AcousticSamples VTines MK1 Test

Nachdem es im Bereich der Piano-Plugins schon einige Phyiscal Modelling Instrumente gibt, versucht die Firma AcousticSamples sich nun mit VTines an einem Rhodes Plugin und kombiniert Samples mit Modelling. Reiht sich dieses Plugin in die lange Liste durchschnittlicher Rhodes Plugins ein oder ist es eine überragende Neuerung? Dieser Frage gehen wir auf den Grund.

AcousticSamples_VTines_MK1_Test1
Die GUI ist dem Frontpanel eines echten Rhodes nachempfunden.


Darauf hat die Welt gewartet: Ein Rhodes Plugin! Wirklich? Nun, es gibt wohl wenige Instrumente, die so oft nachgeahmt werden (wollen) wie das Fender Rhodes. Und doch scheint sich AcousticSamples mit VTines vom Rest abzusetzen. Mit der Verbindung von Samples und Modelling-Technologie will die Firma eine äußerst schlanke, ressourcen-schonende und authentisch klingende Library auf den Markt bringen.

Details

Allgemeines

VTines kann über die Website des Herstellers für 99 Euro erworben werden. Dort wird das Plugin auch autorisiert und heruntergeladen. Gerade einmal 80 MB muss der User auf seiner Festplatte dafür hergeben. AcousticSamples setzt nach wie vor auf den iLok. Allerdings kann die Lizenz auch auf dem Rechner gespeichert werden, sodass ein physischer iLok hier nicht notwendig ist.
VTines kann nach der Aktivierung der Lizenz im iLok Manager in dem kostenfreien Sampler UVI Workstation geöffnet werden. Die Ladezeit der Library gestaltet sich erwartungsgemäß kurz. Keine zwei Sekunden vergehen und die Library ist startklar.

GUI

Mich begrüßt eine Oberfläche, die dem Frontpanel eines echten Rhodes nachempfunden ist. Die Regler sind doppelt belegt. Es gibt einen äußeren und einen inneren Ring. So steuert der innere Ring des ersten Reglers die akustische und der äußere Ring die elektrische Lautstärke. Akustisch heißt hier, dass die natürlichen Sounds, die ein Rhodes mechanisch produziert, aufgenommen wurden.

Die GUI ist dem Frontpanel eines echten Rhodes nachempfunden.
Die GUI ist dem Frontpanel eines echten Rhodes nachempfunden.

Stage/Suitcase Rhodes

Ein mit „AMP“ betitelter Schalter schließt das Frontpanel ab. Damit lässt sich das Stage-Rhodes in ein Suitcase-Rhodes umwandeln und der eingebaute Verstärker wird aktiviert. Über den Reglern befinden sich weitere Schaltflächen zur Seitennavigation. 
Ein Klick auf „AMP“ öffnet die Einstellungen des Verstärkers. Hier lassen sich klassische Mikrofoneinstellungen wie z. B. Entfernung der Mikrofone zu den Lautsprechern, Position im Raum und auch Anteil des Raumes machen.

Die Einstellungen des Verstärkers.
Die Einstellungen des Verstärkers.

Hybride Tonerzeugung

Der für mich spannendste Teil verbirgt sich hinter PREFS. Hier begrüßt mich ein schönes Bild, auf dem die Tonerzeugung eines Rhodes abgebildet ist. Diese Einstellungen machen den entscheidenden Unterschied zwischen VTines und allen anderen Plugins aus. Hier kann Physical Modelling seine Vorteile ausspielen. Hier lässt sich die Klangcharakteristik Note für Note einstellen und das ist gerade für mich als Rhodes-Service-Partner ein besonderes Schmankerl.

Die Einstellungen der Tonerzeugung.
Die Einstellungen der Tonerzeugung.

Praxis

Sound

Die Parameter Tine Height und Pickup Distance sind in meiner täglichen Arbeit am Rhodes essentiell und entscheidend für den Gesamtsound. Daher war ich gespannt, ob die Regler auch die Wirkung erzielen, die ich erwarte. Im folgenden Klangbeispiel hört ihr, wie ich den Regler Tine Height nach und nach aufdrehe, den Klangstab (=Tine) also nach unten bewege. Der Klang sollte weniger bassig/muffig und obertonreicher werden.

Audio Samples
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Tine Height

Pickup/Distance

Als Nächstes teste ich den Pickup-Distance-Regler. Die Entfernung vom Pickup zum Tine beeinflusst am realen Rhodes natürlich die Lautstärke, aber auch die Dynamik und vor allem den Sound. Je näher der Pickup am Tine ist, desto eher verzerrt er und man erreicht das typische „barken“, das man vom Rhodes kennt.

Audio Samples
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Pickup Distance

Erwartung nicht erfüllt! Es macht den Eindruck, als würde sich tatsächlich nur die Lautstärke ändern. Die Klangfarbe bleibt dieselbe. Und auf der Website kann man auch nachlesen:
 “[…] it (the pickup) influences the amount of bark and other parameters, but for the ease of use, we limited that knob action to just the volume.” Okay. Schade.
Interessante Ergebnisse erzielt man durch die Nutzung der Vel Tone Regler. Mit diesen kann man das Obertonverhalten in Abhängigkeit mit der Velocity einstellen. Auch bei softem Anschlag kann man durch Drehen des Low-Reglers den Tönen Obertöne verleihen, was so eigentlich nicht möglich ist.

Audio Samples
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Vel Tone Low

Velocity/Dynamics

Einen Dynamics Regler findet man mittlerweile häufiger in den Plugins. Dreht man diesen voll auf, so moduliert man mit der Velocity nicht mehr die Lautstärke, sondern nur noch die Velocity-Stufen, die angesprochen werden. Das heißt, dass die eigentlich leisen Töne genauso laut sind wie die lauten und man durch eine höhere Velocity lediglich das Obertonverhalten ändert.

Audio Samples
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Dynamics 0 % Dynamics 100 %

Fehlender Attack ohne Bell

Kommen wir zu zwei Einstellungen, denen ich kritisch gegenüberstehe. Bell Amount und Attack Amount. Auch wenn die Website sagt, dass Attack unabhängig vom Bell eingestellt werden kann, so kann ich das nicht feststellen. Ist Bell auf 0, hat Attack keine Wirkung. Das ist schade, denn mir persönlich gefällt der Bell-Sound nicht. Jedoch verliert das Instrument stark an Kraft und Transparenz, wenn der Attack nicht da ist.

Audio Samples
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Bell 0 Bell 30 Bell 100

Diese Klangbeispiele waren bisher sehr statisch und technisch. Aber eigentlich geht es uns ja darum, wie sich das Plugin beim Spielen anfühlt. Ein Hinweis vorab: Das VTines hat lediglich 73 Tasten! Das heißt nach unten und nach oben fehlt dem Spieler auf einer 88er Tastatur eine halbe Oktave.

Audio Samples
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{06a} {06b} {06c} {06d}

Guter Grundsound

Ich finde den Grundsound gut, besonders im Bereich piano bis mezzoforte gefällt es mir sehr. Auch die Effekte klingen gut, nach oben hin und bei stärkerem Anschlag klingt es jedoch unnatürlich und „plingelig“. Da muss doch mehr drin sein. Also habe ich kurzerhand selbst Hand angelegt und mir ein Rhodes zusammengebaut. Auch wenn es noch nicht perfekt ist (welches Rhodes ist das schon?), bin ich äußerst zufrieden mit dem Ergebnis.

Audio Samples
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Custom Rhodes A Custom Rhodes B

Einzelne GUI Fehler

Der Bell- und der Attack-Regler sind entscheidend für die Klangcharakteristik. Mit einem Doppelklick auf die Regler kann man die Werte in Zahlen einstellen. Damit ich Einfluss auf den Attack nehmen kann, habe ich den Bell-Regler auf den Wert 0,02 gestellt. Damit lässt es sich dann sehr gut arbeiten. 
Hier und da hat die GUI nicht richtig funktioniert. So musste ich z. B. den Tine Height-Regler manchmal erst ganz zudrehen, bevor er reagiert hat. 

Fazit

Ich muss zugeben, dass ich vor diesem Test skeptisch war, da meine bisherigen Erfahrungen mit Modelling-Instrumenten eher mäßig ausgefallen sind. Hier ist es jedoch anders. Ich hatte bei keinem anderen Rhodes Plugin so viel Spaß, meinen eigenen Sound zu kreieren. Die Einstellungen sind vielfältig und die Auswirkungen teilweise drastisch und abgefahren. In Verbindung mit den Effekten als auch mit den akustischen Sounds lassen sich atmosphärische Rhodes Sounds kreieren. Ob es VTines schafft, sich gegen die Konkurrenz durchzusetzen, wird sich zeigen. Ich sage aber: Das Projekt ist gelungen, kann sich hören lassen und ist eine echte Alternative zu den Sample-Schwergewichten wie Scarbee EP-88S (14GB) oder Spectrasonics KeyScape (77GB).

PRO
  • gute Effekte
  • detailreiche und vielfältige Soundeinstellungen Note für Note möglich
  • mit 80 MB sehr geringer Platzbedarf
  • klar strukturierte und übersichtliche GUI
CONTRA
  • Regler teilweise zu empfindlich
  • kleine Fehlerchen in der GUI
AcousticSamples_VTines_MK1_Test1
Die GUI ist dem Frontpanel eines echten Rhodes nachempfunden.
FEATURES
  • Sampling & Modeling Hybrid eines Mark1 Fender Rhodes
  • stufenfreie Velocityauflösung
  • 35 Presets
  • vielfältige Soundeinstellungen
  • originalgetreuer Vibrato-Effekt
  • Rhodes Amp-Simulation mit verschiedenen Mikrofonpositionen
  • acht hochqualitative Effekte
  • einstellbare Velocity-Kurve
PREIS
  • EUR 99,- (Straßenpreis am 27.11.2018)
Unser Fazit:
4 / 5
Pro
  • gute Effekte
  • detailreiche und vielfältige Soundeinstellungen Note für Note möglich
  • mit 80 MB sehr geringer Platzbedarf
  • klar strukturierte und übersichtliche GUI
Contra
  • Regler teilweise zu empfindlich
  • kleine Fehlerchen in der GUI
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AcousticSamples VTines MK1 Test
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Die GUI ist dem Frontpanel eines echten Rhodes nachempfunden.

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