Drehschalter, mit welchen man sowohl die Stärke der Kompression als auch den Ausgangspegel einstellen kann – immer noch ein sehr intuitives Bedienkonzept. Dazu kann man mit dem Input-Gain-Schalter zwei grundsätzliche Pegelniveaus setzen. Dieser setzt die Eingangsimpedanz im High-Modus von 10 auf 2,5 kOhm herab, was ein paar zusätzliche dB aus dem Gerät kitzeln hilft. Während der Preceptor lediglich zwei Kompressionsraten zur Auswahl bietet, gibt er sich bei den Einstellmöglichkeiten der Zeitkonstanten ungemein flexibel. Im Kompressionsmodus arbeitet er mit einer Rate von 2:1, der Limit-Modus hingegen orientiert sich an der Kennlinie des Fairchild 660.

Fotostrecke: 6 Bilder 12 Dreh-und 14 Kippschalter versprechen beim Preceptor umfangreiche Signalkontrolle.

Für die Einstellung von Attack und Release bietet das Gerät zwei Drehschalter mit jeweils elf Positionen, aufgeteilt auf zehn feste Werte und einen programmadaptiven Auto-Modus. Dass die Schalterpositionen keine absoluten Werte aufweisen, sondern einfach durchnummeriert wurden hat einen ganz schlichten Grund: Per Kippschalter kann der Preceptor in den Slow-, Medium- oder Fast-Modus getoggelt werden: Auf diese Weise kann der Kompressor eine satte Anzahl von Zeitkonstanten anbieten, die einen weiten Bereich überstreifen und trotzdem sehr fein aufgelöst sind.

A oder T?

Der Preceptor wird in zwei Varianten angeboten, die sich unter anderem an diesem Punkt unterscheiden. Das A-Modell bietet die S/M/F-Umschaltung lediglich für den Attackparameter, kann dafür aber mit einem Input-Drehschalter mit 21 Positionen sowie mit der Wahlmöglichkeit zwischen Hard- und Softknee-Kompression aufwarten. Das T-Modell hingegen bietet die S/M/F-Umschaltung auch für den Release-Parameter an, dafür muss man auf die Knie-Varianten verzichten und mit einem Input-Schalter mit 11 Positionen auskommen. 

Sidechain-Trick

Neben dieser bereits ziemlich flexiblen Basisausstattung bietet der Preceptor zusätzliche Funktionen an, die das Ergebnis weiter verfeinern helfen. Dazu gehören der Wet/Dry-Blend-Regler ebenso wie ein Sidechain-Hochpass, der bis 320 Hz und damit ungewöhnlich weit hinauf reicht. Zusätzlich kann der rückseitige externe Sidechain-Anschluss gewählt werden, was die Kontrolle des Detektorsignals mit beliebigen externen Prozessoren ermöglicht. Doch hier verbirgt sich noch ein weiterer Trick: Wählt man diesen Modus, aber schließt man kein Gerät an, dann ist der Sidechain gewissermaßen deaktiviert, was den Preceptor in einen Sättigungsprozessor verwandelt. Mit dem Link-Modus beider Kanäle sowie den beiden nierenförmigen VU-Metern im Vintage-Look sowie der bersteinfarbenen Betriebsleuchte wird aus der Frontplatte also ein Bedienpanel, das nicht nur zahlreiche Einstellungsoptionen offeriert: Es sieht auch gut aus und es wurde ziemlich übersichtlich gestaltet, so dass man sich hier auf Anhieb sehr gut zurecht findet.

Zener-Dioden

Diese doch recht üppige Ausstattung an Bedienelementen findet unter dem Gehäusedeckel eine adäquate Entsprechung. Als Dual-Mono-Design ist das Gerät aus zwei Mono-Blöcken aufgebaut, welche von einem mehr als bloß ordentlich dimensionierten Netzteil mit Saft versorgt werden. Der zentral montierte Ringkerntrafo riesig und sollte satte Reserven für Pegelspitzen bieten. Die Audioschaltungen selbst sind standesgemäß in diskreter Class-A-Transistortechnik aufgebaut, wobei am Eingang ein Übertrager von Carnhill sitzt – der Ausgang hingegen wird aktiv symmetriert. Das Herzstück des Kompressors, das Regelelement, folgt einer klassischen, aber nicht sehr weit verbreiteten Topologie: Es besteht aus bipolaren Transistoren und einem Netzwerk von nicht weniger als 16 sorgfältig gematchten Zener-Dioden. Das ist einerseits ein Wink in Richtung legendärer Neve- und EMI-Designs, andererseits wurde die Schaltung hier aber nach sehr modernen Gesichtspunkten aufgebaut, was die Kalibrierung und damit beispielsweise die Kanalgleichheit stark vereinfacht beziehungsweise in dieser Feinheit überhaupt erst ermöglicht.

Fotostrecke: 3 Bilder Die Schaltungen sitzen in einem recht wuchtigen 19“-Gehäuse mit drei Höheneinheiten.

Insgesamt präsentiert sich die Preceptor-Hardware also auf sehr hohem Niveau: Es handelt sich hier um ein durchdachtes, ausgereiftes Schaltungskonzept mit ein paar Features, die normalerweise nur der Edel-Liga vorbehalten bleiben. Den Spagat zwischen Vintage-Orientierung und zeitgemäßem Circuit-Layout bekommt das Gerät dabei gut auf die Reihe. Hier gibt es tatsächlich das beste beider Welten, und die Fertigungsqualität rangiert ebenfalls in einer gehobenen Liga.

Praxis

Bleibt also eine spannende, die mehr als entscheidende Frage: Wie klingt das ganze denn nun?  Es ist nicht ganz einfach, die klangliche Performance des Preceptors auf eine griffige Formel zu bringen, was ganz einfach daran liegt, dass das Gerät eine erstaunliche Bandbreite abzudecken vermag. Wobei, angesichts der zahlreichen Bedienelemente und der teilweise nicht nur sehr weiten, sondern auch trotz der Drehschalter gleichzeitig sehr fein aufgelösten Parameterbereiche wäre alles andere eigentlich eine Überraschung. So ist es kein Wunder, dass der Preceptor sich als echter Allrounder geriert. Ein wirkliches Spezialgebiet konnte ich nicht ausmachen, was ich hier eher als Vor- denn als Nachteil sehe. Viele Geräte mit etwas ausgeprägterem Vintage-Bezug müssen sich ja den Vorwurf des „One Trick Ponys“ gefallen lassen, äußern ihren Charakter auch darin, dass sie sich vor allem für ein oder zwei Anwendungen besonders gut eignen, in vielen anderen Situationen aber passen müssen. Dies konnte ich beim Preceptor aber nicht feststellen. Es gab während der Testphase schlichtweg keine Situation, in der der Gem-Kompressor komplett die Segel streichen musste. Ob Tracking, Mixing oder gar Summenbearbeitung, es ließ sich praktisch immer eine Einstellung finden, die mindestens sinvoll, meistens aber sogar ziemlich wohlklingend war.

Alleskänner: Der Kompressor war mit keiner der vielen Aufgaben während des Tests überfordert.
Alleskänner: Der Kompressor war mit keiner der vielen Aufgaben während des Tests überfordert.

Diese Wandlungsfähigkeit kann man am besten mit dem Einsatz des Preceptors auf dynamisch und frequenzmäßig sehr komplexen Drum-Signalen illustrieren. Schnaufendes Plattmachen von Raumsignalen: geht! Punch auf Kicks uns Snares herauskitzeln: geht! Die Drumgruppe in eine gemeinsame Hüllkurve packen und damit zu einem homogenen Ganzen werden lassen: geht! Selbiges mittels herzhafter Sättigung erzielen: geht auch! Streicht man nun noch die Qualitäten des Preceptors (dank seiner schnellen Zeitkonstanten) als Vocal-Verdichter und -Lautmacher heraus, erwähnt den satten Punch den er auf Bässen generieren kann und fügt weiterhin die kernigen Zerrprodukte hinzu, die nicht nur Subgruppen sanft anschmutzen, sondern auch Signale ausgesprochen rotzig im Mix nach vorne schieben, dann sollte dies einen Eindruck von der großen Bandbreite dieses Dynamiktools geben. 

Audio Samples
0:00
Vocals, Original Vocals, Attack Fast, Release Medium, Softknee, 2:1, 100% Wet Vocals, Attack Fast, Release Medium, Softknee, 2:1, 50% Wet Drums, Original Drums, Attack/Release Fast, Hardknee, Limit, 100% Wet Drums, Attack/Release Fast, Hardknee, Limit, 100% Wet, SC-Filter 120 Hz Drums, Attack/Release Fast, Hardknee, Limit, 50% Wet, SC-Filter 120 Hz Drums, Sättigung Moog, Original Moog, Sättigung

Schließlich bringt das Gerät auch viele Eigenheiten mit, die es für den Einsatz auf Summensignalen prädestinieren. Hier wären einerseits noch einmal die Drehschalter mit ihren Goldkontakten zu nennen, welche eben nicht nur der Klangqualität sondern auch der präzisen Einstellung zugute kommen. Dazu kommen Zeitkonstanten, die sich hevorragend für den Einsatz auf der Summe tunen lassen sowie zusätzliche Features wie das Sidechain-Filter (bzw. die externen Sidechain-Anschlüsse) sowie der Wet/Dry-Blend-Schalter, welche bei der Mixbuss-Kompression ebenfalls gute Dienste leisten können.

Doch der Preceptor kann beileibe nicht nur als dezenter Feingeist arbeiten. Sein Name, welcher durchaus Assoziationen zu einem Raubsaurier erlaubt, kann uns stets daran erinnern, dass unter der Hochglanz-Oberfläche mit wertigen Vintage-Reminiszenzen auch ein ganz schönes Biest schlummern kann.

Fazit

Unterm Strich gibt sich der Gem Audio Labs Preceptor also ebenso flexibel wie charaktervoll, mit einer fein abgezirkelten Balance zwischen beiden Klangaspekten. Feature-Ausstattung und Hardwarequalität rangieren am oberen Ende des Spektrums, wobei der Kaufpreis diesen Eigenschaften glücklicherweise nicht in die selben Sphären folgt. Klar, der Preceptor rangiert preislich nicht in der Einsteigerklasse, aber er bietet eben auch zahlreiche Merkmale, die ihn selbst nach gehobeneren Ansprüchen „masteringtauglich“ werden lassen. Features wie die durchgehende Ausstattung mit Drehschaltern, welche bei anderen Herstellern teilweise nur gegen saftigen Aufpreis zu haben sind, sind dabei bereits im Preis inbegriffen. Nicht zuletzt diese Tatsache lässt den Kaufpreise des Preceptors angesichts des Gebotenen eher günstig erscheinen, auch wenn es sich absolut gesehen immer noch um eine Stange Geld handelt. Echte Minuspunkte ließen sich im Test zudem nicht ausmachen – deswegen volle Punktzahl!

Unser Fazit:
5 / 5
Pro
  • Klangeigenschaften
  • wertige Hardware-Ausstattung
  • flexible Einsatzmöglichkeiten
Contra
Artikelbild
Gem Audio Labs Preceptor Test
Kostet zwar einiges, ist aber nicht überteuert, da er einiges zu bieten hat: Preceptor von GEM.
Kostet zwar einiges, ist aber nicht überteuert, da er einiges zu bieten hat: Preceptor von GEM.
Technische Spezifikationen
  • zweikanaliger Aufbau aus zwei unabhängigen Monoblöcken
  • Regelelement auf Basis von bipolaren Transistor-VCAs und Zener-Dioden
  • Carnhill-Eingangsübertrager
  • flexible Sidechainkontrolle mit internem Hochpassfilter und externen Anschlüssen
  • Blend-Poti für Parallelkompression
  • Sättigungsmodus
  • Link-Funktion
  • Preise:
  • A-Version: € 2831,– (UVP)
  • T-Version: € 2831,– (UVP)
Hot or Not
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Kostet zwar einiges, ist aber nicht überteuert, da er einiges zu bieten hat: Preceptor von GEM.

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