Warm Audio WA12 500 Test

Der Lunchbox-Mikrofon-Vorverstärker Warm Audio WA12 500 im bonedo-Review – Class-A-Signalwege, noble Übertrager und Vintage-Vibe sind Insignien gehobener Preisklassen? Weit gefehlt! Warm Audio beweist, dass es auch anders geht…

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Der relativ junge Hersteller aus Round Rock, Texas, hat sich einen der großen Klassiker der Preampgeschichte zum Vorbild genommen und bietet mittlerweile eine Handvoll Geräte an, die auf diesem Design basieren. Pate gestanden für die Warm-Audio-Geräte hat der API 312. Hierbei handelt es sich um die Preamp-Karte, die der amerikanische Mischpulthersteller zu Anfang der 70er-Jahre in seinen Flaggschiff-Konsolen verbaute. Typisch für die damalige Zeit handelt es sich um übertragersymmetrierte Transistor-Class-A-Schaltkreise. Als integraler Bestandteil des API-Signalwegs kann der 312 also als stilprägend für den Sound zumindest eines guten Teils der amerikanischen Rockmusik aus dieser Zeit angesehen werden.
Warm Audio haben diese kleine Preamp-Karte, die normalerweise in den Eingeweiden der großen Konsolen vor sich hinwerkelt, in ein eigenes Gehäuse gepackt und reihen sich damit ein in den Kreis von Herstellern, die heute Preamps auf Basis der 312-Urversion anbieten (wie etwa API selbst oder auch BAE).

Details

312-Heritage

Charakteristisch für den API 312 ist dessen simpler Aufbau. Genau diesem folgt auch Warm Audio. So handelt es sich auch beim WA12 um eine Schaltung mit Ein- und Ausgangsübertragern, welche einen einzigen diskret aufgebauten Operationsverstärker einbettet. Trotzdem ist dieser Straightforward-Signalweg kraftvoll genug, um eine maximale Gesamtverstärkung von immerhin 71 dB zu ermöglichen.

„Sonderausstattung“: Tone-Schaltung und Power-Schalter

Eingestellt wird die Verstärkung über ein Rasterpoti, das standardmäßig den Bereich von +29 bis +65 dB überstreicht. Zu den restlichen 6 dB Gain kommen wir in Kürze. Zudem bietet der WA12 all die Funktionen, die bei einem zeitgemäßen Preamp als Standard gelten dürfen: Phantomspeisung, eine 20dB-Pegeldämpfung (Pad), Phaseninvertierung sowie ein hochohmiger Instrumenteneingang auf der Frontplatte. Dazu kommt der Tone-Schalter, welcher auf beide Inputs (Mic sowie Instrument) Einfluss hat. Am Mic-Input setzt er die Eingangsimpedanz von 600 auf 150 Ohm herunter, zusätzlich hebt er den Signalpegel um zusätzliche 6 dB an (womit die Maximalverstärkung von 71 dB erreicht wird). Somit eignet sich dieser Modus besonders für den Einsatz von Bändchenmikros, aber es darf ausdrücklich auf allen Quellen experimentiert werden; die Tone-Schaltung liefert im Zusammenspiel bestimmter Komponenten eine klangliche Alternative, die je nach Einzelfall mal mehr und mal weniger deutlich zu Tage tritt.

Fotostrecke: 3 Bilder Die Vorverstärkung wird am WA12 über ein Rasterpoti eingestellt.

Kein Metering

Metering-Möglichkeiten sucht man am Modul jedenfalls vergebens. Nicht jeder Preamp braucht zwingend eine lange, fein aufgelöst LED-Kette, da im Zweifelsfall heute in der Regel das Meter am DAW-Eingang ausschlaggebend ist. Dennoch hätte ich am WA12 gerne zumindest eine einzige Pegel-LED gesehen, damit man wenigstens sofort Bescheid weiß, ob überhaupt ein Signal anliegt. Diesen Platz (auch für eine Handvoll Pegel-LEDs…) hätte es auf der Frontplatte gegeben, wenn Warm Audio auf den Power-Schalter verzichtet hätte – aus meiner Sicht wäre das das wichtigere Feature gewesen. Aber wer weiß, vielleicht war das auch eine Kostenfrage, denn in diesem Fall ginge es ja nicht nur um die LEDs, sondern auch um die Treiberschaltung, die sie ansteuert. Und bekanntlich wurde beim WA12 ja äußerst knapp kalkuliert.

Cinemag-Transformer

Auf jeden Fall wurde der Rotstift nicht innerhalb des Gehäuses beim Kern des Audiosignalwegs angesetzt. Im WA12 arbeiten keine Billig-Übertrager, sondern zwei Wicklungsungetüme des amerikanischen Premium-Herstellers Cinemag. Cinemag ist der direkte Nachfolger von Reichenbach, welche schon in der Vintage-Ära aktiv waren und viele der Geräte, die heute nachgebaut werden, damals mit ihren Original-Übertragern ausstatteten. Und beim diskreten Op-Amp setzt Warm Audio auf einen Nachbau des Melcor 1731, und damit auf den Vorläufer des legendären API 2520, der noch heute Kern aller API-Schaltungen ist. Klassisch in Through-The-Hole-Technik mit herkömmlichen Komponenten gefertigt, unterscheidet sich die Schaltung an den entscheidenden Stellen damit nur unwesentlich vom Vintage-Vorbild.

Fotostrecke: 4 Bilder Der Warm Audio WA12 ist als geschlossenes Modul konzipiert.

Auch Instrumentensignale laufen über den Eingangsübertrager

Das Modul ist in geschlossener Baumform gefertigt und macht durch und durch einen stabilen, funktionalen Eindruck und es wirkt auch auf gar keinen Fall so „billig“, wie der Kaufpreis es erwarten lassen könnte. In puncto Design und Aufmachung kann der WA12 für meinen Geschmack mit der Highend-Liga nicht mithalten, aber das kann man zu diesem Preis nicht auch noch erwarten. Vielmehr gilt es noch einmal festzuhalten, dass der WA12 an den (klanglich) entscheidenden Stellen eben nicht spart, und man also hier so viel vom Kaufpreis wie möglich in die Kernkompetenz eines jeden Preamps investiert: Die – hoffentlich – gut klingende Signalverstärkung. Erwähnenswert bleibt noch, dass der Hi-Z-Eingang ebenfalls (mittels einer kleinen zusätzlichen Transistorstufe) über den Eingangsübertrager geführt wird. Das ist ein eher ungewöhnliches Feature, das es auch Instrumentensignalen erlaubt, vom Klangcharakter des Cinemag-Eingangsübertragers zu profitieren.

Praxis

Falsch machen kann man in der Bedienung jedenfalls rein gar nichts; die roten Status-LEDs sind ein willkommenes Feature – nicht zuletzt, da unabsichtlich aktivierte Phantomspeisung unter bestimmten Umständen gar gefährlich für das angeschlossene Equipment sein kann. Insofern darf hier folgendes Motto gelten: Anschließen, loslegen, freuen!

Der WA12 ist voll diskret mit Class-A-Schaltungen aufgebaut.
Der WA12 ist voll diskret mit Class-A-Schaltungen aufgebaut.

Insbesondere letzteres Wort überrascht nicht, denn bei einer solch simplen Schaltung, die sich zudem der genannten Qualitätskomponenten bedient, kann man auch als Hersteller eigentlich nicht viel verkehrt machen. Der WA12 präsentiert sich mit einem sehr kernigen, direkten, punchy Ton, der stabil vor den Monitorboxen steht und ganz gewiss im Mix nicht untergehen wird. Schon der klassische API 312 zählt nicht zu den molligsten Vertretern seiner Zunft, insofern sollte man sich vom Herstellernamen „Warm Audio“ nicht in die Irre führen lassen. Ich würde den Klang des WA12 keineswegs als dünn und drahtig bezeichnen, aber breit und rund ist doch noch eine andere Kategorie. Aber das ist kein Wunder und auch keine Kritik, da eben das Vorbild des WA12 – wie übrigens die gesamte API-Palette – für ihren direkten, tighten und konturierten Ton gerühmt wird und eben nicht für wattig-weiches Klangschmeicheln.

Audio Samples
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Vocals Pure Vocals mit Tone Switch Vocals mit Tone Switch und Pad

Aus diesem Blickwinkel ist das Klangverhalten des WA12 nur konsequent, und das zeigt sich um so mehr, wenn man das Input-Pad aktiviert, die Vorverstärkung weiter ausfährt und damit das mittig-dichte Klangverhalten des Warm-Audio-Preamps noch stärker hevorkitzelt. Auch die Tone-Schaltung macht sich in bestimmten Anwendungssituationen als mal sehr subtile, mal deutlichere Soundvariante bezahlt. Es kommt hier sehr auf das Zusammenspiel mit dem jeweilig angeschlossenen Equipment an, wobei als Faustregel gilt, dass dynamische Mikros (wozu auch Bändchenmikrofone zählen) hier sensibler reagieren als ihre Kondensator-Counterparts.
Auch wenn der WA12 ingesamt sehr klar, druckvoll und punchy klingt, zählt er (wenig verwunderlich bei den Ingredienzen) nicht zu den transparentesten Preamps am Markt. Aber das ist hier eher Feature als Bug, den cleanes Gain lässt sich heute viel einfacher herstellen als eine angenehme Klangfärbung, die dennoch nicht zu dick aufrägt – und genau die liefert der WA12.

Fazit

Der Mikrofon-Vorverstärker Warm Audio WA12 versprüht trotz seiner etwas prosaisch ausgeführten Schale durchaus etwas high-endiges Flair. Er bietet eine Ausstattung, bei der man außer Metering-Funktionen und vielleicht noch einem Trittschallfilter nichts vermisst und kommt mit einem Signalweg daher, der mit hochwertigen Komponenten konstruiert wurde. Bei einem Straßenpreis unterhalb von 400 Euro kann man da nur sagen: Schnäppchen!

Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • Class-A-Signalweg
  • Cinemag-Übertrager
  • Klangeigenschaften
  • Preis-Leistungsverhältnis
Contra
  • kein Metering
Artikelbild
Warm Audio WA12 500 Test
Für 499,00€ bei
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Spezifikationen
  • bis zu 71 dB Gain
  • Impedanzumschaltung
  • Instrumenteneingang
  • Aufbau orientiert sich am API 312 Preamp
  • diskreter Class-A-Signalweg
  • hochwertige Cinemag-Übertrager
  • Preis: € 474,– (UVP)
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